IMMOBILIENBANKEN

FINANZIERUNGEN VON GEWERBEIMMOBILIEN: SCHOCK, ANPASSUNG UND GROSSE UNSICHERHEIT

Prof. Dr. Tobias Just, Foto: REBS_Hans-Jürgen Heyer

2020 führte die Irebs zum achten Mal das German Debt Project (GDP)* durch, eine Analyse der Gewerbeimmobilienfinanzierungen in Deutschland. Hierfür wurden die Finanzierungsdaten von großen Banken zusammengetragen und aggregiert. Anschließend wurden im Sommer 2020 rund zwei Dutzend persönliche Interviews geführt, um die Ergebnisse der zugelieferten Daten zu verproben und die Argumentation der Handlungsweisen der Bankenvertreter besser einschätzen zu können. In diesem Beitrag werden die Kernergebnisse des diesjährigen GDP vorgestellt. Die Studie wurde im September 2020 finalisiert, die jüngsten Entwicklungen fließen hier also nur als mögliche Erwartungen der Bankenvertreter ein. Red.

Insgesamt wurde das diesjährige German Debt Project natürlich durch die Corona-Pandemie geprägt. Dies spiegelten die Interviews sogar stärker als die Daten. Selbst Unsicherheitsfaktoren wie der Brexit oder die damals anstehende Wahl des US-Präsidenten spielten in den Gesprächen keine große Rolle. Insofern stellt die Corona-Pandemie auf jeden Fall einen gewaltigen Schock für die Immobilienbranche dar.

Tatsächlich lässt sich dieser Schock in drei Komponenten unterteilen: Es gab einen Angebotsschock, viele Immobiliennutzer konnten ihre Dienstleistungen nicht erbringen oder Waren nur mit Verzögerung produzieren. Es gab aufgrund der dadurch erzwungenen Einnahmeausfälle auch einen Nachfrageschock; Expansionspläne wurden verschoben. Diese beiden

Schocks wirken belastend für die Immobilienbranche, wenngleich nicht für alle Marktsegmente in gleicher Intensität. Die Pandemie sorgte jedoch auch für einen weiteren Unsicherheitsschock. Kapitalanleger mussten für alle Anlageprodukte neue Erwartungen unter Berücksichtigung der Pandemie bilden.

Starkes Wachstum 2019 - deutliche Beruhigung 2020

Als sicher empfundene Anlagen gewinnen in solchen Situationen, und dies gilt auch für Immobilien. Immobilienanlagen, deren Nachfrage geringeren Schwankungen unterworfen ist, können dann sogar in ähnlicher Weise profitieren wie Immobilienanlagen von Unsicherheitsschocks der letzten zehn Jahre bereits profitiert haben. Anders als in den 2010er Jahren lässt sich diese Argumentation jedoch nur noch für Teilsegmente der deutschen Immobilien- und damit auch Immobilienfinanzierungsbranche vorbringen.

Nach zwei Jahren mit rückläufigen gemeldeten Neugeschäftsvolumina berichteten die an der Befragung teilnehmenden Banken für 2019 wieder ein kräftiges Plus. Auch der Kreditbestand wuchs 2019. Der Rückgang an Neugeschäft in den transaktionsstarken Jahren 2017 und 2018 dürfte an drei Faktoren gelegen haben: Erstens gibt es eigenkapitalstarke Investoren, die keinen großen Fremdfinanzierungsbedarf haben. Zweitens drängen Fremdkapitalgeber außerhalb des Bankensektors auf den Markt und drittens werden in dieser Analyse kleine regionale Finanzierungsinstitute untererfasst.

Abbildung 1: Veränderung des Neugeschäfts (in Prozent, gegenüber dem Vorjahr) Quelle: IREBS; die Zahlen für 2020 sind Schätzungen auf der Grundlage der geführten Interviews.

Für 2020 erwarten die teilnehmenden Banken, dass ihr Neugeschäftsvolumen deutlich zweistellig zurückgehen wird. Dabei gehen bei der Durchschnittswertbetrachtung aber zwei wichtige Differenzierungen verloren. Zum einen gab es sehr unterschiedliche strategische Antworten der Banken auf die Corona-Pandemie. Während sich einige Banken sehr stark aus dem Neugeschäft zurückgezogen und sich auf wenige Bestandskunden konzentriert haben, stießen andere Banken in die sich öffnende Lücke, weil die Pandemie den hohen Wettbewerbsdruck reduziert hat. Während einige Banken sehr deutlich zweistellige Rückgänge verzeichnen dürften, erwarten andere für 2020 sogar Rekordzahlen im Neugeschäft.

Zum anderen verlief das Jahr 2020 nicht entlang der üblichen jahreszeitlichen Rhythmen, sondern folgte dem Corona-Skript: Nach einem starken ersten Quartal, fror der Markt zunächst im März/April geradezu ein, entspannte sich im Sommer nach den Öffnungen und zeigte im Herbst wieder neue Spannungen als deutlich wurde, dass die Öffnungen nur transitorisch waren. Alle Banken berichteten von anhaltender Unsicherheit, doch ebenfalls davon, dass im Sommer 2020 der Wettbewerb gerade in den risikoarmen Finanzierungen spürbar zunahm und damit die Margen auch erneut sanken.

Viel Konsens unter den Befragten

Sowohl im Datenfragebogen als auch in den persönlichen Interviews zeigte sich sehr deutlich, dass es unter den Banken nur wenig Dissens hinsichtlich der besonders risikobehafteten und besonders wenig risikobehafteten Assetklassen gibt. Dass gerade im Zuge des Lockdowns Einzelhandelsimmobilien und Hotelimmobilien besonders hart betroffen waren, ist wenig überraschend.

Allerdings gab es auch hierbei interessante Teilaspekte: Zwar ist der Stimmungsumschwung für Hotelfinanzierungen viel heftiger ausgeprägt als die Stimmungsveränderung für den Einzelhandel (ausgenommen Einzelhandel mit Gütern des täglichen Bedarfs sowie Fachmarktzentren), doch für Hotels erkannten deutlich mehr Gesprächspartner eine mittelfristige Normalisierung als für den Einzelhandel, weil die Pandemie im Einzelhandel eine bestehende Strukturlast verstärkte, für die Hotellerie jedoch einen isolierten Schock darstellte.

Auch am positiven Stimmungsende gab es viel Übereinstimmung unter den Banken: Wohnen wurde als nicht substituierbare Assetklasse als überwiegend sicher eingeschätzt, sodass hier eine rasche Rückkehr zu den sehr niedrigen Margenniveaus von Ende 2019 schon für den Sommer 2020 erkannt wurde. Logistikimmobilien wurden zwar weitgehend als chancenreiche Anlageklasse gewertet, weil sie das Rückgrat der notwendigen Lieferketten darstellen und sowohl von einer Verschiebung hin zu vermehrtem Onlinekonsum als auch von einer Rückbesinnung auf redundanzschaffende Produktion in Europa profitieren könnte (lediglich die großen Verteillogistikzentren für interkontinentalen Handel wurden kritischer gesehen).

Büro: mehr Innenstadtlagen, weniger Projektentwicklungen

Den größten Stimmungseinbruch erlebten neben der Assetklasse Hotel die Büroimmobilien. In der letztjährigen Umfrage galt Büro noch als "das neue Wohnen", womit die guten Wachstumsaussichten und die geringe Rückschlagswahrscheinlichkeit gemeint waren. Viele Banken gaben zwar an, dass sie 2020 ihre Investitionsschwerpunkte weiter in Richtung Büroimmobilien verlagern dürften, doch gleichzeitig kam bei allen Gesprächen eine sehr hohe Unsicherheit zum Ausdruck. Auf die Frage, wie sich die Büronachfrage in den kommenden Jahren verändern dürfte, lagen die Antworten der Banken zwischen einem Rückgang um 30 Prozent und einem Anstieg um 20 Prozent (der Median hatte ein negatives Vorzeichen).

Letztlich impliziert dies, dass Banken ihr Finanzierungsgewicht deswegen in Richtung Büroimmobilien verschieben, weil Büro als relativ risikoärmer gilt als Einzelhandelsoder Hotelimmobilien. Gleichzeitig wurde betont, dass insbesondere Innenstadtlagen und weniger Projektentwicklungen im Bürosegment angestrebt wurden - es wird versucht, die Risikozunahme durch eine Verlagerung innerhalb der Büroimmobilienanlageklassen zu kompensieren. Dies wird die Margen auch in der Nische der Top lagen in den Metropolen rasch sinken lassen, so die Meinung vieler Bankenvertreter. Dies impliziert, dass Finanzierungen für Nebenlagen und auch für Projektentwicklungen relativ teurer bleiben. Der "Weg ins Risiko", der im letzten Jahr noch als Grundtenor bei den Gesprächen mit den Banken beschrieben wurde, ist bis auf Weiteres zu Ende.

Abbildung 5: Anteilsverschiebung bei den Assetklassen (in Prozent) Quelle: IREBS

Trendwende bei den Margen

Wie stark der Lockdown-Schock die Finanzierungsinstitute verunsicherte, wird besonders in der massiven Ausweitung der Margen im ersten Halbjahr deutlich: In den zurückliegenden Jahren gingen die Margen trotz vermehrter Finanzierung von Projektentwicklungen und zum Teil Finanzierung von Immobilien in Nebenlagen spürbar zurück. 2019 gab es erste Anzeichen, dass sich die Margen auf niedrigen Niveaus (und relativ hoher Risikoneigung) stabilisieren könnten.

Abbildung 2: Margenerwartungen für 2020 Quelle: IREBS

Die Corona-Pandemie kehrte diese Entwicklung zumindest im ersten Halbjahr 2020 um, die Margen stiegen sehr deutlich an. Gleichzeitig reduzierten die Banken die mittleren Loan-to-Values, forderten strengere Covenants ein (und konnten diese wohl auch überwiegend durchsetzen), sodass gerade Projektentwickler mehr auf Mezzanine-Finanzierungen setzen mussten. Die befragten Banken erwarten auch für die nähere Zukunft, dass die Nachfrage nach Mezzanine-Finanzierungen zunehmen dürfte und dass die Zinssätze dort steigen dürften. Dies dürfte den Preisdruck nach unten für Projektentwicklungen erhöhen.

Mit Blick auf die Loan-to-Values fällt in den Befragungsergebnissen nicht nur auf, dass es über (fast) alle Banken hinweg einen Abwärtsdruck gibt, der die höhere Vorsicht der Banken spiegelt, sondern es zeigt sich auch eine enorme Spreizung. Finanzinstitute reagierten uneinheitlich auf die Pandemie. Dies betrifft wie oben gezeigt ihre Assetallokation als auch ihre Bereitschaft höhere Ausläufe zu tolerieren.

Abbildung 3: LTV-Erwartungen für 2020 Quelle: IREBS

In den Gesprächen wurde deutlich, dass ein Großteil dieser Vorsicht nicht aus bereits materialisierten Risiken rührt, sondern aus einer erheblichen Erwartungseintrübung. Über Verschiebungen in den Ratingkennziffern berichten die Banken genauso wenig wie Ausfälle von Krediten jenseits von Einzelfällen. Für 2021 rechnen die meisten Banken jedoch damit, dass es hier Eintrübungen geben wird, und daher wird mehr auf die Vereinbarung und Durchsetzung von Covenants geachtet - was 2019 bei vielen Banken im Zuge hohen Wettbewerbsdrucks nicht durchgehalten werden konnte.

Abbildung 4: Entwicklung der Non-Performing-Loans (NPL) (Marktproxy, in Milliarden Euro) Quelle: IREBS

Leitmotiv "Unsicherheit"

Das Leitmotiv des diesjährigen German Debt Project war das Thema "Unsicherheit". Dies wurde besonders darin deutlich, dass einige Banken bei der Frage nach weiteren Risiken und Unsicherheitsfaktoren die "üblichen Verdächtigen" des Vorjahres gar nicht nannten (den Brexit, die US-Wahl und geopolitische Risiken). Die Pandemie überdeckte also jene Risiken, die bereits im Vorjahr als beachtlich bewertet wurden. Gleichzeitig betonten mehrere Banken, dass das gesamtwirtschaftliche Umfeld ja bereits vor der Corona-Pandemie als belastet galt, dass die Pandemie eben als Zusatzlast aufgeladen wurde und nicht als alleiniger Schock.

In Zeiten hoher Unsicherheit sind Leitplanken wichtig. Diese werden durch die Regulierungsinstitutionen definiert, zum Beispiel der BaFin, der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank. In den vergangenen Jahren haben viele Banken die nach der Finanz- und Wirtschaftskrise enger gezogenen Richtlinien der Regulierer dahingehend kritisiert, dass das Korsett wenig Spielraum lässt.

In diesem Jahr wurde ein vielfältigeres Stimmungsbild durch die Banken gezeichnet: Neben einem erhöhten Informationsbedarf der Institutionen zeigten diese bei der Auslegung von einigen Richtlinien Flexibilität und erleichterten es so den Banken, auf die Krisensituation zu reagieren. Der Informationsaustausch wurde als positiv und zielführend bewertet. Insofern könnten die Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise geholfen haben, dass in dieser Krise schnell und besonnen reagiert werden konnte, und dies ist fast schon eine erste versöhnliche Lehre für die Finanzierungsbranche aus der Pandemie.

* Die Studie kann auf www.irebs-immobilienakademie.de oder direkt hier: https://bit.ly/2I730KQ bestellt werden.

DER AUTOR PROF. DR. TOBIAS JUST Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg
DER AUTOR SIMON WIERSMA Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg
Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg
Simon Wiersma , Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg

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