MIPIM-SPECIAL

DEUTSCHE INVESTMENTMÄRKTE IN NEUEN SPHÄREN

Sven Stricker, Foto: BNP Paribas Real Estate

Der deutsche Immobilien-Investmentmarkt blickt auf einen mittlerweile zehn Jahre währenden Aufschwung zurück und Ermüdungserscheinungen sind weiter nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Dank eines fulminanten Jahresendfeuerwerks konnte für 2019 ein weiteres Rekordergebnis in Höhe von über 73 Milliarden Euro registriert werden. Damit einherging ein echter Prestigeerfolg: Erstmals löste die Bundesrepublik dadurch nämlich Großbritannien als größten gewerblichen Immobilien-Investmentmarkt in Europa ab. Gut möglich, dass dieser Spitzenplatz eine Weile verteidigt werden kann, denn die Ampeln stehen hierzulande weiter auf Grün, wie der Autor des vorliegenden Beitrags zu berichten weiß. Red.

Im Jahr 2019 wurden bundesweit gut 73,4 Milliarden Euro in Gewerbeimmobilien investiert. Damit wurde der im vergangenen Jahr aufgestellte Rekordumsatz pulverisiert und noch einmal um gut 19 Prozent übertroffen. Erstmals wird mit dem neuen Allzeithoch die 70-Milliarden-Euro-Schwelle übersprungen. Zwar zeichnete sich bereits Anfang des zweiten Halbjahres ab, dass ein neues Rekordergebnis nicht auszuschließen ist, die Marktdynamik gerade im letzten Quartal hat aber alle Erwartungen noch einmal deutlich übertroffen.

Positive Entwicklung bei Einzel- und Portfoliodeals

Die Attraktivität der deutschen Investmentmärkte ist demzufolge nicht nur ungebrochen groß, sondern kann sowohl im internationalen Kontext als auch im Vergleich zu anderen Assetklassen sogar noch zulegen. Beigetragen zur neuen Bestmarke hat eine positive Entwicklung sowohl von Einzel- als auch von Portfoliotransaktionen. Mit knapp 51,4 Milliarden Euro verzeichnen Einzeldeals ein neues Rekordvolumen, womit das im Vorjahr aufgestellte Allzeithoch noch einmal um knapp zwölf Prozent übertroffen wurde.

Ihr Anteil am Gesamtumsatz liegt bei 70 Prozent und damit leicht unter dem zehnjährigen Durchschnitt. Überproportional zugelegt haben Paketverkäufe, die den Vorjahreswert um gut 42 Prozent auf rund 22 Milliarden Euro steigern konnten. Nur 2006 und 2007 konnte ein noch besseres Resultat erzielt werden. Mit über 9,2 Milliarden Euro entfallen fast 42 Prozent auf Büroportfolios, bei denen in den Vorjahren häufig noch ein Angebotsmangel zu verzeichnen war.

Jahresendspurt ausländischer Investoren

Die breite Nachfragebasis spiegelt sich auch darin wider, dass sowohl heimische als auch internationale Anleger ihr Engagement deutlich gesteigert haben. Nachdem es in den ersten drei Quartalen noch so aussah, als würde der Anteil ausländischer Investoren etwas unterproportional ausfallen, haben sie in den letzten drei Monaten des Jahres noch einmal ordentlich Gas gegeben und kommen insgesamt auf einen Umsatzanteil von knapp 41 Prozent, was dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen zehn Jahre entspricht. Traditionell sind sie vor allem im Portfoliosegment besonders stark, wo sie mit fast 56 Prozent sogar für den größten Teil des Volumens verantwortlich zeichnen, wohingegen sich ihre Beteiligung bei Einzelverkäufen lediglich auf gut 34 Prozent beläuft. Absolut betrachtet haben sie mit fast 30 Milliarden Euro so viel investiert wie schon seit über zehn Jahren nicht mehr.

Am aktivsten waren erwartungsgemäß europäische Anleger, die auf einen Anteil von 19 Prozent kommen. Die drei wichtigsten Länder waren dabei Großbritannien (6 Prozent), Frankreich (5 Prozent) und Österreich (knapp 4 Prozent). Auf Platz zwei finden sich nordamerikanische Investoren, die ihren Vorjahresanteil spürbar steigern konnten und sowohl bei Einzelverkäufen als auch im Portfoliosegment starke Umsätze erzielten. Jeweils etwa 4 Prozent steuern asiatische Anleger und Käufer aus dem Nahen Osten zum Ergebnis bei, was einem absoluten Investitionsvolumen von jeweils knapp drei Milliarden entspricht.

Bemerkenswert ist vor allem, dass die Mittelzuflüsse aus fast allen Regionen auch absolut betrachtet spürbar gestiegen sind. Die einzige Ausnahme stellt Asien dar: Von hier floss rund 30 Prozent weniger Kapital in die deutschen Immobilienmärkte als im Vorjahr. Demgegenüber haben nordamerikanische Käufer fast doppelt so viel investiert und erreichen mit knapp 9,6 Milliarden Euro den zweitbesten Wert der letzten zehn Jahre. Sowohl die Stimmung als auch das konkrete Transaktionsgeschehen auf den Investmentmärkten sind also weiterhin gut, trotz einer ganzen Reihe von globalen Störfaktoren und einem nur moderaten Wirtschaftswachstum. Die Frage, die sich anschließt, lautet: Warum können die Märkte einem eher ambitionierten Umfeld nicht nur trotzen, sondern sogar noch neue Bestmarken aufstellen?

Boom speist sich aus diversen Faktoren

Ausschlaggebend für die Dynamik der Märkte ist eine Vielzahl von Gründen. Als wichtigste Rahmenbedingung ist das unverändert gute Finanzierungsumfeld anzusehen, sodass auch bei niedrigen Renditen ein erheblicher Spread zu Staatsanleihen besteht und gleichzeitig eine im Vergleich zu anderen Assetklassen auskömmliche Eigenkapitalverzinsung gegeben ist. Dies gilt insbesondere, wenn man das Rendite-Risiko-Profil berücksichtigt. Da sich aus heutiger Sicht beim Zinsniveau in der EU auch für die nächsten zwei Jahre keine gravierenden Änderungen abzeichnen, stellen Immobilieninvestments gerade auch für institutionelle Investoren unverändert ein wichtiges Standbein ihrer mittelfristigen Anlagestrategie dar.

Die etwas schwächelnde Konjunktur im vergangenen Jahr wurde scheinbar von übergeordneten Trends wie weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen, der demografischen Entwicklung, dem "War for Talents" und einer sich insgesamt gut entwickelnden Dienstleistungsbranche überlagert. Die damit einhergehenden Mietsteigerungen bilden die Voraussetzung, um auch bei hohen Einstiegspreisen zukünftige Wertsteigerungspotenziale zu realisieren. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass wichtige Stimmungsindikatoren wie der Ifo- oder der ZEW-Index ihre Talsohle scheinbar durchschritten haben, sodass eine Stabilisierung beziehungsweise leichte Erholung der Wirtschaft 2020 immer wahrscheinlicher wird.

Fasst man die skizzierten Einflussfaktoren zusammen, dann überrascht es nicht, dass Anleger weiter händeringend auf der Suche nach Immobilieninvestments sind. Nicht nur eine im Vergleich attraktive Rendite, sondern auch eine relativ hohe Sicherheit, gerade im Kontext mit globalen Risikofaktoren, sind aus Investorensicht nachhaltige Gründe für ein umfassendes Engagement.

Großes Interesse über alle Nutzungsarten hinweg

Ein Indiz für das insgesamt positive Bekenntnis einer großen Anzahl von Investoren zu Immobilien ist auch die Tatsache, dass sich das Interesse nicht nur auf eine oder wenige Nutzungsarten konzentriert, sondern sich über alle Assetklassen erstreckt. Auf Platz zwei finden sich Einzelhandelsobjekte, die mit einem Volumen von fast 12,9 Milliarden Euro knapp 18 Prozent zum Ergebnis beisteuern und um 15 Prozent zulegen können. Zwar tragen einige große Portfoliotransaktionen wie die Übernahme der Kaufhof-Objekte durch Signa, die zu den größten Abschlüssen des Jahres zählt, wesentlich zum Umsatz bei, aber auch andere Einzelhandelsimmobilien, insbesondere Fachmärkte und Nahversorger, stießen auf großes Investoreninteresse.

Umsatzvolumina von fünf bis über sechs Milliarden Euro sind in diesem Marktsegment nun bereits seit fünf Jahren nichts Ungewöhnliches mehr, und auch 2019 wurden wieder rund 5,1 Milliarden Euro in derartige Objekte investiert. Auf Logistikobjekte entfallen mit rund 7,5 Milliarden Euro gut zehn Prozent. Dies ist das zweitbeste Ergebnis und entspricht einer Steigerung um knapp fünf Prozent. Während im Rekordjahr 2017 große paneuropäische Logistikplattformen die Umsatzbringer waren, sind es diesmal vor allem Einzelverkäufe.

Ebenfalls den zweitbesten Wert erreichen Hotelverkäufe, die auf gut fünf Milliarden Euro kommen und das Vorjahresergebnis um knapp ein Viertel übertreffen. Damit liegen sie erst das zweite Mal über der 5-Milliarden-Euro-Schwelle. Die bisherige Bestmarke mit Einzeldeals (3,6 Milliarden Euro) konnte sogar deutlich nach oben verschoben werden. Im tendenziell wachsenden Segment der Healthcare-Immobilien wurden knapp 2,2 Milliarden Euro umgesetzt (plus elf Prozent), was dem zweitbesten Ergebnis nach 2016 entspricht.

Büroimmobilien bleiben klarer Spitzenreiter

Unangefochtener Spitzenreiter waren aber auch 2019 Büroimmobilien. Mit einem Transaktionsvolumen von knapp 38,7 Milliarden Euro wurde eine neue Bestmarke aufgestellt, die das sehr gute Vorjahresergebnis um rund 30 Prozent übertrifft. Hierzu beigetragen haben einerseits Einzeltransaktionen, die mit gut 29,4 Milliarden Euro ein neues Allzeithoch markieren und den Vorjahreswert um gut acht Prozent getoppt haben. Vor allem die Vielzahl großvolumiger Verkäufe hat zu dieser Entwicklung beigetragen: So konnten insgesamt 70 Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich gezählt werden.

Zu den wichtigsten gehörten das Squaire, das zusätzlich auch Hotelnutzungen enthält, sowie die Welle (beide in Frankfurt), das Stream in Berlin und der Siemens-Campus in München. Stark zugelegt haben aber auch Portfolios, die ihren Umsatz mit gut 9,2 Milliarden Euro fast vervierfacht haben und damit das beste Resultat seit mehr als zehn Jahren erzielen. Von der starken Nachfrage nach Büroobjekten haben vor allem die A-Standorte profitiert, die mit gut 32 Milliarden Euro ebenfalls ein neues Allzeithoch verzeichnen und um rund 29 Prozent zulegen konnten. Unangefochten an der Spitze steht Berlin, wo das Ergebnis auf knapp 8,7 Milliarden Euro mehr als verdoppelt wurde. Es versteht sich fast von selbst, dass dieser Umsatz einen neuen Rekord darstellt.

Starke Vermietungsmärkte trotz Konjunktursorgen

Die ausgesprochen positive Entwicklung der Büroinvestments wird nicht zuletzt auch von der starken Performance der Nutzermärkte getrieben, die trotz einer schwächelnden Konjunktur auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2019 zurückblicken. Mit einem Büroflächenumsatz von 4,08 Millionen Quadratmeter konnte nicht nur das bereits sehr gute Vorjahresergebnis noch einmal um knapp zwei Prozent übertroffen, sondern auch das zweitbeste Resultat nach 2017 verzeichnet werden. Ein vielfach prognostizierter Rückgang der Flächenumsätze als nachlaufender Indikator eines bis in den Herbst hinein rückläufigen Ifo-Index hat nicht eingesetzt.

Verantwortlich hierfür sind mehrere übergeordnete Einflussfaktoren. Zu nennen ist hierbei vor allem die weiterhin stabile Arbeitsmarktentwicklung. Aber auch die demografische Entwicklung und der daraus resultierende War for Talents, in Verbindung mit steigenden Ansprüchen der Arbeitnehmer an ihr Arbeitsumfeld, steuern zusätzliche Nachfrageimpulse bei, da die Anmietung von attraktiven und modernen Büroflächen für viele Unternehmen mittlerweile ein Muss ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Dienstleistungsbranche von der flauen Konjunktur 2019 weniger betroffen war als die Industrie.

Ampeln stehen weiter auf Grün

Die Investmentmärkte waren 2019 also in Topform. Bleibt die Frage, ob sie ein vergleichbares Niveau auch 2020 halten können. Nachvollziehbar ist, dass nicht jedes Jahr ein neuer Rekord aufgestellt werden kann. Trotzdem spricht vieles für ein erneut überdurchschnittliches Transaktionsvolumen im laufenden Jahr. Verantwortlich für diese Einschätzung ist eine ganze Reihe von Gründen. Unterstützend wirken dürften die verbesserten Aussichten für eine wieder anziehende Konjunktur, insbesondere im Dienstleistungsbereich und einer weiterhin stabilen bis positiven Arbeitsmarktsituation. Hierdurch werden die Nutzermärkte gestärkt, was zu perspektivischen Wertsteigerungspotenzialen führt.

Und last, but not least ist unverändert viel Kapital am Markt, das tendenziell sogar noch anwachsen dürfte. Hierfür sprechen nicht nur in diesem Jahr auslaufende deutsche Anleihen im hohen dreistelligen Milliardenbereich, sondern auch das spürbar gewachsene Privatvermögen, das überproportional in Sichteinlagen "geparkt" ist. Sollten die Kreditinstitute Negativzinsen auf private Girokonten ausweiten, wovon aus heutiger Sicht auszugehen ist, wird auch hier ein erheblicher zusätzlicher Anlagebedarf entstehen.

Da gleichzeitig keine Änderung der Zinspolitik der EZB absehbar ist, Bonds nach Ansicht vieler Großbanken auch 2020 negativ rentieren werden und auch sichere Corporate Bonds kaum Rendite abwerfen, wird ein erheblicher Teil des zusätzlich auf die Märkte kommenden Kapitals nach Immobilieninvestments Ausschau halten. Untermauert wird diese Einschätzung dadurch, dass sich bereits wieder eine ganze Reihe großvolumiger Einzel- sowie Portfoliodeals in konkreter Vermarktungsvorbereitung befinden. Die Ampeln für 2020 stehen also unverändert auf Grün.

DER AUTOR SVEN STRICKER Geschäftsführer und Co-Head Investment, BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
Sven Stricker , Geschäftsführer und Co-Head Investment , BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
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