MESSEBERICHT

EXPO REAL 2019: NEGATIVE ZINSEN = POSITIVE STIMMUNG

Foto: Messe München GmbH

"Die Expo Real soll ins Ruhrgebiet umziehen!" Mit dieser markigen Forderung sorgte Anfang dieses Jahres die "agenda.ruhr", eine Initiative der Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet, für Aufsehen. Ihrer Ansicht nach stellt der Pott nämlich die "zentralere und preisgünstigere Alternative" zum Messestandort München dar.

Dass sich mit dieser Idee letztlich niemand ernsthaft anfreunden wollte und sie dementsprechend schnell wieder in Vergessenheit geriet, kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden. Viel zu schön ist München einfach, um nicht etwas mehr Zeit bei der Anreise bereitwillig in Kauf zu nehmen, gerade wenn sich damit auch noch ein Besuch auf dem größten Volksfest der Welt verbinden lässt. Darüber hinaus spielt das zweite von den Ruhrgebiet-IHKs angeführte Argument "Preis" in der boomenden Immobilienbranche derzeit bekanntlich eher eine untergeordnete Rolle.

Never change a winning team

Von dem aber wohl gewichtigsten Grund, der für einen dauerhaften Verbleib der Expo Real in der bayerischen Hauptstadt spricht, konnte man sich im Rahmen ihrer jüngsten, 22. Ausgabe eindrucksvoll überzeugen: Europas größte B2B-Fachmesse für Immobilien und Investitionen hat inzwischen Dimensionen erreicht, die für Standorte wie Bochum oder Dortmund nur mithilfe einer radikalen Schrumpfungskur der Messebeteiligung (oder alternativ dem zügigen Aufbau einer gigantischen Verkehrsinfrastruktur) zu bewältigen wäre. Also: Never change a winning team!

Insgesamt 2 190 Aussteller (plus 4,5 Prozent gegenüber 2018) aus 45 Ländern und 46 747 Teilnehmer aus 76 Ländern (2018: 45 058) zählte die Expo Real in diesem Jahr - es handelt sich dabei erneut jeweils um Allzeithochs. Dieser große Andrang brachte selbst die Münchner Verkehrsgesellschaft, die laut einer ADAC-Studie immerhin das "schnellste und komfortabelste Nahverkehrsnetz Europas" betreibt, an ihre Grenzen.

Am Dienstagabend musste die Haltestelle "Messe West" kurzzeitig wegen Überfüllung geschlossen werden, ein Umstand, der manchen Immobilienprofi zu nicht ganz ernst gemeinten Vergleichen inspirierte, zum Beispiel Marius Schöner von CBRE Global Investors: "Leider kann man den deutschen Immobilieninvestmentmarkt nicht so leicht wegen Überfüllung schließen, obwohl das dem Markt gut täte."

Einfach mehr Fläche bereitstellen

Auch an anderer Stelle hat es die Messe leichter als der Markt, denn auf die große Nachfrage reagiert sie einfach und schnell mit mehr Fläche: So fand die Messe erstmals seit dem Jahr 2008 wieder in sieben Hallen auf insgesamt 72 250 Quadratmetern statt und näherte sich somit dem bisherigen Rekord von 74 000 Quadratmetern. Die zusätzliche Halle A3, von den Veranstaltern kurzerhand in "NOVA3" umgetauft, stellte dabei in zweierlei Hinsicht eine Bereicherung dar. Zum einen ob des dort in aller Ausführlichkeit behandelten Themenkomplexes Digitalisierung.

Dass die langsam aber sicher (endlich) Fahrt aufnimmt, konnte etwa Christian Schulz-Wulkow, Managing Partner bei EY Real Estate berichten. Er stellte die gemeinsam mit dem ZIA verfasste vierte Digitalisierungsstudie vor, in der ein deutliches Wachstum der Innovationsbudgets bei Immobilienunternehmen identifiziert wird. Demnach investieren mittlerweile 24 (2018: 15) Prozent der Akteure bereits mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes in Digitalisierungsmaßnahmen. Eine gute Entwicklung, auch wenn es damit laut Schulz-Wulkow noch längst nicht getan ist: "Wir brauchen noch mehr Mut zur Digitalisierung. Das Gebot der Stunde lautet Standardisierung der Daten, Kollaboration und Datenaustausch, damit die intelligente Auswertung von Daten gewinnbringend angewandt werden kann."

Ideen, wie das gelingen könnte, präsentierten in der NOVA3 neben mittlerweile als "Grown-ups" eingestuften Playern wie 21st Real Estate und Building Minds weitere 75 (2018: 65) hoffnungsvolle Proptechs, die mit ihren Produkten auf der Expo um die Gunst der Etablierten rangen. Zum anderen war die NOVA3 auch mit Blick auf das Wetter ein echter Segen. Denn anders als in den Vorjahren, als sich dieses rechtzeitig zur Expo immer noch einmal von seiner schönsten Seite gezeigt hatte, teils sogar einen Blick auf die herrlichen Gipfel der Alpen ermöglichte und entsprechend viele Besucher ins Freie lockte, war es heuer ziemlich kühl und es hingen - vor allem am Montag - dicke Regenwolken über dem ICM, die sich regelmäßig erleichterten.

An der positiven Grundstimmung unter den Teilnehmern vermochte das freilich nichts zu ändern, dafür läuft es im Großen und Ganzen einfach weiterhin zu gut. Entsprechend positiv vielen auch die zahlreichen, pünktlich zur Messe vorgelegten, überwiegend prächtigen Fundamentaldaten der Researchabteilungen aus. Beispielsweise stellte BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) mit Blick auf den hiesigen Bürovermietungsmarkt fest, dass in den ersten drei Quartalen 2019 an den acht deutschen Standorten Berlin, Düs seldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig und München 3,03 Millionen Quadratmeter Bürofläche umgesetzt, der Vorjahreswert somit um satte sechs Prozent übertroffen und zugleich ein neues Allzeithoch aufgestellt wurde.

Infolgedessen hält an den deutschen Bürohochburgen sowohl die positive Entwicklung beim Leerstand (aktuell bei durchschnittlich nur noch vier Prozent) als auch den Mietpreisen (Spitzenmieten innerhalb eines Jahres im Mittel um sieben Prozent gestiegen) unvermindert an.

Zwar schwächelt die Konjunktur vielerorts, nicht zuletzt in Deutschland. Das könnte den gewerblichen Vermietungsmärkten perspektivisch natürlich zusetzen, aber an einen radikalen Wetterumschwung glaubte letztlich niemand. Auch Piotr Bienkowski, CEO von BNPPRE Deutschland, ist grundsätzlich optimistisch, dass die Erfolgsstory kein abruptes Ende nehmen wird. "Der wichtigste Grund hierfür ist in der Arbeitsmarktsituation und der im Vergleich zu früheren Zyklen größeren Bereitschaft vieler Unternehmen zu sehen, auch in etwas schwierigeren Zeiten an ihren Mitarbeitern festzuhalten. Darüber hinaus ist das wahrscheinlichste Szenario weiterhin, dass sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im ersten Halbjahr 2020 wieder beschleunigen dürfte und es sich lediglich um eine leichte Wachstumsdelle handelt." Etwas pessimistischer sieht es Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden bei der Hamburg Commercial Bank (HCOB): "Einige Messeteilnehmer sind der Meinung, dass sich die deutsche Realwirtschaft nach zehn Jahren Aufschwung wieder vor einer Rezession befindet. Und diese Ansicht teile ich."

Keine Alternative

Wer am Ende Recht behält, bleibt abzuwarten. Mit Blick auf den Investmentmarkt scheint die Frage "Konjunkturdelle oder Rezession?" aktuell ohnehin eher zweitrangig. Denn: Immobilien sind infolge der zuletzt nochmals verschärften Niedrigzinslandschaft begehrter denn je zuvor, das war auf der Expo Real durchweg zu spüren. Jan Polland, Leiter Gewerbliche Immobilienkunden bei der Münchener Hypothekenbank, bringt es auf den Punkt: "Der niedrige Zins spielt den Immobilienmärkten natürlich in die Karten, denn es existieren kaum noch alternative Anlagemöglichkeiten, die ein vergleichbares Risiko-Rendite-Profil wie Immobilien aufweisen."

Tatsächlich greifen gerade am Anleihemarkt Negativrenditen immer weiter um sich und drohen zur neuen Normalität zu werden. Nach Angaben von Bloomberg hat das Gesamtvolumen negativ verzinslicher Anleihen weltweit kürzlich die Marke von 15-Billionen-Dollar überschritten, darunter befinden sich unter anderem sämtliche deutsche Staatsanleihen aller Laufzeiten. Über ein Viertel der globalen Anleiheschulden notiert somit bereits in negativem Terrain. Eitel Coridaß, Geschäftsführer der Deutschen Investment KVG, sieht die Anlagealternativen institutioneller Investoren entsprechend eingeschränkt: "Zinstragende Anlagen sind als Assetklasse praktisch weggefallen. Das Zinsumfeld spricht mit Blick auf die kommenden zwei bis drei Jahre - möglicherweise auch darüber hinaus - ganz klar für Immobilieninvestments."

Der deutsche Markt mit seinem Ruf als "Stabilitätsanker" übt dabei wenig überraschend eine anhaltend hohe Anziehungskraft auf nationale und internationale Investoren aus: Alleine im zurückliegenden dritten Quartal flossen laut Savills 18,5 Milliarden Euro in hiesige Gewerbeimmobilien, womit es sich um das zweitbeste Einzelquartalsergebnis aller Zeiten (hinter dem vierten Quartal 2016 mit rund 20,2 Milliarden Euro) handelt. Insgesamt wechselten in den ersten neun Monaten des Jahres Immobilien für knapp 43,4 (Q1 bis Q3 2018: 44,0) Milliarden Euro den Eigentümer. "Angesichts dieses hohen Investmentvolumens sowie zahlreicher noch für das vierte Quartal zu erwartender großer Transaktionen haben wir unsere Jahresumsatzprognose von zuvor 55 auf nun 65 Milliarden Euro erhöht. Es wäre wieder einmal ein neuer Umsatzrekord", kommentiert Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills.

Topstandorte und Büroimmobilien bleiben im Fokus

Insgesamt konzentriert sich die Nachfrage weiterhin stark zum einen auf die großen sieben Investmentzentren des Landes, wo laut Colliers im bisherigen Jahresverlauf rund 59 Prozent des Anlagevolumens platziert wurden, und zum anderen auf die Assetklasse Büro, auf die ein Anteil von rund 52 Prozent und damit nochmals 20 Prozent mehr als im Vorjahr entfiel.

Etwas überraschend spielen Nischensegmente bislang hingegen so gut wie keine Rolle, wie etwa eine aktuelle Umfrage unter professionellen Immobilienanlegern von Universal-Investment nahelegt: Nur zwei Prozent der Befragten gaben hier an, künftig in Gesundheitsimmobilien, Studentenwohnungen et cetera investieren zu wollen. "Nischeninvestments werden in der Branche zurzeit viel diskutiert, das lässt den Eindruck entstehen, dass sich das in den Depots der institutionellen Investoren deutlich widerspiegeln würde. Nach den Ergebnissen unserer Um frage lässt sich aber keineswegs mehr als nur ein Nischenstatus bestätigen. Der Hauptanteil der Neuinvestitionen fließt nach wie vor in die klassischen Nutzungsarten Büro und Wohnen" so Stefan Rockel, Geschäftsführer von Universal-Investment.

Selbstredend muss bei diesen klassischen Nutzungsarten (einzige Ausnahme: Shoppingcenter) mit immer spitzerem Bleistift kalkuliert werden. So haben laut BNPPRE im Bürosegment die Nettoanfangsrenditen alleine an den vier Topstandorten Berlin (2,65 Prozent), München (2,75 Prozent), Frankfurt und Hamburg (jeweils 2,90 Prozent) im dritten Quartal abermals um jeweils rund fünf Basispunkte nachgegeben. "Noch vor zwei Jahren, als die ersten Renditen unter die 4-Prozent-Marke fielen, haben uns viele Investoren gesagt, dass sie bei diesen Preisen nicht mehr mitmachen. Doch inzwischen wird die Entwicklung aufgrund des immensen Liquiditätsdrucks wohl oder übel akzeptiert", berichtet Piotr Bienkowski.

Und tatsächlich könnte noch immer nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein, wie etwa Gerhard Lehner, Managing Director und Head of Fund Management Germany von Savills Investment Management, glaubt: "Warum sollte eine Prime-Yield angesichts eines risikolosen Zinses in Höhe von minus 0,5 Prozent nicht noch auf 2,0 oder gar 1,5 Prozent fallen? Ich denke, wir werden aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus in diesem und voraussichtlich auch im kommenden Jahr mehrheitlich noch leichte Renditekompressionen auf den europäischen Immobilienmärkten sehen, danach werden sich die Preise langsam aber sicher auf hohem Niveau einpendeln. Ähnlich wie es in Japan geschehen ist."

Wenig Raum für Experimente

Die Spielräume für Fehler werden angesichts des schwindelerregenden Preisniveaus natürlich immer geringer, weshalb Investoren allerorts um größtmögliche Vorsicht bemüht sind. "Der niedrige Zins ist ein süßes Gift und man muss mehr denn je aufpassen und mit Augenmaß investieren", so Dominik D.M. Barton, CEO der Barton Group. Gerhard Lehner pflichtet ihm bei: "Es gilt vor allem, hinsichtlich des Standorts und der Vermietbarkeit eines Objekts keine Kompromisse einzugehen. Wenn man dann noch eine ordentliche regionale Diversifizierung sicherstellt, dann lassen sich auch in konjunkturell holprigen Zeiten ein nachhaltiger Cashflow und stabile Ausschüttungsrenditen generieren."

Und auch bei den Kollegen von PGIM Real Estate folgt man der guten alten Binsenweisheit "Schuster bleib bei deinen Leisten", wie Dr. Thomas Kallenbrunnen, Managing Director, erzählt: "Im aktuellen Marktumfeld ist es wichtig, diszipliniert zu bleiben und sich weiter auf das zu konzentrieren, worin man gut ist und Erfahrung hat." Mit Blick auf die europäische Core-Strategie des Asset Managers bedeutet dies, dass der Fokus unverändert auf den europäischen Metropolregionen liegt, vornehmlich Deutschland und Frankreich, gepaart mit einer hohen sektoralen Diversifizierung und einer Übergewichtung in Wohnimmobilien. "Wir weiten unseren Anlagehorizont bewusst nicht auf periphere Märkte in Europa aus, auch wenn das Renditeniveau dort etwas höher liegt", so Kallenbrunnen.

Das Vermeiden von Experimenten genießt auch bei den finanzierenden Banken Priorität: "Unser Hauptaugenmerk bei Finanzierungsentscheidungen liegt unverändert auf der jeweiligen Lage und dem Cashflow einer Immobilie. Diese Faktoren müssen unbedingt Hand und Fuß haben und nachhaltig funktionieren, um die Kapitaldienstfähigkeit des Beleihungsobjektes sicherzustellen", verrät Jan Polland von der Münchener Hyp. Peter Axmann von der HCOB warnt ob der Konjunktureintrübung und der kaum noch zu kalkulierenden Baukosten unterdessen vor potenziellen Problemen bei Developern: "Wer heute eine Immobilie entwickelt, die in drei oder vier Jahren fertig ist, und bei Projektbeginn möglicherweise zu optimistisch hinsichtlich Verkaufspreis und Mietentwicklung kalkuliert, könnte auf Probleme stoßen. Zudem ist die weitere Entwicklung der zuletzt enorm gestiegenen Baukosten schwer abzuschätzen. Wir werden aufgrund dieser Risiken noch selektiver bei der Finanzierung von Projektentwicklungen."

Sorgen, dass die traditionell stark in der Projektentwicklung aktive HCOB aufgrund künftig vielleicht etwas geringerer Aktivitäten eine Finanzierungslücke reißen könnte, besteht gleichwohl nicht. Der Wettbewerb ist anhaltend hoch, möglicherweise sogar zu hoch, wie Axmann zu bedenken begibt: "Zu viele Banken balgen sich um einen zu kleinen Kuchen." Infolgedessen sind die Margen chronisch niedrig und sie könnten sogar noch weiter unter Druck geraten. Zum einen liegt dies an den derzeit traumhaften Refinanzierungskonditionen via Pfandbrief, die offensichtlich Begehrlichkeiten bei Investoren geweckt haben. Bei der Münchener Hyp etwa lag die Emissionsrendite für einen im September platzierten, vierjährigen Hypothekenpfandbrief im Volumen von 500 Millionen Euro bei minus 0,567 Prozent.

Das wirft die Frage auf, ob der bislang bei Kreditverträgen übliche Einstand von null Prozent beibehalten werden kann. Manuel Köppel, CFO der BF.direkt AG, sieht die kapitalmarktorientierten Immobilienbanken hier inzwischen unter Druck, die negativen Einstände weiterzugeben: "Das wird insbesondere von großen Kunden, die selbst am Kapitalmarkt aktiv sind, zunehmend erwartet." Laut Jan Polland geht man an dieser Stelle bei der Münchener Hyp sehr selektiv vor, gleichwohl gibt er sich keinen Illusionen hin: "Grundsätzlich sind wir bestrebt, den Floor bei Null beizubehalten, im Markt aber werden die Negativeinstände angesichts des hohen Preis- und Konkurrenzdrucks vereinzelt bereits weiter gegeben."

Negative Beeinflussung durch Regulierung

Darüber hinaus schwebt natürlich das Schreckgespenst "Basel IV" über den Kreditinstituten. Stand heute ist zwar noch nicht genau abzuschätzen, wie sich die Vorschriften im Detail auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung auswirken werden, die grundsätzliche Stoßrichtung ist aber eindeutig. "Die Kreditvergabe wird sich verteuern, da die Kapitalkosten steigen und Banken mehr Eigenkapital für Risiken hinterlegen müssen als heute", so Axmann. Auch hier stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Weitergabe an den Kunden und für Axmann ist dies letztlich auch das einzig realistische Szenario: "Je mehr Banken es gibt, desto schwerer gestaltet sich grundsätzlich die Weitergabe von Kosten an den Kunden. Allerdings kann ich es mir in diesem Fall kaum anders vorstellen, denn irgendwann macht eine Finanzierung sonst auch kaufmännisch keinen Sinn mehr. Ohnehin befinden wir uns mittlerweile in einer Phase, in der die Risikokosten kaum noch angemessen bepreist werden."

Regulatorische Vorgaben treiben indes auch die Investorenseite verstärkt um, wie Martina Hertwig, Partnerin bei Baker Tilly, zu berichten weiß: "Die gesetzlich erlaubten Immobilienquoten sind bei vielen institutionellen Investoren mittlerweile voll, dennoch wollen und müssen die Exposures weiter ausgebaut werden, da ansonsten die Renditevorgaben nicht erreicht werden können." Der mögliche Ausweg aus diesem Dilemma liege oftmals in einer anderen Verpackung, um nicht in der Immobilienquote, sondern in der Beteiligungsquote oder im Anleihebereich zu landen.

"Das zugrunde liegende Asset ist dabei unverändert die Immobilie, aber die Verpackung eben nicht", so Hertwig. Als vielversprechenden Ansatz dafür erachtet sie unter anderem tokenbasierte Schuldverschreibungen auf Blockchain-Technologie. Elektronische Wertpapiere dieser Art werden nach Einschätzung von Hertwig definitiv an Bedeutung gewinnen: "Die Bundesregierung ist bei diesem Thema sehr aufgeschlossen und auch die BaFin hat es - obwohl noch kein entsprechendes Gesetz existiert - bereits genehmigt."

Ein Beispiel dafür, dass es aber durchaus noch Investorengruppen gibt, die etwas Luft nach oben bei der Assetklasse haben (dies nun aber freilich schnellstens zu ändern gedenken), sind Depot-A-Manager, wie Eitel Coridaß von der Deutschen Investment KVG weiß: "Noch vor sechs oder sieben Monaten waren viele Sparkassen mit ihren bestehenden Immobilienquoten zufrieden. Doch infolge des abermals verschärften Zinsumfelds registrieren wir hier nun einen sehr starken Nachfrageschub. Der Druck, mehr Performance im Depot-A-Geschäft zu erzielen, ist immens." Dies ist auch Dominik D.M. Barton von der Barton Group nicht entgangen, weshalb sein Unternehmen Anfang 2020 einen für Sparkassen konzipierten Spezialfonds im Volumen von 250 Millionen Euro an den Start bringen will.

Investoren, die dagegen vielleicht einmal etwas komplett Neues ausprobieren möchten, könnten bei Aberdeen Standard Investments fündig werden. Das Asset-Management-Unternehmen bastelt derzeit an einem sogenannten Long-Income-Fonds, wie der zuständige Fondsmanager Troels Andersen verrät: "Long-Income-Fonds sind eine neue Antwort auf die immer größer werdende Immobiliennachfrage vonseiten institutioneller Investoren.

Es handelt sich dabei nicht um den 50. Fonds für europäische Büros, sondern es ist eine frische Geschichte, die Hand und Fuß hat." Im Fokus dieser Geschichte stehen Wohn- und Gewerbeimmobilien mit sehr langlaufenden Mietverträgen von mindestens zehn Jahren, die im Idealfall natürlich auch sehr bonitätsstarke Mieter beherbergen. Um Letzteres sicherzustellen, arbeitet man bei Aberdeen interdisziplinär: Experten aus dem Immobilienbereich kooperieren im Rahmen der Objekt- und Mieterauswahl mit den Kollegen aus dem Segment Fixed Income.

Unter dem Strich soll dadurch das Beste aus beiden Anlagewelten sichergestellt werden, sprich die Sicherheit von Fixed-Income wird mit einer attraktiven Immobilienrendite kombiniert. "Der Long-Income-Fonds stellt im Prinzip ein Surrogat für festverzinsliche Wertpapiere dar", so Andersen. Darüber hinaus waren natürlich unzählige weitere Fonds-Neuankündigungen auf der diesjährigen Expo Real zu registrieren und man darf gespannt sein, ob die immense Nachfrage damit halbwegs befriedigt werden kann.

"Feindselige" Wohnungsbaupolitik verschreckt erste Investoren

Eine immense Nachfrage gilt es dieser Tage bekanntlich auch auf dem deutschen Wohnungsmarkt zu befriedigen und neben dem Anlagenotstand handelte es sich hierbei natürlich um das zweite virulente Gesprächsthema auf der Messe. Insbesondere die aktuellen Debatten in Berlin - Stichworte Mietendeckel und Enteignungen - erhitzten die Gemüter. Jakob Mähren, CEO der Mähren AG, für die Berlin zugleich der Heimatmarkt ist, zeigt sich insgesamt schwer enttäuscht: "Anstatt die dynamische Entwicklung der vergangenen Jahre als Chance zu begreifen, versucht man krampfhaft, die Uhr zurückzudrehen und behandelt die für die aktuellen Herausforderungen dringend benötigten Investoren und Großunternehmen immer feindseliger."

Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, wie Andreas Steyer, CEO von Consus Real Estate, anmerkt: "Die politischen Diskussionen rund um Enteignung und Mietendeckel haben einen riesigen Reputationsschaden im Ausland zur Folge. Ich persönlich verstehe nicht, wie wir bei unserer Historie in diesem Land ernsthaft so eine Diskussion führen." Martina Hertwig von Baker Tilly beobachtet ebenfalls eine Belastung des Investmentklimas am Standort Deutschland und ruft deshalb zu mehr Sachlichkeit auf: "Man muss sich nur einmal die Tatsache vor Augen führen, dass die börsennotierten Wohnimmobilien-AGs den kleinsten Teil an den hiesigen Mietwohnungen halten. Der mit Abstand größte Bestand entfällt auf kleine Privatleute, bei denen eine solche Wohnung in vielen Fällen zur Altersvorsorge beitragen soll."

Die Aktienkurse besagter Wohnimmobilien-AGs sind in den vergangenen Monaten bekanntlich unter Druck geraten, bei der stark auf den Berliner Markt fokussierten Deutsche Wohnen gaben die Anteilsscheine stellenweise sogar um bis zu ein Drittel nach. Jakob Mähren fürchtet, dass bei den Berliner Immobilienpreisen, insbesondere im Bereich Mehrfamilienhäuser, eine ähnliche Entwicklung blühen könnte: "Der Immobilienmarkt reagiert natürlich langsamer als der Aktienmarkt, aber wir beobachten bereits jetzt, dass sich Investoren vermehrt in Zurückhaltung üben."

So funktionierten nicht mehr alle Transaktionen in Berlin, Exposés würden mehrmals geschickt und auch die ersten Kaufpreisreduktionen seien zu beobachten. "Berlin droht ein Standort zu werden, um den Investoren künftig einen großen Bogen machen", so Mähren. Sein Unternehmen hält der Stadt noch die Treue, allerdings werde dort nur noch "mit gesundem Augenmaß" Geschäft gemacht und verstärkt neue Schwerpunkte, etwa in Ostdeutschland und im Ruhrgebiet, in Angriff genommen.

Überhaupt nicht abschrecken von den politischen Experimenten lässt sich derweil die ebenfalls stark auf dem Berliner Wohnungsmarkt verwurzelte Deutsche Investment KVG: "Wir haben in Berlin in diesem Jahr substanziell investiert und werden es weiter tun. Einfach deshalb, weil wir an die starken Fundamentaldaten der Stadt glauben", so Eitel Coridaß. Seinem Unternehmen sei es in der Hauptstadt zuletzt vereinzelt gelungen, gegenüber Verkäufern sogenannte Besserungsscheine durchzusetzen: "Dabei vereinbart man eine kleine Kaufpreisreduktion, die dann in der Rückschau - je nachdem, wie der Mietendeckel auf das jeweilige Objekt gewirkt hat - evaluiert wird." Solche Mechanismen, bei denen sich Käufer und Verkäufer das Risiko ein Stück weit teilen, seien aber nicht flächendeckend durchzusetzen, da die Nachfrage weiter das Angebot übersteige.

Für die hohe Nachfrage in der Hauptstadt zeichnen dieser Tage nicht zuletzt die kommunalen Wohnungsunternehmen verantwortlich. So wurde kurz vor Beginn der Expo Real publik, dass die Gewobag knapp 6 000 Wohnungen, die das Land Berlin im Jahr 2004 mit der GSW verkauft hatte, nun für stolze 920 Millionen Euro von Ado Properties zurückerworben hat. "Mit dem Erwerb schließen wir den größten Rekommunalisierungs-Ankauf in der Geschichte Berlins ab", hatte Bausenatorin Katrin Lompscher den Deal stolz verkündet.

Auf der Expo Real löste er hingegen reichlich Kopfschütteln aus: "Es ist ein absurdes Beispiel für die Misswirtschaft des Landes Berlin", kommentiert Jakob Mähren stellvertretend für die gesamte Immobilienwirtschaft und erinnert zugleich an die pikante Vorgeschichte der in Spandau und Reinickendorf gelegenen Wohnungsbestände: "2015 lehnte das Land Berlin ein Rückkaufangebot des damaligen Eigentümers Deutsche Wohnen zu einem Drittel der Kosten ab. Stattdessen kauft man nun auf dem absoluten Peak - mit Steuergeldern und ohne dass dabei auch nur eine einzige neue Wohnung entstehen würde."

Rekommunalisierung sorgt für Kopfschütteln

Er bemängelt außerdem, dass damit letztlich nur einem sehr kleinen Teil der Mieterschaft geholfen werde und selbst dieser Effekt sei zu bezweifeln, da auch eine Ado ob der strengen Gesetzeslage nicht willkürliche Mieterhöhungen oder ähnliches durchsetzen könne: "Es ändert sich eigentlich nur der Name im Grundbuch, um den Mietern ein vermeintliches Gefühl von mehr Sicherheit zu geben", resümiert Mähren. Der Sinn des Rückkaufs erschließt sich Dominik D.M. Barton auch aus politischer Sicht nicht umfänglich: "Durch Zukäufe dieser Art werden zum einen keine neuen Wohnungen geschaffen und darüber hinaus hat uns die Vergangenheit gelehrt, dass kommunale Unternehmen nicht unbedingt die besseren Immobilienmanager sein müssen."

Denkanstöße, wie man der Wohnungsnot vielleicht effektiver beikommen könnte, fanden interessierte politische Vertreter auf der Expo reichlich, etwa bei Kruno Crepulja, CEO von Instone Real Estate: "Es gilt, mehr Anreize für die Privatwirtschaft zu schaffen, um das Angebot zu erhöhen und darüber hinaus Menschen, die in der jetzigen Phase keinen Wohnraum finden, gezielt zu unterstützen, zum Beispiel mit Wohngeld." Und weiter: "Ein vielversprechender Ansatz für Kommunen besteht darin, langfristig ausreichend Vorratsflächen zu schaffen, denn sie wissen schließlich, wo Potenzialflächen liegen. Diese müssen dann nicht unbedingt sofort umgesetzt werden, sollten aber zumindest so konzeptioniert sein, dass man im Bedarfsfall auf die Flächen schnell zugreifen und so weiter flexibel wachsen kann." Zumindest ein Teilerfolg kann bereits vermeldet werden: Mitte Oktober hat die GroKo nämlich eine Reform des Wohngelds beschlossen, ab 2020 sollen zum einen rund 180 000 zusätzliche Haushalte mit geringem Einkommen Anspruch auf die Mietförderung haben und zum anderen die durchschnittliche Summe um rund 30 Prozent steigen.

Weitere Fortschritte sieht Crepulja darüber hinaus beim Thema Nachverdichtung ("Hier hat vielerorts ein Umdenken stattgefunden und das ist auch absolut zu begrüßen".) sowie in der kürzlich beschlossenen Sonder-Afa für den Mietwohnungsbau, wobei er hier einschränkend hinzufügt: "Die dabei maximal zulässigen Herstellungskosten von 3 000 Euro pro Quadratmeter sind gerade in den großen und angespannten Wohnungsmärkten nur schwer zu erreichen."

Von hohen Herstellungskosten im Wohnungsbau kann auch Wolfgang Ries, Vorstand der im Rhein-Main-Gebiet aktiven Bien-Ries AG, ein Lied singen. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran haben seiner Einschätzung nach die immer höher geschraubten Vorschriften: "Es herrscht eine unfassbare Verordnungsflut." Ganze 2 500 relevante DIN-Normen zählt er mittlerweile im Bereich Wohnungsneubau, was das Unterfangen entsprechend stark verteuert hat. So steige die Materialquote, also das pro Quadratmeter Wohnfläche benötigte Material, seit Jahren "aufgrund immer dickerer Decken und Dämmung, Belüftungsanlagen oder Fenstern mit Dreifachverglasung" immer weiter an. "Wahrscheinlich bauen wir in Deutschland mittlerweile die besten Wohnungen und Häuser der Welt, das Problem dabei ist nur, dass es sich kaum noch einer leisten kann."

Ob diese Entwicklung wieder ein Stück weit zurückgedreht werden könnte? Ries hofft es zumindest: "Es gibt inzwischen eine Reihe von Politikern, die verstehen, dass diese DIN-Normenflut nicht zielführend ist. Alleine die Tatsache, dass das, was wir vor zehn Jahren gebaut haben, heute aufgrund der neu hinzugekommenen DIN-Normen nicht mehr genehmigungsfähig wäre, zeigt, dass der Bogen überspannt wurde." Einen weiteren Schlüssel für mehr bezahlbaren Wohnraum hat Andreas Steyer von Consus identifiziert: "Wir müssen in der Bauindustrie wegkommen vom Prototyp und stärker in die serielle Produktion hineingehen." Genau diesem Unterfangen widmet sich die Consus-Gruppe derzeit über ihre Beteiligung CG gemeinsam mit Joint-Venture-Partnern in einem neuen Werk in Erfurt, die erste Probeproduktion soll Anfang 2021 erfolgen. Bis dahin haben sich dann hoffentlich auch die Wogen zwischen Immobilienwirtschaft und Politik wieder ein wenig geglättet.

Welches Gesamtmessefazit lässt sich nun also nach drei arbeitsintensiven, stressigen, aber zugleich inspirierenden Tage ziehen? Der Branche geht es zweifellos weiter sehr gut. Gleichwohl scheint die zuweilen etwas arg bullishe Stimmung der Vorjahre einem konzentrierten, vorsichtig-optimistischen Rationalismus gewichen, viele Gespräche drehten sich heuer um potenzielle Risiken. Gut so, denn es wäre illusorisch zu glauben, dass die zuletzt vermehrt zu registrierenden Meldungen über Gewinnwarnungen und Kurzarbeit bis hin zu Stellenstreichungen und Insolvenzen gänzlich vor den Immobilienmärkten halt machen würden. Sich bei allem Anlagedruck eine gesunde und realistische Erwartungshaltung an den vermeintlich letzten "Heilsbringer" im Anlageuniversum zu bewahren, ist somit das Gebot der Stunde, der kommenden Jahre und vielleicht sogar der nächsten Jahre. ph

Die nächste EXPO REAL findet von Montag, den 5. Oktober, bis Mittwoch, den 7. Oktober 2020, wie gewohnt in den Münchener Messehallen statt.

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