Spürbare Verunsicherung

Realkredite: Konditionen Stand 19. April 2018 Quelle: Dr. Klein Privatkunden AG

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Waren viele wichtige konjunkturelle Stimmungsindikatoren weltweit im Jahr 2017 noch von Höchststand zu Höchststand geeilt und hatten für gute Laune gesorgt, so haben sie mit Jahresbeginn 2018 schlagartig den Rückwärtsgang eingelegt. Der von der Europäischen Kommission ermittelte Economic Sentiment Indicator (ESI) etwa, der das Wirtschaftsklima für die Eurozone ermittelt, erlebte im März bereits den dritten Rückgang in Folge. Ein identisches Bild gibt es beim Einkaufsmanagerindex (EMI) zu verzeichnen. Und auch der unter Finanzakteuren erhobene Sentix-Konjunkturindex sank für den Euroraum im April deutlich auf 19,6 (24,0) Punkte. Der Erwartungsindex lag dabei mit minus 1,5 (plus 4,3) Punkten erstmals seit Juli 2016 wieder im negativen Bereich. Trotz der Ausnahmeregelungen von Importzöllen für europäische Unternehmen hinterlässt der teils rüpelhafte Umgang Donald Trumps mit Verbündeten und Handelspartnern ganz offensichtlich erste Spuren in den Stimmungsbildern für die Eurozone.

Auch die spezifisch für die deutsche Volkswirtschaft erhobenen Frühindikatoren trübten sich zuletzt merklich ein. So fiel der ifo-Geschäftsklimaindex im März zum zweiten Mal in Folge auf den tiefsten Wert seit Januar 2017. Die von den Finanzmärkten stark beachteten ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland gaben im April nochmals deutlich von plus 5,1 im März auf minus 8,2 Saldenpunkte nach. Darüber musste ausgerechnet in der Paradedisziplin der deutschen Unternehmen ein herber Rückschlag hingenommen werden: Die Exporte fielen im Februar laut dem Statistischen Bundesamt um 3,2 Prozent gegenüber dem Vormonat und damit so kräftig wie seit 2015 nicht mehr. Gleichwohl ist das noch kein Grund, das Ende vom Aufschwung für Deutschland oder die Eurozone auszurufen. Dass die Stimmungsindikatoren angesichts ihrer oftmals rekordhohen Niveaus nun Federn lassen mussten, erscheint normal. Die aktuelle Wirtschaftslage wird meist nach wie vor als sehr gut beurteilt. Bestätigt wird dies beispielsweise durch die unverändert positive Entwicklung am europäischen Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote in der Eurozone ist im Februar auf 8,5 Prozent zurückgegangen.

Die Notenbanken werden die derzeitigen handels- und geopolitischen Krisenherde dennoch umtreiben. Auch das Mitte April veröffentlichte Protokoll der EZB-Märzsitzung deutete bereits auf die gestiegenen Sorgen der Währungshüter vor einem möglichen Handelskrieg hin. Ob die noch im Monat zuvor leise zu vernehmenden Töne eines vorsichtigen Ausstiegs aus der ultraexpansiven Geldpolitik damit schlagartig verstummen werden? Das Anleihekaufprogramm läuft bekanntlich im September 2018 aus - das sind gerade einmal noch fünf Monate. Trotzdem ist bislang völlig unklar, ob beziehungsweise wie lange und in welchem Umfang es verlängert wird. Hier sollte die EZB möglichst zeitnah für Klarheit sorgen. Die bei Redaktionsschluss noch nicht abgehaltene Zinssitzung vom 26. April könnte (und sollte) diesbezüglich neue Erkenntnisse geliefert haben. Eine wichtige Entscheidungskomponente entwickelte sich zuletzt übrigens wieder im Sinne der EZB: Der Abwärtstrend bei der Inflation in der Eurozone konnte im März gestoppt werden. Mit 1,3 Prozent lag sie über dem Februarwert (1,1 Prozent) und steuert somit wieder in Richtung des Zielwerts von 2,0 Prozent.

Genau wie die EZB peilt auch die Bank of England (BoE) eine Inflation von 2,0 Prozent an und verfehlt diese ebenfalls seit geraumer Zeit - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. So stiegen die Verbraucherpreise im Dezember 2017 und Januar 2018 um jeweils 3,0 Prozent zu den Vorjahresmonaten, im November 2017 waren es sogar 3,2 Prozent. Zuletzt entspannte sich die Lage aber ein wenig: Im März lag die Inflation bei nur noch 2,5 Prozent. Der unmittelbare Druck auf die BoE, im Rahmen ihrer anstehenden Sitzung Mitte Mai zu handeln, sank dadurch etwas. Zur Erinnerung: Im November 2017 hatte die BoE aufgrund des Inflationsdrucks den britischen Leitzins ("Bank Rate") erstmals seit zehn Jahren auf 0,5 Prozent angehoben. Und viele Beobachter glauben trotz der gesunkenen Inflation weiter fest an den nächsten Zinsschritt im Mai. Damit würden sich Kontinentaleuropa und Großbritannien also auch mit Blick auf die geldpolitische Ausrichtung immer weiter voneinander entfernen. ph

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