MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

EU-TAXONOMIE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE IMMOBILIENBEWERTUNG

Dr. Florian Pollmann, Foto: Aareal Bank/Jörg Puchmüller

Gebäude sind ein wesentlicher Treiber der CO2-Emissionen. Ohne die Immobilienwirtschaft wird es daher kaum möglich sein, einigermaßen ehrgeizige Klimaziele zu erreichen. Entsprechend steigt der Druck auf die Branche: Die Immobilienwirtschaft wird sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Gebäude als Ressourcen wahrgenommen werden, mit denen pfleglich umgegangen werden muss, über die viel umfassendere Lebenszyklusinformationen vorliegen müssen und die nach Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer eben nicht einfach ersetzt werden, sondern die einer neuen Nutzung zugeführt werden müssen, so der Autor dazu. Für ein abschließendes Fazit zu möglichen Konsequenzen für die Immobilienbewertung durch ESG ist es derzeit seiner Meinung nach noch zu früh. Es ist aber davon auszugehen, dass Immobilien, die nicht den EU-Vorgaben im engeren Sinne sowie ESG-Kriterien im weiteren Sinne entsprechen, Nachteile in der Bewertung erleben und auch durch die internen Ratingprozesse in Banken schlechter bewertet werden, was sie schlicht unattraktiver macht. Red.

Der Sommer 2021 hat wieder vor Augen geführt, wie verletzlich unsere Gesellschaften gegenüber katastrophalen Umweltentwicklungen sind. Wochenlange extreme Dürre in Südeuropa und Nordamerika, verbunden mit verheerenden Waldbränden, die viele Menschenleben gefordert und Schäden in Milliardenhöhe verursacht haben. Gleichzeitig bei uns in Deutschland sintflutartige Regenfälle im Westen, die besonders im Ahrtal über 130 Tote sowie massive Zerstörungen an der Infrastruktur zur Folge hatten. Alleine diese wieder Instand zu setzen, wird Jahre dauern und nach vorsichtigen Berechnungen mittlere Milliardenbeträge erfordern.

Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass das vermehrte Auftreten solcher Extremwetterereignisse sowie ihre massive Verstärkung direkt auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist. Der globale Temperaturanstieg führt zu extremen Hitzewellen und Dürreperioden. Gleichzeitig kann die Atmosphäre aufgrund der erhöhten Temperaturen deutlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was an anderen Orten zu plötzlichen und sehr lokal begrenzten Extremniederschlägen führen kann, wie wir gerade im Ahrtal erlebt haben.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die internationale Staatengemeinschaft versucht seit Jahren, sich mit politischen Absichtserklärungen gegen diesen Wandel zu stemmen. Um Wirksamkeit zu entfalten müssen diese jedoch klare und verbindliche Zielsetzungen enthalten und von möglichst vielen Staaten mitgetragen werden. Vor allem auf globaler Ebene waren kollektive Einigungen schwierig zu erzielen. 2015 wurde in Paris das internationale Klimaschutzabkommen, das die globale Erwärmung auf maximal 2,0 Grad Celsius - eher nur 1,5 Grad Celsius - begrenzen soll, beschlossen, und 2016 durch die EU ratifiziert. Mit dem Abkommen wird das langfristige Ziel verfolgt, international bis zur Mitte des Jahrhunderts weitestgehende Treibhausgasneutralität zu erreichen. Nachdem alle EU-Staaten ihre nationalstaatliche Ratifizierung durchgeführt hatten, wurde eine gemeinsame EU-Ratifizierungsurkunde bei der UN hinterlegt.

Danach begann die Arbeit an der Umsetzung der vereinbarten Klimaziele in konkrete politische Vorgaben. Die EU-Kommission berief daher im Jahre 2016 die High-Level Expert Group on Sustainable Finance ein, welche sich unter anderem mit der Erarbeitung eines sogenannten "EU-Aktionsplans" zur Planung der Finanzierung weiteren nachhaltigen Wachstums, wie auch im Pariser Abkommen gefordert, befasste. 2019 wurde der sogenannte "EU-Green Deal" vonseiten der EU-Kommission verabschiedet, der im Bereich der Verkehrs-, Energie-, Klima- und Steuerpolitik eine Senkung der Netto-Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 vorsieht. Im Juni 2020 erfolgte mit der Veröffentlichung der EU-Taxonomie-Verordnung der nächste Schritt im Rahmen der Umsetzung der Pariser Klimaziele.

Die EU-Taxonomie definiert im ersten Schritt sechs Umweltziele, die mithilfe diverser weiterer Rechtsakte in konkret umzusetzende Maßnahmen münden werden (Abbildung 1). Es soll bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass diese lediglich Nachhaltigkeitsanforderungen an ökonomische Tätigkeiten definieren, jedoch kein eigenes Zertifizierungssystem oder eine eigene Klassifizierung für "Grüne Produkte" darstellen. Werden jedoch Produkte - zum Beispiel Investments - unter dem Label "Nachhaltig" oder "Grün" angeboten, so verlangt die Taxonomie entsprechende Transparenz und Nachweise, was sie wiederum für Banken, Asset Manager, Fondshäuser und andere wichtig macht.1)

Am 21. April 2021 wurden die ersten beiden delegierten Rechtsakte veröffentlicht, in denen die technischen Bewertungskriterien ("screening criteria") für die Umweltziele "Klimaschutz" und "Anpassung an den Klimawandel" definiert wurden. Auf Grundlage dieser technischen Bewertungskriterien wird festgestellt, ob eine Wirtschaftsaktivität als nachhaltig im Sinne der Taxonomie anerkannt werden kann.

Laut EU-Taxonomie ist eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig einzuschätzen, wenn

  • die Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele beiträgt,
  • die Wirtschaftstätigkeit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der anderen Umweltziele führt (sogenannte "Do No Significant Harm"-Regelung, DNSH),
  • die Wirtschaftstätigkeit unter Einhaltung sozialer Mindeststandards ausgeübt wird.

Damit bildet die EU-Taxonomie den Grundstein, auf dem in weiteren Schritten immer detaillierter Anforderungen definiert werden, die erfüllt sein müssen, damit eine Wirtschaftsaktivität als nachhaltig anerkannt wird.

Abbildung 1: Die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie Quelle: eigene Darstellung von F. Pollmann, vdp, 2021

Besonderheiten im Gebäudesektor

Auch für den Gebäudesektor erfolgte die Definition von entsprechenden technischen Bewertungskriterien. Dabei wird unterschieden zwischen

  • Neubau ("Construction of new Buildings"),
  • Sanierung ("Renovation"),
  • Einzelmaßnahmen,
  • Erwerb von und Eigentum an Bestandsimmobilien ("Acquisition and Ownership of Buildings").

Entsprechend dem gegliederten Aufbau der Taxonomie erfolgt die Definition der Bewertungskriterien für jedes der sechs Umweltziele, wobei bisher erst zwei final ausgearbeitet wurden. Die technischen Bewertungskriterien für den Gebäudesektor sollen nun im Einzelnen kurz beleuchtet werden.

Umweltziel Klimaschutz: Gemäß den vier Unterscheidungen im Gebäudesektor gibt auch der Rechtsakt unterschiedliche Vorgaben vor. So ist für Neubauten vorgegeben, dass der Primärenergiebedarf mindestens 10 Prozent unter dem nationalen Standard für Niedrigstenergiegebäude (NZEB) liegen muss. Für Gebäude in Deutschland entspräche dies derzeit dem Standard von KfW-55 Häusern, da hierzulande durch das Gebäudeenergiegesetz bereits diese Forderung umgesetzt ist. Weiterhin sind Luftdichtigkeitstests für Gebäude mit mehr als 5 000 Quadratmetern Fläche beziehunsgweise sonstige Tests zur thermischen Integrität durchzuführen. Weiterhin soll eine Kontrolle des CO2-Ausstoßes dieser Gebäude über den gesamten Lebenszyklus erfolgen.

Bei umfassenden Sanierungen ("Major Renovations") muss eine Einsparung von mindestens 30 Prozent des Primärenergieverbrauchs gegenüber dem Zustand vor der Sanierung erreicht werden. Beim Erwerb von Bestandsimmobilien muss für Gebäude, die vor dem 31. Dezember 2020 gebaut wurden, laut Rechtsakt ein Energieausweis vorgelegt werden, der mindestens die Energieeffiziensklasse A aufweist. Alternativ muss nachgewiesen werden, dass das Gebäude im Hinblick auf den Primärenergieverbrauch zu den Top-15-Prozent im nationalen beziehunsgweise regionalen Markt gehört. Dabei wird zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden differenziert.

Für Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2020 fertiggestellt wurden, gelten die gleichen Kriterien wie für Neubauten (siehe oben). Zudem ist bei größeren Nichtwohngebäuden bei Heizungsanlagen, kombinierter Raumheizung und -lüftung, Klimaanlagen oder kombinierter Klima- und Lüftungsanlagen mit einer Nennleistung von mehr als 290 Kilowatt ein Energiemanagementsystem nachzuweisen (Abbildung 2).2)

Neben den Bewertungskriterien sind die "Do No Significant Harm"-Kriterien von Bedeutung, die verhindern sollen, dass es zwischen den Zielen zu gegenseitigen negativen Beeinflussungen kommt. Bei den DNSH-Kriterien für das Klimaziel "Klimaschutz" finden sich auf der y-Achse die drei Unterscheidungen "Neubau", Sanierung/ Renovierung" sowie "Erwerb Bestandsimmobilien" (der vierte Aspekt "Einzelmaßnahme" wurde wegen seiner geringen Bedeutung nicht weiter betrachtet) und auf der x-Achse die übrigen fünf Klimaziele.

Man erkennt, dass auch hier weitgehende Vorgaben gemacht werden, die ein Gebäude erfüllen muss, um den jeweiligen Nachhaltigkeitskriterien zu entsprechen. Gerade der Aspekt "Übergang zur Kreislaufwirtschaft" hat mit der Forderung nach mindestens 70 Prozent Recyclingfähigkeit der Bau- und Abruchabfälle eine heutzutage noch kaum zu erfüllende Forderung gesetzt.

Auch beim Umweltziel Anpassung an den Klimawandel wird bei den technischen Bewertungsstandards für den Gebäudesektor die Unterscheidung in Neubau, Sanierung/ Renovierung sowie Erwerb von Bestandsimmobilien beibehalten. Allerdings erfolgen hier keine detaillierten Vorgaben wie bei dem Umweltziel Klimaschutz, bei dem es um tatsächlich messbare Energiekennziffern ging. Bei diesen Bewertungskriterien geht es eher um Analysen und individuellen Lösungen, an die lediglich gewisse übergeordnete Anforderungen ("beeinträchtigen nicht die Anpassungsbemühungen [...] der Natur, des kulturellen Erbes ...") gestellt werden (Abbildung 3). Bezüglich der DNSH-Kriterien sind auch hier wieder vergleichbare Vorgaben gemacht wie im Bereich des Umweltziels "Klimawandel".

Insgesamt ist damit bereits heute eine strukturierte Regulatorik entstanden, die mit aufeinander aufbauenden und sich gegenseitig beeinflussenden Kriterien und Grenzwerten versucht, die 2015 vereinbarten Pariser Klimaschutzziele mit konkreten Vorgaben umzusetzen. In den nächsten Monaten werden weitere delegierte Rechtsakte veröffentlicht, die ebensolche Kriterien für die übrigen vier Umweltziele definieren werden und ebenfalls im Rahmen von technischen Bewertungsstandards für die einzelnen Wirtschaftsaktivitäten Vorgaben entwickeln werden.

Konsequenzen für die Immobilienwirtschaft

Welche Bedeutung ergibt sich nun für die Immobilienwirtschaft aus den beschriebenen politischen Anforderungen? Klar ist, dass die Immobilienwirtschaft ein bedeutender volkswirtschaftlicher Player ist, ohne den sich bei der Verfolgung von Umweltzielen kaum wesentliche Gesamterfolge erzielen lassen. Mit anderen Worten: ohne einen wesentlichen Beitrag des Gebäudesektors - ob wohnwirtschaftlich oder gewerblich - werden die nötigen Reduktionen des Treibhausgasausstoßes nicht zu erreichen sein.

Damit ist die Frage, ob die Immobilienwirtschaft von der EU-Taxonomie tangiert wird, schon längst und eindeutig beantwortet. Ja, und das in einem umfangreichen Sinne. Auch wenn die EU-Taxonomie in erster Linie einer Erhöhung der Transparenz sowie der (freiwilligen) Lenkung von Kapitalströmen zur finanziellen Unterstützung des Green Deals dient, so werden die dort formulierten Klimaziele und ihre technischen Bewertungsstandards absehbar neue Benchmarks formulieren, an denen sich dann alle Player der Immobilienwirtschaft werden messen lassen müssen: Planer und Entwickler, Finanzierer und Kapitalgeber, Baufirmen und Asset Manager.

Um überhaupt Aussagen zu Energiebedarf und Verbrauch treffen zu können, ist eine valide Datengrundlage erforderlich. Dies wurde mit dem Energieausweis bereits angestoßen, der in Zukunft erwartbar weitergehend verpflichtend werden wird, wo er derzeit noch freiwillig ist. Auch der CO2-Ausstoß wird bereits erfasst, auch wenn dies im gewerblichen Bereich noch nicht Standard ist.

Es ist jedoch zu vermuten, dass die Informationsanforderungen an Gebäude weiter ansteigen werden. So ist damit zu rechnen, dass früher oder später auch der Wasserverbrauch gemessen werden wird. Auch ist davon auszugehen, dass der Detailierungsgrad der Informationen größer werden wird. Neben dem Primärenergiebedarf ist zum Beispiel auch die Quelle der Wärme- und Stromerzeugung interessant. Ist die Grundlage eine auf dem Verbrauch von fossilen Stoffen beruhende Heizungsanlage? Oder wird die Wärme über eine Fernwärmeleitung bereitgestellt? Gibt es dezentrale Stromerzeugung auf dem Grundstück (zum Beispiel Solaranlagen)?

Abbildung 2: Bewertungskriterien für das Umweltziel "Klimaschutz" Quelle: vdp, 2021

Höhere Anforderungen an Transparenz und Informationsdichte

Es ist ratsam, wenn sich die Immobilienwirtschaft bereits heute auf deutlich höhere Anforderungen an die Informationsdichte über ihre Gebäude einstellt. Zwar steht das Lieferketteninformationsgesetz nicht in direktem Zusammenhang mit den hier besprochenen Themen. Doch auch für die Immobilienwirtschaft ist es elementar, die Herkunft und Inhaltsstoffe ihrer Bauprodukte zu kennen, bis hin zu den Sozialstandards, die bei der jeweiligen Herstellung vor Ort herrschen. Was für ein T-Shirt aus Asien gilt, gilt potenziell auch für Granitpflastersteine oder Dämmschaum.

Diese höheren Anforderungen an Transparenz und Informationsdichte werden ein wesentlicher Treiber der nächsten Jahre werden. So zeigt die Taxonomieforderung von 70 Prozent Recyclingquote, dass bereits bei der Errichtung einer Immobilie ihr Abbruch mitgedacht werden muss. Dies wiederum stellt ganz neue Anforderungen an die technische Ausführung, wie zum Beispiel Elementeverbindungen, die möglichst wieder lösbar sein sollten, oder die Materialreinheit der verwendeten Stoffe.

Abbildung 3: Bewertungskriterien für das Umweltziel "Anpassung an den Klimawandel" Quelle: vdp, 2021

Das Gebäude als Ressource wahrnehmen

Hinzu kommt die bereits heute immer stärker erhobene Forderung, die "Graue Energie", die als bei der Erstellung bereits einmal investierte Energie in einem Objekt steckt, nicht durch Abbruch zu verschwenden, sondern den Fokus vom Neubau verstärkt in Richtung Sanierung und Umnutzung zu schwenken.

Damit wird sich die Immobilienwirtschaft stärker an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Gebäude als Ressourcen wahrgenommen werden, mit denen pfleglich umgegangen werden muss, über die viel umfassendere Lebenszyklusinformationen vorliegen müssen und die nach Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer eben nicht einfach ersetzt werden, sondern die einer neuen Nutzung zugeführt werden müssen.

Eine weitere große Gruppe an Marktteilnehmern, die auf deutlich umfassendere Informationen angewiesen sind, sind die Banken und Finanzierer. Gerade sie sind von der Politik als Intermediäre ausgewählt worden, über die Kapitalströme in nachhaltige Anlagen gelenkt werden sollen. Dies kann auf mannigfaltige Weise geschehen, wie zum Beispiel Angebote von "Green Financing", "Green Bonds" und ähnlicher Produkte zeigen.

Entweder legen Banken eigene, grüne Finanzvehikel auf, in die Anleger dann gezielt investieren können. Damit diese Produkte nicht als "Greenwashing" - also als lediglich marketingetriebenes Scheinargument - gelten, müssen die hinter derartigen Finanzvehikeln stehenden Objekte den entsprechenden Anforderungen der EU-Taxonomie entsprechen. Aber in jedem Fall wird auch dadurch der erforderliche Informationsgrad über die Immobilien steigen.

Unter dem Schlagwort "ESG" - Environmental, Social, Government - werden verschiedene Bereiche unter Nachhaltigkeitsaspekten analysiert. Neben den direkt umweltrelevanten Themen, wie Energieverbrauch oder Treibhausgasausstoß, spielen auch soziale Aspekte eine Rolle sowie Themen guter Geschäftspolitik.

Die Informationsanforderungen gehen bei diesen Themen über technisch messbare Angaben hinaus. Hier zählen auch zum Beispiel die Anbindung an den ÖPNV, die Nahversorgung, die Infrastruktur am Standort, aber auch Angaben zur Mieterstruktur oder zur Qualität der internen Gestaltung.

Banken und andere Finanzierer sind derzeit dabei, den Informationsgehalt über ihre Objekte zu erhöhen. Dies erfolgt durch eigene Recherche in ihre Bestände, wobei sie auf die Unterstützung durch Eigentümer und Assetmanager angewiesen sind. Auch stehen bereits Serviceanbieter bereit, die die Investoren und Finanzierer bei der strukturierten Erfassung und - ein wichtiger Aspekt gerade für publikumskontrollierte Anbieter - dem Rating der Bestände unterstützen.

Auswirkungen auf die Immobilienbewertung

Bei der Betrachtung der Konsequenzen für die Immobilienbewertung ist es zunächst wichtig zu betonen, dass die Gutachter den Markt nicht machen, sondern lediglich beschreiben. Bewerten ist vergleichen - erst aus dem Abgleich des Bewertungsobjekts mit dem Markt und dem "üblichen Marktgeschehen" ergibt sich der Wert.

Nun ist es derzeit noch so, dass die oben beschriebenen Anforderungen an die Gebäudesubstanz im Hinblick auf Energieverbrauch, CO2-Ausstoß sowie sonstiger ESG-Kriterien noch recht zaghaft am Markt wirksam werden. Neben den Energiezertifikaten verfügen einzelne Objekte über weitere Zertifizierungen, wie von der DGNB, LEED, BREEAM und ähnliches. Diese deutschen beziehunsgweise internationalen Zertifizierungsgesellschaften untersuchen das jeweilige Objekt mit leicht unterschiedlichem Fokus und bestätigen abschließend durch ihr Siegel die jeweilige individuelle Objektqualität.

Bei der Frage, ob ein zertifiziertes Gebäude per se eine höhere Bewertung rechtfertigt, ist zu prüfen, ob für die drei wesentlichen Parameter Bruttomiete, Bewirtschaftungskosten und Rendite tatsächlich eine Verbesserung im Objekt vorliegt. Wenn im relevanten Markt ein Mieter bereit ist, eine höhere Miete zu akzeptieren, da ihm das Renommee des Objektes als umweltfreundliches Gebäudes wichtig ist, so ist das ein positiver und wertsteigernder Aspekt.

Wenn zudem aufgrund deutlich niedrigerer Betriebskosten - zum Beispiel wegen guter Dämmung und wassersparender Armaturen - die sogenannte "zweite Miete" niedriger ist, so kann der potenzielle Mieter theoretisch bei gleichem Mietbudget eine höhere Bruttomiete akzeptieren. Zudem ist mit geringeren Betriebskosten auch die Robustheit in einem Marktabschwung höher, da das Objekt im Vergleich zu anderen, schlechteren Gebäuden, eine höhere Mietstabilität bietet.

Und schließlich sind Investoren aus den genannten Gründen bereit, eine geringere Rendite zu akzeptieren beziehungsweise einen höheren Kaufpreis zu leisten. Neben tatsächlichen harten Fakten spielt häufig auch das Objektimage bei der Kaufentscheidung eine Rolle. Zudem unterliegen manche Investoren - aber auch manche Mieter - internen regulatorischen Vorgaben, die den Kauf - oder die Anmietung - nur von zertifizierten Gebäuden gestattet.

Es ist derzeit noch zu früh, um die Ausgangsfrage zu beantworten, ob und inwieweit die EU-Taxonomie Konsequenzen in der Bewertung hat. Es gibt dafür noch nicht genügend Marktevidenz. Aber es steht zu erwarten, dass in naher Zukunft Gebäude, die nicht den EU-Vorgaben im engeren Sinne sowie ESG-Kriterien im weiteren Sinne entsprechen, Nachteile in der Bewertung erleben werden.

Auch werden sie durch die internen Ratingprozesse in den Banken bei der Gestaltung der Finanzierungsparameter schlechter bewertet, was sie auch im Rahmen einer Investorenrechnung unattraktiver macht. Letztendlich genau der Effekt, der von der Politik im Rahmen der Erreichung der Pariser Klimaziele gewünscht und angestrebt wurde.

Fußnoten

1) Vergleiche KPMG "Going Green", 2021
2) Vergleiche vdp, 2021

Quellen

KPMG, 2021, Going Green: Die EU-Taxonomie, https://home.kpmg/de/de/home/themen/2020/02/going-green-die-eu-taxonomie.html
vdp (Verband deutscher Pfandbriefbanken), 2021, https://www.pfandbrief.de/site/de/vdp/sustainable_finance/eu-taxonomie/auf_einen_blick.html#par_3

Dr. Florian Pollmann , Head of Valuation & Research , Aareal Bank AG, Wiesbaden

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