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DEUTSCHLAND: WEITERHIN LEBHAFTE INVESTMENTMÄRKTE

Sven Stricker, Foto: BNPPRE

Auch wenn es für Euphorie sicher zu früh ist, so stimmt der Blick auf die jüngsten Entwicklungen an den gewerblichen Immobilienmärkten in Deutschland insgesamt doch zuversichtlich. Dabei spiegeln sowohl das Vermietungs- als auch das Investmentgeschehen wieder eine gewisse Aufbruchsstimmung wider. Insbesondere bei Letzterem scheint schon alles fast wieder seinen gewohnten Gang zu nehmen: Mit knapp 24 Milliarden Euro nach sechs Monaten kann am gewerblichen Investmentmarkt ein mehr als respektables Zwischenfazit gezogen werden. Und die Aktivitäten dürften im zweiten Halbjahr weiter an Dynamik gewinnen, wie die Ausführungen des vorliegenden Beitrags verdeutlichen. Red.

Die Fortschritte bei der Bekämpfung der Pandemie, die Aufhebung der Lockdowns und die grundsätzlich steigende Zuversicht in der Wirtschaft spiegeln sich auch auf den gewerblichen Investmentmärkten wider. Mit einem Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2021 von fast 24 Milliarden Euro wird der zehnjährige Durchschnitt hierzulande trotz Pandemie um fast 13 Prozent übertroffen. Rechnet man noch die Investitionen in Wohnimmobilien (ab 30 Einheiten) hinzu, die sich auf knapp 9,9 Milliarden Euro belaufen, ergibt sich ein Gesamtumsatz von fast 34 Milliarden Euro.

Deutlich verbesserte Perspektiven auf den Nutzermärkten

Die bereits im ersten Quartal zu beobachtende Aufhellung auf den Investmentmärkten hat sich im zweiten Quartal nicht nur verfestigt, sondern noch beschleunigt. Zwar wurde das außergewöhnliche Vorjahresergebnis spürbar verfehlt, das aber kann aufgrund der überproportional großen Portfoliodeals, wie beispielsweise der TLG-Übernahme sowie weiterer M & A-Transaktionen, nicht als aussagekräftiger Vergleichsmaßstab herangezogen werden.

Im langfristigen Vergleich liegt das Transaktionsvolumen mit gewerblichen Immobilien dagegen auf dem Niveau der Jahre 2019 und 2018. Betrachtet man nur das zweite Quartal, stellt es das drittbeste Q2-Resultat aller Zeiten dar. Das nachhaltige Vertrauen der Investoren in die deutschen Immobilienmärkte ist also weiterhin sehr groß und wird durch die sich deutlich verbessernden Perspektiven auf den Nutzermärkten unterstützt. Nicht nur im Logistiksegment ist eine starke Nutzernachfrage zu beobachten, sondern auch auf den Büromärkten konnte in mehreren Städten bereits im ersten Halbjahr ein spürbares Umsatzplus verzeichnet werden.

Getrieben wurde der starke Investmentumsatz in erster Linie durch Einzeltransaktionen, die rund 80 Prozent zum Ergebnis beitragen. Mit einem Volumen von gut 19,2 Milliarden Euro können sie das Vorjahresresultat um fast 27 Prozent steigern. Wie gut das erste Halbjahr in diesem Marktsegment gelaufen ist, zeigt sich auch daran, dass es der drittbeste jemals registrierte Wert ist. Nur in den Jahren 2019 und 2018 wurden noch leicht höhere Umsätze erfasst. Anders stellt sich die Situation bei Paketverkäufen dar. Mit lediglich gut 4,7 Milliarden Euro wurde einer der schwächeren Portfolioumsätze der vergangenen Jahre erzielt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass gerade in diesem Segment einzelne Verkäufe das Resultat erheblich beeinflussen. Ausgehend von mehreren in Vorbereitung befindlichen Transaktionen spricht demzufolge vieles dafür, dass die Umsätze im zweiten Halbjahr erheblich zulegen werden. Am meisten wurde bislang mit knapp 1,4 Milliarden Euro in Logistikportfolios investiert.

Der Anteil ausländischer Käufer liegt zum Halbjahr bei knapp 39 Prozent und bewegt sich damit in etwa auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Im Portfoliosegment liegt er mit rund 56 Prozent erneut über der 50-Prozent-Schwelle. Gerade zum Jahresanfang haben es die Kontakt- und (internationalen) Reisebeschränkungen noch vielen Käufern erschwert, notwendige Besichtigungen und Due-Diligence-Prozesse durchzuführen. Diese limitierende Situation verbessert sich zunehmend, was den Investmentmärkten einen weiteren leichten Schub versetzen könnte.

Logistik und Wohnen als Krisengewinner

Weiterhin ist aber zu beobachten, dass die einzelnen Assetklassen nicht in gleichem Maße vom Pandemieumfeld betroffen sind und demzufolge auch die Geschwindigkeit bei den zu beobachtenden Recovery-Prozessen unterschiedlich ausfällt. Unbeschadet durch die Krise gekommen sind vor allem Logistikobjekte, die ihre Erfolgsstory fortgesetzt haben und fast 18 Prozent zum gesamten gewerblichen Investmentumsatz beitragen. Im ersten Halbjahr wurden insgesamt 4,23 Milliarden Euro in deutsche Logistikimmobilien investiert, davon 2,2 Milliarden Euro im zweiten Quartal. Es ist damit das zweibeste Halbjahresergebnis aller Zeiten.

Gegenüber dem schon sehr starken Vorjahresergebnis konnte noch einmal eine Steigerung von 13 Prozent registriert werden. Zu diesem Umsatzwachstum haben Einzel- und Portfoliodeals mit einem Plus von 13 beziehungsweise 14 Prozent gleichermaßen beigetragen. Der Fokus liegt allerdings auch im Jahr 2021 weiter auf Einzelobjekten, in die rund 2,9 Milliarden Euro geflossen sind, gegenüber 1,4 Milliarden Euro im Portfoliobereich. Die hohe Attraktivität deutscher Logistikimmobilien kommt auch darin zum Ausdruck, dass mittlerweile eine Reihe von Investmentmanagern neue Logistikfonds auflegen, obwohl sie bislang in dieser Assetklasse noch nicht aktiv waren.

Neben Logistikobjekten stehen aber auch Wohninvestments bei Investoren unverändert hoch im Kurs. In den ersten sechs Monaten wurden bundesweit knapp 9,9 Milliarden Euro in größere Wohnungsbestände (ab 30 Wohneinheiten) investiert. Damit liegt das Ergebnis zwar 16 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, was aber aufgrund der im Jahr 2020 getätigten Übernahme der Adler Real Estate durch Ado Properties wenig aussagekräftig ist.

Da in diesem Jahr bislang noch kein vergleichbarer Megadeal registriert wurde, bietet sich eher der zehnjährige Schnitt als Vergleichsmaßstab an, der um fast 14 Prozent übertroffen wurde. Wie gut das Resultat ausgefallen ist, zeigt sich, wenn man nur das zweite Quartal betrachtet. Hier wurde mit knapp 3,5 Milliarden Euro das beste Q2-Transaktionsvolumen der letzten sechs Jahre erzielt. Gleichzeitig wartet ein Mehrfaches des investierten Kapitals an der Seitenlinie darauf, ebenfalls in deutsche Wohnimmobilien angelegt zu werden.

Angeführt wird das Ranking der Assetklassen erwartungsgemäß erneut von Büroobjekten. Bemerkenswert ist vor allem, dass ihr Anteil mit fast 47 Prozent (11,15 Milliarden Euro) eines der besten Ergebnisse überhaupt darstellt. Hierdurch wird unterstrichen, dass Anleger langfristig keine Umsatzeinbußen durch steigende Homeoffice-Anteile erwarten. Zwar ist es wahrscheinlich, dass mobiles Arbeiten zunehmen wird, signifikante Flächeneinsparungen sind beim voraussichtlich präferierten Modell von 1 bis 2 Tagen Homeoffice pro Woche aber kaum realisierbar und von den meisten Unternehmen auch nicht gewollt.

Bürosektor genießt weiter das Vertrauen der Anleger

Unterstrichen wird das Vertrauen der Anleger dadurch, dass im Q2 bereits wieder mehr als doppelt so viel in Büroimmobilien investiert wurde als in den ersten drei Monaten des Jahres. Anders als im Vorjahr basiert das sehr gute Halbjahresergebnis zum größten Teil auf Einzeltransaktionen (91 Prozent). Aktuell liegt der Fokus zwar nach wie vor noch auf langfristig vermieteten Core-Objekten mit bonitätsstarken Mietern, gleichzeitig wächst aber auch wieder das Interesse an Investments in Core Plus und Value Add.

Nicht überraschend verzeichnen Einzelhandelsimmobilien, die im Vorjahr noch von mehreren großen Portfoliotransaktionen profitiert hatten, einen unterdurchschnittlichen Umsatzanteil von lediglich knapp 12 Prozent (2,8 Milliarden Euro). Stark nachgefragt sind aber weiterhin vor allem lebensmittelgeankerte Objekte. Einzelne Verkäufe zeigen jedoch, dass langsam auch wieder etwas mehr Bewegung ins Shoppingcenter-Segment kommt.

Gut 7 Prozent (1,73 Milliarden Euro) tragen Healthcare-Immobilien bei, die damit eine neue Bestmarke zum Halbjahr aufstellen. Dies zeigt, dass sich der Healthcare-Markt ungeachtet der Corona-Pandemie mit großer Dynamik weiterentwickelt und sich immer mehr als eigenständige Assetklasse etabliert. Eine ganz wesentliche Rolle spielt hierbei eine grundlegend gewandelte Risikowahrnehmung seitens der Investoren. So sorgt zum einen der demografische Wandel für ein solides wirtschaftliches Fundament, das durch eine hohe Vermietungssicherheit und vergleichsweise geringe Marktschwankungen gekennzeichnet ist. Zum anderen nehmen die Vorbehalte gegenüber Betreiberimmobilien infolge der fortschreitenden Professionalisierung der Betreibergesellschaften - analog zum Hotelinvestmentmarkt - immer mehr ab.

Hotels haben ihren Anteil gegenüber dem Vorjahreszeitraum gehalten und kommen weiterhin auf knapp 5 Prozent. Mit einem Umsatz von rund 1,1 Milliarden Euro verzeichnen sie aber erwartungsgemäß ein im langfristigen Vergleich relativ schwaches Resultat. Im zweiten Halbjahr ist aber ein spürbares Anziehen des Transaktionsvolumens wahrscheinlich, da immer mehr Investoren davon ausgehen, dass sich die Hotelbranche nach Überwindung der Pandemie spürbar erholen wird und dementsprechend wieder mehr Investitionsmöglichkeiten prüfen.

Das sehr gute erste Halbjahr der Investmentmärkte unterstreicht, dass die Investoren die Corona-Pandemie als temporäres Ereignis einstufen und fest davon ausgehen, dass übergeordnete ökonomische und strukturelle Trends der vergangenen Jahre, die vor allem die Nutzermärkte beflügelt haben, weiterlaufen werden, wenn die Pandemie kontrollierbar ist. Hinzu kommt, dass es wenig alternative Anlageklassen gibt, die ein vergleichbar attraktives Chancen-Risiko-Profil aufweisen. Mit dem weiteren Impffortschritt sowie einer sukzessiven Normalisierung des Lebens und der wirtschaftlichen Aktivitäten dürfte sich die bereits jetzt vorhandene positive Grundstimmung weiter verfestigen.

Jahresumsatz: 50 Milliarden plus X ist realistisch

Auch für die wichtigste Assetklasse Büroimmobilien ist das Sentiment auf Investorenseite aus den erläuterten Gründen positiv. Für Teilmärkte, die von langfristigen Entwicklungen profitieren, wie Logistik oder Healthcare, gilt dies ohnehin, was auch durch die immer breiteren Käufergruppen, die in diese Märkte einsteigen, unterstrichen wird. Vergleichbar stellen sich die Aussichten und Markteinschätzungen für Wohninvestments dar. Aber auch für Nutzungssegmente, die besonders unter den Auswirkungen der Pandemie gelitten haben, hellen sich die Perspektiven langsam auf. Profitieren werden diese Marktsegmente nicht zuletzt von sich bereits abzeichnenden Nachholeffekten beim Konsum und im privaten Tourismusbereich.

Zusammenfassend spricht demzufolge vieles dafür, dass die aktuell zu beobachtende Dynamik auf den Investmentmärkten auch im zweiten Halbjahr nicht nur anhalten, sondern voraussichtlich sogar noch zunehmen wird. Solange sich am aus heutiger Sicht wahrscheinlichsten Szenario, dass die Notenbanken kurz- bis mittelfristig keine drastischen Zinserhöhungen umsetzen wer den, nichts ändert, haben die sehr guten Rahmenbedingungen der Immobilienmärkte Bestand. Deshalb spricht vieles dafür, dass für das Gesamtjahr erneut ein Investmentumsatz von deutlich über 50 Milliarden Euro zu erwarten ist. Auch eine weitere leichte Yield Compression kann im weiteren Jahresverlauf nicht ausgeschlossen werden.

DER AUTOR SVEN STRICKER Geschäftsführer und Head of Commercial Investment, BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
Sven Stricker , Geschäftsführer und Co-Head Investment , BNP Paribas Real Estate GmbH, Berlin
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