PERSPEKTIVEN 2021

FINANZIERUNGEN DRINGEND BENÖTIGT: WIE GEHT ES WEITER AM HOTELMARKT?

Andreas Ewald, Foto: Engel & Völkers Hotel Consulting

2020 war verheerend für die Hotellerie. Kein Teil der Immobilienbranche wurde wirtschaftlich härter von der Corona-Pandemie getroffen. Wie geht es weiter mit der gebeutelten Hotelbranche? Im Moment ist es schwierig, Vorhersagen zu treffen. Und das ist Teil des Problems, denn wie jedes immobiliengetriebene Geschäft hängt die Hotelbranche stark von der Verfügbarkeit von Fremdkapital ab. Banken aber scheuen nichts mehr als Ungewissheit. Das Ergebnis: Der Kapitalfluss ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Der Autor sieht das kritisch. Um etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, wirft er einen Blick in die Zukunft: Welche Szenarien sind denkbar? Wovon hängt die Entwicklung ab und was bedeutet dies für die Hotelbranche? Und schließlich: Wo bieten sich Opportunitäten? Red.

Ausgehend von China reist Covid-19 seit Februar um den Globus. Mit steigenden Infiziertenzahlen schränkte ein Land nach dem anderen den Reiseverkehr ein. Grenzen wurden geschlossen. Auch innerhalb der Länder wurden die Reisetätigkeiten und die Übernachtungsmöglichkeiten beschränkt. Schließlich kam es Ende März 2020 in Deutschland zum Lockdown. Mit den bekannten Bildern von leeren Städten und Straßen. Das Jahr 2020 in der Hotellerie lässt sich in vier Phasen einteilen:

1. Lockdown und Schockstarre: Hotels wurden geschlossen. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Viele Hotelbetreiber hofften auf ein baldiges Ende und auf eine Rückkehr zur Normalität im Sommer. Bis dahin hielten sie den Atem an und schickten ihre Angestellten in Kurzarbeit.

2. Wiederaufnahme von Reisen im Sommer und Hoffnungsschimmer: Mit dem Sommer kam tatsächlich ein Stück Normalität zurück. Deutschland war bis dato vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Die Hotels stellten sich auf die neue Situation ein und Hygienekonzepte vor. Reisen wurden unter Einschränkungen wieder aufgenommen. Deutsche Urlaubsdestinationen lagen im Trend. Das Sommergeschäft der Hotellerie lief vergleichsweise gut. Business- und Stadthotels hatten es zwar schwerer, aber auch hier waren wieder Gäste zu begrüßen. Hoffnung lag in der Luft: Durchhalten und möglichst optimistisch in die Zukunft blicken.

Schwerer Herbstblues

3. Herbstlockdown und Hilferufe: Der Herbst ließ dann die schlimmsten - bis dahin so weit wie möglich verdrängten - Befürchtungen wahr werden. "Lockdown light" und "Beherbergungsverbote" machten die Runde. Doch während im November die meisten Hotels noch ihre Türen offenhielten - in der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Verbots touristischer Übernachtungen - gaben mit dem verschärften Lockdown immer mehr Hoteliers auf und schloßen temporär ihre Häuser.

Erste Pleiten wurden vermeldet. Prominentes Beispiel: der Hessische Hof in Frankfurt am Main. Der Lockdown wurde verlängert, das Hotelgewerbe schwer getroffen. Die Finanzpolster waren Ende des Jahres weitgehend zusammengeschmolzen. Der Ruf nach Staatshilfen wurde immer lauter. Diese wurde schließlich auch zugesichert, aber gedeckelt und für das kostenintensive Hotelgeschäft nicht in ausreichendem Maß. Zudem verzeichnen viele Betriebe Anfang Januar immer noch keinen Geldeingang.

4. Wieder Hoffnung - Impfstoff voraus:

Die Szenerie zum Jahreswechsel 2020/2021 ist nach wie vor von Krise geprägt. Die Zahl der Neuinfektionen geht kaum zurück. Die Auslastung der Krankenhäuser steigt. Und als Folge bleibt der Lockdown in Kraft, ein Ende ist zurzeit noch nicht abzusehen. Der große Unterschied: Mittlerweile sind zwei Impfstoffe in Europa zugelassen und verfügbar. Weitere stehen kurz vor der Genehmigung.

Der Impfstoff als Game Changer?

Eine Frage treibt die Hotelbranche um: Welchen Einfluss haben die Impfstoffe auf die Hotellerie? Wie wird die Zukunft aussehen? Wir sehen drei mögliche Szenarien, jedes einzelne mit spezifischen Opportunitäten.

1. Optimistisches Szenario: Die Vakzine funktionieren wie geplant. Der Impfstoff kann in ausreichender Menge produziert und bereitgestellt werden. Die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ist hoch. Nach einer vergleichsweisen kurzen Anlaufzeit ist das deutsche Gesundheitssystem in der Lage, die logistische Herausforderung zu meistern und täglich eine große Zahl an Impfungen durchzuführen. Auch weltweit werden Impfkampagnen erfolgreiche durchgeführt. Im Frühjahr 2021 gelingt es, die vulnerablen Bevölkerungsgruppen zu impfen. Schrittweise kommen weitere Bevölkerungsteile an die Reihe. Die Impfquote steigt bis Herbst kontinuierlich an. Die Zahl der schweren Fälle in den Krankenhäusern sinkt aufgrund der veränderten Altersstruktur der Patienten deutlich.

Die Folge: Im Sommer setzt eine erhebliche Entspannung ein. Die Reistätigkeit nimmt zu. Die Ferienhotellerie profitiert. Auch internationale Businessreisen sind wieder möglich. Die Geschäftsaussichten der Hotellerie stabilisieren sich. Bei diesem Szenario gehen wir davon aus, die Übernachtungs- und Auslastungszahlen aus der Prä-Corona-Ära bereits im zweiten Halbjahr 2022 wieder erreichen zu können. Eine große Marktbereinigung bleibt aus. Vor allem sind es Einzelbetriebe, die den Weg in die Insolvenz gehen mussten.

2. Moderates Szenario: Auch bei diesem Szenario führt die deutsche Impfstrategie zu Erfolgen - doch es gibt regionale Unterschiede, international sind die Impfkampagnen durchwachsen. Immerhin gelingt es Deutschland, seine Risikogruppen bis zum Sommer zu schützen und die Auslastung in den Krankenhäusern zu senken. Die Impfquote in Deutschland steigt bis zum Herbst signifikant an. Dämpfend wirkt die insgesamt zurückgegangene Anzahl an Geschäftsreisen - Unternehmen und Mitarbeiter haben vielfach die Erfahrung gemacht, dass die Zusammenarbeit über digitale Plattformen funktioniert und einen Teil der Reisen ersetzen kann. Darüber hinaus sind internationale Reisen weiterhin nur in einem sehr begrenzten Ausmaß möglich.

In diesem Szenario ist ein Erreichen des Vorkrisenniveaus bei den Übernachtungszahlen nicht vor 2023 zu erwarten. Die Überbrückung der Zwischenzeit fällt vielen Hotelketten schwer. Anders als im optimistischen Szenario werden neben Einzelbetrieben auch mittelgroße Ketten Insolvenz anmelden müssen. Eine Marktbereinigung tritt ein. Es kommt zu ersten Notverkäufen von Hotelimmobilien.

3. Pessimistisches Szenario: Die Impfstrategie funktioniert nicht so, wie erhofft, entweder weil die Wirksamkeit der Impfstoffe - etwa durch Mutationen - eingeschränkt ist und/oder es bei der Verfügbarkeit, Verteilung oder Impfbereitschaft zu Engpässen kommt. Die Risikogruppen können nicht bis zum Sommer 2021 geimpft werden. Die Auslastung der Krankenhäuser steigt im Herbst abermals an, neue Einschränkungen folgen. Die Corona-bedingte Wirtschaftskrise trifft Deutschland hart, die Hotellerie ist ihr besonders ausgesetzt.

Dieses Worst-Case-Szenario hätte tiefgreifende Auswirkungen auf den Markt. Auch größere, internationale Hotelketten sind nun betroffen, wir sehen Insolvenzen auf breiter Front. Distressed Verkäufe sind die neue Normalität. Durch stark sinkende Preise werden Hotelimmobilien zu Spekulationsobjekten. Der Transaktionsmarkt ist von opportunistischen Investoren geprägt. Leerstehende Hotels ohne Betreiber gehören zum neuen Bild unserer Städte. Eine Normalisierung der Verhältnisse ist in diesem Fall nicht vor 2024, eher im Jahr 2025 zu erwarten.

Neubewertung der Assets im Jahr 2021

Ob Szenario eins, zwei oder drei - ein Teil der Marktbereinigung wird über eine stark reduzierte Projektpipeline kompensiert werden. Neue Projekte kommen in den nächsten Jahren kaum auf den Markt. Die Last liegt nun nicht mehr nur bei den Betreibern, auch Eigentümer müssen in die Bresche springen. In welchem Ausmaß die Probleme zu den Eigentümern wandern, wird vor allem davon abhängen, wie hart der Markt getroffen ist. Ein Lastenausgleich ist letztlich unumgänglich, da sich den Eigentümern kaum Alternativen bieten. Nutzungsänderungen in der Breite sind oftmals keine Lösung, da sie entweder zu geringe Einnahmen generieren, sich die Investitionen für Gebäudekonversionen wirtschaftlich nicht rechnen oder aufgrund rechtlicher Hemmnisse nur im Einzelfall umzusetzen sind.

Daher wird eine Neubewertung der Hotel-Assets im Jahr 2021 unumgänglich. Hilfreich wäre es, wenn dafür der Transaktionsmarkt wieder anspringen würde. Doch woher kommt das Fremdkapital? Aktuell lassen zahlreiche Finanzierer die Finger von Hotelinvestitionen. Fremdkapital ist Mangelware und die Liquidität im Markt nimmt insgesamt ab, Finanzierer verlangen höhere Eigenkapitalquoten und höhere Margen. Das alles hemmt den Transaktionsmarkt. Noch sehen wir kaum Distressed-Verkäufe. Doch das kann sich - je nach Szenario - schnell ändern.

Das Zögern vieler Banken ist verständlich, besteht doch bereits ein Exposure in einem als unsicher bewerteten Markt. Eine Bank wird also eher versuchen, dieses zu senken und nicht noch weitere Risiken auf das Buch zu nehmen. Das ist aber nur eine Seite der Medaille, denn das Fehlen von Fremdkapital setzt die ins Rutschen geratenen Preise für Hotelimmobilien nochmals unter Druck. Die Folgen sind bekannt: Die Buchwerte müssen wiederrum herunterkorrigiert werden. Eine Entwicklung, die nicht im Interesse der Finanzierer liegen kann.

Pauschaler Abgesang wäre ein Fehler

Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Hotelmarkt steht mitnichten vor einem Zusammenbruch. Vor dem Hintergrund reduzierter Erwartungen und niedrigerer Pachten werden Hotels sehr wohl in einer veränderten Welt gewinnbringend zu bewirtschaften sein. Deshalb halte ich es auch für falsch, wenn Finanzierer nun grundsätzlich Abstand vom Markt nehmen, denn sie berauben sich damit auch all der Chancen, die eine solche Situation bietet.

Die in den drei Szenarien skizzierten Entwicklungen lassen eine Normalisierung der Übernachtungszahlen in den Jahren zwischen Ende 2022 und Anfang 2025 erwarten. Es ist ein Planungshorizont, der für langfristige Finanzierer nicht problematisch sein sollte, entsprechende Risikoaufschläge können schließlich eingepreist werden.

Statt generell Abstand von der Assetklasse zu nehmen, sollte der Fokus mehr denn je auf die Kernelemente des Hotelimmobiliengeschäfts gelenkt werden. Der Blick sollte mittel- bis langfristig sein, sich an den wichtigsten Werttreibern orientieren und dabei ist genau abzuwägen, welche Objekte und Betreiber gut positioniert aus der Krise kommen werden. Konkret sind jeweils die folgenden vier Aspekte neu zu bewerten:

- Marktanalyse: "Geschäftsmodell" einer Destination, Verhältnis Leisure- zu Business-Gästen, Anteil internationaler Gäste, zukünftige Potenziale der Positionierung, Attraktivität aus Investorenperspektive, Investmentaktivität in anderen gewerblichen Assetklassen.

- Standort- und Objektanalyse: Kritische Bewertung der Makro- und Mikrolage angesichts einer veränderten Nachfrageentwicklung. Einige Standorte haben nach der Pandemie nur noch eine eingeschränkte Berechtigung, wie etwa einige im Umland gelegene Businesshotels ohne gute Verkehrsanbindung zur Messe, Objekt- und Produktqualität, Erweiterungspotenziale, Drittverwendbarkeit.

- Betreiberanalyse: Track Record, Internationalisierung/Portfolioverteilung, Konzept und Zielgruppen, Operating Model, Stand hinsichtlich Digitalisierung.

- Legal Due Diligence: Welche konkreten Regelungen sieht der Miet- und Pachtvertrag vor? Wichtig sind insbesondere die Nachhaltigkeit der Mieten, Vor- und Nachteile von fixen oder hybriden Mietkonzepten, eine faire Lastenverteilung bei der Werterhaltung der Immobilie durch Double-Net-Regelungen und die Ausgestaltung eines Sicherheitenpakets.

Als Fazit lässt sich festhalten: Der Hotelmarkt in Deutschland wandelt sich abhängig vom Verlauf der Pandemie. Erste Anpassungen erfolgen in diesem Jahr und führen zu einer neuen Preisbildung am Transaktionsmarkt. Wie gut dieser funktioniert, wird entscheidend davon abhängen, ob Fremdkapital in ausreichendem Maße zur Verfügung steht - sei es von Banken oder alternativen Finanzieren. Banken sind gut beraten, sich nicht vollständig aus dem Markt für Hotelinvestments zurückziehen. Schließlich werden sich neue Chancen bieten, die langfristig denkende Finanzierer und antizyklische Investoren für sich nutzen können. Dafür bedarf es einer genauen Beschäftigung mit den jeweiligen Assets.

DER AUTOR ANDREAS EWALD Managing Partner, Engel & Völkers Hotel Consulting GmbH, Hamburg
Andreas Ewald , Managing Partner, Engel & Völkers Hotel Consulting GmbH, Hamburg
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