RISIKOMANAGEMENT

COMPLIANCE-RISIKEN IN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT UND WIE MAN SIE MINIMIERT

Antonios Kotsis, Foto: JLL

Der Begriff "Compliance" wird in der Betriebswirtschaftslehre gemeinhin als die Einhaltung von Gesetz und Recht durch das Unternehmen und seine Mitarbeiter verstanden. Doch trotz der in den vergangenen Jahren stetig verschärften Anforderungen in diesem Bereich wird das Thema in vielen Unternehmen noch immer überraschend stiefmütterlich behandelt. Wie Compliance nachhaltig in der Immobilienwirtschaft verankert werden kann, ist Gegenstand des folgenden Beitrags. Die Autoren betonen dabei insbesondere auch die entscheidende Rolle der Unternehmensleitung bei der Festlegung und anschließenden Einhaltung von Compliance-Zielen. Red.

Es sind herausfordernde Zeiten für Unternehmen: Änderungen von EU-Verordnungen und Richtlinien sowie nationalen Gesetzen erfolgen immer schneller, neue Gesetzesentwürfe stehen an. Unternehmen müssen sich aktuell insbesondere mit dem Verbandssanktionengesetz befassen, das derzeit das Gesetzgebungsverfahren durchläuft. Gleichzeitig sehen sich Unternehmensleitung und Compliance-Verantwortliche mit einem verschärften Haftungsrahmen und erhöhter Sensibilität in Fragen der Wirtschaftskriminalität konfrontiert.

Der Immobilienbereich rückt dabei zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Themen wie Geldwäsche im Immobiliensektor durch kriminelle Clans oder die Mafia, gespeicherte und veröffentlichte sensible persönliche Daten von Mietern gehören genauso dazu wie etwa Bestechungsgelder durch Miet- oder Kaufinteressenten oder durch Immobiliendienstleister, um Aufträge zu erlangen. Ein effektives Compliance Management System (CMS) kann den Unternehmen helfen, solchen Entwicklungen vorzubeugen. Im aktuellen Regierungsentwurf zum Verbandssanktionengesetz wird ein wirksames CMS ausdrücklich als gesetzlicher Sanktionsausschluss- beziehungsweise Milderungsgrund formuliert.

Diverse Schwerpunktrisiken

Ein Unternehmen kann nur dann effektiv seine Risiken minimieren, wenn diese bekannt sind. Und das ist letztlich jeweils individuell zu ermitteln. Allerdings haben sich einige Schwerpunktrisiken für die Immobilienbranche herauskristallisiert:

Geldwäsche: In Deutsch land weist der Immobiliensektor nach dem Bericht der Financial Intelligence Unit (FIU), der zentralen Stelle für die Entgegennahme von Geldwäscheverdachtsmeldungen und der "Ersten Nationalen Risikoanalyse" des Bundes unter Federführung des Finanzministeriums, ein hohes Geldwäscherisiko auf. Abhilfe sollen die Verschärfung des Geldwäschegesetzes (GwG) und steigende Anforderungen an die Marktteilnehmer schaffen. Für den Immobilienmakler ge hören dazu die Pflicht zur Unterhaltung eines Risikomanagements (Risikoanalyse, interne Sicherungsmaßnahmen, Geldwäschebeauftragter, verantwortliche Person auf Leitungsebene), die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflichten bei der Prüfung der Kunden beziehungsweise Transaktionsparteien sowie Verpflichtungen in Bezug auf das Transparenzregister und Verdachtsmeldepflichten.

In Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie wurde der Kreis der Verpflichteten ausgeweitet, unter anderem auf Mietmakler, Gerichte, Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts im Rahmen von Immobilienzwangsversteigerungen. Der Bußgeldrahmen für Verstöße wurde angehoben. Auch die Umsetzung der sechsten Geldwäscherichtlinie wird weitere Verschärfungen mit sich bringen.

Geldwäsche: verschärfte Meldepflichten

Unter anderem soll die Mindeststrafe für Geldwäschestraftaten von einem auf vier Jahre angehoben werden. Für Berufsträger wie Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare bringt die Geldwäschegesetzpflichtverordnung-Immobilien neue Verdachtsmeldepflichten im Zusammenhang von Immobilientransaktionen mit sich. Last, but not least soll der Geldwäschestraftatbestand (§ 261 StGB) ausgeweitet und der bisherige Vortatenkatalog gestrichen werden, sodass jede Straftat taugliche Vortat für Geldwäsche sein wird (All-Crimes-Ansatz).

Korruption: Die Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung, Bestechlichkeit und Bestechung im Verhältnis zu Amtsträgern beziehungsweise privatwirtschaftlichen Geschäftspartnern ist ein weiteres Schwerpunktrisiko. Wohnungsknappheit und hohe Nachfrage nach Immobilien führen zu einer Wettbewerbssituation, die den Nährboden für Korruption bilden kann. Dazu gehören als Maklerprovisionen getarnte Schmiergeldzahlungen, Zuwendungen des Projektentwicklers an einen kommunalen Entscheidungsträger im Vorfeld eines laufenden beziehungsweise geplanten Baugenehmigungsverfahrens für ein Entwicklungsprojekt sowie Kick-Back-Zahlungen an den Vertragspartner oder an Dritte.

Wettbewerbsverstöße: Sowohl wettbewerbsbeschränkende Absprachen als auch der Austausch marktrelevanter Informationen unter Wettbewerbern stellen ein weiteres Risiko dar. Preisabsprachen im Rahmen von Ausschreibungen, abgestimmtes Verhalten von Wettbewerbern in Bezug auf bestimmte Kunden und Lieferanten oder Informationsaustausch zwischen marktführenden Unternehmen, um die marktbeherrschende Stellung zu festigen. Hier drohen den Unternehmen hohe Bußgeldzahlungen sowie Reputationsschäden.

Gebot der Datensparsamkeit beachten

Datenschutzverletzungen: Wie bereits Fälle im Immobiliensektor gezeigt haben, drohen bei Verstößen gegen die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung hohe Bußgeldzahlungen, ganz abgesehen von einer negativen medialen Aufmerksamkeit. Dies gilt insbesondere für Verletzungen der Löschpflichten und den Umgang mit Datenpannen. Das Gebot der Datensparsamkeit und der Verarbeitungsnotwendigkeit ist stets zu beachten.

Sanktionsverletzungen: Politische Konflikte können täglich eskalieren, Sanktionen gegen Staaten oder Individuen sind oft die Folge. Tagesaktuelle Änderungen und Unterschiede in den verschiedenen Sanktionsregimen (USA versus EU) erschweren einen Überblick. Insofern ist ein fortwährendes Monitoring notwendig, gerade wenn sich Unternehmen im internationalen Kontext mit internationalen Kunden bewegen. Verstöße gegen Sanktionsregelungen führen nicht nur zu empfindlichen Strafzahlungen und Reputationsschäden sondern auch unter Umständen zu einem "Blacklisting" hinsichtlich zukünftiger öffentlicher Auftragsvergabe.

ESG-Regulatorik: Nachhaltiges Wirtschaften, insbesondere die Beachtung der Umwelt durch weitestgehend emissionsfreie und energiesparende Geschäftsmodelle, ist und wird Schwerpunktthema bleiben. Nach den Feststellungen der EU-Kommission sind Gebäude für mehr als 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die verabschiedeten Nachhaltigkeitskriterien der EU (Aktionsplan Finanzierung nachhaltigen Wachstums, Taxonomie-Verordnung 2020/ 852, nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsvorschriften) zielen darauf ab, Geldströme in nachhaltige Geldanlagen zu lenken.

Ermittlung und Priorisierung sind entscheidend

Um die ambitionierten Ziele erreichen zu können, ist in den kommenden Jahren eine weitere Verschärfung von Gesetzen und Bauvorschriften zu erwarten, wie etwa zuletzt beim Gebäudeenergiegesetz. Immobilienfondsanbieter aber auch die weiteren Akteure in der Immobilienwertschöpfungskette werden hier Anstrengungen unternehmen müssen, um die ambitionierten Ziele erreichen zu können.

Wie kann ein Unternehmen den genannten Risiken und weiteren, dem jeweiligen Geschäftsmodell inhärenten, Compliance-Risiken begegnen? In Zeiten starker Regulierung und einer großen Anzahl an einschlägigen komplexen Rechtsgrundlagen ist es für Unternehmen entscheidend, die für sie bestehenden Schwerpunktrisiken zu ermitteln und Prioritäten zu setzen.

In einem ersten Schritt sind die individuellen Geschäftsmodelle des Unternehmens zu analysieren, um bestimmte einschlägige Risiken feststellen zu können. In Interviews und Workshops mit den relevanten Führungskräften (Bereichs-, Abteilungs-, Teamleiter et cetera) und einzelnen Mitarbeitern können die verschiedenen Tätigkeiten und Prozesse in Erfahrung gebracht werden:

  • Wie gelange ich an den Kundenauftrag (zum Beispiel öffentliche Ausschreibungen, externe Vermittler et cetera)?
  • Wer sind meine Kunden (natürliche Personen versus Institutionelle Anleger)?- Aus welchen Ländern stammen meine Kunden?
  • Herkunft der Geldmittel?- Welche Immobilienklassen sind vom jeweiligen Geschäftsmodell tangiert (gewerbliche Immobilien versus Wohnimmobilien)?
  • Werden die Services ausschließlich durch interne Mitarbeiter oder aber mit Hilfe von externen Subunternehmern erbracht?

Gemeinsames Vorgehen fördert die Akzeptanz

Solche Interviews können persönlich oder automatisiert erfolgen. Eine automatisierte Analyse schont Ressourcen und lässt die Befragung einer größeren Anzahl an Mitarbeitern zu, erfordert aber wohlüberlegte Fragen und ein ausgereiftes Ergebnisbewertungsmodell. Anhand der gesammelten Informationen können die einschlägigen Schwerpunktrisiken erkannt und bewertet werden. Die Bewertung der Risiken erfolgt anhand der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Ausmaßes der potenziellen Schäden.

Die Ergebnisse werden mit den betroffenen Führungskräften gemeinsam besprochen und analysiert mit dem Ziel, das Unternehmen vor Schäden und negativer Reputation zu schützen. Die gemeinsame Analyse der Risiken, die Festlegung von Maßnahmen zur Minimierung dieser Risiken und deren Kommunikation an die Mitarbeiter führt zu einem einheitlichen Verständnis und Akzeptanz der Compliance-Ziele. Die Compliance-Kultur des Unternehmens wird gefördert.

Um sicherzustellen, dass die Entwicklung und Transformation der Unternehmen und der Geschäftsmodelle angemessen berücksichtigt werden, ist die Risikoanalyse in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren.

Klare Kommunikation der Maßnahmen

Mit Blick auf risikominimierende Maßnahmen muss die Unternehmensleitung zunächst die Rolle des Compliance-Verantwortlichen gegenüber Führungskräften und Mitarbeitern klar kommunizieren, den Compliance-Verantwortlichen in seiner Arbeit unterstützen und notwendige Ressource bereitstellen. Entscheidend ist, dass

  • die Unternehmensleitung verbindliche Compliance-Ziele (Verhinderung der ermittelten Schwerpunktrisiken) definiert und sich klar zu diesen bekennt ("tone from the top"). Das Verständnis über die eigene Verantwortlichkeit ist von herausragender Bedeutung.
  • die Compliance-Ziele an die nachgelagerten Führungskräfte nicht nur kommuniziert, sondern in einer Zielvereinbarung festgelegt werden. Das Verständnis über die eigene Verantwortlichkeit ist wichtig, mangelnde Unterstützung ist zu sanktionieren, etwa durch Verlust beziehungsweise Reduzierung der variablen Vergütung.
  • die nachgelagerten Führungskräfte die Compliance-Ziele an ihre Mitarbeiter kommunizieren und die Einhaltung einfordern ("tone from the middle"). Das Verständnis der Mitarbeiter über die eigene Verantwortlichkeit ist maßgeblich.

Die kontinuierliche Benennung der Risiken und der ständige Austausch zwischen den Führungskräften, dem Compliance-Verantwortlichen und den Mitarbeitern ist Voraussetzung für die Annahme der Compliance-Ziele durch die Mitarbeiter.

Weitere interne Maßnahmen zur Verhinderung von Compliance-Verstößen sind:

  • Regelmäßige und geschäftsbereichsspezifische Trainings mit den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter sollen anhand von Fällen aus der Praxis für die bestehenden Risiken sensibilisiert werden (Schulung von Dilemmasituationen).
  • Die Einrichtung eines Hinweisgebersystems, das es ermöglicht auch anonym intern und extern Compliance Verstöße melden zu können. Vor dem Hintergrund der bis Ende dieses Jahres vom Gesetzgeber umzusetzenden EU-Whistleblowerrichtlinie und des bevorstehenden Verbandssanktionengesetzes gewinnt dies noch mehr an Bedeutung. Wer die Erreichung von Compliance Zielen ernst meint, muss es den Mitarbeitern ermöglichen, Compliance-Verstöße (anonym) melden zu können.
  • Die Etablierung einer Geschäftspartnerprüfung. Geschäftspartner und Subunternehmer sind standardisiert zu überprüfen in Bezug auf Vorstrafen und Sanktionen, Bonität, negative Reputation und, soweit erforderlich, bezüglich der Herkunft der finanziellen Mittel (Client beziehungsweise Vendor Due Diligence).

Implementierung in bestehende Prozesse und IT-Systeme

  • Die Schaffung von internen Regeln, um den Mitarbeitern eine Hilfestellung zu geben. Neben einem Verhaltenskodex (Business Code of Ethics) sollten für besonders risikoträchtige Geschäftssituationen spezielle Policies entwickelt werden. Entscheidend dabei ist es, die komplexen Situationen in eine für den Mitarbeiter einfach verständliche Sprache zu übersetzen. Es bietet sich an, intern geschaffene Regeln vorab einer kleinen Anzahl an Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, um die Verständlichkeit zu prüfen, bevor diese unternehmensweit kommuniziert und angewendet werden.
  • Die technische Implementierung der internen Regeln in bestehende Prozesse und IT-Systeme, beispielsweise im Kundenmanagement- oder Rechnungsstellungssystem, um eine fortlaufende, automatisierte Überwachung der Einhaltung der Compliance-Ziele zu erreichen. Im Bedarfsfall wird dann hierdurch automatisch die Compliance-Abteilung benachrichtigt (Compliance by design).
  • Die kontinuierliche Messung der Einhaltung der Ziele und der Wirksamkeit von getroffenen Maßnahmen durch jährliche Audits, anonyme Mitarbeiterbefragungen (Compliance Culture Surveys), externe Zertifizierungen des CMS (etwa Zertifizierung nach dem Pflichtenheft des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), Prüfstandard 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), ISO 19600).
  • Die situationsangemessene Sanktionierung von Verstößen gegen die Compliance-Ziele zu gewährleisten. Nur so kann den Mitarbeitern die Wichtigkeit der Compliance-Ziele für die Unternehmensleitung aufgezeigt werden und die Unternehmensleitung und Führungskraft als glaubwürdig wahrgenommen werden.

Last, but not least ist der kontinuierliche Austausch mit Behörden, Gesetzgeber und Marktteilnehmern von Bedeutung. Er ermöglicht es, praxisgerechte gesetzliche Regelungen zu erreichen und eigene Gesetzesauslegungen durchzusetzen, die Prüfpraxis und Schwerpunkte von Behörden besser zu verstehen. Auf diese Weise können risikominimierende Maßnahmen passgenauer entwickelt werden.

Kontinuierlicher Austausch mit Politik und Gesetzgeber

Durch Mitgliedschaften in Verbänden ergibt sich für Compliance-Verantwortliche die Möglichkeit, sich mit anderen Kollegen auszutauschen und in Arbeitsgruppen an der Entwicklung von praktischen Lösungen zur Prävention von Compliance-Verstößen mitzuwirken. Immobilienverbände und verschiedene Initiativen bemühen sich um erhöhte Sensibilisierung für das Thema.

Die Veröffentlichung von Leitfäden und die Erarbeitung von Best Practices geben den Unternehmen zusätzliche Hilfsmittel an die Hand, etwa durch das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (icg-institut.de) mit seinen Leitfäden "Zeitgemäße Compliance in der Immobilienwirtschaft" und "Geldwäscheprävention in der Immobilienwirtschaft" oder die Legal & Compliance Initiative Real Estate (compliance-realestate.com), die unter anderem einen Standard zur Identifizierung von Geschäftspartnern nach dem GwG entwickelt hat.

DER AUTOR ANTONIOS KOTSIS Head of Legal & Compliance Germany, Austria, Switzerland, Jones Lang LaSalle SE, Frankfurt am Main
 
DER AUTOR JAN OCKENFELS Team Leader Compliance Germany, Austria, Switzerland, Benelux, Jones Lang LaSalle SE, Frankfurt am Main
Antonios Kotsis , Head of Legal & Compliance Germany, Austria, Switzerland, Jones Lang LaSalle SE, Frankfurt am Main
Jan Ockenfels , Team Leader Compliance Germany, Austria, Switzerland, Benelux, Jones Lang LaSalle SE, Frankfurt am Main

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