Transaktionen

Comeback der Immobilien-M&A

Christina Angermeier, Managerin, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn

Welche Rolle spielen Private-Equity-Unternehmen hierzulande beim Thema Fusionen beziehungsweise Übernahmen ("Merger & Acquisitions", M&A) von Immobilienunternehmen? Dieser Frage nehmen sich die Autoren des folgenden Beitrags an. Im Rahmen einer Langzeitbetrachtung analysieren sie das Segment und kommen zu einigermaßen überraschenden Erkenntnissen: Private-Equity-Unternehmen sind mit Eintritt der Finanzkrise nicht von der Bildfläche verschwunden. Im Gegenteil: Nach einer kurzen Verschnaufpause bildeten sie zuletzt gar wieder die zweitwichtigste Käufergruppe bei hiesigen M&A-Transaktionen. Neben den attraktiven Renditeaussichten treibe sie dabei oftmals auch der Wunsch nach einer besseren Marktdurchdringung an. Die Autoren erörtern darüber hinaus die größten Herausforderungen, die im Anschluss an eine vollzogene Transaktion auf die Beteiligten zukommen. Red.

In der jüngeren Vergangenheit gab es einige große Private-Equity-Deals, die auf die Immobilienwirtschaft abzielten - darunter der Kauf eines städtischen Wohnungsunternehmens in Thüringen mit 6 500 Wohneinheiten. Oder auch die Übernahme eines Immobilienunternehmens mit Sitz in Frankfurt mit rund 100 Gewerbeimmobilien für 3,6 Milliarden Euro. Ein Comeback der Immobilien-M&A?

Nach den Boomjahren 2006/2007, als die großen US-Player den deutschen Markt für sich entdeckt hatten, schien es lange sehr ruhig um das Thema geworden zu sein. Dass dies nur teilweise stimmt, zeigt eine Langzeitbetrachtung unseres Hauses, für die mehr als 200 M&A-Transaktionen mit Beteiligung der hiesigen Immobilienwirtschaft herangezogen wurden: Private-Equity-Unternehmen sind fortwährend ein wichtiger Player gewesen. Zwischen 2005 und 2016 machten sie käuferseitig einen Anteil von knapp einem Viertel aller Transaktionen aus (siehe Abbildung 1).

Zyklen mit unterschiedlicher Dynamik

Dabei gab es allerdings drei Zyklen mit jeweils auffallend unterschiedlicher Dynamik. In den ersten vier Jahren des Betrachtungszeitraums (2005 bis 2008) war die Zahl der Deals mit PE-Beteiligung überdurchschnittlich hoch: Ihr Anteil lag hier bei 34 Prozent aller Transaktionen. In den Krisenjahren (2009 bis 2012) sank der Anteil dann und lag nur noch bei zwölf Prozent. Gänzlich verschwunden waren sie damit also keineswegs. Und seitdem ist das Gewicht von Private-Equity-Übernahmen wieder deutlich gestiegen - auf rund 28 Prozent. Nach den klassischen Immobilienbestandshaltern sind PE-Investoren damit in der jüngeren Vergangenheit die zweitstärkste Käufergruppe.

Für Private-Equity-Unternehmen spielt - wenig überraschend - der Wunsch nach einer geeigneten Kapitalanlage eine entscheidende Rolle für die Beteiligung an Immobilienfirmen. Allerdings beobachten wir erstaunlich oft, dass ein zweiter Faktor von Bedeutung ist: die bessere Marktpenetration. Und wenn nicht allein Private-Equity-Unternehmen, sondern auch die bereits genannten Bestandshalter sowie weitere Käufergruppen vom Asset Manager bis zum Entwickler betrachtet werden, so wird deutlich: Das Bestreben, bereits erschlossene Märkte noch stärker zu durchdringen, ist als Auslöser für Transaktionen insgesamt sogar am wichtigsten. Fast jeder zweite Deal ist hierdurch motiviert.

M&A nicht immer erste Wahl

Ein Beispiel sind hier besagte Immobilienbestandshalter, die innerhalb ihres angestammten Marktes eine Wachstumsstrategie für größere Skaleneffekte verfolgen. In einem kompetitiven Umfeld sind Direktinvestments nicht immer der favorisierte Weg, und so sollen Marktanteile durch den Unternehmenskauf gewonnen werden. Oder anders herum: Direktinvestments wären zwar der favorisierte Weg, nur ist organisches Wachstum durch einen Mangel an Opportunitäten ökonomisch nicht sinnvoll darstellbar.

M&A wird dann gezwungenermaßen zum Mittel der Wahl. Die Untersuchung zeigt im Übrigen: In der jüngeren Vergangenheit spielen auch die Diversifikation und der Eintritt in neue Märkte eine zunehmend wichtige Rolle als Deal-Treiber. Rund zehn Prozent aller Unternehmenstransaktionen in den Jahren 2013 bis 2016 hatten dies zum Ziel - deutlich mehr als in den Jahren zuvor.

Akteure mit unterschiedlichen Prioritäten

Wie gesagt: Dabei gibt es erhebliche Unterschiede je nach Unternehmenstyp, von dem die Akquisition ausgeht (siehe Abbildung 2). Immobilienfonds und REITs fokussieren naturgemäß weiterhin deutlich stärker auf den Investmentgedanken als beispielsweise Non-Property-Companies, die in das Immobiliensegment drängen und den entsprechenden unternehmensstrategischen Ansatz stärker gewichten wollen oder müssen als kurzfristige Renditeüberlegungen. Hier spielt auch die sogenannte Proptech-Szene eine gewisse Rolle, also technologieorientierte Startups, die ihr Wachstum sowohl organisch als auch anorganisch forcieren.

Häufig sind sie aber auch selbst die Übernahmekandidaten: Viele etablierte Unternehmen wollen mehr digitale Kompetenz oder eine bestimmte Technologie und setzen dafür auf die Akquisition von Start-ups. Die Immobilienwirtschaft gilt mit Blick auf die Chancen, die im digitalen Wandel der Gesellschaft liegen, nicht unbedingt als Vorreiter - Proptechs zählen aber spätestens seit 2016 zu den Business-Modellen, die bei Käufern häufiger auf der Agenda stehen. Stichwort Eintritt in neue Märkte: Über die Akquisition aufstrebender Proptechs bietet sich auch für bislang branchenfremde Unternehmen die Möglichkeit, in der Immobilienwirtschaft Fuß zu fassen.

Vielfältige Herausforderungen nach der Transaktion

Unabhängig von den Gründen bringen Unternehmenszusammenschlüsse rund um die Immobilie zunächst einmal ähnliche Herausforderungen mit sich wie in anderen Branchen auch: Trägt das Personal die neue Situation mit? Verfolgt man eine Ein- oder Mehrmarkenstrategie? Passt die IT-Infrastruktur zusammen? Die Liste ließe sich fortsetzen. Hinzu kommen die immobilienbezogenen Spezifika der Unternehmenstransaktion. So können schon kleine Unterschiede in der Erfassung von Variablen (zum Beispiel Bauqualitäten oder mietvertragsbezogene Daten) zu Komplikationen führen, um hier den Aspekt IT-Struktur noch einmal aufzugreifen.

Generell ist das Thema Daten von großer Bedeutung, zum Beispiel bei Unternehmen, die auf das Asset Management von Immobilien fokussiert sind. Bei vielen Asset Managern gibt es Mängel mit Blick auf den Detailgrad und die Vollständigkeit der Daten, die sich auf die betreuten Bestände beziehen. Solche Mängel können unabhängig von der Qualität und Kompatibilität der IT-Systeme auftreten. Dabei gilt: Gerade bei großen Immobilienportfolios ist das nachträgliche Erheben von Einzelinformationen zur Vervollständigung der relevanten Datensätze mit einem großen Aufwand verbunden.

Datenqualität relevant für Preisfindung

Die Qualität und der Umfang der beim Asset Manager bereits vorliegenden Immobiliendaten sind entsprechend für die Preisfindung von großer Bedeutung. Im Zweifel können sie einen Deal zum Scheitern bringen. Zwar lassen sich in der nachträglichen Datenerhebung je nach Fall beispielsweise künstliche Intelligenzen einsetzen, sodass sich der Personaleinsatz reduzieren ließe - doch auch dies ist durchaus preisrelevant. Es empfiehlt sich bei Asset Managern in jedem Fall, das Thema Immobiliendatendichte und -qualität in der Ankaufsprüfung sehr ernst zu nehmen.

Im Übrigen scheinen Asset Manager seit einiger Zeit durchaus attraktive Übernahmekandidaten zu sein - eine Erhebung unseres Hauses hat gezeigt, dass hier zwischenzeitlich jedes dritte Unternehmen ein Angebot auf dem Tisch hatte.

In anderen Feldern der Immobilienwirtschaft spielen wieder andere Faktoren als die Datenqualität eine Rolle, die - wie beispielsweise bei Projektentwicklern - stark auf die lokale Kompetenz abzielen können. Stichworte wären hier unter anderem die Vernetzung am Markt im Sinne des Zugangs zu Grundstücken oder die Baurechtschaffung. Das Potenzial des jeweiligen Unternehmens läge in diesem Fall in besonders hohem Maße im Personal. Immobilien sind und bleiben in vielen Fällen ein People-Business.

Ob Unternehmenserwerb oder Zusammenschluss - die Immobilienwirtschaft ist traditionell ein attraktives Ziel. Nicht nur, weil hier Renditechancen liegen: Der Fokus hat sich in den vergangenen Jahren vom Investment leicht in Richtung bessere Marktdurchdringung verlagert. Auch Diversifikation und Eintritt in neue Märkte sind Punkte, die heute wichtiger sind als noch vor wenigen Jahren. Infolge der jeweiligen Unternehmenstransaktionen gilt es, die branchenunabhängigen Hürden (IT-Landschaft et cetera) zu überwinden, aber auch die immobilienspezifischen Herausforderungen (Datenanforderungen et cetera) zu meistern. Als Käufer treten besonders häufig Bestandshalter und Private-Equity-Unternehmen, aber auch Asset Manager und REITs auf.

Die Autoren Christina Angermeier Managerin Dr. Dominique Pfrang Manager, beide Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn

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