Immobilienmärkte

Fachmarktzentren sind des Investors neuer Liebling

Sandra Ludwig, Head of Retail Investment, Jones Lang LaSalle GmbH, Frankfurt am Main

Investoren haben laut Autorin einen neuen Anlagefavoriten: Fachmärkte und Fachmarktzentren. Dabei hätten sie diese Assetklasse zunächst lange verschmäht. Darüber hinaus wird im EU-Schnitt bis 2018 mit einem Plus von 1,5 Prozent bei den Einzelhandelsumsätzen gerechnet. Großbritannien und Deutschland seien nach wie vor mit Abstand die dominierenden Märkte, wenn es um das Investitionsvolumen von Einzelhandelsimmobilien geht. Nicht nur das Volumen steige, sondern auch die Anzahl der Transaktionen. Das liege an der Attraktivität des Produktes, aber ebenso am mangelnden Angebot in anderen Retail-Assetklassen. Wie in anderen Klassen sollten auch im Fachmarktzentrum die Kunden zum Verweilen animiert werden. Ein deutlicher Trend zeichne sich auch in der Risikoverteilung ab: Hier nehme der Core-Anteil deutlich zu. Und das bei steigendem Gesamtvolumen. Grund laut Autorin: Weil Fachmarktprodukte von Investoren mittlerweile anders bewertet oder zumindest in der subjektiven Wahrnehmung abweichend gesehen würden. Red.

Fachmarktzentren und Fachmärkte sind die neue Lieblingsanlage der Einzelhandelsinvestoren. Deutschlandweit sorgen diese Produkte im laufenden Jahr für so viel Umsatz wie keine andere Kategorie innerhalb der Einzelhandels-Assetklasse. Doch das war nicht immer so. Lange fristeten sie ein Nischendasein, standen im Schatten von Highstreet-Objekten oder Shoppingcentern. Doch diese Zeiten sind vorbei und das gilt insbesondere für die bevölkerungsreichen Bundesländer. Fachmarktzentren und Fachmärkte sind für Investoren salonfähig - und das hat gute Gründe.

Das Retail-Marktumfeld ist gut. Das belegen aktuelle Zahlen der EU-Kommission. So ist das Verbrauchervertrauen in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich gestiegen und liegt nach den beiden Tiefs im Sommer 2009 und 2012 nun wieder deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre. Nochmals deutlich darüber liegt zudem das Vertrauen der Verbraucher speziell in den Einzelhandel. Auch hier ist die Krise vor einigen Jahren mittlerweile wieder mehr als verdaut. Vor allem zum Ende des Jahres gehen die Werte in der EU nochmals nach oben. Das bietet Investoren ein attraktives Anlageklima.

Polen und Tschechen besonders optimistisch

Das spiegelt sich auch in den Prognosen für die Umsatzentwicklung im Einzelhandel wieder. Im EU-Schnitt wird bis 2018 mit einem Plus von 1,5 Prozent gerechnet. Besonders optimistisch sind dabei Polen und Tschechen, die mit einem Plus von 3,4 bis 3,9 Prozent kalkulieren können. Doch auch Irland mit 2,9 Prozent und Großbritannien mit 2,8 Prozent stehen deutlich auf der Gewinnerseite. In Deutschland werden die Umsätze in diesem Zeitraum aller Voraussicht nach um rund 1,3 Prozent steigen.

Unabhängig vom Wachstum sind Großbritannien und Deutschland nach wie vor mit Abstand die dominierenden Märkte, wenn es um das Investitionsvolumen von Einzelhandelsimmobilien geht. Im Vereinigten Königreich wurden in drei Quartalen 7,59 Milliarden Euro investiert, in der Bundesrepublik 6,87 Milliarden Euro. Erst mit deutlichem Abstand folgt Frankreich, das mit 2,68 Milliarden Euro auf weniger als die Hälfte des deutschen Volumens kommt. Daneben kommen nur noch Spanien mit 2,48 Milliarden Euro und die Aufsteiger Italien mit 1,53 Milliarden Euro, Irland mit 1,38 Milliarden Euro, Polen mit 1,32 Milliarden Euro sowie Finnland und Schweiz mit jeweils 1,1 Milliarden Euro zum Ende des dritten Quartals über die Milliardengrenze.

Interesse für Länder jenseits der Kernmärkte

Allerdings lässt sich im Investorenverhalten eine Verlagerung belegen: Sie richten ihren Blick zunehmend von den beiden Marktführern auf wachsende Regionen wie Irland, wo das Volumen binnen Jahresfrist um 400 Prozent anstieg. Auch Polen mit plus 257 Prozent, Italien mit einem Plus von 103 Prozent, Österreich und die Schweiz mit einem Plus von 775 Prozent sowie Rumänien und Ungarn mit 1246 Prozent profitieren auf niedrigem Niveau vom deutlich gestiegenen Interesse jenseits der traditionellen Kernmärkte Großbritannien, Deutschland und Frankreich.

Das belegt eine simple Rechnung: In ganz Europa ist der Retail-Investmentmarkt zwischen dem ersten Halbjahr 2015 und dem im Jahr 2016 von 25,6 Milliarden Euro um 19 Prozent zurückgegangen. Nimmt man Großbritannien und Deutschland aus der Rechnung heraus, hat er hingegen von 11,2 Milliarden Euro auf 12,6 Milliarden Euro um 14 Prozent zugelegt.

Das Potenzial der einzelnen Märkte belegt auch der Vergleich der aktuellen Renditen für Fachmarktzentren mit denen von 2007 bis 2009 - also den Jahren vor und nach der Lehman-Krise 2008. Hierbei zeigt sich: Deutschland ist das einzige Land, in dem die Rendite aktuell niedriger ist als im Vergleichszeitraum - insbesondere vor der Lehman Krise. Der Grund: Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich und diese Tatsache spricht für das große Vertrauen in den Markt.

Am unteren Rand der jeweiligen Spanne bewegen sich vor allem die etablierten Märkte Großbritannien, Frankreich und Norwegen. Relativ hohe Renditen im Vergleich zurzeit vor der Finanzkrise bieten derweil Irland, Italien und Finnland sowie die beiden starken Wachstumsmärkte Tschechien und Ungarn. Das von der Schuldenkrise geschüttelte Griechenland liegt aktuell bei einer Einstiegsrendite von mehr als acht Prozent und damit noch deutlich über der Rendite von 2007.

Richtet man den Blick allein auf Deutschland, dann macht der Einzelhandel bislang knapp ein Viertel des gesamten Transaktionsvolumens an gewerblichen Immobilien aus. Innerhalb dieser Gruppe nimmt der Anteil der Fachmarktprodukte seit 2013 kontinuierlich zu. War es im abgelaufenen Jahr noch etwas weniger als ein Drittel des Gesamtumsatzes, so nehmen Fachmarktzentren, Supermärkte und Fachmärkte im bisherigen Jahr 45 Prozent ein.

Darunter befinden sich auch Portfoliotransaktionen wie ein Portfolio von 25 Objekten, welches Patrizia für rund 320 Millionen Euro gekauft hat, das Alster 10 Portfolio für etwa 200 Millionen Euro (Käufer ebenfalls Patrizia) sowie das Gisele-Portfolio, das für 150 Millionen Euro den Besitzer wechselte. Einzeltransaktionen, wie beispielsweise das Kurpfalz-Center Mannheim und der Marktkauf Hamburg Harburg, erzielten Kaufpreise von um die 80 Millionen Euro Einzeltransaktionsvolumen.

Auch die Anzahl der Transaktionen steigt

Nicht nur das Volumen steigt, sondern auch die Anzahl der Transaktionen. Das liegt an der Attraktivität des Produktes, aber ebenso am mangelnden Angebot in anderen Retail-Assetklassen. Mit mehr als 200 Transaktionen sind nach den ersten drei Quartalen 2016 bereits fast genauso viele Abschlüsse wie im gesamten Vorjahr gezählt worden. Seit 2011 ist die Zahl der Fachmarktproduktverkäufe kontinuierlich gestiegen und es gibt für die kommenden Jahre weiteres Potenzial.

Vor der Finanzkrise stellten internationale Investoren aus Großbritannien, Frankreich und den USA noch deutlich den größeren Käuferanteil. Doch nach Lehman gingen die Käufe internationaler Investoren auf unter zehn Prozent 2008 zurück. Der Einfluss einheimischer Investoren wurde sehr stark. Erst seit 2014 erobern sich internationale Käufer wieder Marktanteile zurück. Aktuell liegt Deutschland mit einem Anteil von 66 Prozent aber weiterhin an erster Stelle. Das lässt sich vor allem mit dem knappen Angebot begründen. Bei der hohen Bieterkonkurrenz und genau kalkulierten Deals engagieren sich vor allem Akteure, die im deutschen Markt zuhause sind oder sich zumindest sehr gut auskennen.

Ein deutlicher Trend zeichnet sich auch in der Risikoverteilung ab: Hier nimmt der Core-Anteil deutlich zu. Und das bei steigendem Gesamtvolumen. Warum? Weil Fachmarktprodukte von Investoren mittlerweile anders bewertet oder zumindest in der subjektiven Wahrnehmung anders gesehen werden. Lange hatten sie ein Image als B-Ware, wurden entsprechend kritischer bewertet, wenn es vakante Flächen oder kleine Mängel gab.

Entsprechend schnell hatten Produkte das Etikett Core plus oder auch Value Add. Die gestiegene Attraktivität und Nachfrage nach diesen Produkten hat zugleich ein Umdenken gefördert. Entsprechend wird der Core-Anteil auch in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen und Faktoren erreichen, die in der Vergangenheit nur bei High-Street-Produkten erzielt wurden.

Schnellerer Trend sinkender Renditen

Die Entwicklung bei Nachfrage und Bewertung wirkt sich schließlich auf die Renditen der Fachmarktzentren aus. Nach dem Hoch infolge der Finanzkrise sank die Rendite seit 2009 konstant, aber langsam. Seit 2014 ist eine Beschleunigung des Trends sinkender Renditen zu sehen. Im laufenden Jahr ist ein erneutes Absinken erkennbar, sodass die erwartete Spitzenrendite zum Jahresende unter die Fünf-Prozent-Marke fallen wird. Die Renditen von Fachmarktzentren nähern sich damit den Shoppingcentern an, die aktuell in der Spitze 4,1 Prozent Rendite bieten. Die Spitzenrendite bei Fachmarktzentren verläuft antiproportional zu den steigenden Umsätzen im Einzelhandel. Dieser nähert sich im laufenden Jahr der 500-Milliarden-Euro-Grenze. Seit 2009 hat der Handel im Jahr im Schnitt um rund zwei Prozent zugelegt.

Entlastung ist für die Rendite allerdings nicht in Sicht, denn die Fachmarktverkaufsfläche wächst nur noch gebremst. Nach einem Sprung von 2012 auf 2013 ist der Bestand von Fachmarktzentren mit einer Verkaufsfläche von mindestens 10000 Quadratmeter von 6,32 Millionen Quadratmeter schrittweise auf heute 6,85 Millionen gestiegen. Allerdings mit nachlassender Dynamik, sodass im kommenden Jahr mit einer Gesamtfläche von 6,93 Millionen Quadratmeter gerechnet werden kann.

Aktuell scheint eine Sättigung erreicht. Weniger Fachmärkte werden neu entwickelt, da sich die Genehmigungslage in den jeweiligen Kommunen verschärft hat. Zum einen sind weniger Flächen verfügbar, zum anderen müssen mehr Auflagen erfüllt werden. Daher werden bestehende Fachmarktzentren immer häufiger modernisiert und revitalisiert, anstatt komplett neu gebaut.

Sechs Kriterien für Fachmärkte von morgen

In dieser Marktlage ist es daher entscheidend, wie sich bestehende und geplante Fachmarktzentren künftig aufstellen, um auf dem zunehmend engeren Markt zu bestehen. So spielt künftig die Emotionalität des Objektes eine deutlich gewichtigere Rolle. Kunden legen Wert auf ein ansprechendes Erscheinungsbild. Dazu zählt die Architektur, aber ebenso die Einrichtung. Waren vor wenigen Jahren noch lange Regalreihen der Standard und vom Kunden akzeptiert, so hat die Attraktivität heute auch bei Fachmarktzentren eine Bedeutung.

Dazu gehört die optimierte Nutzung der Flächen, was nicht bedeutet, dass möglichst viele Produkte auf dem verfügbaren Raum präsentiert werden. Um Kunden zum Kommen und Kauf zu bewegen, müssen zum Beispiel durch Shop-in-Shop-Konzepte "Welten" geschaffen werden, um bestimmte Marken oder Produktgruppen herauszustellen. Was in großen Kaufhäusern oder Shoppingcentern längst Gang und Gäbe ist, verbreitet sich mittlerweile auch in SB-Warenhäusern.

Wie in anderen Retail-Assetklassen sollen auch im Fachmarktzentrum die Kunden zum Verweilen animiert werden. Dazu reicht der klassische Bäcker am Eingang allerdings längst nicht mehr aus. Gastronomiekonzepte werden mit der klassischen Fachmarktzentrum-Produktpalette kombiniert. In größeren Objekten bieten Foodcourts eine breite Auswahl an Speisen und Getränken an, was das Fachmarktprodukt in der Ansprache der Kunden noch näher an das klassische Shoppingcenter heranrücken lässt. Zudem müssen Fachmärkte mit der Zeit gehen und Innovationen aufgreifen. Dazu gehören unter anderem "Click & Collect"-Stationen bei denen Konsumenten online bestellen und dann den fertig verpackten Einkauf nur noch im Vorbeifahren einsammeln. Vor allem Lebensmittelhändler bieten dieses Konzept an immer mehr Standorten an.

Das Interesse an Nachhaltigkeit steigt

Zugleich sind Investoren zunehmend daran interessiert in nachhaltige Produkte zu investieren. Somit spielt die Nachhaltigkeit und die Umweltverträglichkeit auch eine größer werdende Rolle bei der Außendarstellung und der Attraktivität für die Kunden. Und letztlich geht es vor allem um die Bekanntheit und Vermarktung des Fachmarktzentrums.

Entsprechend häufig trifft man mittlerweile das an, was in der Vergangenheit nur Shoppingcentern und Bürokomplexen vorbehalten war: einen eigenen Namen. Mittlerweile werden auch Fachmarktzentren benannt, um so den Wiedererkennungsgrad und die Identifikation mit dem Objekt zu steigern. Schließlich wird über den Namen auch die Wertigkeit transportiert, was Kunden anspricht und die Anlage der Investoren zusätzlich stützt.

Der Autor Sandra Ludwig Head of Retail Investment, Jones Lang LaSalle GmbH, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X