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ESG BEI LOGISTIKIMMOBILIEN: ENTWICKLER UND INVESTOREN AUF DEM WEG ZU NETTO-NULL

Patrick Frank, Foto: GLP Europe

Im Gegensatz zu Einzelhandels- und Hotelimmobilien zählen Logistikimmobilien zu den wenigen Gewinnern der Corona-Krise. Deutlich sichtbar wurde in der Pandemie die Resilienz und Systemrelevanz der Assetklasse, weshalb es nicht überraschen kann, dass viele institutionelle Anleger ihren Logistikanteil zeitnah und signifikant ausbauen wollen. Einziger Haken: Das Investmentangebot hinkt der Nachfrage vielerorts hoffnungslos hinterher. Diese Flächenknappheit, die auch den Mietmarkt zusehends belastet, hat ihre Ursache nicht zuletzt in der Reserviertheit vieler Kommunen bei der Ausweisung neuer Logistikgebiete. Doch die Branche arbeitet daran, das Image der Nutzungsart zu verbessern. "ESG" ist hier das entscheidende Stichwort, wie die Ausführungen des folgenden Beitrags verdeutlichen. Red.

Oft werden sie kaum wahrgenommen: Logistikimmobilien. Als tragende Säulen für Logistik und Transport bieten sie Versorgungssicherheit für Konsumenten und Unternehmen. Weil der E-Commerce boomt und die Produktionsversorgung eine reibungslose Just-in-time-Anlieferung benötigt, wächst die Nachfrage nach strategisch vorteilhaft platzierten Standorten für Gebäude wie Lagerhallen, Umschlags- und Verteilzentren.

Aufstieg als Assetklasse

Vor diesem Hintergrund sind Logistikimmobilien zur begehrten Assetklasse aufgestiegen. Voraussetzung für ihre Attraktivität als Anlageobjekt ist dabei, dass die Neuentwicklung höchste Umwelt- und soziale Nachhaltigkeitsstandards erfüllt. ESG-Merkmale (Environment, Social, Government) sind heute wesentliche Qualitätskriterien neu entwickelter Logistikimmobilien und ein Megatrend im Immobiliensektor.

"Wohl keine Assetklasse profitierte von den technischen und gesellschaftlichen Veränderungen des letzten Jahrzehnts so sehr wie die Logistikimmobilie", bestätigt das Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2021 des Rates der Immobilienweisen.1) Die Marktdynamik wird bei einem Blick auf das Wachstum großer Investoren und Entwickler wie beispielsweise GLP, früher IDI Gazeley, deutlich. Seit das Unternehmen im Jahr 2017 Teil von GLP wurde, hat sich sein Geschäft in der Region Nordeuropa (Deutschland und Niederlande) verdreifacht. Internationale Immobiliendienstleister bestätigen die aufwärtsstrebende Entwicklung dieses Markts für die erste Jahreshälfte 2021. "Starkes zweites Quartal für Logistikinvestments"2), "Erfolgsstory auf dem Logistik-Investmentmarkt setzt sich fort"3), "das zweitbeste Halbjahr der vergangenen zehn Jahre"4) - so und ähnlich heißt es in den aktuellen Meldungen.

Unter der Headline: "Internationale Anleger bauen Immobilienbestand weiter aus" berichtet beispielsweise JLL über das drittbeste erste Halbjahr aller Zeiten mit Deals von rund 3,5 Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten. BNP Paribas Real Estate sieht das zweitbeste Halbjahresergebnis aller Zeiten mit Investitionen in deutsche Logistikimmobilien in Höhe von insgesamt 4,2 Milliarden Euro. Und CBRE konstatiert das zweitbeste Halbjahr der vergangenen zehn Jahre mit einem Transaktionsvolumen von 4,4 Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021. Bereits im Hinblick auf das erste Quartal 2021 hatten Immobiliendienstleister wie Colliers und Cushman & Wakefield erklärt, dass Industrie- und Logistikimmobilien gemessen am Investitionsvolumen die zweitstärkste Assetklasse seien.

Hohe Flächennachfrage ...

Der E-Commerce-Boom geht mit der Forderung einher, dass der Onlinehandel hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllen muss. Dieser Anspruch gilt selbstverständlich nicht nur für den Transport, sondern auch für die Infrastruktur im Hintergrund, die Logistikimmobilien. Investoren, Mieter und Kommunen, in denen die Gebäude entstehen, erwarten höchste Nachhaltigkeit von Neuansiedlungen, um ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren.

Laut einer Untersuchung von Bulwiengesa und diversen Studienpartnern werden nachhaltige Logistikimmobilien von Kreditinstituten wegen ihrer besseren Zukunftsfähigkeit bevorzugt finanziert: "Langfristig orientierte Investoren werden Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Investmententscheidungen ... immer stärker gewichten, da sie die Vermietbarkeit verbessern."5)

Jedoch findet im Rahmen von Immobilienbewertungen die Zertifizierung zu wenig Beachtung. So gibt es für zertifizierte, nachhaltige Immobilien keinen direkten Bonus, allenfalls wird ein Malus durch eine schlechtere Wiedervermietbarkeit angenommen.

... trifft auf knappes Angebot

Während Logistikimmobilien für Anleger immer attraktiver werden, findet gleichzeitig eine gegenläufige Entwicklung statt: Akuter Flächenmangel verknappt das Angebot. Dies ist aktuell die größte Herausforderung im Markt. Logistikimmobilien sind Eckpfeiler einer systemrelevanten Infrastruktur. Gerade in der Pandemie hat sich gezeigt, dass sie zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Gebrauchsgütern von essenzieller Bedeutung sind - und dass sie diese Rolle auch hervorragend ausfüllen.

Umso unverständlicher ist es, dass die Rolle der Logistik im Diskurs über die Lehren aus der Krise bisher kaum erwähnt wird. Das Image von Logistikimmobilien muss der Wirklichkeit von heute angepasst werden. Vor dem Hintergrund des Flächenmangels müsste vor allem einmal über die nachrangige Behandlung von Entwicklern für Logistikimmobilien bei der Zuteilung von Grundstücken und bei Genehmigungsprozessen diskutiert werden. Wie sollen E-Tailer Versorgungssicherheit gewährleisten und Verbrauchern einen hochwertigen Service bieten, wenn metropolnahe Logistikimmobilien nur mit Zeitverzögerung errichtet werden können, wenn überhaupt?

Die Verknappung der verfügbaren Flächen lässt die Attraktivität hochwertiger Logistikimmobilien als renditestarkes, sicheres Investment weiterwachsen. Erstklassig positionierte Logistikimmobilien in Toplagen sind ein begehrtes Gut - ESG-Fokus vorausgesetzt. Auch im Betrieb bieten ESG-konforme Immobilien einen deutlichen Wettbewerbsvorteil und helfen dem Nutzer bei einer effizienten Nutzung der Flächen.

Nachhaltigkeit ist Trumpf

Kurz, Marktwachstum und ESG gehen Hand in Hand. Die Mieter wollen ihre Kosten begrenzen, ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen, als Good Citizens an ihren Standorten auftreten und die Vorgaben der Regulierung erfüllen. Erst ein starker ESG-Fokus macht Neuentwicklungen für Investoren und Entscheider in Kommunen, die dort Flächenausweisungen vornehmen, attraktiv.

Die Branche versteht sich dabei immer mehr als ein Teil der Kreislaufwirtschaft. Die meisten Neuentwicklungen zeichnen sich durch ihre ökologische Nachhaltigkeit aus, vom Bau über den operativen Betrieb bis zum Rückbau und Recycling der verbauten Materialien. Auf dem Weg zu Netto-Null-Gebäuden bieten diese Neuentwicklungen bereits heute eine Vielzahl nachhaltiger Qualitätsmerkmale.

Ausgangspunkt bei der gesamten Planung und Realisierung einer nachhaltigen Immobilie ist das Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft, angefangen bei verantwortungsbewusstem Sourcing. Bereits vor Baubeginn wird eine CO2-Ökobilanz für den gesamten Lebenszyklus der Logistikimmobilie einschließlich der Bauphase aufgestellt. Die Analyse beginnt bei der Bewertung der Baustoffe und ihrer Herstellung und erstreckt sich weiter auf Transport, Bau und Betrieb sowie das Ende der Gebäudelebenszeit. Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck zyklusübergreifend zu begrenzen, einschließlich des in den Baustoffen gebundenen CO2 und der CO2-Emissionen, die bei Errichtung und Betrieb entstehen.

In der Umweltbilanz von Logistikimmobilien ist zum Beispiel die Beleuchtung ein entscheidender Parameter. Normalerweise ist sie größter Stromverbraucher im Gebäude und die wesentliche Stellschraube, um die Energiekosten zu senken und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Die Branche bietet kreative Lösungen, um diese Potenziale zu erschließen. Dabei spielen LEDs mit ihrem hohen Wirkungsgrad eine maßgebliche Rolle. Außerdem können über Oberlichter und großflächige Verglasung oberhalb der Überladebrücken 15 Prozent des Lichtbedarfs durch Tageslicht gedeckt werden. Hochleistungs-LEDs, intelligente Steuerelemente, Tageslichteinsatz und Bewegungssensoren bilden ein flexibles Lichtsystem nach Maß, mit dem die Mieter die Betriebskosten für ihre Gebäude senken können.

Sowohl Umweltschutz, das "E", als auch soziale Nachhaltigkeit, das "S" in ESG, sind Schwerpunktthemen der Entwickler. Nicht von ungefähr sprechen ausgewählte Unternehmen zur Betonung ihres Engagements auch von "Social Engagement" oder "Social Value Sustainability". Sozialer Mehrwert von Logistikimmobilien rückt in zunehmendem Maße in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung in den Kommunen und schließt in seiner unabweisbaren Bedeutung zu den Umweltthemen auf - doch warum jetzt?

Social Value Sustainability

Erstens, Flächen sind begehrt und rar, und wenn Kommunen Land für Ansiedlungen ausweisen, können sie oft unter mehreren Interessenten wählen, aus der Produktion und der Logistik. Der Mehrwert, der ihnen in puncto Social Value Sustainability geboten wird, kann dann den Ausschlag geben. Wie viel neue Arbeitsplätze werden entstehen? Welche Art von Arbeitsplätzen? Wie hoch sind die Steuereinnahmen? Welchen langfristigen Beitrag leistet die geplante Ansiedlung zur Entwicklung der Kommune und ihres Wohlstands?

Zweitens, die Prozesse in Logistikimmobilien sind arbeitsintensiv, und die Verfügbarkeit eines großen Pools qualifizierter Mitarbeiter ist ein Standortfaktor für Logistikansiedlungen. Die Mieter ortsansässiger Logistikimmobilien konkurrieren also um Talent. Durch ein attraktives Arbeitsumfeld und Entwicklungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter wollen sie bestehende Talente an sich binden und neue für sich gewinnen. Die Immobilie kann durch unterschiedliche Maßnahmen die Arbeits- und Lebensqualität der Arbeitnehmer unterstützen, beispielsweise durch die Nutzung von Tageslicht als Teil des Beleuchtungskonzeptes.

Erfahrene Entwickler nehmen deshalb eine Analyse der spezifischen sozialen Erfordernisse der Kommune vor, in denen ein Objekt entstehen soll, und machen dementsprechend attraktive Angebote. Doch was bedeutet das genau? Die industrielle Fertigung wird in zunehmendem Maße digitalisiert. Deshalb bauen Produktionsbetriebe heute eher Kapazitäten ab als auf. Die Logistikbranche, der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland, schafft hingegen Arbeitsplätze. Logistikimmobilien benötigen den Faktor Arbeit unter anderem, um die Servicequalität im expandierenden E-Commerce zu gewährleisten und weiter zu erhöhen.

Strukturwandel gestalten

Entwickler von Logistikimmobilien können dazu beitragen, den angesichts der Digitalisierung sinnvollen und mancherorts auch drängenden Strukturwandel in Kommunen zu gestalten. Das heißt konkret, den bestehenden Branchenmix zu analysieren und bei Bedarf eine Diversifizierung zu erwägen. Ein ausgewogener Branchenmix macht Kommunen angesichts der Digitalisierung unabhängiger von neuen Marktanforderungen und den Schwankungen der Konjunktur. GLP zum Beispiel bietet schlüsselfertige Komplettlösungen für die Ansiedlung maßgeschneiderter Logistikimmobilien für die Branchen Einzelhandel, pharmazeutische Industrie, E-Commerce, Automotive und Kontraktlogistik (3PL). Kommunen können mit Logistikansiedlungen also eine sehr große Zahl neuer Stellen schaffen, manuelle Arbeitsplätze ebenso wie Positionen in Management, Vertrieb, Verwaltung und IT. Spezialisten für Robotik beispielsweise sind gefragte, gut bezahlte Fachleute, die in Logistikimmobilien eine wichtige Funktion einnehmen. Über den Impuls für ihren Arbeitsmarkt hinaus profitieren Kommunen auf vielfältige Weise von Logistikansiedlungen.

Die Entscheidung für die Ansiedlung ist zugleich eine Entscheidung für die nachhaltige Gestaltung der lokalen Steuereinnahmen und des zukünftigen Wohlstands der Gemeinde. Der Grund dafür liegt im Geschäftsmodell der Logistikbranche begründet, das heute auf zwei Standbeinen basiert: dem kontinuierlich wachsenden E-Commerce und der klassischen Kontraktlogistik. Diese wiederum ist Basis der Exportwirtschaft und damit ein Garant für den Wohlstand eines Landes wie Deutschland, das eine Drehscheibe des Güterverkehrs mitten in Europa ist.

Nahtlos eingefügt

Verantwortungsbewusst geplante Logistikimmobilien passen sich an ihr lokales Umfeld an. Die Objekte zeichnen sich durch eine erstklassige Ausstattung sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Fahrer aus. Sie bieten komfortable Aufenthalts- und Ruheräume mit modernen sanitären Anlagen einschließlich Duschen für die Fahrer sowie große Park plätze für die Mitarbeiter und die Lkws auf dem Gelände.

Über Arbeitsplatzaufbau, wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz hinaus können Kommunen mit der Ansiedlung einer Logistikimmobilie Impulse für neue Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten setzen. Hier ein Beispiel: Im Gazeley Magna Park Lutterworth in Großbritannien ist die Errichtung eines neuen Distributions- und Logistiklagers einschließlich Logistics Institute of Technology (LIT) mit Campus und Sozialeinrichtungen für 1 000 Studenten und ein Innovationszentrum geplant. Über die Ausbildung der nächsten Generation von Logistikern hinaus wird das LIT mit der Industrie zusammenarbeiten. Damit wird das Zentrum Innovationen fördern, die den ökologischen Fußabdruck und die Lieferkettenkosten weiter reduzieren.

Einige Anbieter schließen auch Nachhaltigkeitsdarlehen ab. Der Darlehenserlös kann dafür verwendet werden, zu Umweltzielen wie der Abschwächung des Klimawandels und der Förderung umweltfreundlicher Gebäude beizutragen. Der Sustainability-Linked-Loan (SLL) kann mit der ESG-Risikoeinstufung des Entwicklers bei einer Nachhaltigkeitsratingagentur verknüpft werden. Der Darlehensnehmer verpflichtet sich dazu, seine ESG-Risikoeinstufung, mit der die eigene Performance anhand ausgewählter ESG-Messgrößen bewertet wird, weiter zu verbessern. Das Darlehen enthält einen Anreizmechanismus, durch den das Unternehmen zur Inanspruchnahme niedrigerer Kreditzinsen berechtigt ist, wenn es vereinbarte Leistungsverbesserungen mit ESG-Bezug erzielt.

Niedrige Kreditzinsen als Anreiz

ESG-Prinzipien werden die Logistikimmobilienbranche auf dem Weg zu immer nachhaltigeren Gebäuden weiter prägen. Auf diesem Wege spielen etablierte Branchenstandards eine maßgebliche Rolle. In Deutschland etwa planen und realisieren führende Entwickler Neuentwicklungen grundsätzlich nach den strengen Umweltschutzkriterien, die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) vorgegeben werden. Die Gesellschaft entwickelt und managt das DGNB-Zertifizierungssystem für Quartiere, Gebäude und Innenräume für die ökologische, ökonomische und soziokulturelle Funktionalität eines Gebäudes einschließlich Klimaschutz und Energie sowie Innenraumkomfort und Nutzerzufriedenheit.

Fußnoten

1) Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2021 des Rates der Immobilienweisen, S. 112, abrufbar unter https://zia-cloud.de/data/public/fjg21.

2) Pressemitteilung von JLL vom 15. Juli 2021, abrufbar unter https://www.jll.de/de/presse/starkes-zweitesquartal-fuer-logistikinvestments.

3) Pressemitteilung von BNP Paribas Real Estate, 6. Juli 2021, abrufbar unter https://www.realestate.bnpparibas.de/presse/immobilienmaerkte/logistikmarkt-laeuft-weiter-auf-hochtouren.

4) Pressemitteilung von CBRE, 7. Juli 2021, abrufbar unter https://news.cbre.de/logistikimmobilieninvestmentmarkt-weiter-auf-erholungs--und-rekordkurs/.

5) Pressemitteilung von bulwiengesa, 29. September 2020, abrufbar unter https://www.bulwiengesa.de/sites/default/files/2020_09_29_pm_bulwiengesa_studie_logistik_2020.pdf.

DER AUTOR PATRICK FRANK Country Director Germany, GLP Europe, Frankfurt am Main
Patrick Frank , Country Director Germany , GLP Europe
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