FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

AUFBAU EINER EFFIZIENTEN SYSTEMLANDSCHAFT IM IMMOBILIENLEBENSZYKLUS

Matthias Mosig, Foto: TÜV Süd

Die Verheißungen neuer Technologien und Anwendungen sind gerade auch im Kontext des Gebäudebetriebs groß. Allerdings stellt sich in der Praxis dann oftmals schnell die Frage, wie die vielen Einzellösungen sinnvoll miteinander verzahnt werden können. Der folgende Beitrag beleuchtet potenzielle Ansätze zur Lösung dieses Dilemmas. Eine mögliche Lösung sieht der Autor in neuen Plattformansätzen, die über offene Schnittstellen verschiedene Apps aus einem App-Shop anbieten. Hier forme sich der Markt aber erst schrittweise. Red.

Das Thema Digitalisierung betrifft viele Branchenvertreter im Immobilienbereich und Facility Management in unterschiedlicher Ausprägung. In Abhängigkeit des eigenen digitalen Reifegrades stehen Unternehmen vor der Ersteinführung, dem weiteren Ausbau oder der Veränderung und Ablösung ihrer Systemlandschaft. Bezogen auf die Organisation des Gebäudebetriebes decken sich, unabhängig von Beweggründen und Auslösern, sehr häufig die Zielstellungen, die durch eine geeignete Digitalisierungsstrategie unterstützt werden sollen.

Aus Sicht des Eigentümers sollen in erster Linie die Betreiberverantwortung wahrgenommen sowie die Funktionsfähigkeit und der Werterhalt gesichert werden. Ferner geht es um die Erfüllung des Mieter- und Nutzerbedarfs und die bedarfsgerechte Bereitstellung von Anzahl und Ausstattung der für das Kerngeschäft benötigten Flächen. Budgets sollen dabei eingehalten, Kosten gesenkt und Erträge gesteigert werden. Des Weiteren spielt die Digitalisierung auch bei der Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien eine entscheidende Rolle, um Transparenz hinsichtlich der Erfüllung der ESG-Kriterien zu schaffen und die erforderlichen Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen.

Bei der Planung und Errichtung eines Gebäudes kommt der BIM-Planungssoftware (Building Information Modeling) in Verbindung mit BIM-CDE (Common Data Environment)-Anwendungen für die kollaborative und integrierte Zusammenarbeit aller Beteiligten eine entscheidende Funktion zu. Durch BIM-Model-Checker und Simulationssoftware kann die Planungsqualität überprüft und rechtzeitig mit Blick auf die Betriebsphase optimiert werden.

Fortlaufender Softwareeinsatz

Mit der geeigneten BIM-Software können ferner durch Generative-Design-Ansätze die Flächenlayouts perfekt an die späteren Kerngeschäftsprozesse angepasst werden. Durch Wartungsraumanalysen im BIM-Modell und eine Sicherstellung der Zugänglichkeit aller wartungsrelevanten und prüfpflichtigen Anlagen lässt sich eine effiziente Instandhaltungsabwicklung umsetzen.

Die für die Betriebsphase relevanten Ergebnisse werden dann in die Immobilienmanagement- oder CAFM (Computer Aided Facility Management)-Software übernommen. In diesen Lösungen setzen Prozesse wie Flächenmanagement, Instandhaltung oder Miet- und Nebenkostenabrechnung auf den Stammdaten der Planung oder aus einer Bestandsdatenerfassung auf und werden digital unterstützt.

Die Verzahnung mit IoT (Internet of Things)- Plattformen und deren Sensoren ermöglicht in Verbindung mit Datenanalysen und Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Machine-Learning-Ansätzen einen bedarfsgerechten, vorausschauenden und fortschreitenden autonomen Betrieb des Gebäudes. Durch Virtual oder Augmented Reality können fundiertere Entscheidungen getroffen, Fehler schneller erkannt und zum Beispiel Instandhaltungsprozesse durch Remote Assist oder Remote Control optimiert werden.

Individuelle Ausgestaltung im Einzelunternehmen

Trendstudien wie der CAFM-Trendreport der GEFMA (German Facility Management Association) zeigen, dass die Digitalisierung der Prozesse im Instandhaltungsmanagement und Flächenmanagement am meisten verbreitet ist. Doch die Potenziale im jeweiligen Einzelunternehmen hängen sehr stark von der Komplexität der Prozesse, der Anzahl der beteiligten Personen und organisatorischen Schnittstellen sowie von Art und Größe des zu verwaltenden Portfolios ab.

Für große Unternehmen mit einem großen Portfoliobestand, vielen Veränderungsaktivitäten wie Neubau, Umbau, Sanierung oder Instandsetzungsmaßnahmen durch viele, oft regional verstreute Beteiligte und Rahmenvertragspartner lohnt sich die Integration von BIM-Planung, BIM-CDE und CAFM auch in der Betriebsphase, weil dadurch ein professionelles Datenmanagement aufgesetzt und aufrechterhalten werden kann.

Im CREM (Corporate Real Estate Management)-Umfeld dieser Unternehmen sind meist viele interne und externe Beteiligte und deren Prozesse zu verzahnen. Auch das Budgetmanagement und das Kostencontrolling mit Integration der ERP (Enterprise Ressource Planning)-Software und der CAFM-Software sind hier häufig zu berücksichtigen. Unternehmen mit wenigen oder nur einem internen FM-Mitarbeiter nutzen häufig nur einzelne Module, wie zum Beispiel den Funktionsumfang für Wartung-Prüfung-Inspektion, um in einem ersten Schritt die Wartungs- und Prüffristen nicht zu übersehen.

Für Unternehmen ohne eigene FM-Abteilung oder technisches Knowhow werden zukünftig "Rundumsorglos-Pakete" wie das Betreiberpflichtenmanagement RE von TÜV Süd immer wichtiger. Das bedeutet, dass sowohl die Nutzung von Software inklusive der Bedienung als auch Dienstleistung angemietet wird, wie etwa die Datenerfassung der technischen Anlagen, die professionelle Hinterlegung von Prüf- und Wartungsfristen und die aktive Verfolgung und Qualitätssicherung der Abwicklung der externen FM-Dienstleistung mit erforderlicher Dokumentation. Damit schafft ein solches Betreiberpflichtenmanagement die Voraussetzung, um die Betreiberverantwortung angemessen wahrnehmen zu können.

Das Immobilienmanagement aus Sicht des Asset und Property Managements basiert häufig noch auf sehr spezialisierten Systemen inklusive Stammdatenverwaltung, Mietmanagement, Objektbuchhaltung oder Miet- und Nebenkostenabrechnung. Diese Welt verbindet sich mit Blick auf die Durchgängigkeit und Abhängigkeit der Datenflüsse und Prozesse immer mehr mit Anwendungen aus dem Facility Management oder - durch Mieter Apps - auch in Richtung Nutzer/Mieter. Doch um diese Entwicklung zu bewältigen, müssen viele Immobilieneigentümer und -verwalter noch eine zentrale und strukturierte Ablage von digitalen Dokumenten und Informationen auf einem Dokumentenmanagementsystem umsetzen, auf das alle internen und externen Beteiligten Zugriff haben.

CAFM in der Lebenszyklusbetrachtung Quelle: : TÜV SÜD Advimo GmbH

Plattformansätze und neue Ökosysteme

Viele neue Technologien und Anwendungen aus dem Umfeld von IoT, Künstlicher Intelligenz/Machine Learning oder Augmented Reality und mit dem Fokus auf Benutzerfreundlichkeit, Open Source und Standardisierung ausgerichtete Anwendungen für gängige Prozesse sind als Einzellösungen mit offenen Standardschnittstellen durch die Proptech- und Startup-Bewegung verfügbar. Nun gilt es, diese Lösungen auf leistungsfähigen Plattformen mit offenen Standardschnittstellen sinnvoll zu verzahnen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die auf dem Mehrwert der Sammlung und Analyse von Massendaten basieren.

Erst dann macht es für den einzelnen Anwender wirklich Sinn, die eigene, in sich abgeschlossene Systemwelt nach außen zu öffnen oder diese Welt zu verlassen. Neue Sourcingmodelle auf Provisionsbasis oder hersteller- und baujahrbezogene Predictive-Maintenance-Analysen sind dadurch möglich. In Zukunft werden sich Gebäude und technische Anlagen bis zu einem gewissen Grad als Connected oder Autonomous Buildings eigenständig steuern und damit durch den Fachkräftemangel entstandene Lücken in einigen Teilbereichen schließen.

Viele neue Ansätze verfolgen das Plug & Play Prinzip. Der Anwender möchte sich nicht mit komplexen IT-Projekten und neuen Rollen für die Aufrechterhaltung dieser Systemumgebung beschäftigen. Idealerweise greift er nur noch auf Dashboards als Entscheidungsgrundlage und auf Maßnahmenempfehlungen zu. Das System dockt sich an die Gebäudesensorik oder die GLT an, Abläufe und Analysen für eine bedarfsgerechte Serviceabwicklung sind standardisiert hinterlegt und der Auftraggeber entscheidet nur noch, wer als Dienstleister geschult werden muss, um das System bedienen zu können.

Das wäre wirklich Software as a Service als Rundumsorglos-Paket. Der Immobilieneigentümer und -verwalter würde sich nur noch Entscheidungsvorlagen einkaufen, um Rechtssicherheit, Funktionsfähigkeit, Werterhalt, Produktivität, Behaglichkeit und Nachhaltigkeit sicherzustellen. Dann ist die Digitalisierung wirklich Mittel zum Zweck und wird nicht nur um ihrer selbst willen eingeführt.

Säulendenken wird immer weiter aufgebrochen

Auch wenn die Lösungen in einzelnen Kategorien wie BIM, Immobilienmanagement oder CAFM sich relativ homogen bezüglich ihres Funktionsumfanges darstellen, wird das bisherige Säulendenken sowohl organisatorisch als auch systemtechnisch immer weiter aufgebrochen und die Prozesse und damit auch die Anforderungen an die Funktionsumfänge wachsen immer weiter zusammen. Ergänzend haben wir eine große Dynamik an neuen Teillösungen aus dem Proptech-/Startup-Umfeld, die sich technologisch und hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit abheben, aber oft nur funktionale Teilbereiche abdecken.

Anwender müssten die Integration dieser vielen Teillösungen selbst durchführen oder Prozessbrüche in Kauf nehmen. Eine mögliche Lösung sind neue Plattformansätze, die über offene Schnittstellen verschiedene Apps aus einem App-Shop anbieten. Hier formt sich der Markt aber erst schrittweise. Deshalb empfiehlt es sich nach wie vor, mit erfahrenen Experten, die auch den Mehrwert für den Anwender und die Marktreife der Anbieterlösungen beurteilen können, den idealen Mix an Softwareanwendungen zu identifizieren und die geeignete Implementierungsstrategie zu definieren.

Matthias Mosig , Prokurist und Head of Digital Transition, TÜV SÜD Advimo GmbH, München

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X