MIPIM-SPECIAL

DER AUFSTIEG CHINAS AUF DEM GLOBALEN IMMOBILIENMARKT

Dr. Peter Hayes, Foto: PGIM Real Estate

Das Drama um den Projektentwickler Evergrande mag die kurzfristigen Perspektiven für den chinesischen Immobilienmarkt trüben, langfristig wird man an ihm aber nur schwerlich vorbeikommen. Denn allein bis 2030 wird der chinesische Immobilienbestand nach Einschätzung des Autors um voraussichtlich fast 6,0 auf 9,7 Billionen US-Dollar anwachsen. Mit einem investierten Bestand von dann 1,8 Billionen US-Dollar könnte das Reich der Mitte zudem an Japan und Großbritannien vorbeiziehen und der zweitgrößte Immobilieninvestitionsmarkt der Welt werden. Red.

Eine aktuelle Studie von PGIM Real Estate aus dem Dezember 2021 zeigt die Entwicklung des weltweiten Immobilienbestandes. Klarer Gewinner in den nächsten Jahren wird China sein. Aber auch in Deutschland dürfte sich das Volumen aufgrund der wachsenden Nachfrage von institutionellen Anlegern stark erhöhen.

Dabei macht Deutschland zusammen mit den USA, China, Japan und Großbritannien etwa 60 Prozent der weltweiten investierbaren Bestände aus. Ergänzt um Frankreich, Italien, Kanada, Südkorea und Australien beträgt der Anteil der Top 10 knapp 77 Prozent. Zugleich haben die schwächsten 40 Länder einen Anteil von weniger als 19 Prozent am Weltmarkt, der Ende 2020 Bestände von etwa 31,1 Billionen US-Dollar umfasste.

Stark wachsender Bestand

Die Verteilung der Bestände konzentriert sich somit nach wie vor stark auf einige wenige Industrieländer, vor allem auf die USA mit einem Anteil von 30 Prozent, gefolgt von China mit aktuell etwa 12 Prozent. Dieser Fokus auf zwei Hauptmärkte sollte bis Ende 2030 sogar auf rund 45 Prozent wachsen.

Während der Wert in den USA dabei um 5,1 Billionen auf 14,5 Billionen US-Dollar steigen dürfte, könnte das Wachstum in China deutlich stärker ausfallen und insgesamt 30 Prozent des weltweiten Anstiegs abbilden. Konkret wird der chinesische Bestand bis 2030 vermutlich um fast 6,0 auf insgesamt 9,7 Billionen US-Dollar anwachsen (siehe Abbildung 1). Das entspricht mehr als dem Zweieinhalbfachen seines derzeitigen Wertes. Bis Ende 2040 soll er sogar auf 19,2 Billionen US-Dollar steigen, sich also verfünffachen, und damit nur mehr knapp unter dem Wert in den USA liegen (21,2 Billionen US-Dollar).

Abbildung 1: Geschätzte jährliche Wachstumsraten (in Prozent) und Umfang des investierbaren Immobilienvermögens 2020 versus 2030 (in Milliarden US-Dollar) Quelle: PGIM Real Estate

Investierbar versus investiert

Mit dem wachsenden Einfluss Chinas wird sich auch die regionale Verteilung des investierbaren Bestands weiter verändern. Der asiatisch-pazifische Raum dürfte bis 2030 die größte regionale Konzentration investierbarer Immobilien aufweisen, mit einem Anteil von 37 Prozent am weltweiten Bestand, gegenüber 31 Prozent im Jahr 2020. Zugleich wird der europäische Anteil auf 28 (2020: 30) Prozent und der gemeinsame Anteil der USA und Kanadas auf 30 (2020: 33) Prozent sinken.

Neben den investierbaren Beständen sind für Immobilieninvestoren auch die investierten Bestände von großer Bedeutung, das heißt hochwertige, institutionelle Immobilien, die tatsächlich gehandelt werden. Die Unterscheidung zwischen investierbaren und investierten Beständen ist auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen. Darunter fallen rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für den Immobilienbesitz ebenso wie kulturelle Gepflogenheiten und Werte, Präferenzen und historische Präzedenzfälle.

All diese Aspekte können die Entwicklung von Immobilieninvestitionen im Laufe der Zeit fördern oder hemmen. Zusammengenommen hängen sie weitgehend mit der Offenheit, dem Reifegrad und der Größe des Finanzmarktes des jeweiligen Landes zusammen. So haben Länder mit offeneren und ausgereifteren Finanzmärkten tendenziell auch größere Immobilieninvestitionsmärkte. In den meisten Ländern besteht eine hohe Korrelation zwischen der Offenheit der Finanzmärkte, dem Einkommen und der Produktivität, die im Großen und Ganzen durch das Pro-Kopf-BIP charakterisiert wird.*

Tatsächlich sagt der investierbare Bestand also nicht aus, was Anleger auf dem heutigen Markt erwerben können, sondern er zeigt vielmehr das Potenzial eines Marktes. Es kann große Unterschiede zwischen dem Umfang der investierbaren Bestände und der Größe des Investitionsmarktes geben. Im Schnitt werden so beispielsweise nur 38 Prozent der hochwertigen, institutionellen Bestände in den 32 wichtigsten Ländern derzeit an den Anlagemärkten gehandelt. In den USA sind es dabei 39 Prozent, in China nur 17 Prozent. In der Schweiz und in Hongkong liegt der Wert dagegen bei nahezu 100 Prozent (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Investierbare und investierte Bestände nach Ländern 2020 (in Milliarden US-Dollar) Quelle: PGIM Real Estate

Ende 2020 belief sich der weltweit investierbare Immobilienbestand auf 26,8 Billionen Euro. Bis zum Jahr 2040 soll dieser Wert um durchschnittlich 5,2 Prozent pro Jahr auf mehr als 73,4 Billionen Euro steigen. In Deutschland wird der investierbare Bestand für Ende 2020 auf 1,5 Billionen Euro geschätzt, was ungefähr dem 2,5-Fachen des tatsächlich gehandelten Volumens entspricht. Er dürfte in den nächsten zwei Jahrzehnten auf rund 3 Billionen Euro ansteigen. Damit rangiert der deutsche Markt bei den weltweit investierbaren Immobilienbeständen auf Platz 4.

Der Wert der investierten Bestände ist dabei für Investitionsentscheidungen, insbesondere auf kurze Sicht, von größerer Bedeutung. Für Anleger, die ein globales Immobilienportfolio aufbauen wollen, könnte der alleinige Rückgriff auf den investierbaren Bestand jedoch zu Fehlallokationen nach Sektoren und Regionen führen und damit die Renditeentwicklung beeinträchtigen.

Günstigere Prognosen für Asien

Vor allem in Schwellenländern wird der investierte Bestand in den nächsten 20 Jahren schneller wachsen als der investierbare Bestand. Bis 2030 wird er voraussichtlich auf mehr als 23 Billionen US-Dollar und bis 2040 sogar auf über 43 Billionen US-Dollar anwachsen. Dies entspricht einer Wachstumsrate von 7 Prozent pro Jahr. Dieses Szenario für Schwellenländer kündigt sich bereits im asiatisch-pazifischen Raum an. Hier wird aktuell ein schnelleres Wirtschaftswachstum erwartet als für andere Regionen.

Der relative Wohlstand der asiatischen Länder wird sich zwar verbessern, allerdings weisen viele asiatische Länder ein niedriges Pro-Kopf-BIP auf. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass große Teile ihrer Bevölkerung aktuell weder Zugang zu institutionellen Immobilien haben noch Bedarf an diesen. Diese Situation wird sich jedoch ändern, wenn der Wohlstand auf ein Niveau steigt, das dem der Industrieländer entspricht. Anders gesagt: In dem Maße, in dem sich die Länder entwickeln, wohlhabender werden und Zugang zu offeneren Finanzmärkten erhalten, werden mehr und mehr investierbare Bestände zu investierten Beständen.

Der asiatische Investitionsmarkt wird so bis 2040 voraussichtlich viermal so groß sein wie heute und damit etwas größer als in Europa. Die USA werden zu diesem Zeitpunkt jedoch weiterhin den Markt für investierte Immobilien dominieren. China wiederum wird vermutlich mit einem investierten Bestand von 1,8 Billionen US-Dollar im Jahr 2030 Japan und Großbritannien überholen und damit der zweitgrößte Immobilieninvestitionsmarkt der Welt werden.

Wohnimmobilien: Preisrally gefährdet Erschwinglichkeit

Neben einem rasant wachsenden Immobilienbestand steigen in China auch die Preise für Wohnimmobilien deutlich. Die Haupttreiber des chinesischen Wohnungsmarktes sind seit Jahren schon ein starkes Wirtschaftswachstum, eine rasche Urbanisierung und eine expansive Demografie.

Die Hauspreise in den 70 größten Städten Chinas sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten um durchschnittlich 8 Prozent pro Jahr gestiegen. Da diese jedoch viel schneller steigen als die Haushaltseinkommen, gehört der chinesische Wohnungsmarkt heute zu den unerschwinglichsten der Welt, wobei das Verhältnis zwischen dem Medianhauspreis und dem Medianhaushaltseinkommen in den Top-Tier-1-Städten das 40- bis 50-Fache beträgt.

Auch der Mietwohnungsmarkt in China erfährt seit rund zehn Jahren ein rasches Wachstum, wofür vor allem die abnehmende Erschwinglichkeit von Wohnraum verantwortlich sein dürfte. Die jährlichen Ausgaben für Mietwohnungen in Chinas Tier-1-Städten stiegen von 2010 bis 2020 um das 2,5-Fache, was mehr als das Doppelte der Wachstumsrate in anderen asiatischen Großstädten ist. Hinzu kommt der Mangel an öffentlichem Wohnraum sowie das mangelnde Interesse des Privatsektors an erschwinglichen Wohnungen - vor allem aufgrund der hohen Grundstückspreise. All diese Faktoren lassen in den kommenden Jahren einen weiteren Anstieg der Nachfrage nach Mietwohnungen erwarten.

Im Gegensatz zu den etablierten Mietwohnungsmärkten in den USA und Japan befindet sich der Großteil der Mietwohnungen in China in privatem und individuellem Besitz. Der Mietwohnungsmarkt stellt eine große Chance für Investoren dar, die Lücke des institutionellen Anteils am boomenden Mietwohnungsmarkt zu füllen.

* Siehe beispielsweise: Financial Openness and Productivity, Bekaert, G., Harvey, C.R. and Lundblad, C., World Development, vol 39, issue 1, January 2011, 1-19.

Peter Hayes , Global Head of Investment Research , PGIM Real Estate, London

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