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EBA: NEUE LEITLINIEN ZUR KREDITVERGABE IN DER DISKUSSION

Christian König, Foto: VdPB

Aufgrund der hohen Bestände an Non-Performing Loans (NPL) in Teilen der Europäischen Union wurde die European Banking Authority (EBA) im Rahmen des Aktionsplans (Juli 2017) unter anderem auch mit der Erarbeitung von Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung beauftragt. Ziel ist es, die finanzielle Stabilität und Widerstandsfähigkeit des europäischen Banken- und Finanzsystems weiter zu stärken. Mitte Juni dieses Jahres hat die EBA nun den entsprechenden Entwurf zur Konsultation (Frist 30. September 2019) gestellt und bereits zum 30. Juni 2020 wird die Anwendung der neuen Leitlinien angestrebt. An welchen Stellen noch Nachbesserungsbedarf besteht und auf welche Veränderungen sich Kreditinstitute konkret einzustellen haben, beleuchtet der Autor des vorliegenden Beitrags. Red.

Am 19. Juni 2019 hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) die Konsultation des Leitlinienentwurfs zur Kreditvergabe und -überwachung (Draft Guidelines on loan origination and monitoring, EBA/CP/2019/04) eingeleitet. Diese Konsultation beruht auf dem Aktionsplan des Ministerrates vom Juli 2017 für den Abbau notleidender Kredite in Europa. Der Rat hatte die EBA in diesem Aktionsplan aufgefordert, detaillierte Leitlinien für die Kreditvergabe, -überwachung und -verwaltung von Banken zu erlassen.

Stärkung der europäischen Finanzstabilität

Ziel dieser neuen Leitlinien soll dabei die Stärkung der Finanzstabilität und der Widerstandsfähigkeit des europäischen Finanzsystems sein. Die konsultierten Leitlinien ergänzen die ebenfalls aufgrund des Aktionsplans des Ministerrates bereits im Oktober 2018 veröffentlichten Leitlinien der EBA über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen (Guidelines on management of non-performing and forborne exposures, EBA/GL/2018/06). Während diese Leitlinien den Umgang mit bereits notleidend gewordenen beziehungsweise gestundeten Krediten betreffen, setzt der Entwurf der konsultierten Leitlinien bereits zeitlich früher im Vorfeld der Kreditvergabe an.

Ausweislich ihrer Pressemitteilung hat die EBA die Leitlinien dabei auf der Grundlage der bestehenden nationalen Erfahrungen entwickelt, um Mängeln in der Kreditvergabepolitik und -praxis der Institute entgegenzuwirken, die durch die Finanzkrise deutlich geworden sind.

Darüber hinaus beinhalten die Leitlinien Vorgaben für die Überwachung von Kreditrisiken und berühren damit die laufende Überwachung und Früherkennung von Krediten mit verschlechterter Kreditqualität, die auch in den Leitlinien der EBA über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen (EBA/ GL/2018/06) behandelt werden.

Verbesserter Verbraucherschutz steht im Fokus

Die konsultierten Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung, die Aufsichtsund Verbraucherschutzziele der EBA zusammenfassen, gliedern sich in folgende Abschnitte:

- Abschnitt 1: Compliance- und Berichtspflichten

- Abschnitt 2: Gegenstand und Anwendungsbereich sowie Begriffsbestimmungen

- Abschnitt 3: Geltungsbeginn

- Abschnitt 4: Governance-Anforderungen für Kreditgewährung und -überwachung

- Abschnitt 5: Kreditvergabeverfahren und Kreditwürdigkeitsprüfung

- Abschnitt 6: Risikobasierte Preisgestaltung

- Abschnitt 7: Bewertung von unbeweglichen und beweglichen Sicherheiten

- Abschnitt 8: Überwachung von Kreditrisiken und Kreditengagements

Die Leitlinien zielen ausdrücklich auch auf eine Stärkung des Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit der Kreditvergabe ab. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Festlegung in Ziffer 15 der Vorbemerkung ("Background and rationale"), wonach die in den Leitlinien dargelegten Aspekte des Verbraucherschutzes bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern nicht unter die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fallen sollen; der Verbraucherschutzrahmen solle vielmehr unabhängig von der Größe und Komplexität der Institute sowie auch unabhängig von der Höhe des Darlehens sowie des damit verbundenen Kreditrisikos zur Anwendung kommen (vergleiche Vorbemerkung, Ziffer 15).

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird ignoriert

Diese Sichtweise verkennt die Bedeutung des im EU-Recht zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der sowohl als Kompetenzausübungsschranke im Sinne von Artikel 5 EUV als auch im Rahmen der Rechtmäßigkeit einer Beschränkung von Grundfreiheiten eine Rolle spielt. Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt unter anderem auch den EBA-Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft (EBA/GL 2015/18) zugrunde, die den Schutz der Verbraucher richtigerweise unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gewährleisten sollen.

Verbraucherschutzaspekte sollten daher auch in den konsultierten Leitlinien unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere in Abhängigkeit von dem konkreten Kreditrisiko ausgestaltet werden.

Für die Kreditvergabepraxis wesentliche Vorgaben finden sich insbesondere in dem umfangreichen Abschnitt 5 der Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung. Hintergrund hierfür ist, dass eine riskante Kreditvergabe und eine unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung als maßgebliche Ursachen für notleidende Kredite angesehen werden (vergleiche Mitteilung der Kommission vom 12. Juni 2019 zum vierten Fortschrittsbericht über den Abbau not leidender Kredite und den weiteren Risikoabbau in der Bankenunion, COM(2019) 278).

Die neuen Vorgaben der EBA zur Kreditwürdigkeitsprüfung sollen dabei nicht nur für die Vergabe von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nach der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Richtlinie 2014/ 17/EU), sondern erstmals auch für Allgemein-Verbraucherdarlehen nach der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/ 48/EG) gelten. Darüber hinaus betreffen sie auch Unternehmerkredite und gehen damit über den Anwendungsbereich der Verbraucher- und der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hinaus.

Umfangreiche Neuvorgaben zur Kreditwürdigkeitsprüfung

Soweit die Leitlinien die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen betreffen, sollen die umfangreichen neuen Vorgaben an die Stelle der bisher geltenden, lediglich sechs EBA-Leitlinien zur Kreditwürdigkeitsprüfung (EBA/GL/ 2015/11) treten, die dann aufgehoben werden sollen. Für die Kreditvergabepraxis dürfte besonders relevant sein, dass der für die Kreditwürdigkeitsprüfung erforderliche Aufwand künftig bei Allgemein-Verbraucherdarlehen annähernd so hoch sein soll wie bei Immobiliar-Verbraucherdarlehen.

Diese Angleichung widerspricht jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Gegensatz zu einem Allgemein-Verbraucherdarlehen, das ein Verbraucher für die Finanzierung etwa eines Fernsehers oder einer neuen Heizung aufnimmt, nimmt er mit einem Immobiliar-Verbraucherdarlehen einen Kredit mit einer regelmäßig deutlich höheren Kreditsumme und einer deutlich längeren Laufzeit auf.

Zudem droht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehen, bei dem das Darlehen durch ein Grundpfandrecht an einem Eigenheim abgesichert wird, im Falle der Nichtbedienung der Kreditraten der Verlust des Eigenheims. Diese erheblich unterschiedlichen Kreditrisiken sollten weiterhin in unterschiedlichen Vorgaben für die Kreditwürdigkeitsprüfung für Immobiliar-Verbraucherdarlehen einerseits und für Allgemein-Verbraucherdarlehen andererseits resultieren.

Unterschiedliche Anforderungen sollten beibehalten werden

Wesentliche den Abschnitten 5.1 und 5.2 aufgestellte Vorgaben sollten daher (weiterhin) keine Anwendung auf Allgemein-Verbraucherdarlehen finden. Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie geht in Erwägungsgrund 22 insoweit zu Recht davon aus, dass für Immobiliar-Verbraucherdarlehen gegenüber Allgemein-Verbraucherdarlehen verschärfte Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung gelten sollen. Diese bewusst unterschiedlich gestalteten Anforderungen sollten auch weiterhin beibehalten werden.

Bemerkenswert ist, dass die EBA die Leitlinien zu den Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung von Allgemein-Verbraucherdarlehen derzeit ohne eine Kompetenzgrundlage konsultiert. Diese soll erst durch die Erweiterung der Kompetenzen im Rahmen des Überprüfungsprozesses der Europäischen Aufsichtsbehörden geschaffen werden. Die entsprechenden Änderungen, mit denen auch die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie in den Aufsichtsbereich der EBA einbezogen werden, werden voraussichtlich im Januar 2020 in Kraft treten.

Kommission: anstehende Revision der Verbraucherkreditrichtlinie

Neben der derzeit noch fehlenden Kompetenzgrundlage ist es nicht nachvollziehbar, dass die EBA im Juni 2019 ein umfangreiches Regelwerk zur Kreditwürdigkeitsprüfung für Allgemein-Verbraucherdarlehen konsultiert, während die Europäische Kommission angekündigt hat, im Herbst 2019 eine Revision der Verbraucherkreditrichtlinie vorzuschlagen. Die von der EBA vorgeschlagene deutliche Erhöhung der Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Allgemein-Verbraucherdarlehen ist materiell-rechtlich aufgrund der bisher unveränderten Vorgaben des Artikel 8 der Verbraucherkreditrichtlinie im Gegensatz zu den deutlich höheren Anforderungen in den Artikeln 18, 20 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht zu rechtfertigen.

Auch im Hinblick auf die Bewertung von beweglichen und unbeweglichen Sicherheiten stellen die konsultierten Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung in Abschnitt 7 Anforderungen auf, die über die heutige Praxis hinausgehen. Die Leitlinien enthalten ferner in Abschnitt 4 Vorgaben für die Anwendung des Governance-Rahmens, der in den EBA-Leitlinien zur internen Governance (EBA/GL/2017/11) in Bezug auf den Kreditvergabeprozess festgelegt ist.

Darüber hinaus gehen sie auf die jüngsten Entwicklungen ein und berücksichtigen insbesondere die Relevanz von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) bei der Kreditvergabe. So enthalten die konsultierten Leitlinien eine Definition des "Green Lending" und Sonderregelungen zur nachhaltigen Finanzierung. Ferner betreffen sie die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie technologiebasierte Innovationen.

Ein unrealistischer Zeitplan

Die öffentliche Anhörung zu den konsultierten Leitlinien wird am 20. September 2019 bei der EBA in Paris stattfinden, bevor am 30. September 2019 die Konsultationsphase enden wird. Die erstmalige Anwendung der Leitlinien ist bereits für den 30. Juni 2020 vorgesehen, was aufgrund des erheblichen Umsetzungsaufwands nicht realistisch erscheint.

Um Rechtssicherheit für die Darlehensvertragsparteien und Vertrauensschutz für die Kreditnehmer zu gewährleisten, sollte die Geltung der Leitlinien zudem auf diejenigen Darlehen beschränkt werden, die nach dem Geltungsstichtag vergeben werden.

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG Geschäftsführender Direktor, Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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