Die Spannung steigt

Realkredite: Konditionen Stand 19. April 2021 Quelle: Interhyp AG

Steigende Inflationsraten und -erwartungen, dynamisches Geldmengenwachstum, rekordhohe Staatsschulden und blasenähnliche Zustände an den Aktienmärkten - all diese Faktoren geben Anlass darüber nachzudenken, ob Notenbanken rund um den Globus nicht doch langsam aber sicher den Fuß mal wieder ein wenig vom Gaspedal nehmen sollten.

Realkredite: Konditionen Stand 19. April 2021 Quelle: Interhyp AG

Mit Blick auf die Europäische Zentralbank (EZB) wäre der erste Schritt in diesem Kontext sicherlich ein glaubwürdiger und verbindlicher Exit-Plan für das als Antwort auf die Corona-Krise aufgelegte Anleihekaufprogramm "Pandemic Emergency Purchase Programme" (PEPP). Auf der jüngsten Ratssitzung vom 22. April wurde allerdings schnell deutlich, dass man davon derzeit noch meilenweit entfernt ist.

So betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Unsicherheiten und die kurzfristigen Abwärtsrisiken für die europäische Wirtschaft. Entsprechend bemüht war sie, eine Tapering-Diskussion zu PEPP direkt im Keim zu ersticken: "Wir haben nicht über ein Auslaufen von PEPP diskutiert, weil es einfach verfrüht ist", so Lagarde im Rahmen der anschließenden Pressekonferenz. Auch die Inflationsrisiken wurden abermals kleingeredet, die EZB rechnet für die kommenden zwei Jahre unverändert lediglich mit Inflationsraten in Höhe von 1,2 beziehungsweise 1,4 Prozent.

Stattdessen erneuerte sie ihr Versprechen alles zu tun, um für anhaltend günstige Finanzierungsbedingungen in der Eurozone zu sorgen. Der EZB-Rat geht deshalb davon aus, dass die Ankäufe im Rahmen des PEPP im laufenden Quartal weiterhin in einem "deutlich höheren Tempo" als in den ersten Monaten des Jahres erfolgen werden, getreu dem Motto "Lieber zu viel geldpolitische Unterstützung als zu wenig".

Die Tauben geben somit nach wie vor klar den Ton im EZB-Rat an. Das könnte sich im Laufe der zweiten Jahreshälfte aber ein Stück weit ändern. Denn zum einen wird die Inflationsrate in der Eurozone im zweiten Halbjahr zeitweise deutlich über 2 Prozent liegen, und zum anderen sollte die wirtschaftliche Erholung nicht zuletzt dank steigender Impfquoten weiter an Fahrt aufnehmen.

Einen Vorgeschmack darauf gab jüngst etwa der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in der Eurozone. Dieser ist im April überraschend deutlich auf 63,3 Punkte geklettert und hat damit sogar ein neues Allzeithoch erreicht. Zugleich handelt es sich bereits um den zehnten Monat in Folge, in dem die Zeichen mit einem Wert über 50 Zählern auf Expansionskurs stehen.

Der als Falke geltende niederländische Zentralbankchef Klaas Knot nahm diesen Hoffnungsschimmer zum Anlass, um einen ersten Testballon steigen zu lassen. So argumentierte er, dass sich die Wirtschaft im Euroraum auf Kurs für eine kräftige Erholung im Jahresverlauf befände. Dies wiederum erlaube es der EZB, schon ab dem dritten Quartal 2021 die PEPP-Käufe langsam herunterzufahren und schließlich im März 2022 auslaufen zu lassen. Noch hielt sich der Zuspruch dafür in Grenzen, doch es gibt seit kurzem bekanntlich noch ein weiteres, gewichtiges Argument: Die Richter am Karlsruher Bundesverfassungsgericht haben am 21. April grünes Licht für den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU gegeben. Bereits in wenigen Wochen wird damit eine mächtige Instanz an die Seite der EZB rücken, um dem immer größer werdenden Schuldenberg halbwegs Herr zu werden.

Die Entscheidungsfindung im EZB-Rat dürfte in den kommenden Monaten also erheblich konfliktreicher werden. Erschwerend hinzu kommt, dass die große strategische Überprüfung der eigenen Geldpolitik derzeit bekanntlich noch voll im Gang ist und bis Herbst (voraussichtlich im September) abgeschlossen sein soll. Hier existieren zusätzliche Reibungspunkte zwischen den Tauben und Falken im Rat. Die nächsten Monate versprechen also definitiv spannend zu werden. ph

Noch keine Bewertungen vorhanden


X