Baukostenentwicklung im Wohnungsbau - Stand und Ausblick

Abbildung 1: Baukostenentwicklung 2000 bis 2013 Quellen: Statistisches Bundesamt, Controlling ARGE eV und Erhebungen in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der zentralen gesellschaftlichen Aufgaben in Deutschland. Die Rahmenbedingen hierfür, insbesondere für den Neubau von Wohngebäuden - vor allem im mittleren Preissegment - haben sich in der letzten Zeit allerdings deutlich verschlechtert. Der Autor zeigt aber anhand von Beispielen auf, dass es möglich ist, qualitativ angemessenen und nachhaltig nutzbaren Wohnraum zu schaffen. Gleichzeitig beschreibt er an diesen realisierten Projekten, welche technischen und funktionalen Grundvoraussetzungen für einen kostenoptimierten Wohnungsbau gelten. So lässt sich ableiten, welche Auswirkungen weitere Standardanhebungen oder gesetzliche, normative und kommunale Auflagen auf die Baukosten haben. Red.

In einer umfassenden Untersuchung und Umsetzungsbetrachtung1) zum bautechnisch und kostenoptimierten Mietwohnungsbau in Deutschland hat sich die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. eingehend mit der systematischen Daten- und Baukostenanalyse von fertiggestellten Neubauvorhaben beschäftigt. Die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Untersuchung beziehen sich auf den optimierten Wohnungsbau im mittleren Preissegment mit gutem Wohnkomfort (Geschosswohnungsneubau) in Deutschland.

Durch die genaue Definition eines repräsentativen Wohngebäudetyps (Typengebäude MFH) wurde das Fundament für eine erstmals einheitliche Bewertungsbasis geschaffen. Aus den statistischen Erkenntnissen und allgemeinen Marktbeobachtungen zum Wohnungsbau insbesondere zum Mietwohnungsbau in Deutschland wurden in Verbindung mit bedarfsgerechten Ansätzen (Werte und Kenntnisse aus dem Bau- und Kostencontrolling der ARGE2) die Rahmendaten für das Typengebäude MFH definiert.

Das Typengebäude MFH ist ein freistehendes, kleines bis mittleres Mehrfamilienhaus im mittleren Qualitätssegment mit zwölf Wohnungen mit einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von zirka 73 Quadratmetern und Wohnungen die überwiegend drei bis vier Wohnräume je Wohneinheit umfassen.

Baukostenentwicklung 2000 bis 2013

Die Brutto-Baukosten sind im Betrachtungszeitraum moderat, weitestgehend analog zu den Lebenshaltungskosten (Inflation beziehungsweise Teuerungsrate), gestiegen. Während sich die Brutto-Baukosten3) im Wohnungsbau um etwa 25 Prozent erhöht haben, lag die Steigerung der Lebenshaltungskosten mit zirka 24 Prozent nur minimal unterhalb dieses Wertes. Hingegen liegen die Brutto-Modernisierungskosten im Wohnungsbau mit rund 30 Prozent deutlich über dem Niveau der allgemeinen Lebenshaltungskosten. Insbesondere bei den Gewerken, die im direkten Zusammenhang mit der technischen Gebäudeausstattung (zum Beispiel Heiz-, Wassererwärmungs- und Lüftungsanlagen) stehen, wurden überdurchschnittliche Kostensteigerungen in Höhe von über 50 Prozent festgestellt.

Für die übrigen Gewerke wurden hingegen keine Anzeichen gefunden, dass der Markt auf die allgemeinen Veränderungen (zum Beispiel Entwicklung der Baustoffpreise) mit überproportionalen Kostensteigerungen reagiert hätte. Lediglich bei den besonders rohstoffabhängigen Gewerken (zum Beispiel Stahl- oder Metallbau) ist es ebenfalls zu einer überdurchschnittlichen Kostensteigerung gekommen. Die Abbildung 2 verdeutlicht, dass es bei der Baukostenverteilung in den letzten Jahren zu einer grundlegenden Verschiebung zwischen den Bereichen Rohbau und Ausbau gekommen ist. Stellte der prozentuale Kostenanteil für den Rohbau im Jahr 2000 mit 53,7 Prozent noch den Schwerpunkt dar, fällt dieser Wert im Jahr 2014 mit 45,9 Prozent deutlich unter die 50-Prozent-Marke. Analog hierzu belief sich der prozentuale Kostenanteil für den Ausbau im Jahr 2000 auf lediglich 46,3 Prozent und stieg im Jahr 2014 bis zur heutigen Höchstmarke von 54,1 Prozent. Somit machen die Ausbaugewerke inklusive der haustechnischen Gewerke im Vergleich zu den Rohbaugewerken mittlerweile den höheren Kostenanteil aus.

Für den starken Anstieg des prozentualen Kostenanteils bei den Ausbaugewerken konnten unter anderem ansteigende Ansprüche, Anforderungen und Auflagen im technischen Bereich als Hauptgründe festgestellt werden. Insbesondere bei den Gewerken, die im direkten Zusammenhang mit der technischen Gebäudeausstattung (zum Beispiel Heiz-, Wassererwärmungs- und Lüftungsanlagen) stehen, wurden seit dem Jahr 2000 überdurchschnittliche Kostensteigerungen in Höhe von über 50 Prozent festgestellt. Eine der Ursachen sind grundsätzlich höhere Vorgaben durch gesetzliche Auflagen an Effizienz beziehungsweise primärenergetische Kenndaten wie beispielsweise die Energieeinsparverordnung.

Baukostenstand 2014

Auf Grundlage des vorstehend definierten Typengebäudes MFH wurden eine Vielzahl von Berechnungen durchgeführt, die eine energetische Bilanzierung und Beschreibung der nach aktueller Energieeinsparverordnung [EnEV 2014] ab 1. Januar 2016 [EnEV ab 2016] notwendigen Gebäudehülle unter Berücksichtigung verschiedener Varianten der Anlagentechnik in Bezug auf den optimierten Wohnungsbau in Deutschland ermöglichen.

Die Grundkosten des Typengebäudes MFH in seiner Grundvariante liegen zwischen 1346 und 1527 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (Abbildung 3). Bei Ansatz der Gesamtwohnfläche mit 880 Quadratmetern entspricht dies Kosten zwischen 1184 480 und 1343 760 Euro für die reinen Bruttobaukosten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde auch analysiert, ob derzeit Kostenunterschiede in Bezug auf die Marktlage in den verschiedenen Wohnungsbauregionen4) in Deutschland vorhanden sind. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass zwischen den ländlichen Regionen, den Metropolregionen und städtischen Regionen sowie den Top-Standorten insgesamt deutlich unterschiedliche Kostenspannen und Median-Werte vorhanden sind (Abbildung 4).

Die größte Kostenspanne ergibt sich in den ländlichen Regionen. Diese liegt zwar in ihrer Tendenz und damit auch in ihrem Median-Wert (minus 8,0 Prozent) negativ, kann aber in bestimmten Gebieten Deutschlands auch positiv ausfallen. In den Metropolregionen und städtischen Regionen ist ebenfalls eine große Kostenspanne feststellbar, die aber im Gegensatz zu den ländlichen Regionen in ihrer Tendenz inklusive Median-Wert (plus 6,1 Prozent) positiv ausfällt. Noch eindeutiger ist dieser Umstand bei den Top-Standorten in Deutschland, deren Kostenspanne liegt vollständig im positiven Bereich und erreicht mit einem Median-Wert in Höhe von 20,9 Prozent ein sehr hohes Niveau.

Auflagen gefährden bezahlbaren Wohnraum

Unter anderem gestiegene Qualitätsansprüche an die Energieeffizienz und das barrierefreie Bauen, Auflagen zu Stellplätzen sowie das innerstädtische Bauen mit seinen erhöhten logistischen Anforderungen haben das kostengünstige Bauen in den letzten Jahren immer weiter beeinträchtigt. Beispielsweise hat ein innerstädtisches Typengebäude MFH im Standard EnEV ab 2016 mittlerweile Baukosten ohne Grundstück von 2 422 Euro je Quadratmeter Wohnfläche (Abbildung 5). Das Pestel-Institut untersuchte auf dieser Basis5), welche Auswirkungen dies für das "Bezahlbare Bauen und Wohnen" im Neubau hat. Die Studie kam zu dem Schluss, das sich für dieses innerstädtisches Typengebäude mit den nachgewiesenen Baukosten und einem Grundstücksanteil von 576 Euro je Quadratmeter Wohnfläche bei den heute gegebenen Bedingungen eine notwendige Kaltmiete in Höhe von mindestens 10,05 Euro ergeben würde. Die Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum sind damit nicht mehr gegeben. In Wachstumsregionen beziehungsweise Ballungsgebieten, insbesondere an Top-Standorten kommt es in den letzten Jahren verstärkt zu Marktanspannungen, da der Bedarf an Wohnraum nicht mehr ausreichend durch das vorhandene Angebot an neu errichteten sowie Bestandswohnungen gedeckt werden kann. Diese Marktlage verursacht in Verbindung mit steigenden normativen Anforderungen an die Bauerstellung und das Gebäude, knappen Bauland, steigenden Erwerbsnebenkosten und einer hohen Kapazitätsauslastung insbesondere im Ausbaugewerbe einen deutlichen Anstieg der Immobilienkosten. Als Folge dessen wird es in diesen Regionen zunehmend schwieriger, kostengünstig zu bauen und somit überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In den letzten Jahren ist es nachweislich aufgrund ansteigender Anforderungen und Auflagen im technischen Bereich wie Klima-, Schall-, Brandschutz zu einer Verschiebung bei der Baukostenverteilung gekommen: Der Anteil der Ausbaugewerke inklusive der haustechnischen Gewerke an den Baukosten ist vom Jahr 2000 bis heute von 46 Prozent auf 54 Prozent gestiegen. Dieser Sachverhalt bedeutet allerdings nicht, dass sich die Kosten für die Rohbauerstellung reduziert haben, vielmehr stiegen die Kosten im Bereich Ausbau stärker als im Bereich Rohbau. Speziell die Kostenentwicklung der haustechnischen Ausbaugewerke ist in diesem Zusammenhang überproportional.

Die Untersuchungen zeigen dass die Qualitätsstandards im Hinblick auf die Baukosten inzwischen ausgereizt sind. Das Bewusstsein der Zusammenhänge zwischen Qualität und Kosten ist eine der fundamentalen Voraussetzungen des bautechnisch und kostenoptimierten Bauens. Bereits bei der Planung ist zu prüfen, ob bestimmte kostenintensive Ausführungen und Ausstattungen in der vorgesehenen Art und Weise notwendig und bedarfsgerecht sind. Diesen Betrachtungen stehen allerdings grundsätzliche Trends bei der aktuellen Nachfrageentwicklung entgegen, die sowohl im Eigentums- als auch im Mietwohnungsbau immer höhere Qualitätsansprüche aufzeigen.

Die vorliegende Untersuchung liefert detaillierte Grundlagen zu einer dezidierten Kostenbetrachtung des heutigen mehrgeschossigen Wohnungsbaus. Die umfangreichen Untersuchungen belegen die von der Bau- und Immobilienwirtschaft getroffenen Aussagen zu spürbaren Kostensteigerungen beim Bau durch gesetzliche, normative und kommunale Auflagen insbesondere in den Ballungsgebieten. Um hier mit sozialer Ausrichtung kostengünstiger bauen zu können, sind daher verbesserte Rahmenbedingungen im Bereich Steuerrecht, Förderpolitik und vergünstigte Baulandbereitstellung zwingend erforderlich.

Erfolgen keine Schritte zur Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau, ist damit zu rechnen, dass sich aufgrund abnehmender Nachfrage für hochpreisige Wohnungen die Wohnungsbautätigkeit noch in dieser Legislaturperiode rückläufig entwickelt und in Zukunft für mittlere und untere Einkommensgruppen nur noch Wohnungen unter Verzicht auf Wohnfläche beziehungsweise angemessene Ausstattung für ein energieeffizientes und altersgerechtes Wohnen angeboten werden können.

Literatur

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten; Cramer, Antje: "Optimierter Wohnungsbau - Untersuchung und Umsetzungsbetrachtung zum bautechnisch und kostenoptimierten Mietwohnungsbau in Deutschland"; Bauforschungsbericht Nr. 66, Kiel 2014.

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo: "Kostensteigernde Effekte im Wohnungsbau"; Bauforschungsbericht Nr. 65, Kiel 2013.

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Holz, Astrid; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten: "Wohnungsbau in Deutschland - 2011 Modernisierung oder Bestandsersatz, Studie zum Zustand und der Zukunftsfähigkeit des deutschen "Kleinen Wohnungsbaus"; Bauforschungsbericht Nr. 59, Kiel 2011.

Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.: Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo: "Passivhaus, Effizienzhaus, Energiesparhaus & Co - Aufwand, Nutzen und Wirtschaftlichkeit"; Bauforschungsbericht Nr. 58, Kiel 2010.

Fußnoten

1) Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (Hrsg.): Walberg, Dietmar; Gniechwitz, Timo; Schulze, Thorsten; Cramer, Antje: "Optimierter Wohnungsbau - Untersuchung und Umsetzungsbetrachtung zum bautechnisch und kostenoptimierten Mietwohnungsbau in Deutschland"; Bauforschungsbericht Nr. 66, Kiel 2014.

2) Bau- und Kostencontrolling der ARGE - seit ihrer Gründung im Jahr 1946 ist die ARGE als Bauforschungseinrichtung in Deutschland und Wohnungsbauinstitut im Auftrag des Landes Schleswig-Holstein kontinuierlich auf dem Gebiet der angewandten und wissenschaftlichen Bauforschung tätig. Hierzu gehören unter anderem die Analyse regionaler und überregionaler Bautätigkeit sowie die Erfassung von bauwirtschaftlichen Daten inklusive Baukosten und deren Zusammenhänge.

3) Laspeyres-Betrachtung: Ohne Berücksichtigung der Effekte von Mengen- beziehungsweise Ausführungsänderungen als Folge veränderter Strukturen beziehungsweise Anforderungen im Gebäudebereich.

4) Aufteilung auf Grundlage der regionalen Verteilung und Zuordnung in Bezug auf die BBSR-Immobilienmarktregionen für Wohn- und Gewerbeimmobilien in Deutschland sowie eigener Einschätzungen und Marktbeobachtungen.

5) Matthias Günther; Pestel Institut: "Mietwohnungsbau 2.0 - Bezahlbarer Wohnraum durch Neubau"; Hannover 2014.

Der Autor

Dietmar Walberg Geschäftsführer, ARGE-SH Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen GmbH, Kiel

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