Gemischte Signale aus dem Skytower

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Die Infektionszahlen steigen wieder und mit ihnen die Sorge vor neuerlichen strengen Lockdowns, die vielen der ohnehin bereits arg gebeutelten Volkswirtschaften wohl endgültig den Garaus machen würden. Die Eurozone gehört in diesem Zusammenhang sicher zu den größten Sorgenkindern. Neuesten Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wird der Wirtschaftseinbruch im laufenden Jahr für die 19 Mitglieder der europäischen Währungsunion nämlich auch so schon vergleichsweise heftig ausfallen: Einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 8,3 Prozent prognostiziert der IWF für 2020. Das ist zwar ein wenig optimistischer als noch in der Juni-Schätzung (minus 10,2 Prozent), dennoch ist das Minus damit immer noch signifikant größer als in den USA (minus 4,3 Prozent) und Japan (minus 5,3 Prozent).

Realkredite: Konditionen Stand 22. Oktober 2020 Quelle: Interhyp AG

Dieser alles in allem düstere Befund hat, gepaart mit den im September zum zweiten Mal infolge fallenden Verbraucherpreisen, an den Finanzmärkten zuletzt neue Begehrlichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) geweckt. Vor allem auf die Aufstockung und/oder Verlängerung des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP noch im laufenden Jahr wird dabei spekuliert. Doch was würde ein solcher Schritt zum jetzigen Zeitpunkt bringen? Zur Erinnerung: Erst im Juni war das vor gut einem halben Jahr aus der Taufe gehobene Programm schon einmal um 600 auf 1 350 Milliarden Euro angehoben worden, im selben Zug kam es zu einer Verlängerung um mindestens sechs Monate bis Ende Juni 2021. Objektiv spricht nun also viel dafür, die Füße zunächst einmal still zu halten. Einerseits deshalb, da bei geldpolitischen Instrumenten nicht automatisch die Devise "viel hilft viel" gilt, andererseits, weil der EZB ansonsten eine Rückkehr in halbwegs geordnete Bahnen ohne Not und Eile in immer weitere Ferne rücken würde. Anfang Oktober belief sich das angekaufte Volumen via PEPP auf 571,3 Milliarden Euro. Da ist also noch ausreichend Luft, um die Frage nach der Notwendigkeit einer weiteren Ausweitung stellen zu müssen.

Die Signale aus dem Frankfurter Skytower dazu waren im Vorfeld der bei Redaktionsschluss noch nicht abgehaltenen Ratssitzung vom 29. Oktober gemischt. Präsidentin Christine Lagarde ließ sich auf der IWF-Jahrestagung nicht auf das Thema festnageln, immerhin war sie sichtlich bemüht, den Ball zurück ins Feld der Fiskalpolitik zu spielen. Sei warnte insbesondere vor einem zu frühen Auslaufen von staatlichen Krisenhilfen wie Staatsbürgschaften und Kurzarbeiterregelungen. In dieselbe Kerbe schlugen EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die jeweils eine rasche Umsetzung des europäischen Corona-Wiederaufbaufonds im Volumen von 750 Milliarden Euro anmahnten. Dagegen deutete unter anderem EZB-Chefvolkswirt Philip Lane an, dass die EZB bereit sei, zeitnah nochmals nachzulegen.

Uneinigkeit herrscht unterdessen auch hinsichtlich einer Kernfrage zur künftig womöglich "grüneren" Ausrichtung der Geldpolitik: Sollte die EZB hierbei von dem bislang eigentlich unumstößlichen Prinzip der Neutralität bei Anleihekäufen abrücken? Eine solche Abkehr würde letztlich eine Bevorzugung von Anleihen nachhaltig(er) wirtschaftender Unternehmen implizieren und könnte zugleich als Beitrag der EZB im Kampf gegen den Klimawandel gedeutet werden. Sowohl Lagarde als auch Schnabel, die die Fähigkeit der Märkte zur angemessenen Bepreisung von Klimarisiken anzweifeln, haben dafür in den vergangenen Wochen noch einmal ihre Sympathien bekundet. Wiederum ist es vor allem Jens Weidmann, der anderer Ansicht ist: Er steht dabei nicht nur zum Prinzip der Marktneutralität, sondern erinnert auch immer wieder daran, dass sich die EZB nicht selbst mit Aufgaben überfordern dürfe - seien diese auch noch so edel. Und ein Blick auf die Diskrepanz zwischen Inflationsziel und -entwicklung genügt, um das zu verstehen: Dieser seit Jahren geführte Kampf gegen Windmühlen zeigt, dass die EZB allein mit dieser Aufgabe schon mehr als genug ausgelastet ist. ph

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