BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2022

BAUSPARKASSEN ALS STRATEGISCHE PARTNER AUF DEM WEG ZUM KLIMANEUTRALEN WOHNEN

Erwin Bumberger, Foto: LBS Bayern

Während viele Branchen beim Thema Klimawandel vor allem auf die Risiken für das eigene Geschäftsmodell abstellen, schwingt bei Bausparkassen doch immer eine gehörige Portion Optimismus mit. Auch LBS-Bayern-Chef Erwin Bumberger identifiziert in der Klimaschutzagenda nicht weniger als eine "historische Chance" für seine Zunft. Im vorliegenden Beitrag skizziert er, worauf es ankommt, um das gigantische Marktpotenzial auch tatsächlich heben zu können. Red.

Fossile Energieträger sind Auslaufmodelle. Das hat die Politik in Deutschland und in Europa klar postuliert. Der Umstieg auf regenerative Energieträger soll so schnell wie möglich vollzogen werden. Um dem Klimawandel endlich wirkungsvoll zu begegnen. Aber auch, um die geopolitische Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu beseitigen, die von Ländern, die diese Rohstoffe exportieren, als Druckmittel eingesetzt werden können. Die durch den Überfall des russischen Präsidenten auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise führt brutal vor Augen, wie dringlich eine konsequente Energiewende ist. Wohneigentümer werden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Das bedeutendste Geschäftsfeld der kommenden Jahrzehnte

Die zunehmend konkreten Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel haben den Gebäudesektor längst erreicht. Um die vom Gesetzgeber festgeschriebenen CO2-Reduktionsziele für diesen Bereich einzuhalten, steht eines ganz besonders im Fokus: die energetische Sanierung des gigantischen deutschen und europäischen Altbaubestandes. Der gesellschaftliche Auftrag ist ebenso klar wie ambitioniert. Bis 2045 müssen alle Gebäude in Deutschland klimaneutral sein.

Bereits bis 2030 sollen die CO2-Emissionen im Gebäudesektor um knapp die Hälfte sinken, von derzeit rund 120 auf dann 67 Millionen Tonnen CO2. So steht es im jüngst noch einmal novellierten Klimaschutzgesetz des Bundes. Damit ist die Bundesrepublik noch etwas ehrgeiziger als die Europäische Union, die im Rahmen des "Green Deal" Klimaneutralität bis 2050 als Ziel ausgegeben hat.

Doch auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine entsprechende Anpassung der Gebäuderichtlinie beinhaltet bereits klare Vorgaben für die anstehende energetische Sanierungswelle im Gebäudesektor. Dabei soll das Prinzip "Worst first" gelten, das heißt, die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienzklasse müssen als erstes saniert werden - Wohngebäude bis 2033 von EU-Standard G auf E.

Diese kurze Beschreibung der Ausgangslage macht bereits deutlich: Für die Bausparkassen wird die Finanzierung energetischer Sanierungsmaßnahmen, die ein wesentlicher Teil der europäischen Klimastrategie sind, das vielleicht bedeutendste Geschäftsfeld der kommenden Jahrzehnte. Als die Spezialisten für Immobilienfinanzierungen können und sollten die Bausparkassen eine wichtige Rolle bei der zügigen Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor spielen und diese Chance auch für die Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells nutzen.

Abbildung 1: Altersstruktur des deutschen Wohnungsbestands (Stand 2018, in Prozent) Quelle: Helaba Research & Advisory, Statistisches Bundesamt

Energetische Altbausanierung muss erheblich beschleunigt werden

In der Klimabilanz ist der Gebäudesektor ein gewichtiger Posten und ein wesentliches Handlungsfeld. In Deutschland gehen etwa 35 Prozent des Energieverbrauchs und 30 Prozent der CO2-Emissionen auf sein Konto. Zwei Drittel des Energieverbrauchs entfallen dabei auf Wohngebäude. Allein die Gebäude der untersten deutschen Energieeffizienzklassen G und H sind für die Hälfte aller Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor verantwortlich.

Während der energetische Zustand von Neubauten in der Regel einem hohen Niveau entspricht, klafft im Bestand eine erhebliche Sanierungslücke. Mehr als 30 Millionen Wohnungen sind älter als 30 Jahre. Der Anteil am deutschen Wohngebäudebestand, der unsaniert oder nur teilsaniert ist, liegt bei 88 Prozent. Um die Klimaziele im Gebäudesektor einzuhalten, muss sich laut "Klimapfade"-Studie vom Bundesverband der Deutschen Industrie und der Boston Consulting Group die Zahl der Wohnungen, die in Deutschland pro Jahr energetisch saniert werden, bis 2030 fast verdoppeln auf knapp 800 000 Einheiten pro Jahr.

Diese Zahlen zeigen: Die energetische Sanierung des deutschen Altbaubestandes ist eine gigantische Gemeinschaftsaufgabe und gesellschaftliche Herausforderung. Hier müssen insbesondere Politik, Eigentümer, Handwerk und Finanzierer Hand in Hand ihren Beitrag für eine schnelle und intelligente Umsetzung leisten.

Die Möglichkeiten energetischer Sanierungsmaßnahmen sind vielfältig - von der Dämmung von Wänden und Dächern über den Austausch von Fenstern und Heizungen bis zur Nutzung von erneuerbaren Energien. Insbesondere bei den Heizungen schlummert noch viel Potenzial für CO2-Einsparungen. 2020 wurde im deutschen Wohnungsbestand noch zu rund 75 Prozent mit Gas und Öl geheizt.

Stark steigende Energiepreise sowie staatliche Förderungen können ein Treiber für den Wechsel zu beispielsweise Wärmepumpen oder Solarthermieanlagen sein. In Bezug auf die Nutzung erneuerbarer Energien hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag das Ziel ausgegeben, alle geeigneten Dachflächen mit Solarkollektoren auszustatten. Bei gewerblichen Neubauten soll das verpflichtend werden, bei privaten die Regel. Darüber hinaus soll jede neu eingebaute Heizung von 2025 an zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden.

All diese Maßnahmen im Rahmen der Energiewende im notwendigen Umfang und der erforderlichen Geschwindigkeit umzusetzen, ist eine Generationenaufgabe. Der Investitionsbedarf für energetische Sanierungen zur Erreichung der Klimaschutzziele im deutschen Wohnungsbestand ist enorm. Die Kosten liegen geschätzt bei annähernd 1 Billion Euro.

Abbildung 2: Wohnbedingte Treibhausgasemissionen im internationalen Vergleich Quelle: IEA, DZ Bank Reseach

Riesiges Markpotenzial für die Baufinanzierung

Mit anderen Worten: Das Markpotenzial für Baufinanzierung ist riesig. Bei der Realisierung dieses Potenzials spielt das Bausparen eine herausgehobene Rolle - insbesondere für die größte Zielgruppe der Immobilieneigentümer, die privaten Selbstnutzer und Kleinvermieter. Knapp 80 Prozent der gut 41 Millionen Wohnungen in Deutschland sind in Privatbesitz. Der Fremdmittelbedarf für energetische Sanierungen der privaten Hand liegt voraussichtlich bei mehr als 230 Milliarden Euro.

Doch während die öffentliche Hand und viele Unternehmen sich mit ihren Immobilien bereits auf einen Dekarbonisierungspfad begeben haben, benötigen private Eigentümer häufig noch Unterstützung, um energetische Sanierungsprojekte in Angriff zu nehmen. Steigende Energiepreise, zunehmende rechtliche Anforderungen und Bedenken vor Wertverlust erhöhen jedoch aktuell die Aufmerksamkeit für das Thema.

Die Bausparkassen sind prädestiniert, um akute oder perspektivische energetische Sanierungsprojekte anzuregen und zu begleiten. Dabei geht es durchaus nicht nur um die Zielgruppe der Wohneigentümer. Auch die zahlreichen Immobilienerben und die Käufer von Gebrauchtimmobilien betrifft das Thema energetische Sanierung. Diese potenziellen Bausparkunden können auf gute Gründe für Sanierungsmaßnahmen hingewiesen werden, ob Energiesparpotenzial, gesetzliche Pflichten oder die Erhöhung des Wohnkomforts.

Anlässe und Auslöser für eine energetische Sanierung können auch vom Eigentümer geplante Erweiterungen und Verschönerungen des Eigenheims sein oder ohnehin notwendige Instandhaltungsmaßnahmen. Hier bieten sich für die Bausparkassen zahlreiche Gelegenheiten, Kunden aktiv auf das Thema anzusprechen. Insbesondere Institute, die - wie die Landesbausparkassen mit den Sparkassen - über ihre Vertriebspartner viele Millionen Kundenbeziehungen zu den relevanten Zielgruppen unterhalten, können die erforderliche Investitionsdynamik nachhaltig unterstützen.

Abbildung 3: Entwicklung der Gebäudeemissionen in Deutschland seit 1990 Quelle: BMU, DZ Bank Research

Hürden auf der Kundenreise

Dabei gilt es bestimmte Hemmschwellen in Bezug auf Sanierungsprojekte gezielt zu überwinden, die nur zu einem kleinen Teil mit dem finanziellen Aufwand und der eigentlichen Kreditvergabe zu tun haben. So haben energetische Sanierungsmaßnahmen in der Regel einen eher geringen emotionalen Mehrwert für die Eigentümer. Ein gedämmtes Dach oder eine neue Heizung sind nicht zu vergleichen mit der Vorfreude auf ein schönes neues Bad oder einen angebauten Wintergarten.

Diese geringe emotionale Motivation steht einem hohen Aufwand gegenüber. Energetische Sanierungen sind häufig komplex, erfordern viel Zeit und bringen die üblichen Unannehmlichkeiten einer Baustelle mit sich. Hinzu kommen oft fehlende Fachkenntnisse, die zu Unsicherheit führen und nicht immer durch eine kompetente Beratung aufgefangen werden. Rechnet sich das wirklich? Welche Maßnahmen sind die besten für mein Haus?

Nicht in jeder Region stehen ausreichend Energieberater und entsprechend geschulte Handwerker bereit, um diese Fragen umfassend zu beantworten. Hier müssen die Bausparkassen ihren Kunden in der Beratung zur Seite stehen, Ängste und Bedenken mit verständlicher Information, überzeugenden Angeboten und einem klaren Projektfahrplan begegnen. Die beschriebenen Hürden auf der Kundenreise müssen konsequent beseitigt werden, auch durch die Verstärkung des Kompetenzaufbaus der Bausparkassen im dynamischen Geschäftsfeld der energetischen Sanierung.

Gegenstand einer umfassenden Beratung sind zwingend die staatlichen Fördermöglichkeiten. Hier den Kunden an die Hand zu nehmen und auf dem lohnendsten Weg durch das Antragsdickicht der sich beständig wandelnden Förderlandschaft zu begleiten, ist eine zunehmend wichtige Aufgabe auch der Bausparkassen. Zudem gewinnt die Unterstützung bei der Planung umfassender energetischer Sanierungen immer mehr an Bedeutung. Selbst wenn nur Einzelmaßnahmen umgesetzt werden, ist Expertenrat dringend zu empfehlen. Denn passt eine Maßnahme bauphysikalisch und energetisch nicht zum Rest des Hauses, können sich schnell Wärmebrücken und somit Schimmel bilden.

Um Kunden das nötige Wissen zu vermitteln, können die Bausparkassen als Lotse in der Informationsbeschaffung und als Navigator zu Energieberatern, Handwerkern und anderen relevanten Dienstleistern fungieren. Vor allem online sollten Bausparkassen die Kunden beim Thema energetische Sanierung mit hochwertigen Informationen abholen und begleiten. Die Plattform haus. de des Burda-Verlags, Partner der Landesbausparkassen, ist zum Beispiel eine gute Basis, um unterschiedlichen Zielgruppen passenden Content auf allen Abschnitten ihrer Kundenreise im Bedarfsfeld Wohnen anzubieten.

Lotsen und Lösungsanbieter

Erst wenn der Kundenbedarf geklärt ist, der Sanierungsumfang feststeht, die Analyse des Energieberaters eingebracht wurde und die möglichen öffentlichen Fördermittel identifiziert sind, steht die Frage der Finanzierung an, die Kernkompetenz der Bausparkassen. Das Bausparen bietet im Bereich der energetischen Modernisierung maßgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Zielgruppen und Bedarfe. Seien es Erben älterer Immobilien, die für eine im Erbfall anstehende Sanierung Kapital bilden müssen oder die Familie im Eigenheim, die ihre steigenden Energiekosten zügig und dauerhaft senken möchte. Hier können die Bausparkassen punkten.

Wer unverzüglich loslegen will, für den bietet sich eine Sofortfinanzierung über einen Modernisierungskredit an. Wer eine energetische Modernisierung nicht als Großprojekt, sondern etappenweise realisieren möchte, ist mit einer Bausparfinanzierung ebenfalls im Vorteil. Denn Bausparen eignet sich ganz besonders für kleinere wohnwirtschaftliche Kredite, bei den Bausparkassen bis 50 000 Euro blanko.

Sie können ihre Kunden dabei unterstützen, einen langfristigen Sanierungsfahrplan für eine schrittweise Umsetzung und Finanzierung der Maßnahmen zu erstellen und für später anstehende Sanierungsabschnitte finanziell vorzusorgen. Gerade für diesen Zweck ist der klassische Bausparvertrag - besonders vor dem Hintergrund wieder steigender Zinsen - das ideale Finanzierungsmodell, weil er systematischen Eigenkapitalaufbau mit langfristiger Zinssicherheit verbindet.

Einen weiteren wesentlichen Vorteil des Bausparens auch für Sanierungsprojekte bietet die staatliche Förderung über die Wohnungsbauprämie, die im März ihr 70-jähriges Bestehen hatte. Nach 25 Jahren wurde dieser wichtige und wirksame Sparanreiz 2021 wieder an die Preis- und Einkommensentwicklung angepasst. Sowohl der Prämiensatz als auch die förderfähigen Einzahlungen sind signifikant erhöht worden.

Über die darüber hinaus erfolgte deutliche Anhebung der Einkommensgrenzen für den Erhalt der Wohnungsbauprämie hat sich der Kreis der Förderberechtigten um schätzungsweise etwa 15 Millionen Personen vergrößert. Bei der notwendigen Kapitalbildung im Rahmen der anstehenden energetischen Modernisierungswelle kann auch das ein wichtiger Impuls sein.

Die Key-Player-Chance

Bausparkassen können sich als Kristallisationspunkt für viele Themen rund um die Immobilie etablieren, insbesondere im Zukunftsfeld energetische Modernisierung. Sie können wesentliche Treiber und Realisierungshelfer der Energiewende im Wohnungsbestand und damit strategische Partner von Politik und Gesellschaft sein. Für ihr Geschäftsmodell birgt dieses Geschäftsfeld das größte Zukunftspotenzial.

Die hohe Dringlichkeit und Dynamik der globalen und nationalen Klimaschutzagenda bietet den Bausparkassen eine historische Chance. Mit kluger Kundenansprache in intelligent gewebten digitalen Ökosystemen, flexibler Erreichbarkeit auf allen Kanälen, einfachen und effizienten End-to-End-Prozessen, maßgeschneiderten Produktlösungen und nachhaltiger Begleitung der diversen Kundenbedarfe können sie sich als Key Player auf dem Weg zum klimaneutralen Wohnen erweisen.

Erwin Bumberger , Vorsitzender des Vorstands , LBS Bayerische Landesbausparkasse, München

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