ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR

CHANCEN UND RISIKEN VON ÖPP - ERFAHRUNGEN AM BEISPIEL DER STADT NÜRNBERG

Harald Riedel, Foto: Stadt Nürnberg

Wenn man in Deutschland auf Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) zu sprechen kommt, scheinen die Fronten ziemlich verhärtet: Von den einen verteufelt, von den anderen als Königsweg zur Stärkung dringend benötigter Zukunftsinvestitionen auserkoren. Die Wahrheit dürfte letztlich wie bei den meisten Dingen im Leben in der Mitte liegen: ÖPP bietet Vor- und Nachteile, Stärken und Schwächen, und man muss sich intensiv mit all diesen Faktoren vertraut machen, um das Instrument sinnvoll einsetzen zu können. Der vorliegende Beitrag bietet in diesem Zusammenhang Orientierungshilfe anhand der in Nürnberg mit ÖPP-Projekten gesammelten Erfahrungen. Das Fazit der Autoren fällt dabei durchaus vielversprechend aus. Red.

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) beziehungsweise Public Private Partnerships (PPP) werden von zahlreichen öffentlichen Auftraggebern als sinnvolle Beschaffungsvariante und Alternative zur Eigenerstellung genutzt. Auch die Stadt Nürnberg hat diesen Weg beschritten und bereits drei Schulbauprojekte erfolgreich ausgeschrieben und an private Partner vergeben. Leistungsinhalte waren die Planung, der Bau, die Finanzierung und das Gebäudemanagement. Die Betriebsleistungen, die direkt nach Abnahme der Baumaßnahme starteten, wurden für einen Zeitraum von 25 Jahren vergeben und umfassen neben reinen Instandhaltungsleistungen auch Hausmeisterdienste, Reinigung und Catering. Die bisherigen Erfahrungen sind positiv.

Umfangreicher Investitionsbedarf

Die Stadt Nürnberg ist die zweitgrößte Stadt in Bayern mit weit über 500 000 Einwohnern, Tendenz steigend. Sie ist Zentrum der Metropolregion Nürnberg. Jeden Tag sorgen über 11 000 Mitarbeiter bei der Stadt Nürnberg dafür, dass die Stadtverwaltung all ihre Aufgaben erfüllen kann. Die Stadt selbst erstreckt sich auf einer Fläche von 186,4 Quadratkilometern. Die Stadt Nürnberg erfüllt vielfältige Aufgaben in den Bereichen Jugend und Familie, Gesundheit und Soziales, Schule und Bildung, Bauen und Wohnen, Natur und Umwelt sowie Verkehr und Mobilität. Regelmäßig sind damit umfassende Investitionen verbunden.

Unter diesen Rahmendaten stellen sich die Investitionsschwerpunkte im Zeitraum von 2020 bis 2023 bei den Bruttoinvestitionen wie in Abbildung 1 ersichtlich dar. Von herausragender Bedeutung ist der Bereich Schulen inklusive Informationstechnologie: Die Stadt Nürnberg ist Sachaufwandsträger für 102 Schulen. Sachaufwandsträger bedeutet, dass die Stadt die finanziellen Mittel, die zum Bau und Betrieb einer Einrichtung in öffentlicher Hand notwendig sind, übernehmen muss. Darunter fallen ebenso die Kosten des nichtpädagogischen Personals wie Hausmeister und Reinigungskräfte. Dies gilt nicht nur für kommunale Schulen, sondern auch für staatliche Schulen. Des Weiteren verfügt die Stadt Nürnberg über eine Vielzahl weiterer Gebäude, die als Kindertageseinrichtungen, Verwaltungsgebäude, Kulturbauten, Sportstätten, Feuerwehrgebäude oder ähnliches genutzt werden. Auch diese Gebäude müssen regelmäßig Instand gehalten werden oder - sofern dies nicht mehr möglich ist oder der Bedarf gestiegen ist - durch Neubauten oder Anmietungen ersetzt werden.

Drei denkbare Varianten

Wenn die Entscheidung für einen Neubau gefallen ist, kommen bei der Stadt Nürnberg grundsätzlich drei Beschaffungswege in Frage: (1) die Eigenerstellung durch das Hochbauamt; (2) die Erstellung über eine eigens gegründete Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft, die nur für die Stadt Nürnberg im Rahmen einer Öffentlich-Öffentlichen Partnerschaft tätig ist oder (3) die Erstellung über einen privaten Partner im Rahmen einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft.

Vor der Entscheidung für einen Beschaffungsweg sind die in Abbildung 2 aufgelisteten Fragen zu beantworten. Bislang ist die Entscheidung bei drei Projekten mit insgesamt sechs Schulen für ÖPP gefallen und bei drei Projekten für ÖÖP. Das vergebene ÖPP-Bau-Volumen beläuft sich auf über 130 Millionen Euro. Aber auch zwei Spezialimmobilien wurden in einem Fall als Mietmodell und im anderen Fall als Inhabermodell ausgeschrieben. Nach wie vor wird die Mehrzahl der Investitionen konventionell, das heißt über das städtische Hochbauamt, abgewickelt.

Voraussetzungen: ausreichende Projektgröße, Wirtschaftlichkeit, ...

Um die Entscheidung für ÖPP fällen zu können, muss eine gewisse Projektmindestgröße vorliegen. Regelmäßig erfüllen Kindertagesstätten diese nicht. Anders ist es bei Schulen, die üblicherweise ein Volumen von 15 Millionen Euro übersteigen. Ebenso in Frage kommen Spezialimmobilien wie Pflegeheime und große Werkstätten. Denkbar wären auch Straßen, Verwaltungsgebäude, Kulturimmobilien, Feuerwehrgebäude. Hier liegen bei der Stadt Nürnberg bislang keine Erfahrungen vor.

Vor der Entscheidung ein ÖPP-Projekt weiter zu verfolgen, muss zunächst überprüft werden, ob in dem jeweiligen speziellen Fall die Vergabe an einen privaten Partner ein wirtschaftliches Ergebnis erwarten lässt. Es wird deshalb im Vorfeld eine sogenannte Wirtschaftlichkeitsprognose erstellt, die über das Vergabeverfahren weitergeführt und mit dem Ausschreibungsergebnis abgeglichen wird. Nur wenn eine Öffentlich-Private Partnerschaft mindestens ebenso wirtschaftlich ist wie eine konventionelle Eigenerstellung, kann die Beauftragung eines privaten Partners erfolgen.

Schulen haben den Vorteil, dass sich diese Projekte hinsichtlich Größe, funktionaler Zusammenhänge und ähnlichen Faktoren gut definieren lassen. Durch die Schulbaurichtlinien, Vorgängerprojekte et cetera kann bei der Stadt Nürnberg auf viele Standards und Vorgaben zurückgegriffen werden. Ergänzt werden diese durch spezielle Vorgaben der Stadt Nürnberg, wie etwa Passivhausstandard und Richtlinien im Bereich der Informationsversorgung. Somit muss das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden, was dazu führt, dass die Projekte wirtschaftlich und zügig vorbereitet werden können. Auch ist bei Schulen sicher, dass sie über einen längeren Zeitraum benötigt werden.

... Möglichkeit zu Nutzungsänderungen und Akzeptanz

Dennoch besteht auch hier immer die Möglichkeit, dass es zu Änderungen kommt, die dann wiederum massive Auswirkungen auf das Gebäude haben. Genannt seien hier nur der Gesetzesanspruch auf einen Ganztagesplatz und Änderungen im Sprengelbereich und der Wunsch nach kleineren Klassengrößen. Die Ausschreibung und das Vertragswerk müssen also so aufgebaut sein, dass spätere Nutzungsänderungen noch möglich sind.

Bei den ausgeschriebenen Leistungen ist es insbesondere unerlässlich, dass die Stadt Nürnberg weiterhin Eigentümer der Schule ist, damit Zuschüsse nach dem Finanzausgleichsgesetz einbezogen werden können. Als wesentliche Grundvoraussetzung kann auch noch die Akzeptanz der Nutzer genannt werden. Die Akzeptanz kann durch frühzeitige Einbindung der Nutzer in die Bedarfserfassung, -definition und Ausschreibung und die permanente Rückkopplung im Verfahren erreicht werden.

Die Stadt Nürnberg versucht, bei allen Schulen einen einheitlichen Standard umzusetzen, um so keine Unterschiede zwischen eigenerstellten Schulen und Schulen mit dem Beschaffungsweg ÖÖP und ÖPP entstehen zu lassen. Last, but not least können ÖPP-Projekte nur umgesetzt werden, wenn die politische Akzeptanz vorhanden ist. Dies gilt sowohl für den Stadtrat als auch die Öffentlichkeit im Allgemeinen.

Ausschreibungsverfahren und Projektaufstellung

ÖPP-Projekte sind aufgrund ihres Vergabevolumens europaweit in elektronischer Form auszuschreiben. Die Stadt Nürnberg hat sich bislang für ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb entschieden und hat damit gute Erfahrungen gemacht. Im Verfahren wurde von den privaten Partnern zunächst ein indikatives Angebot erstellt, das über eine oder mehrere Runden verhandelt wurde und in einem verbindlichen Angebot gemündet ist.

Ein derartiges Ausschreibungsverfahren erfordert eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter Einbindung der Nutzer, die mit Beratungskompetenz von außen verstärkt wird. Bei der Stadt Nürnberg ist die Arbeitsgruppe mit Architekten, Diplom-Kaufleuten, Pädagogen und Verwaltungssachverstand ausgestattet. Die Dauer eines europaweiten Verfahrens ist mit mindestens zwölf Monaten anzusetzen.

Auswahl der Partner

Bei der Auswahl der Partner legt die Stadt Nürnberg großen Wert auf ein qualitativ hochwertiges Gebäude, das durch eine maximale Funktionalität die Vorgaben der Nutzer erfüllen kann. Nur so lassen sich Nutzerzufriedenheit und Akzeptanz der Öffentlichkeit sicherstellen. Im Wertungspunkt "Architektur/Funktionalität" ist ebenso das Wertungskriterium Städtebau enthalten, das gemeinsam mit dem Wertungspunkt Architektur, die Gestaltung und Aufenthaltsqualität des Gebäudes auch mit seiner Wirkung zur Umgebungsbebauung erfasst. Dafür werden insgesamt 30 Prozent der Gesamtpunkte vergeben (siehe Abbildung 3).

Nach wie vor bleibt aber als bedeutendstes Einzelkriterium mit 40 Prozent der Barwert, der alle Zahlungsströme während der Vertragslaufzeit erfasst. Nur so kann sichergestellt sein, dass eine Vergabe an einen privaten Partner die erforderliche Wirtschaftlichkeit erzielt und vonseiten des Stadtrates und der Kommunalaufsicht genehmigt werden kann. Daneben liegt der Stadt Nürnberg neben den Gebäudemanagementleistungen mit dem dahinterliegenden Instandhaltungskonzept über 25 Jahre, die Nachhaltigkeit und bauliche Qualität am Herzen. Hier werden unter anderem die Umsetzung des Passivhausstandards, prognostizierte Energieverbräuche, die Flächeneffizienz und die Qualität der verwendeten Baustoffe beurteilt.

Chancen überwiegen

Aus Sicht der Stadt Nürnberg ergeben sich die in Abbildung 4 dargestellten Chancen/Vorteile und Risiken/Nachteilen. Bei den abgeschlossenen Projekten haben die Chancen überwogen. Projektspezifisch kann sich dies aber auch anders darstellen. Dennoch lässt sich als Fazit festhalten: Die Chancen überwiegen! Für Nürnberg ist insbesondere der Festpreis bei garantiertem Fertigstellungstermin bei bislang immer belegter hoher Wirtschaftlichkeit immens wichtig.

Die Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern verläuft bisher partnerschaftlich, bei auftretenden Problemen wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. Die häufig geäußerte Kritik, dass bei ÖPP nur Schuhschachtelarchitektur angeboten wird, kann vonseiten der Stadt Nürnberg widerlegt werden. Für eine Schule wurde sogar ein Architekturpreis verliehen. Darüber hinaus findet eine oft unterstellte Privatisierung nicht statt. Beim Inhabermodell wird auf städtischem Grund gebaut, das Gebäude ist von Beginn an in städtischem Eigentum. Deshalb ist ÖPP für die Stadt Nürnberg auch zukünftig ein wichtiger Beschaffungsweg.

DER AUTOR HARALD RIEDEL berufsmäßiger Stadtrat, Referent für Finanzen, Personal, IT und Organisation und Kämmerer, Stadt Nürnberg
DIE AUTORIN DR. BETTINA KELLER Mitarbeiterin in der Stabsstelle Zentrale Steuerung/Gebäudemanagement des Referates für Finanzen, Personal, IT und Organisation, Stadt Nürnberg
Harald Riedel , berufsmäßiger Stadtrat, Referent für Finanzen, Personal, IT und Organisation und Kämmerer, Stadt Nürnberg
Dr. Bettina Keller , Mitarbeiterin in der Stabsstelle Zentrale Steuerung/Gebäudemanagement des Referates für Finanzen, Personal, IT und Organisation, Stadt Nürnberg

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