IMMOBILIEN UND STEUERN

BEWERTUNG DER AKTUELLEN STEUERRECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DIE DEUTSCHE WOHNUNGSWIRTSCHAFT

Ingeborg Esser, Foto: GdW, Urban Ruths

"Wir müssen ein Klima schaffen, in dem gerne gebaut wird." Dieses Ziel rief auf dem Deutschen Mietertag im Juni 2019 niemand geringeres als Angela Merkel aus. Die kurz darauf in Kraft getretene Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau würdigte sie in diesem Kontext als ein wichtiges Element. Bislang sind die positiven Effekte des Instruments aber überschaubar - zu restriktiv sind ganz offensichtlich die daran geknüpften Vorgaben, wie im vorliegenden Beitrag deutlich wird. Überhaupt wäre es aus Sicht der Autorin sinnvoller, anstelle einer zeitlich befristeten Sonderabschreibung ganz generell die dauerhafte Anhebung des steuerlichen Normalabschreibungssatzes von Mietwohngebäuden in Angriff zu nehmen. Red.

In Deutschland fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Insbesondere in den stark wachsenden Ballungsregionen, den Groß- und Universitätsstädten sind Wohnungen rar. Die Mieten steigen seit geraumer Zeit. Für Abhilfe kann nur ein ausreichender - bezahlbarer - Wohnungsneubau sorgen. Das Wohnungsdefizit in den dynamischen Regionen beläuft sich nach wie vor auf mindestens 800 000 Wohnungen. Die Gründe dafür sind bekannt: kaum bezahlbares Bauland, zu hohe Baukosten und zu wenig Förderung. Die Binnenwanderung innerhalb Deutschlands und die Zuwanderung verstärken die Notwendigkeit, das Wohnraumangebot in Ballungsregionen auszuweiten.

Angebot hinkt Nachfrage weiter hinterher

Jährlich müssen mittelfristig mindestens 320 000 neue Wohnungen gebaut werden, um den notwendigen Bedarf decken zu können. In Regionen mit steigender Bevölkerung fehlt dabei vor allem Wohnraum, der bezahlbar ist. In den kommenden Jahren sind jährlich rund 140 000 zusätzliche (Miet-)Wohneinheiten erforderlich, davon rund 80 000 preisgebundene Wohnungen im sozialen Wohnungsbau und rund 60 000 bezahlbare Wohnungen im mittleren und unteren Preissegment. Ein Blick auf die Fertigstellungszahlen sagt aber etwas Anderes: Im Jahr 2019 wurden insgesamt (nur) 78 000 Mietwohnungen im Geschosswohnungsbau fertiggestellt. Von den bundesweit insgesamt neu gebauten 293 000 Wohnungen wird unter Berücksichtigung des Neubaus von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen von insgesamt etwa 146 000 Wohneinheiten ausgegangen, die zur Vermietung zur Verfügung stehen. Die Anzahl der geförderten neu gebauten Sozialwohnungen lag im Jahr 2019 bei lediglich rund 25 600 Wohnungen.

Dass im Bereich des Mietwohnungsbaus 2019 lediglich etwas mehr als die Hälfte der eigentlich notwenigen 140 000 Wohnungen gebaut wurde, zeigt wieder einmal deutlich: Bezahlbarer Mietwohnungsneubau benötigt langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. Das heißt aber: Nicht nur beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine verstärkte und vor allem verbilligte Baulandvergabe und eine Reduzierung der Baukosten sind notwendig - auch im Bereich des Steuerrechts müssen die Grundlagen dafür geschaffen werden. Bezahlbarer Mietwohnungsbau braucht verlässliche steuerliche Rahmenbedingungen, um entsprechende Investitionen auszulösen.

Mietwohnungsneubau: Hohe Hürden für die Sonderabschreibung

Die im August 2019 in Kraft getretene Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau soll einen Anreiz hierfür leisten. Ein gut gemeinter Ansatz, aber der Teufel steckt im Detail. Für einen zeitlich begrenzten Zeitraum von vier Jahren haben die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, neben der regulären steuerlichen Abschreibung eine erhöhte Abschreibung anzusetzen. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung hoch. Zunächst gibt es eine betragsmäßige Beschränkung der Höhe der maximalen Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten des neuen Mietwohngebäudes von 3 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Mit Blick auf die aktuelle Höhe der durchschnittlichen Baukosten im Mietwohnungsbereich ist es nicht leicht, diese Baukostenobergrenze einzuhalten, und zwar selbst bei Gebäuden, die über eine standardmäßige Ausstattung verfügen - also nicht im Luxuswohnungsbau.

Die stetig steigenden Anforderungen an Energiestandards und die technische Ausstattung tun ihr übriges, die vorgegebene Grenze zu reißen. Ein Überschreiten der Baukostenobergrenze führt dazu, dass die Sonderabschreibung nicht in Anspruch genommen werden kann. Des Weiteren müssen die Vorgaben der De-minimis-Beihilfen-Verordnung (beziehungsweise DAWI-de-minimis-Verordnung) beachtet und über den gesamten Förderzeitraum eingehalten werden, was ebenfalls zu einer Begrenzung der potenziellen Inanspruchnahme führen dürfte.

Die Wohnungswirtschaft hätte sich alternativ zur Sonderabschreibung eine gleichwertige Investitionszulagenregelung gewünscht, da viele Wohnungsunternehmen an steuerlichen Sonderabschreibungen nicht teilhaben können - entweder, weil es sich um steuerbefreite Vermietungsgenossenschaften handelt, oder um Wohnungsunternehmen, die sich in einer steuerlichen Verlustsituation befinden. Also kein wirklicher Anreiz für den Mietwohnungsneubau. Anstelle einer zeitlich befristeten Sonderabschreibung ist allerdings ganz generell die dauerhafte Anhebung des steuerlichen Normalabschreibungssatzes von Mietwohngebäuden das wichtigere politische und vor allem wirkungsvollere Signal. Daran kann festgemacht werden, welcher Stellenwert dem bezahlbaren Mietwohnungsneubau eingeräumt wird.

Die technischen Anforderungen an neue Wohngebäude, insbesondere die energetischen Vorgaben, aber auch die Anforderungen an das digitale Wohnen, sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen und auch weiterhin einer ständigen Veränderung unterworfen. Das spiegelt sich auch in den Bau-/Investitionskosten wieder. Die steuerliche Normalabschreibung von Mietwohngebäuden von derzeit zwei Prozent jährlich gilt seit bereits 1964, was einer Abschreibungsdauer von 50 Jahren entspricht. Hier bedarf es dringend eines Umdenkens.

Rahmenbedingungen dauerhaft attraktiver machen

Die Bau-/Investitionskosten haben sich weg von den langlebigen Rohbaubestandteilen eines Wohngebäudes hin zu den kurzlebigen Ausbau- und technischen Bestandteilen verschoben. Die Abschreibungsdauer muss an die heutige durchschnittliche (technische) Nutzungsdauer der Wohngebäude angepasst werden. Diese beträgt ausweislich Gutachten inzwischen 36 Jahre, was - mit Blick auf die Wohnungsbaurealität - eine Anhebung der steuerlichen Normalabschreibung auf mindestens 3 Prozent rechtfertigen würde. Eine gegebenenfalls regional begrenzte Anhebung um einen weiteren Prozentpunkt auf 44 Prozent könnte einen zusätzlichen Anreiz für Investitionen in den Mietwohnungsneubau insbesondere in Ballungsregionen bilden. Eine Anhebung der steuerlichen Normalabschreibung wäre ein echtes, dauerhaftes Signal zur Unterstützung und Förderung eines stetigen Mietwohnungsneubaus - und auch ein Signal an die Bauwirtschaft, die Kapazitäten dauerhaft zu erhöhen.

Auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele 2030 bis hin zur Klimaneutralität im Jahr 2050 müssen die Weichen auch für den Gebäudesektor richtig gestellt werden. Angesichts der Größe der Herausforderung - bei gleichzeitiger Bewahrung der gesellschaftlichen Stabilität - müssen Klimaschutzmaßnahmen und bezahlbares Bauen und Wohnen miteinander verbunden werden.

Anreize für die Klimawende im Bestand

Dies kann nur gelingen, wenn die Lücke zwischen der Bezahlbarkeit des Wohnens und der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen geschlossen wird. Die Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestandes ist äußerst ambitioniert, sie erfordert sowohl in ihrer Intensität als auch im Gesamtumfang ausreichende Unterstützung. Dies gilt insbesondere für die energetische Sanierung der Wohngebäude und den Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden, in denen Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen wohnen. Im Hinblick auf energetische Maßnahmen an zu eigenen Wohnzwecken genutzten (Bestands-)Gebäuden hat der Gesetzgeber mit § 35 c des Einkommensteuergesetzes bereits eine Möglichkeit in Form einer Steuerermäßigung geschaffen. Diese Maßnahme für den selbst genutzten Bereich ist ausdrücklich zu begrüßen, denn nur wenn alle - Selbstnutzer und Vermieter - an einem Strang ziehen, kann die Klimawende gelingen. Leider bleibt hier der Mietwohnungsbereich bislang außen vor.

Eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert. Für die vom GdW und seinen Regionalverbänden vertretene Wohnungswirtschaft wären allerdings Investitionszulagen das geeignetere Instrument, da - wie bereits bei der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau erwähnt - viele Wohnungsunternehmen an steuerlichen Sonderabschreibungen nicht partizipieren können.

Im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen haben die beteiligten Verbände einschließlich des GdW bei den Beratungen der Innovationspartnerschaft Vorschläge für die Ausgestaltung einer Investitionszulagenregelung für Maßnahmen zur energetischen Modernisierung von Gebäuden unterbreitet - zur Unterstützung zunächst von Maßnahmen, durch die Endenergie oder nicht erneuerbare Primärenergie gemäß § 555 b Nummer 1 und Nummer 2 BGB nachhaltig eingespart wird. In einem zweiten Schritt wäre auch eine Investitionszulage für Maßnahmen zur CO2-Minderung bei Gebäuden anhand von CO2-Äquivalent-Faktoren denkbar.

Unbefriedigend beziehungsweise nicht gelöst ist nach wie vor das Thema Mieterstrom bei Wohnungsunternehmen. Mieterstrom ist ein zentrales Instrument, um den Ausbau der Photovoltaik flächendeckend voranzutreiben und dabei alle Bürger an der Energiewende zu beteiligen. Um die Energiewende in Wohnquartieren zum Erfolg zu führen, muss Mieterstrom, der umweltschonend vor Ort erzeugt und im ganzen Wohnquartier genutzt werden kann, sowohl für Energieversorger als auch für Gebäudeeigentümer wirtschaftlich machbar werden.

Mieterstrom: Benachteiligung beenden

Dafür gilt es, die wirtschaftliche Benachteiligung der Mieter gegenüber selbstnutzenden Eigentümern zu beenden und größere Mieterstromanlagen zu ermöglichen. Aber auch die steuerlichen Hemmnisse beim Mieterstrom müssen endlich abgebaut werden, damit das Angebot von Mieterstrom durch Wohnungsunternehmen nicht zur Gewerbesteuerpflicht der ansonsten gewerbesteuerfreien Wohnungsvermietung führt. Als erster Schritt ist hierfür eine Übergangsregelung im Gewerbesteuergesetz notwendig. Als zweiter Schritt muss - insbesondere mit Blick auf den künftigen verpflichtenden Einbau von Solar-/PV-Anlagen auf Dächern von Wohngebäuden sowohl im Neubau als auch im Bestand - eine dauerhafte Lösung geschaffen werden, zum Beispiel über das Miet- beziehungsweise Nebenkostenrecht.

So wie die Versorgung der Mieterhaushalte mit Wärme und Warmwasser zu den mietvertraglichen Verpflichtungen des Vermieters gehört, sollte auch die Stromversorgung der Wohnungen - aber auch von E-Stellplätzen von Mietern zur Unterstützung der E-Mobilität - angesehen werden. Alles in allem eine Vielzahl von Baustellen auf dem Weg zum bezahlbaren Bauen und Wohnen. Die Politik ist aufgefordert, die notwendigen Weichen zu stellen und für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen.

DIE AUTORIN INGEBORG ESSER Hauptgeschäftsführerin, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin
 
Die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau im Detail Voraussetzungen für die Sonderabschreibung:- Anschaffung oder Herstellung neuer Mietwohnungen- Bauantrag oder Bauanzeige nach dem 31. August 2018 und vor dem 01. Januar 2022- Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten (AHK) des Gebäudes von maximal 3 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (Baukostenobergrenze)- Beachtung der Vorgaben der De-minimis-Verordnung beziehungsweise DAWI-de-minimis-Verordnung- Entgeltliche Überlassung der Wohnung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden neun Jahren zu fremden WohnzweckenWirkungsweise und Höhe der steuerlichen Förderung:- Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung sind die AHK des Gebäudes - maximal 2 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (Förderhöchstgrenze)- Begünstigungszeitraum und Abschreibungshöhe: im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren bis zu 5 Prozent der Bemessungsgrundlage jährlich zusätzlich zur regulären linearen AfA nach § 7 Absatz 4 EStG in Höhe von 2 Prozent- Ab dem fünften Jahr Restwert-AfA nach § 7 a Absatz 9 EStG auf den um die bisher aufgelaufenen Abschreibungen verminderten Restbuchwert- Letztmalige Inanspruchnahme der Sonderabschreibung für den Veranlagungszeitraum 2026- Rückgängigmachung der Sonderabschreibung bei Überschreiten der Baukostenobergrenze innerhalb der ersten drei Jahre nach Ablauf des Jahres der Anschaffung oder Herstellung durch nachträgliche AHKQuelle: GdW
Ingeborg Esser , Hauptgeschäftsführerin , GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin
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