IMMOBILIENBANKEN

EINFLUSS DER CORONA-KRISE AUF DIE GEWERBLICHE IMMOBILIENFINANZIERUNG IN DEUTSCHLAND

Dr. Alexander Erdland, Foto: privat

Dass sich die Situation auf den Immobilienmärkten knapp 1,5 Jahre nach Beginn der Pandemie deutlich positiver darstellt, als anfänglich befürchtet, liegt nicht zuletzt an den finanzierenden Banken. Anstatt in Schockstarre zu verfallen, haben sie den für die Immobilienbranche so wichtigen Zugang zu Fremdkapital offen gehalten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung geleistet. Gleichwohl divergieren die Einschätzungen zu den Perspektiven einzelner Nutzungsarten zusehends. Die Autoren berichten über aktuelle Trends und Entwicklungen. Red.

Der Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa mit den ersten bekannten Fällen in Deutschland im Februar 2020 hat unser Leben in weiten Teilen in bisher nicht gekanntem Maße beeinflusst. Nach einer fast zehnjährigen Wachstumsperiode auf den deutschen Immobilienmärkten wirkte die Erkenntnis, dass diese Pandemie sich nicht auf wenige, ferne Teile der Erde beschränken würde, wie ein Schock auf die verschiedenen Marktteilnehmer.

Zwar wurden bereits angebahnte Immobilientransaktionen in der Regel zu Ende geführt, sodass das erste Halbjahr 2020 sowohl für gewerbliche als auch für wohnwirtschaftliche Transaktionen an frühere Umsatzrekorde anknüpfen konnte. Allerdings wurde schnell klar, dass die unsicheren Geschäftsaussichten, die unklare Dauer und kaum abzuschätzenden Konsequenzen der Krise zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Sektoren der Immobilienmärkte führen würden.

Der Einfluss auf die Wohnungsmärkte war - nach einem kurzen Moment der Verunsicherung - bislang sowohl im Hinblick auf die Miet- als auch auf die Investmentnachfrage ausgesprochen gering, mitunter sogar eher expansiv. Begründet liegt dies vor allem in der Flucht in sichere Anlagen beziehungsweise in der wachsenden Bedeutung des persönlichen Wohnumfeldes durch die Notwendigkeit der Arbeit im Homeoffice.

Schlechte Stimmung schon lange vor der Pandemie

Die gewerblichen Immobilienmärkte wurden teilweise stark beeinträchtigt, erfordern aber eine differenzierte Betrachtung. Der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) zeigt dabei ein gutes Lage- und Stimmungsbild auf, denn er bildet die Einschätzung der jungen Vergangenheit (vergangene sechs Monate) und die Erwartungen (kommende sechs Monate) von Marktteilnehmern anhand quartalsweiser Befragungen ab.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Index über die vergangenen zehn Jahre, aufgeteilt in die jeweils aktuelle Finanzierungssituation und die Finanzierungserwartungen, welche beide gemeinsam in den Index einfließen. Es zeigt sich, dass der Gesamtindex nach einer vierjährigen Positivphase bereits zum Jahreswechsel 2016/17 in den negativen Bereich gerutscht war. Bereits lange vor Corona war die Stimmung unter den Immobilienfinanzieren also leicht negativ. Dies dürfte an der anhaltenden Produktknappheit einhergehend mit einem starken Druck auf die Margen sowie dem Geschäftsvolumen vieler Marktteilnehmer gelegen haben.

Zeitgleich mit dem Eintritt der Corona-Krise sank die Stimmung unter den Immobilienkreditgebern und -kreditnehmern, insbesondere im zweiten Quartal 2020, deutlicher in den negativen Bereich. Die Krise wirkte sich zunächst im ersten Halbjahr 2020 auf alle Nutzungsarten negativ aus. Während sich allerdings die Stimmung auf den Märkten für Wohnungsfinanzierungen nur relativ moderat eintrübte und schnell wieder stabilisierte, hat sich auf den gewerblichen Finanzierungsmärkten ein stark differenziertes Bild gezeigt.

Noch weniger stark als die Wohnungsfinanzierungen zeigen sich indes die Märkte für Logistikfinanzierungen beeindruckt. Auch hier war der Impact der Corona-Krise kurz und schwach. Beide Sektoren haben sich inzwischen (Stand Juni 2021) sogar wieder über das Vorkrisenniveau erholt. Ähnlich wie Wohnimmobilien gelten auch Logistikimmobilien in diesen Zeiten als besonders sicheres Investment. Mit der Ausweitung des Onlinehandels steigen die Mietnachfrage nach Logistikflächen dynamisch an. Parallel dazu steigen die Kaufpreise in bisher ungekannte Höhen, da dem starken Nachfragedruck sicherheitsorientierter Investoren ein nicht ausreichend flexibles Angebot gegenübersteht. Die leichte Stimmungseintrübung des DIFI hinsichtlich Logistik im zweiten Quartal 2021 spiegelt gerade diese Angebotsknappheit und aufkommende Zweifel über die Nachhaltigkeit der inzwischen erreichten Preisniveaus.

Anders präsentiert sich die Situation auf den Einzelhandelsmärkten. Hier litt die Stimmung unter Banken und Darlehnsnehmern bereits Jahre vor der Pandemie. Seit Mitte 2016 hat der DIFI-Index für den Sektor Einzelhandel deutlich verloren - ein Spiegelbild des schwierigen Marktumfeldes im Bereich der nicht schnelldrehenden Konsumgüter. Der Flächenüberhang in Innenstädten und Shoppingcentern, beides von Investoren lange Zeit favorisierte Anlagen, ausgelöst durch den Druck aus dem Onlinehandel, zeigt hier schon seit Jahren Spuren.

An dieser Stelle sei betont, dass gerade im Einzelhandel nicht alle Immobilienformen über einen Kamm geschert werden dürfen. Solange sich der Onlinehandel im Bereich des Food- und Convenience-Bereiches nicht ähnlich stark durchsetzt wie beispielsweise im Segment der Modeanbieter, ist hier weiter mit einem deutlich positiveren Marktumfeld zu rechnen. Positiv sei vermerkt, dass sich auch die Stimmung für Finanzierungen von Einzelhandelsimmobilien seit dem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2020 wieder deutlich verbessert hat, obschon sie, zusammen mit der für Hotelfinanzierungen, auch aktuell noch am deutlichsten im negativen Bereich verharrt.

Der DIFI-Index für Hotelimmobilien wird erst seit dem dritten Quartal 2018 erfasst. Gleichwohl ist der Corona-bedingte Einbruch des Index auch hier gerade im zweiten Quartal 2020 deutlich zu erkennen. Bedingt durch den dramatischen Rückgang von Privat- und Geschäftsreisen war die Hotelbranche am unmittelbarsten und stärksten unter allen Sektoren betroffen. Die Reduzierung der Geschäftsaktivitäten spiegelte sich 1 zu 1 in der Lage auf dem Markt für Hotelfinanzierungen wider. Zahlreiche Kreditinstitute haben die Vergabe neuer Darlehen in diesem Bereich komplett eingestellt. Viele Hotelentwicklungen wurden gestoppt und teilweise, wo noch möglich, einer anderen Nutzung zugeführt.

Deutscher Immobilienfinanzierungsindex (DIFI) Quelle: JLL und ZEW

Erholung am Büromarkt

In den zurückliegenden Monaten macht sich aber auch in diesem Bereich ein verstärktes Umdenken bemerkbar. Stark reduzierte Preisniveaus bieten Einstiegschancen für risikobereite Investoren. Die berühmte "Schnäppchenjagd" findet am ehesten noch in diesem Marktsegment statt. Es bleibt zu beobachten, wie sich Reise- und Messegeschäft in den kommenden Monaten entwickeln wird. Insgesamt ist aber vor allem im Bereich der Geschäftsreisen mit einer über Jahre hinaus geringeren Reiseaktivität zu rechnen.

Zwischen den Krisengewinnern Wohnen und Logistik und den klaren Krisenverlierern Hotel und Einzelhandel bewegt sich der Finanzierungsmarkt für Büroimmobilien. Dieser erlebte einen deutlichen Einbruch von Stimmung und Lage auf den Finanzierungsmärkten, konnte sich inzwischen (Stand Juni 2021) aber wieder deutlich erholen und erreichte zum Ende des zweiten Quartals 2021 fast wieder eine neutrale Stimmungslage. Mit Eintritt der Corona-Krise und der breitflächigen Einführung der Arbeit von zu Hause trat eine große Verunsicherung unter den Marktteilnehmern ein. Die CEOs von Dax-Unternehmen proklamierten kurz nach Ausbruch der Pandemie und erster positiver Erfahrungen mit dem Homeoffice, dass zukünftig massive Anteile an Büroflächen redundant würden.

Diese sehr negative Erwartungshaltung zeichnete der DIFI-Indexverlauf im ersten Halbjahr 2020 nach, mit einhergehend negativer Beurteilung der Finanzierung von Büroimmobilien. In der Tat zeichnete sich sehr schnell eine Zweiteilung des Marktgeschehens ab. Die langfristig an beste Nutzer vermieteten Objekte in städtischen Spitzenlagen erfuhren sogar in der ersten Pandemiephase eine weitere Yield Compression. Um diese Objekte kämpfen auch die finanzierenden Banken. Dagegen fanden Objekte in weniger guten Lagen oder mit Vermietungsrisiken häufig weder Käufer noch Darlehensgeber. Im ersten Halbjahr 2021 hat sich die Situation auf dem Markt für Büroimmobilien wieder entspannt. Zwar wird nach wie vor erwartet, dass Büroarbeit in Zukunft flexibler organisiert werden wird. Dennoch setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass das Büro auch zukünftig seine Bedeutung, wenn auch mit etwas angepasster Funktion und Struktur, beibehalten wird.

Die Büroflächen, die durch Effizienzsteigerungen im Zuge von ortsungebundener Arbeit überflüssig werden, sollten - zumindest zu einem guten Teil - kompensiert werden von höheren Flächenbedarfen für Kommunikations- und Meetingbereiche. In welche Richtung die Wage am Ende ausschlagen wird, lässt sich momentan noch nicht abschließend beurteilen. Häufig wird in der Diskussion über den zukünftigen Bürobedarf allerdings übersehen, dass das Wachstum der Dienstleistungsbranche in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist. Ferner dürfte der augenscheinlich gewordene Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung noch erhebliche Potenziale bergen.

Lehren aus der Krise

Grundsätzlich sind aus der Krise wichtige Lehren zu ziehen. Zunächst sei erwähnt, dass Deutschlands Immobilienmärkte nach der Lehman-Pleite in wesentlich schlechterer Verfassung waren als zu Beginn der Pandemie. Anfang 2020, zu Beginn der Pandemie waren die Leerstände historisch niedrig mit Flächenknappheit in vielen Sektoren. Heute liegt das zur Verfügung stehende Kapital privater und institutioneller Investoren auf Rekordniveau. Die Finanzierungsmärkte für fast alle Immobiliensektoren sind bei weitem nicht so stark und so lange ausgetrocknet gewesen, wie dies nach der globalen Finanzkrise der Fall war. Immobilien bleiben für Eigen- und Fremdkapitalinvestoren eine interessante Anlageform.

Der Trend zu modernen, digitalen Handelsformen hat sich in der Krise verstärkt und wird in weiteren Bereichen unseres Lebens Einzug erhalten. Dem muss die Immobilienfinanzierung Rechnung tragen. Die Pandemie hat den Veränderungsdruck in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen erhöht. So wird beispielsweise die Nachfrage nach Flexibilität und Ausbaukonzepten bei Büroflächen bedeutsamer werden. Hier ruht gleichfalls ein enormes Potenzial für die Immobilienwirtschaft und die Immobilienfinanzierung. Verstärkt wird dieser Veränderungsdruck durch die Notwendigkeit zur Umwandlung unserer Gesellschaft hin zur Klimaneutralität. Die Bewältigung dieser Veränderungsprozesse benötigt Kapital und Know-how. In diesem Zusammenhang wird es für finanzierende Banken neben der Auswahl der richtigen Anlagesektoren und -objekte immer wichtiger, auch die richtigen, kompetenten und erfahrenen Eigenkapitalpartner zu finden, die den Veränderungsbedarf verstehen und managen können. Wie bei jeder großen Herausforderung trennt sich hier die "Spreu vom Weizen".

Alexander Erdland , Senior Advisor, Ardian Germany, Frankfurt am Main
Bernd Haggenmüller , Senior Managing Director, Ardian Germany, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X