RISIKOMANAGEMENT

COVID-19 UND DIE IMPLIKATIONEN FÜR DAS KREDITRISIKOMANAGEMENT

Martina Zierke, Foto: privat

Der Ausbruch der Corona-Pandemie vor rund einem Jahr hat auch in der Immobilienwirtschaft so manches auf den Kopf gestellt. Drehte sich eben noch alles um Wachstum, so stand nun vielerorts plötzlich erst einmal Schadensbegrenzung ganz oben auf der Agenda. Zwar haben sich die schlimmsten Prophezeiungen ("massenhafte Notverkäufe", Asset Meltdown" et cetera) erfreulicherweise nicht erfüllt - über mangelnde Arbeit im Kontext der Krisenbewältigung kann sich die Branche gleichwohl nicht beklagen. Das gilt ganz besonders für die gewerblichen Immobilienfinanzierer, die neben der laufenden Überwachung des Kreditportfolios immer auch in einem äußerst intensiven und zuweilen belastenden Austausch mit den Aufsichtsbehörden stehen. Die Autorin gewährt im folgenden Beitrag Einblicke in die Arbeit des Kreditrisikomanagements in Krisenzeiten. Red.

Markt und Marktfolge stehen systemisch in einem konstruktiven, jedoch antagonistischen Verhältnis zueinander. Dabei wird vor allem in guten Zeiten mit positiver Aussicht oft die Frage gestellt, welchen Mehrwert ("added value") bringt eigentlich ein Risikomanager im Kreditgeschäft? Anders sieht es in Krisenzeiten aus. Die Bedeutung von Risikofrüherkennung, (zusätzlicher) Analyse und Überwachung steigt und damit die Rolle des Risikomanagers.

Jede Krise ist anders

Angemessene Reaktionen auf diverse Sachverhalte sind zu initiieren, zu begleiten, zu berichten und zu überwachen. Krisenerfahrung, tiefe Fachkenntnis und wirtschaftliche Weitsicht sind dabei wichtig. Und doch ist jede Krise anders; andere Auslöser erfordern andere Reaktionen und haben andere kurz- und langfristige Auswirkungen.

Die letzte große, auch die Immobilienwelt erschütternde, Krise ist über zehn Jahre her und seitdem haben die Immobilienmärkte weltweit nur eine Richtung gekannt: aufwärts. Gleichzeitig wurde seitdem eine nie gekannte Welle neuer aufsichtsrechtlicher Regeln implementiert - gerade für Banken - und der Prozess dauert an. Das Ziel der Maßnahmen, sprich die Bekämpfung der hohen NPL-Bestände der Banken (Non-Performing Loans, also problembehaftete Kredite) und die Stärkung der Eigenkapitalquoten, deutet die Richtung der Maßnahmen an.

Einige Beispiele sind höhere Eigenkapitalanforderungen bei gleichzeitig oft höherer Belegung der Risk Weighted Assets (RWA) auch bei unverändertem Rating der Finanzierung, neue Stufen der Risikovorsorge für Kredite gemäß IFRS 9 (bei Verschlechterung des Ratings) und auch Schaffung von neuen "Risikoklassen" mittels "Forbearance" mit strengen Definitionen der Aufsicht bei Zugeständnissen an Kunden (unter anderem Tilgungsaussetzungen, Prolongationen, Vertragsanpassungen).

In diversen Sonderprüfungen verschafft sich die Aufsicht ein Bild über die Einhaltung der von ihr erlassenen Regeln inklusive Überprüfung der Ratingsysteme, die stets kleinteiliger modelliert und mit steigenden Dokumentationspflichten angereichert werden.

Die Pandemie als erster Praxistest für die Regulatorik

Die Covid-19-Pandemie könnte nun den ersten Praxistest dieser Regulatorik bringen. Welche Auswirkungen wird Corona auf die Wirtschaft, die Beschäftigung und als "Nachläufer" auf die Immobilienbranche sowie die Immobilienfinanzierung einschließlich der Rolle des Kreditrisikomanagements der Banken haben? Bietet dieses Instrumentarium an Regulatorik den erwünschten und notwendigen Schutz? Und wie wirkt sich gegebenenfalls sogar die neue (Corona-)Gesetzgebung in Verbindung mit der für Banken geltenden Regulatorik aus?

Die Banken müssen und wollen stets die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Regeln gewährleisten. Daher wird eine Bank bei Erkennen einer Krise gesamthaft durch ihr Portfolio gehen, im Versuch schnellstmöglich die Schwere der Betroffenheit abzuschätzen. Diese Übung wird sich im Verlauf der Krise mehrfach wiederholen, um jeweils einen aktuellen Stand sicherzustellen sowie Veränderungen verfolgen zu können. Eine sinnvolle methodische Vorgehensweise ist dabei "vom großen Ganzen ins Kleine" zu zoomen.

Vom großen Ganzen ins Kleine

Dies wird in Abhängigkeit der Geschäftstätigkeit der jeweiligen Bank unterschiedlich ausfallen. Eine Bank, die ausschließlich Immobilienfinanzierung anbietet, wird dies anders gestalten als eine Universalbank mit fast allen Finanzierungsformen inklusive mittlerer und großer Unternehmen in vielfältigen Branchen wie Infrastruktur, Flugzeuge, Schiffe et cetera.

In diesem Beitrag sollen die direkten und indirekten Auswirkungen auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung im Fokus stehen. Finanzierungen von privaten Eigenheimen unterliegen anderen Parametern, die wesentlich durch konsumentenspezifische Rechtsprechung und soziodemografische Faktoren bestimmt werden.

Bei Finanzierungen von gewerblichen Immobilien handeln zwei professionelle Parteien. Die Verträge regeln umfassend und detailliert die gegenseitigen Rechte und Pflichten - auch für Zeiten unplanmäßiger Entwicklungen - und diese gehen weit über den reinen "payment default", also der Vertragsstörung durch "Nichtzahlung", hinaus.

In Krisenzeiten werden Vertragsbestandteile schlagend, die man in guten Zeiten weniger benötigt, zum Beispiel Konsequenzen nach Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen (Covenants) wie etwa das Führen eines Sperrkontos oder auch die Abstimmung von Heilungsmaßnahmen beziehungsweise Zustimmung zu Anträgen des Kunden auf Aussetzung oder Erleichterung bei einigen Vertragspflichten. Darüber hinaus nehmen auch Nachfragen des Managements, des Aufsichtsgremiums und der Aufsicht erheblich zu. Und hierin liegen unter anderem Teile der Sonderaufgaben des Risikomanagements in Krisenzeiten, wie der hier betrachteten Corona-Krise.

Dimensionen der Betroffenheit

Eines der wesentlichen Merkmale einer jeden Krise ist Unsicherheit mit allen ihren Auswirkungen auf viele Teile des Wirtschafts- und Privatlebens. Niemand kennt im Voraus die Dauer, Betroffenheit und den Umfang der Krise sowie die Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken. Bei der Betrachtung der Dimensionen der Krise wird der bereits beschriebene methodische Ansatz "vom großen Ganzen ins Kleine" angewendet, wobei dies im Krisenverlauf auch mehrfach durchlaufen werden kann, um Anpassungen entsprechend der Entwicklung der Krise zu gewährleisten.

Geht man zu Beginn der Krise durch das Portfolio, wird die erste Einschätzung der Betroffenheit ganz wesentlich davon abhängen, welche Pandemie-Maßnahmen das jeweilige Land (oder auch Bundesland) ergriffen hat. Diese sind höchst unterschiedlich und reichen von angeordneten Geschäftsschließungen über Ausgangssperren zu unterschiedlichen Hilfsmaßnahmen für Branchen, Unternehmen und Privatpersonen.

Bei Geschäftsschließungen, Ausgangssperren und Reisebeschränkungen leiden bestimmte Branchen direkt und sofort (zum Beispiel Einzelhandel, Restaurants, Hotels). Diese Branchen würden in einer Portfolio-Schau sofort in den Mittelpunkt der Betrachtung treten. Nach der Erfassung eines Gesamtbildes wird man dann gegebenenfalls länderweise und nach Nutzungsart gefächert tiefer hineinzoomen müssen, eventuell bis tief hinab auf die einzelne Finanzierung.

Vor Pauschalurteilen sei gewarnt

Auf Transaktionsebene hängt dann sehr viel vom individuellen Einzelfall und der spezifischen Betroffenheit ab. In welchem Umfang sind die Mieteinnahmen des Darlehensnehmers betroffen? Ist die Betroffenheit eher kurzfristiger Natur (Mieter setzt Mietzahlung vorrübergehend aus) oder wirkt diese längerfristig (Mieter ist insolvent oder zieht aus)? Wie ist der individuelle Darlehensvertrag auf diese Betroffenheit ausgerichtet? Gibt es im Vertrag Covenants, die eingehalten werden müssen, also Vertragsbedingungen mit Bezug beispielsweise auf Kapitaldienstdeckung oder auf Beleihungsausläufe?

Daneben fällt nun ins Gewicht, ob der Darlehensnehmer eine Eigenbonität hat oder nicht beziehungsweise ob es Teilhaftungen oder freiwillige Beiträge der Sponsoren gibt. Auch wenn dies eventuell nur begrenzt hilfreich ist bei der internen Risikoklassifizierung der Bank, so kann es insgesamt einen großen Unterschied machen, ob der Darlehensnehmer mit der zur Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen notwendigen Liquidität ausgestattet ist beziehungsweise wird oder eben nicht.

Wenig Handlungsspielraum für die Banken

Ist eine Branche besonders betroffen, wie etwa der Einzelhandel im Lockdown, und steht der Kreditnehmer unter Druck, weil er seine Mieter nicht mehr zahlen kann oder will, wird er die Bank um Erleichterungen bitten; entweder um Aussetzen oder Lockerung der Covenants oder gar um Aussetzung der Tilgung, im schlimmsten Fall auch der Zinszahlung. Diese Ebene ist der Öffentlichkeit meist über die Medien bekannt.

Wesentlich weniger öffentlich, aber unmissverständlich wirksam ist an dieser Stelle die Regulatorik. Denn die Banken können unter Umständen nicht mehr frei wählen, wie sie im Einzelfall reagieren, sondern müssen objektivierten Sachverhalten der Aufsicht folgend die interne Umklassifizierung des Kredites betreiben.

Dies wirkt, neben der sichtbaren Wirkung auf den Kreditnehmer, sofort auch auf das Kreditinstitut, denn über die RWA wird die Möglichkeit der Bank tangiert weitere Finanzierungen (inklusive Prolongationen bestehender Finanzierungen) zur Verfügung zu stellen. Die Einschätzungen und Maßnahmen der Bank müssen fundiert, gut begründet und mit Unterlagen belegt, sowie umfassend dokumentiert werden. Dies sind einige der zusätzlichen Aufgabe des Risikomanagements in Krisenzeiten.

Banken werden durch gewonnene Erkenntnisse möglicherweise ihre eigene Risikostrategie und Finanzierungsappetit überdenken und sei es nur in Bezug auf bestimmte geografische Regionen, Nutzungsarten oder Beleihungsausläufe. Dies könnte Auswirkungen auf den Kreditnehmer bei Fälligkeit seines Darlehens haben, sollte die bisherige Bank nicht prolongieren oder eine andere Bank nicht ablösen wollen.

Fälligkeitsprofil und Vertragsverletzungen

Daher wird eine Portfolioübersicht ein Fälligkeitsprofil als weitere Ebene beinhalten. Zielführend kann neben der reinen Sortierung nach Ablaufdatum auch eine Abstufung der Kredite nach der "Auskömmlichkeit in Bezug auf die Einhaltung der Covenant-Vereinbarungen", der Vereinbarkeit mit der neuen, an die Krise angepassten Risikostrategie und eventuell weiterer (objektbezogener) Kriterien sein.

Das Risikomanagement der Bank evaluiert, bei welchen Finanzierungen solche Themen schlagend werden könnten, um zum einen auf möglichst viele Situationen vorbereitet zu sein, aber mehr noch, um sie eventuell im Vorfeld noch positiv beeinflussen zu können. Hier wird das Risikomanagement in der Regel in die Kundenverhandlungen mit eingebunden.

Die Einhaltung der Covenants ist jedoch auch unabhängig von der Fälligkeit von Bedeutung. Eine Portfoliodurchsicht wird die Kredite herausfiltern, bei denen die Covenant-Einhaltung bereits im Vorfeld der Krise knapp war, denn sie werden aller Voraussicht nach als erste und möglicherweise auch am schwersten betroffen sein.

Zusätzlich werden Finanzierungen aus besonders betroffenen Branchen genau betrachtet, da hier die Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Covenants höher ist. Die Einschätzung der Situation um die Einhaltung der Covenants hängt ganz wesentlich von Investoren, Gutachtern und Regierungen ab.

Enger Austausch mit den Gutachtern

Lässt der Appetit der Investoren auf bestimmte Länder oder Nutzungsarten nach, fehlen den Gutachtern sogenannte "Comparables", also Vergleichstransaktionen, aus denen sie ihre Bewertungsparameter wie "Cap Rates" und Marktmiete ableiten. Sie werden aus Vorsichtsgründen Abschläge unterstellen, die tendenziell - wenn auch gegebenenfalls nur kurzfristig - zu geringeren Objektwerten, eventuell längeren Wiedervermietungszeiten oder auch niedrigeren Marktmieten führen.

All diese Faktoren wirken direkt und sofort auf den Darlehensvertrag inklusive eventueller Covenants. Nicht nur durch den Einzelfall dazu veranlasst, sondern auch mit Blick auf das Finanzierungsportfolio, wird daher das Risikomanagement die verschiedenen Immobilienmärkte genau beobachten und den Austausch mit den Gutachtern suchen. Dies, wie auch Covenant-Überwachung und-Ausblick, ist eine weitere Aufgabe des Risikomanagers.

Es könnte etwa aufgrund eines gesunkenen Objektwertes zu einem Bruch des Beleihungsauslaufs kommen, sodass dann die vertraglich vereinbarten Konsequenzen einsetzen, zum Beispiel Pflichtrückführung auf den maximalen Beleihungsauslauf oder Cashtrap des überschüssigen Cashflows nach Darlehensbedienung, sodass der Darlehensnehmer/Investor keine laufende Ausschüttung mehr erhält.

Was aber, wenn aufgrund von nicht mehr gezahlten Mieten oder Mieterinsolvenzen die laufenden Einnahmen schon nicht mehr für die Bedienung des Darlehens ausreichen oder so gering geworden sind, dass auch diese Covenants gerissen sind? Unabhängig von den dann sowieso anstehenden kreditmateriellen Konsequenzen, wird sich eine derart unter Druck stehende Finanzierung sicherlich nicht in gleicher Höhe refinanzieren lassen.

Hoher Digitalisierungsgrad ist hilfreich

Und auch hier ist das Risikomanagement gefordert, unter Einbindung der Kundenbetreuer, individuelle Lösungen zu erarbeiten, diese im Hause zu präsentieren und genehmigen zu lassen. Dabei ist stets das Risiko für die Bank auf Transaktions- und auf Portfolioebene im Auge zu behalten sowie auf Basis der Einzelerkenntnisse das Portfoliorisiko bewusst zu minimieren.

Das bedeutet zum Beispiel, dass bei signifikant gefallenem Wert, Mieten oder Rendite einer Immobilie in einem Markt erneut eine Portfolio-Schau aller ähnlich gelagerten Finanzierungen ausgelöst werden wird. Bei diesen sehr aufwendigen, ständigen Beobachtungen auf Portfolio- und Einzelkreditebene wird es Banken mit einem weit fortgeschrittenen, hohen Digitalisierungsgrad leichter fallen, laufend und zeitnah Auswertungen zu fahren. Sollten Banken noch relativ manuell unterwegs sein, ist dies eine enorme Belastung des Kreditrisikomanagements - zusätzlich zu den regulären Aufgaben.

Workout und regulatorische Vorgaben

Beginnt sich das Portfolio der Bank aufgrund der Krise weiter zu segmentieren, erhöht sich die Intensität der Berichterstattungen und Kreditgenehmigungen der Bank außerhalb des Regelturnus. Die aufsichtsrechtlich in regelmäßigen Abständen vorgeschriebenen Darstellungen der verschiedenen Risikoklassen der Bank werden die Veränderungen sowohl in absoluten, aber auch in relativen Zahlen deutlich machen (NPL-Quote).

Auch der interne Abstimmungsbedarf zwischen dem Risikomanagement im "Lebendgeschäft" und des sogenannten Workout-Bereiches (Betreuung von problematischen und ausgefallenen Finanzierungen) steigt. Nicht nur, um die korrekte Auslegung bei der Anwendung der NPL-Guideline der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) abzustimmen, sondern auch, um zielorientierte Fortführungsstrategien auf Einzelkreditebene zu vereinbaren oder im schlimmsten Fall die Übergabe eines Engagements in diesen Bereich zu veranlassen.

Banken müssen aufsichtsrechtlich ihre Kredite in Risikoklassen einordnen. Allgemein wird unterteilt in normal verlaufende Kredite, Kredite, die einer intensiven Überwachung bedürfen und problembehaftete Kredite - mit oder ohne Ausfall des Kreditnehmers beziehungsweise Fälligstellung der Kreditforderung (oben genannt Workout). Neben dieser Grobeinteilung gibt es eine Vielzahl weiterer aufsichtsrechtlicher Vorschriften, die sich erheblich auf die Bank aber auch auf die Arbeit des Risikomanagers auswirken. Hier sollen nur zwei Bespiele näher dargelegt werden:

(1) Forbearance: Die Forbearance-Definition ist nach der letzten Krise eingeführt worden und stellt faktisch eine zusätzliche aufsichtsrechtliche Zwischenstufe der allgemeinen Risikoklassen dar. Ein Kredit ist als "forborne" einzustufen, wenn einem Darlehensnehmer in finanziellen Schwierigkeiten Zugeständnisse gemacht werden. Was recht einfach klingt, birgt seine Herausforderungen im Detail: Wann ist ein Darlehensnehmer in "finanziellen Schwierigkeiten"?

Forbearance: Der Teufel steckt im Detail

Nehmen wir den in der gewerblichen Immobilienfinanzierung typischen Fall der "nonrecourse SPV-Finanzierung", also der Finanzierung einer Immobilienhaltenden Einzweckgesellschaft ohne Eigenbonität. Ist diese Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten, wenn sie am Ende der Kreditlaufzeit den Kredit weder zurückzahlen noch refinanzieren kann?

Der Beleihungsauflauf ist dabei übrigens unerheblich, da in den vorgegebenen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen lediglich die "Solvenz" zählt, denn bei Fälligkeit des Kredites müsste diese Gesellschaft, wenn nicht gerade der Verkauf der Immobilie abgewickelt wird, Insolvenz anmelden.

Wenn eine solche Einzweckgesellschaft um Verringerung oder gar Aussetzung der Tilgung oder Covenants bittet - ist sie dann in finanziellen Schwierigkeiten? In allen Fällen, wo die aufsichtsrechtlichen Regelungen die Forbearance-Einstufung vorsehen, hat dies sofort wieder Auswirkungen auf die vorgeschriebene Risikoklassifizierung in der Bank (in der internen Ebene), auf die Höhe der IFRS-9-Risikovorsorge sowie auf die anderen oben beschriebenen Parameter. Der jeweilige Kreditanalyst muss alle diese Aufgaben durchführen, dokumentieren und die erforderlichen Genehmigungen und Berichte dazu verfassen.

(2) Rating: Das Rating muss stets den aktuellen Sachstand der Finanzierung wiedergeben. Daraus folgt, dass es bei Veränderungen anzupassen ist. Selbst wenn man noch abwägt, welche der Veränderungen tatsächlich ein Re-Rating auslösen, so gibt es auch zweifelsfreie Re-Ratinganlässe wie zum Beispiel durch die Krise ausgelöste Veränderung von Markt- oder Beleihungswerten, oder auch die (krisenbedingte) veränderte qualitative Einschätzung der Verfassung des jeweiligen Immobilienmarktes nebst seiner wahrscheinlichen Entwicklung.

Ratingergebnis ist von entscheidender Bedeutung

Dies allein führt dazu, dass der Kreditanalyst die meisten seiner Finanzierungen nicht nur wie sonst ein bis maximal zwei Mal im Jahr neu raten muss, sondern gegebenenfalls wesentlich öfter. Vom Zeitaufwand, insbesondere auch der regulatorisch geforderten, sehr umfassenden Dokumentation der Ratingparameter, abgesehen, hat das Rating jedoch auch auf anderer Ebene eine zentrale Bedeutung für eine Bank.

Das Ratingergebnis, als Spiegel der "Güte" einer Finanzierung, steuert über IFRS 9 die für eine Finanzierung zu buchende Risikovorsorge und die RWA-Belastung. Spätestens hier verschiebt sich die Ebene vom Einzelkredit auf Bankebene, nämlich auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Bank (Risikovorsorge) sowie über die RWA auch auf die Geschäftsmöglichkeiten und damit das künftige Ertragspotenzial der Bank inklusive der Versorgung der Wirtschaft mit Krediten.

Gefahr von Inkonsistenzen und ungewollter Folgen

Wir können also festhalten, dass die aktuelle, durch die Covid-19-Pandemie verursachte Krise mindestens so arbeitsintensiv wird wie die letzte vor gut zehn Jahren - vielleicht sogar noch aufwendiger durch die aufgrund der erweiterten regulatorischen Vorgaben neu, anders oder auch nur interdependent auszuführenden Tätigkeiten. Eine hohe Anzahl und Dichte der Regulatorik mit interdependenter Verzahnung erhöht dabei die Gefahr von Inkonsistenzen und von ungewollten (Folge-)Effekten bei zum Teil relativ klein wirkenden Maßnahmen oder Einzelregeln.

Dafür möge als Beispiel die aktuell diskutierte Auslegung des § 313 BGB in der Bundesrepublik Deutschland dienen. Danach könnte es - kurzgefasst - zu einem abgeleiteten Recht der Mieter auf Mietkürzung in Pandemiezeiten kommen. Dies würde in oben beschriebener Weise zunächst auf Einzelkreditebene und danach auf Bankebene durchschlagen. Aus verschiedenen Perspektiven sind diverse und unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll, die alle in einem aufeinander abgestimmten, integrierten Gesamtsystem zusammenspielen müssen. Dies gilt auch für die Wirkungen der aufsichtsrechtlichen Regeln, die in einem solchen System immer wieder überprüft werden müssen.

Sicherlich genau vor diesem Hintergrund hatte die Aufsicht auch einige Erleichterungsregeln für die Finanzindustrie erlassen. Im Hinblick auf den in diesem Artikel darstellbaren Umfang sollen wiederum nur zwei Beispiele betrachtet werden:

(1) vdp-Moratorium Tilgung auf Basis der EBA Guideline: Ziel war es, den diesem Moratorium beigetretenen Banken Erleichterungen bei den oben erläuterten vorgeschriebenen Konsequenzen bei kundenseitigen Anträgen um Tilgungsstundung zu verschaffen. Bei Erfüllung detaillierter Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall konnte Erleichterung in Anspruch genommen werden. Gleichwohl ist die Regelung zeitlich befristet (nun verlängert) und ganz wesentlich auf das Inland ausgerichtet.

Für Finanzierungen im Ausland galten ergänzende Bedingungen für die Anwendung. Ohne den Gesamterfolg bereits bewerten zu können, ist festzuhalten, dass auch diese Regelung Extra-Arbeitsaufwand bedeutet und bei erreichter Erleichterung diese nur zeitlich befristet zur Verfügung steht. Im Ergebnis wurde damit jedoch das Forbearance Regelwerk aufgeweicht (zeitlich befristet), indem kollektive Zugeständnisse (im Gegensatz zu individuellen) nicht mehr als Forbearance eingestuft werden mussten.

(2) Erleichterung bei der Beleihungswertermittlung im Falle nicht möglicher Besichtigung: Dies war eine sinnvolle und schnelle Maßnahme - unabhängig von der Höhe des verpflichtend anzusetzenden Beleihungswertabschlags (aufholbar nach erfolgter Besichtigung). Sie hat dafür gesorgt, dass weiterhin neue Finanzierungen (mit Refinanzierung über Pfandbrief) möglich waren, auch wenn Besichtigungen Corona-bedingt nicht oder nur schwer möglich sind.

Aufgrund des Pflichtabschlags auf den Beleihungswert wird der (zunächst) deckungsfähige Teil der Finanzierungen kleiner. Dies hat Auswirkungen auf den Ertrag der Banken oder, bei Weitergabe der Kosten an den Darlehensnehmer, auf die Rendite des Investors.

Die obige Darstellung ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt der Auswirkungen der Corona-Krise auf Banken und ihr Risikomanagement, doch die damit verbundenen Herausforderungen lassen sich hoffentlich erahnen. Die einhergehende Mehrarbeit gehört im Risikomanagement "mit zum Job" und erweitert den Erfahrungsschatz eines jeden Einzelnen.

Das große Ganze im Fokus behalten

Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie sich die in vielen Aspekten neuen, erstmals in einer Krise anzuwendenden, regulatorischen Vorgaben in dieser Zeit bewähren. Bei dem eventuell nachvollziehbaren Impuls, aufgrund der Krise weitere Regulatorik oder Sonderregeln (durch Verordnungen, Gesetze oder auch nur andere Rechtsauslegung) für Einzelbereiche einzuführen, sollte jedoch stets - genau wie in den Banken selbst - das "große Ganze" im Fokus behalten werden.

Denn wir leben in einer höchstinterdependenten Welt, bei der zunächst für eine Branche gut gemeinte Maßnahmen an anderer Stelle zu Verwerfungen führen können. Hoffen wir, dass wir alle, Privatperson, Konsument, Mieter, Mitarbeitende, Anleger, Kreditnehmer, Bank, Wirtschaftsunternehmen und die gewerbliche Immobilienwirtschaft gesund und gut durch diese Krise kommen.

Denn hinter vielen professionellen Anlegern stecken Firmen, die nicht nur Wohnungen, Büros, Hotels und Einkaufzentren zur Verfügung stellen und betreiben, sondern - im Niedrigzinsumfeld - oft auch die Verzinsung unser aller Geldanlagen und Zusatzrenten erwirtschaften. Sie berühren daher uns alle.

DIE AUTORIN MARTINA ZIERKE Head of Credit Risk Management Real Estate, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Martina Zierke , Head of Credit Risk Management Real Estate, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
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