Immobilienkonjunktur

Branchenausblick 2017 - So wird das Jahr aus Sicht der Experten

Piotr Bienkowski

Wird das Immobilienjahr 2017 ein ähnlich gutes wie die von Rekorden geprägten Vorjahre? Um Antworten auf diese und viele andere Fragen zur Immobilienkonjunktur 2017 zu finden, bat die Redaktion neun Experten um ihre Einschätzung. Generell ist der Blick in das laufende Jahr sehr optimistisch. Angesichts der positiven Rahmenbedingungen sollte das Treiben auf dem deutschen Investmentmarkt äußerst rege bleiben - auch ausländische Investoren dürften hierzulande vermehrt anzutreffen sein. Naheliegend ist da die an vielen Stellen zu lesende Erwartung weiter steigender Preise. Dass politische Turbulenzen die Stimmung nachhaltig trüben könnten, gilt als unwahrscheinlich. Red.

2017 wird ein starkes Investmentjahr - Renditen sinken leicht

Piotr Bienkowski, CEO, BNP Paribas Real Estate Deutschland, Frankfurt am Main

Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 52,6 Milliarden Euro in Gewerbeimmobilien investiert. Auch für 2017 spricht aus heutiger Sicht alles für ein erneut sehr starkes Investmentjahr - trotz einiger nicht abschließend einzuschätzender geopolitischer Rahmenbedingungen. Das Investoreninteresse ist unverändert hoch. Wir gehen davon aus, dass das erste Quartal dieses Jahres eines der besten der letzten zehn Jahre werden wird, da eine Vielzahl an Deals bereits kurz vor Abschluss stehen. Spürbare Auswirkungen aufgrund möglicherweise weiter steigender Zinsen in den USA erwarten wir für 2017 nicht.

Nach wie vor sicherer Hafen

Dies gilt insbesondere für das Core-Segment, in dem die Leverage-Effekte relativ gering sind. In diesem besonders stark nachgefragten Teilmarkt steht für die Investoren demgegenüber in erster Linie die Sicherheit des Investments im Vordergrund. Diese Tendenz wird sich aufgrund vieler Unsicherheiten im globalen Kontext eher noch verstärken, da Deutschland gerade von internationalen Anlegern nach wie vor als sicherer Hafen geschätzt wird.

Im wahrscheinlichsten Szenario gehen wir deshalb davon aus, dass die Renditen vereinzelt noch weiter sinken werden. Bezogen auf das Transaktionsvolumen dürfte die 50-Milliarden-Schwelle erneut als Zielmarke im Blickpunkt stehen, die trotz eines weiterhin begrenzten Angebots an großvolumigen Objekten vermutlich übertroffen werden wird. Verantwortlich für diese Einschätzung ist die Tat sache, dass vor dem Hintergrund der starken Nachfrage und des aktuellen Preisniveaus zunehmend auch Bestandshalter darüber nachdenken werden, ihre Objekte zu verkaufen.

Auch das durch die sehr positiven Rahmenbedingungen gestiegene Projektentwicklungsvolumen sowie die zunehmende Bereitschaft der Investoren, Forward Deals zu akzeptieren, dürften das Volumen der Verkäufe ebenfalls steigen lassen. Dadurch entsteht ein erweitertes Angebot", fasst Piotr Bienkowski die Aussichten für das laufende Jahr zusammen.

Ausländische Investoren drängen verstärkt in den Markt

Ulrich Höller, Vorsitzender des Vorstands, GEG German Estate Group AG, Frankfurt am Main "Drei zentrale Faktoren werden die Entwicklungen auf den gewerblichen Immobilienmärkten in Deutschland im Jahr 2017 bestimmen:

- Erstens: die weltweite Zinspolitik der Nationalbanken.

- Zweitens: die Auswirkungen von politischen Entwicklungen.

- Drittens: die Entwicklung von Angebot und Nachfrage.

Auch wenn inzwischen die eine oder andere Zinserhöhung diskutiert wird, dürfte die Niedrigzinspolitik weiter die generelle Entwicklung beherrschen und die Renditen unter Druck halten. Das wird die Anleger unverändert motivieren, nach Alternativen zu suchen und insbesondere in Sachwerte zu investieren.

Positive Effekte in Deutschland durch Brexit

Die großen politischen Meilensteine in 2016 waren der Brexit und die Wahl des US-Präsidenten. Während der Brexit eine gute Voraussetzung dafür geschaffen hat, dass sich die Nachfrage nach gewerblichen Immobilien in Europa und vor allem in Deutschland erhöht, ist noch nicht erkennbar, welche Folgen die Wahl von Trump zum neuen US-Präsidenten haben könnte.

Zu widersprüchlich und zu unpräzise ist immer noch, was Trump im Wahlkampf versprochen hat und was er nach seiner Wahl geäußert hat. Da er auch ein erfahrener und erfolgreicher Immobilien-Investor ist, der weltweit investiert hat, sind keine Entscheidungen zu erwarten, die der Immobilienwirtschaft großen Schaden zufügen werden.

Schließlich dürfte die Bundestagswahl in Deutschland nach heutiger Einschätzung zu keiner dramatischen Veränderungen der politischen Landschaft führen. Deutschland gilt gerade bei Immobilieninvestoren als verlässlicher, berechenbarer und stabiler Investitionsstandort. Das dürfte auf absehbare Zeit auch so bleiben. Dennoch ist der Ausgang der Wahlen in Deutschland und in Frankreich von entscheidender Bedeutung für die europäische Entwicklung und birgt daher viele Fragezeichen.

Asiaten entdecken zunehmend den Markt

Die Nachfrage nach Immobilien in Deutschland wird nicht zuletzt dadurch unterstützt, dass ausländische Investoren inzwischen stramm auf die 50-Prozent-Marke zumarschieren; dieser Trend sollte ebenfalls anhalten, denn inzwischen entdecken auch die Asiaten zunehmen den europäischen Markt für sich. Anders stellt sich das Angebot dar: Der nicht zu unterschätzende Zeitaufwand, den Projektentwicklungen in der Immobilienwirtschaft von der Planung bis zur Realisierung beanspruchen, bildet ein retardierendes Moment. Im Klartext: Während die Nachfrage sich schnell ändern kann, braucht es auf der Angebotsseite sehr viel mehr Zeit für Anpassungen, sodass wir uns auch 2017 auf ein weiter knappes Angebot einstellen müssen.

Alle drei Faktoren deuten darauf hin, dass wir 2017 mit einer stabilen, gegebenenfalls sogar leicht steigenden Nachfrage rechnen können, bei der das Angebot weiterhin den Engpassfaktor stellt. Tendenziell haben die Investoren daher ein stabiles Transaktionsvolumen bei leicht steigenden Preisen zu erwarten."

Der Trend geht zu steigenden Immobilienwerten

Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/ Leitung Research, Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main

2017 wird ein gutes Immobilienjahr - schon wieder. Und dies trotz politischer Turbulenzen und zuletzt steigender Zinsen. Denn die Rahmenbedingungen für den Immobilienmarkt in Deutschland bleiben günstig. Die deutsche Volkswirtschaft wächst grundsolide.

Vom Arbeitsmarkt kommt eine Rekordmeldung nach der anderen. Bei der Arbeitslosenquote liegen wir europaweit vorne - von allen EU-Ländern erreicht nur Tschechien niedrigere Werte.

Immobilienmärkte trotzen politischen Turbulenzen

Für den Büromarkt in den führenden deutschen Standorten führt die steigende Beschäftigung zu einer regen Vermietungsnachfrage. Die Leerstandsraten sind auf den niedrigsten Stand seit 2002 gefallen. Die zuletzt wieder höheren Fertigstellungen werden problemlos absorbiert, gern dürften es in den begehrten innerstädtischen Lagen mehr sein. Knappheit sorgt bei erstklassigen Büroflächen für anziehende Mieten und Kaufpreise.

Zu zögerliche Bautätigkeit

Ein Ende des Preisanstiegs ist auch bei deutschen Wohnimmobilien nicht absehbar. Die Nachfrage bleibt vor allem in den Ballungszentren hoch. Dafür sprechen die anhaltende Zuwanderung - wenn auch nicht mehr auf dem sehr hohen Niveau von 2015 - sowie die ausgeprägte Binnenwanderung. Die Bautätigkeit reagiert zu zögerlich. So dürfte die Zahl der Wohnungsfertigstellungen im neuen Jahr zwar die Marke von 300000 Einheiten überspringen, dies ist aber immer noch viel zu wenig.

Die langfristigen Zinsen haben das negative Terrain wohl nachhaltig verlassen. Die exzessive Geldpolitik der EZB mit Leitzinsen von Null und einem gerade erst verlängerten Anleihekaufprogramm werden jedoch weiterhin sehr günstige Finanzierungsbedingungen am Immobilienmarkt garantieren. Die Immobilie bleibt im neuen Jahr im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen attraktiv und die Nachfrage nach "Betongold" hoch.

Da es für die Investoren immer schwieriger wird, attraktive Objekte zu erwerben, hält der Trend steigender Immobilienwerte an. Angesichts des knappen Angebots vor allem an hochwertigen Objekten dürften die Transaktionsumsätze am gewerblichen Immobilienmarkt erneut deutlich unter den Höchstständen von 2015 liegen.

Auch politische Turbulenzen werden den deutschen Immobilienmarkt nicht nachhaltig belasten. Zwar könnte die bislang überschaubare Korrektur am britischen Immobilienmarkt an Schwung gewinnen, wenn nach Beginn der Brexit-Verhandlungen mehr und mehr Unternehmen eine Standortverlagerung verkünden. Ebenso könnte die Unsicherheit über die künftige US-Wirtschaftspolitik die Finanzmärkte verunsichern. Beides dürfte aber den Ruf des deutschen Immobilienmarktes als "sicherer Hafen" bekräftigen.

Zyklischer Charakter darf nicht vergessen werden

Trotz des positiven Ausblicks auf das neue Immobilienjahr darf jedoch der zyklische Charakter der Anlageklasse nicht vergessen werden. Denn wir befinden uns inzwischen im achten Jahr eines Aufschwungs, den die exzessive Geldpolitik vermutlich künstlich verlängert, der jedoch nicht ewig andauern wird.

Echte Problemfelder in einem überwiegend positiven Umfeld

Prof. Dr. Tobias Just, Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, und Professor für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg

Europa wurde in den letzten acht Jahren von einer regelrechten Krisenkaskade erschüttert: Diese Krisen, von Finanz- über Wirtschafts- und Staatsschulden- bis zur Flüchtlingskrise, sind nicht isoliert zu betrachten - und sie verschwinden nicht mit dem Jahreswechsel. Für die Immobilienwirtschaft wirkte freilich gerade dieser Krisencocktail wie ein Aufputschmittel: Die niedrigen Zinsen erleichterten die Finanzierung, und die sinkenden Anleiherenditen schwemmten Anlagekapital in die Immobilienmärkte.

Krisencocktail wirkt wie ein Aufputschmittel

Und schließlich zog Deutschlands sta bile Wirtschaft viele Menschen aus der ganzen Welt an. Alle drei Faktoren stützten auch das Wirtschaftswachs-tum in Deutschland. Davon profitierten (nahezu) alle Immobilienklassen. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Schwung 2017 ruckartig verloren geht. Die deutsche Wirtschaft dürfte zwar etwas an Dynamik einbüßen, doch die Binnenkonjunktur läuft auch nicht zuletzt wegen des Baubedarfs rund. Allerdings werden in den angesprochenen Krisencocktail neue Zutaten beigemischt, deren Nebenwirkung auch der befragte Konjunkturapotheker nicht in Wahrscheinlichkeiten ausrechnen kann: Der Brexit wird verhandelt werden, Donald Trump scheint eine bunte Mischung aus Extrem-Keynesianismus (Steuersenkung und Investitionssteigerung), Liberalismus (Deregulierung des Bankensektors) und etwas Neo-Merkantilismus (Ende von Handelsabkommen) beimengen zu wollen. Und schließlich experimentiert China mit seiner neuen Rolle zwischen globalem Anspruch und Stärkung der Binnenwirtschaft.

Am wahrscheinlichsten ist, dass diese Mischung für die USA kurzfristig stark stimulierend wirkt. Die Zinsen werden dort steigen, die Schulden und die Inflation auch. Chinas Wachstum dürfte bestenfalls auf dem vergleichsweise niedrigen Niveau von 2016 gehalten werden. Damit fehlt den USA 2017 ein wichtiger Anleihekäufer. Europas Wachstum wird wohl weiterhin dümpeln.

Die deutsche Wirtschaft wird sich daher schwertun, in dieser Gemengelage, das gute Wachstum der letzten Jahre zu halten, die Wachstumseinbuße dürfte sich aber hinter der Kommastelle und nicht davor abspielen.

Wenn in den USA die langfristigen Zinsen also steigen und das Wachstum mit Fiskalmaßnahmen angekurbelt wird, so spricht viel dafür, dass der Abwärtsdruck auf die europäischen Mietrenditen nachlassen muss. Der Grund für diese Entwicklung ist weniger in erheblich steigenden Mieten zu suchen als in einer Reallokation von institutionellem Kapital fort von europäischen Immobilien und hin zu US-amerikanischen Aktien und etwas später wieder Anleihen. Im günstigen Fall heißt das, die Immobilienpreise steigen langsamer als die Mieten. Die Gewerbeimmobilienmärkte dürften hiervon zumindest in Deutschland stärker betroffen sein als die Wohnungsmärkte.

Die unangenehme Wahrheit ist jedoch, dass das Maßnahmenbündel aus expansiver Fiskalpolitik in einer Phase nahe der Vollbeschäftigung gepaart mit Deregulierung im US-Bankensektor für die mittlere Frist wohl (wieder einmal) mit dem Preis hoher Inflation und noch höherer Volatilität an den Kapitalmärkten bezahlt wird. Diese Rechnung kommt aber sicherlich nicht 2017. Daher wird das kommende Jahr wohl alles in allem ein gutes Immobilienjahr in Deutschland, aber kein sehr gutes Immobilienjahr mehr.

Assetklasse "Immobilie" gewinnt an Reife und Eigenständigkeit

Frank Pörschke, Member of the EMEA Management Board, CEO, JLL Germany, Frankfurt am Main

Noch immer deuten alle Marktindikatoren auf eine Fortsetzung der Immobilienhausse hin. Das historisch zumindest in unseren Breiten noch nie dagewesene Interesse an Immobilien wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen, und dies in allen Sektoren. Die Assetklasse "Immobilie" hat erheblich an Reife und Eigenständigkeit gewonnen. Sie ist aus keiner professionellen Anlagestrategie, aus keinem zukunftsweisenden Portfolio mehr wegzudenken - in welcher Form auch immer, als Direktinvestment oder als Beteiligung, etwa über Fonds oder Aktien. Aber auch für Privatinvestoren sind Immobilien von größter Relevanz - als Vehikel der Altersvorsorge. Immobilien werden als sicherer Hafen in einer Welt allgemeiner Verunsicherung angesehen. Dazu einige Indikatoren, den deutschen Markt betreffend: Nach sechs Anstiegen in Folge (2010-2015) mit einem Rekordvolumen im vergangenen Jahr hat das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt 2016 die 50 Milliarden-Euro-Marke ein weiteres Mal getoppt. Dafür sorgte ein außergewöhnlich starker Schlussspurt mit zahlreichen großvolumigen Einzel- und Portfoliotransaktionen. Der Rückgang gegenüber dem Vorjahr bewegt sich bei lediglich vier Prozent. Nach 2007 (54,7 Milliarden Euro) und 2015 (55,1 Milliarden Euro) reiht sich 2016 mit einem Transaktionsvolumen von 52,9 Milliarden Euro auf Platz 3 in der Langzeitstatistik ein. Auf die gleiche Platzierung in der Fünfjahresstatistik kommt der Investmentmarkt für Wohnungsportfolios. Mangels Megafusionen wie etwa im Vorjahr hat sich das Transaktionsvolumen mit 13,7 Milliarden Euro gegenüber dem Allzeithoch 2015 nahezu halbiert, liegt aber immer noch über zwei Milliarden Euro höher als der Zehnjahresschnitt.

Das historisch niedrige Zinsniveau bleibt nach wie vor Triebfeder für den enormen Anlagebedarf sämtlicher institutioneller Investoren. Allerdings wird es immer schwieriger, adäquate Produkte für den enormen Kapitalanlagebedarf zu finden.

Preise werden weiter steigen

Das gilt sowohl für gewerblich genutzte als auch für wohnwirtschaftliche Immobilien. Letztendlich ist das Ergebnis des im Jahresvergleich leicht gesunkenen Transaktionsvolumens ausschließlich auf diesen Angebotsmangel zurückzuführen. Im Zuge der hohen Nachfrage werden die Preise für Immobilien, vor allem für Core-Produkte, weiter steigen. Für alle gewerblichen Assetklassen war und ist ein starker Renditedruck zu erkennen.

Rund 80 Prozent des in Büroimmobilien investierten Kapitals floss 2016 in eine der Big-7-Metropolen. In anderen Märkten wird demzufolge eher verhalten gekauft. Dies resultiert aus dem auch dort geringen Angebot, macht aber auch deutlich, dass die Marktteilnehmer nicht bereit sind, jedes Risiko einzugehen. Neben dem eklatanten Mangel an Investmentprodukten in allen Segmenten wirkt die nach wie vor eher konservative Finanzierungshaltung der Banken als weiteres Marktregulativ. Eine immer stärker werdende Regulierung der Aufsichtsbehörden bremst die Kreditvergabe für Finanzierungen außerhalb des klassischen Core-Produkts. Das Vertrauen der ausländischen Investoren in den deutschen Investmentmarkt blieb auch 2016 über alle Assetklassen hinweg erhalten. Ausländische Investoren haben ihre Aktivitäten in Deutschland sogar noch aus- und Bestand aufgebaut. Ihr Anteil bezogen auf das gewerbliche Transaktionsvolumen bewegte sich zum Ende des Jahres bei rund 45 Prozent.

Langsame Schritte zurück in die Zinsnormalität

Tilmann Hesselbarth, Vorsitzender des Vorstandes, LBS Landesbausparkasse Südwest, Stuttgart

Niedrigzinsen, Nullzinsen, Negativzinsen. So lässt sich die Zinsentwicklung der letzten Jahre zusammenfassen. Mittlerweile steht die gesamte Finanzbranche unter Druck - und nicht nur sie! In Deutschland reift langsam die Erkenntnis, dass die negativen Auswirkungen einer langjährigen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weitaus gravierender sein könnten als alle kurzfristigen Vorteile. Wir leben mit den Nullzinsen in einer Ausnahmesituation - das muss sich ändern und das wird sich ändern. Ich rechne damit, dass es spätestens 2018 zu einer moderaten Zinserhöhung kommt. Erste Signale für eine Veränderung zeigen sich bereits: Zum einen werden die USA die Leitzinsen in naher Zukunft wahrscheinlich weiter anheben, zum anderen dürfte auch die deutsche Politik im Bundestagswahljahr 2017 auf ein höheres Zinsniveau im Euroraum hinwirken. Das käme sowohl den privaten Sparern als auch besonders den Sozialversicherungssystemen wie etwa Betriebsrenten zu Gute. Schließlich belastet die jetzige Nullzinsphase alle Anstrengungen, eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen, erheblich.

Bausparen bleibt zukunftsfähig

Die Zinspolitik der EZB wird sich nicht von heute auf morgen ändern - ein abrupter Kurswechsel würde die Märkte auch überfordern - 2017 und 2018 wird es aber Schritte zurück in die Normalität geben. Geldvergabe wird wieder einen Preis haben. Das muss so sein, denn Kredite sind nun einmal mit Risiken verbunden. Durch die Aussicht auf steigende Zinsen dürften sich wiederum mehr Menschen dazu entschließen, einen Bausparvertrag abzuschließen, um sich damit ein sehr niedrig verzinstes Darlehen zu festen Konditionen bis zur letzten Rate zu sichern.

Denn die meisten Menschen bevorzugen ein Leben in den eigenen vier Wänden und sie brauchen und wollen solide Finanzierungen. Eigenkapital und (Zins)-Sicherheit werden für den normalen Bauherren und Käufer weiterhin wichtige Säulen bei der Immobilienfinanzierung bleiben. Ich bin überzeugt davon, dass das Geschäftsmodell Bausparen zukunftsfähig ist. Unsere Grundidee, Menschen in die eigenen vier Wände zu bringen, ist und bleibt erfolgreich.

Anfangsrenditen werden nur noch leicht zurückgehen

Marcus Lemli, Vorsitzender der Geschäftsführung, Savills Immobilien Beratungs-GmbH, Frankfurt am Main

EZB-Niedrigzinspolitik und Brexit - zwei Schlagwörter, die das vergangene Jahr maßgeblich prägten. Mit dieser sowohl wirtschaftlichen als auch geopolitischen Ausgangslage starten wir in ein Jahr 2017, das aufgrund der wachsenden Produktknappheit für Investoren und Nutzer gleichermaßen anspruchsvoll werden wird.

Wie sich die neuesten Entwicklungen in Großbritannien in Gänze auswirken werden, lässt sich noch nicht voraussagen. Wir erwarten allerdings, dass der Teilmarkt Frankfurt als Gewinner aus dem Brexit-Votum hervorgehen könnte.

So konnten wir bei Neuansiedlungen von Unternehmen im europäischen Raum bereits vereinzelt beobachten, dass sich diese bewusst für Frankfurt und gegen London entscheiden. Was aber die Umsiedlung betrifft, ist es noch zu früh, um von einem Abwanderungstrend zu sprechen. Hier bleibt die tatsächliche Realisierung des Austritts abzuwarten.

Werfen wir einen ganzheitlichen Blick auf die deutschen Wirtschaftsgeschehnisse, bleibt der hiesige Immobilienmarkt nach wie vor ein sicherer Hafen für Anleger. Immobilien gehören weiterhin zu den attraktivsten Investments, zumal es für eine Zinswende in der Eurozone an den notwendigen Voraussetzungen fehlt.

Stärker auf das Mietwachstumspotenzial achten

Das europäische Wirtschaftswachstum bleibt mit etwa 1,5 Prozent verhältnismäßig schwach und die Inflation niedrig. Insofern ist auch 2017 weder mit Leitzinserhöhungen noch mit nennenswerten Anstiegen der Renditen zu rechnen. Im Gegenteil: Nachfragedruck und Angebotsmangel bleiben in allen Segmenten bestehen. Trotzdem dürften die Anfangsrenditen nur noch leicht zurückgehen, sodass Investoren bei ihren Ankäufen stärker auf das Mietwachstumspotenzial achten werden. Während sie diesbezüglich auf dem Büro- und Logistikmarkt fündig werden, sinkt der Bedarf an Einzelhandelsflächen.

Bedingt durch das wachsende E-Commerce-Segment finden hier ein struktureller Umbruch sowie eine sukzessive Teilverlagerung des stationären zum Online-Handel statt. Die Reorganisation von Standortkonzepten führt zur Neubewertung der jeweiligen Immobilien seitens der Investoren - für B-Lagen erwarten wir steigende Leerstände und ein Rückgang des Mietniveaus.

Im kommenden Jahr wird auf dem Gewerbe investmentmarkt anspruchsvolles Ausbalancieren verlangt: Der Umsatzrekord liegt hinter uns, eine weitere leichte Renditekompression ist absehbar.

Auf der Suche nach ertragreichen Investments werden B-Standorte und Nischensegmente wie Logistik, Pflegeimmobilien und Studentenwohnheime in den Fokus rücken. Der Wohnungsmarkt schafft hingegen durch eine rege Bauaktivität neue Investitionsgelegenheiten, wobei das Angebot im Bestand weiterhin knapp bleibt.

Politische Eingriffe in den Markt bleiben ein Risiko

Ein weiterer Rückgang der Anfangsrenditen ist dennoch nicht zu erwarten, weil die Politik immer stärker in den Mietwohnungsmarkt eingreift. Für Investoren stellt dies ein gewisses Risiko dar. Aufgrund seiner Liquidität und Stabilität wird der deutsche Wohnungsmarkt aber auch im Jahr 2017 eine gute Wahl für risikoaverse Investoren bleiben.

Der Immobilienboom erreicht 2017 zunehmend ländliche Gebiete

Jochem Kierig, Mitglied der Geschäftsleitung/ Leitung Geschäftsbereich Kreditwirtschaft, Sprengnetter Immobilienbewertung, Bad Neuenahr- Ahrweiler

Wir gehen trotz der aktuellen Rekordwerte von erteilten Baugenehmigungen und -fertigstellungen nicht davon aus, dass sich die deutschen Wohnungsmärkte in absehbarer Zukunft entschärfen. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien und die weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen halten die Preisdynamik auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt hoch. Mit einem Ende der Preisanstiege ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise insbesondere in den Metropolen Deutschlands und im zunehmenden Maße auch in deren Speckgürteln gestiegen. Zum Teil haben wir in diesen Metropolregionen Preissteigerungen von über 20 Prozent pro Jahr gemessen. Im Norden von München waren es im letzten Jahr bei Einfamilienhäusern sogar Plus 29 Prozent. In diesen Regionen haben sich Preisniveaus eingestellt, die die finanziellen Möglichkeiten vieler Menschen übersteigen. Diese weichen in der Folge auf ländlichere Gebiete aus, wo bislang die Preise eher stagnierten und somit die Immobilien im Vergleich zu den Städten und Großstädten noch erschwinglich sind. Schon im letzten Jahr haben wir somit beobachtet, dass der Immobilienboom auch zunehmend ländliche Gebiete erreicht. Wir erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen und sogar verstärken wird. Für 2017 erwarten wir somit über die Regionen hinweg etwas homogenere Entwicklungen. Die Anzahl der Extreme wird voraussichtlich zurückgehen. Wobei auch weiterhin die stärksten Anstiege in Süddeutschland und in den Metropolen zu erwarten sind.

Keine Blasengefahr für den deutschen Wohnimmobilienmarkt

Bei alledem darf nicht übersehen werden, dass es nicht nur Preissteigerungen zu verzeichnen gibt. Es gibt durchaus Regionen, wo die Preise seit Jahren stagnieren oder sogar rückläufig sind. So haben wir im letzten Jahr in den ländlichen Regionen Lüchow-Danneberg, Landkreis Nordhausen und Siegen-Wittgenstein jeweils Preisrückgänge von minus fünf Prozent festgestellt. In einigen Städten, wie beispielsweise Bad Kissingen und Gummersbach, haben wir sogar Preisrückgänge von minus sechs Prozent gemessen. Es ist nicht zu er warten, dass sich in den betroffenen Regionen der negative Trend umkehren wird.

Talsohle bei Darlehenszinsen

Bei den Zinsätzen für Immobiliendarlehen scheint die Talsohle erreicht zu sein. Momentan ziehen die Zinssätze etwas an. Trotz dieser Zinsentwicklung rechnen wir nicht mit flächenhaft fallenden Immobilienpreisen. Der Wohnflächenbedarf dürfte aller Voraussicht nach noch einige Jahre nicht gedeckt und die Nachfrage nach Wohnimmobilien damit langfristig gegeben sein.

Hinzu kommt, dass wir vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase, der geringen Arbeitslosenquote sowie dem Anstieg der Nominallöhne keine allgemeine Blasengefahr für den deutschen Wohnimmobilienmarkt sehen. Daher erwarten wir im Falle steigender Zinsen oder allgemein zurückgehender Wirtschaftsleistung lediglich ein Abflachen der Preissteigerungen.

Ende der Konsolidierung am Pfandbriefmarkt in Sicht

Dr. Louis Hagen, Präsident, Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin

Auch wenn 2016 insgesamt ein gutes Jahr für den Pfandbrief war, so waren das Produkt und seine Emittenten erneut mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, darunter diverse Regulierungsmaßnahmen, das anhaltende Niedrigzinsumfeld sowie die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Letzteres wird uns voraussichtlich kurz- und mittelfristig erhalten bleiben.

Trotz der wohlbegründeten Kritik zahlreicher Marktteilnehmer wird die EZB ihre Kaufprogramme für Staatsanleihen, gedeckte Schuldverschreibungen oder Unternehmensanleihen vermutlich weiterführen, bis sich der Erfolg des "Quantitative Easing" im gewünschten Umfang einstellt. Auch die anhaltende politische Unsicherheit dürfte die EZB darin bestärken, die Liquiditätsversorgung der Märkte 2017 weiter großzügig zu bemessen.

Volatilität weiter vorhanden

Denn es stehen einige nationale Wahlen auf der Agenda, die das Potenzial haben, die Märkte zu bewegen. Dies trifft insbesondere auf die Wahlen in Frankreich und Deutschland zu, aber auch auf mögliche Neuwahlen in Italien. Aufgrund dieser politischen Risiken wird uns im laufenden Jahr voraussichtlich auch die Volatilität, die wir im vergangenen Jahr an den Märkten beobachten konnten, weiter begleiten. In den USA hat die Fed ihren Zielsatz für Tagesgeld im Dezember um 25 auf 50 bis 75 Basispunkte angehoben.

Zehnjährige Treasuries rentierten zur Jahreswende bei knapp 2,5 Prozent und haben allein seit September 2016 fast 100 Basispunkte zugelegt. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist in der zweiten Jahreshälfte 2016 um etwa 50 Basispunkte von minus 0,2 Prozent auf zuletzt 0,3 Prozent gestiegen. Sie sollte angesichts des weiter intakten Backstops, den die EZB bietet, im Jahresverlauf gleichwohl 0,75 Prozent nicht deutlich überschreiten.

Zehnjährige Pfandbriefe rentierten zur Jahreswende bei etwa 0,55 Prozent. Aus Sicht der Emittenten werden mit Benchmark-Deals im Vergleich zu Swaps nicht mehr die Tiefstände des vergangenen Jahres erzielt werden. Sie dürften sich mit Pfandbriefen aber weiterhin eng unter der Swapkurve refinanzieren. Die Mitgliedsinstitute des Verbandes planen einer Umfrage der Geschäftsstelle zufolge im neuen Jahr etwa 56 Milliarden Euro Pfandbriefe abzusetzen. Bei Tilgungen in Höhe von 44 Milliarden Euro könnte ein positiver Nettoabsatz das Ende der Konsolidierung am Pfandbriefmarkt einläuten.

Schließlich befinden sich wie bereits eingangs erwähnt momentan einige wichtige Regulierungsvorhaben in der Diskussion, die je nach Entwicklung teils deutliche Auswirkungen auf den Pfandbrief und seine Emittenten haben können. Eine zentrale Herausforderung für die Pfandbriefbanken und den Pfandbrief bleibt die Finalisierung von "Basel IV". Hier muss aus Sicht der Pfandbriefbanken eine Einigung angestrebt werden, die das Geschäft der deutschen Immobilienfinanzierer und damit das Pfandbriefgeschäft nicht in unangemessener Weise erschwert.

Integration gedeckter Schuldverschreibungen

Die volle Aufmerksamkeit des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken gilt darüber hinaus dem Vorhaben der Europäischen Kommission, den Markt für gedeckte Schuldverschreibungen zu integrieren und die nationalen Produkte zu harmonisieren. Mit den jüngsten Vorschlägen, die die European Banking Authority im Dezember vergangenen Jahres vorgelegt hat, haben wir uns dem Ziel einer Mindestharmonisierung auf hohem Niveau weiter angenähert.

Doch weil der Teufel wie so oft auch hier im Detail steckt, geht es nun darum, die Regelungen robust und zugleich flexibel zu gestalten, um nicht in erfolgreiche nationale Produkte einzugreifen. Denn das muss das Ziel einer Regulierung mit Augenmaß sein.

Es wird also auch im neuen Jahr nicht an Herausforderungen mangeln. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken wird sich daher auch 2017 intensiv für den Pfandbrief und seine Emittenten einsetzen, um sicherzustellen, dass die hohe Qualität und die regulatorischen Privilegien des Pfandbriefs in einem herausfordernden Umfeld bewahrt werden.

Ulrich Höller , Geschäftsführender Gesellschafter, ABG Real Estate Group
Dr. Gertrud R. Traud , Chefvolkswirtin / Head of Research & Advisory , Helaba Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg

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