INSTITUTIONAL ASSET MANAGEMENT - IMMOBILIEN-SPEZIALFONDS

FOLGEN VON EZB-POLITIK UND NIEDRIGZINSEN FÜR DIE IMMOBILIENMÄRKTE

Dr. Stephan Hinsche, Foto: aik

Die krisenhaften Entwicklungen seit Ausbruch der Finanzkrise haben Notenbanken rund um den Globus dazu veranlasst, ihre Geldpolitik immer expansiver auszurichten. Der großvolumige Aufkauf von Staatsanleihen ist dabei zu einem mittlerweile weithin gebräuchlichen Instrument geworden, das nicht nur der wirtschaftlichen Stimulierung, sondern mindestens ebenso der Verbesserung der Finanzierungsbedingungen von Staaten dient. Ein Kurswechsel ist in den meisten Fällen weiter nicht in Sicht, das gilt insbesondere für die EZB. Der seit Jahren zu beobachtende Boom bei Vermögenswerten, nicht zuletzt an den Immobilienmärkten, könnte somit wegen der anhaltend niedrigen Renditen von Staatsanleihen noch eine ganze Weile Bestand haben. Welche Chancen und Risiken sich daraus ergeben, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Red.

Die Renditen von Staatsanleihen spielen für die Immobilienmärkte eine erhebliche Rolle: An ihnen richten sich die Kosten von Immobilienkrediten und die mögliche Wertentwicklung von Immobilien aus. Sind die Staatsanleiherenditen niedrig, sind Immobilienkredite tendenziell günstig.

Beeinflussung der langfristigen Zinsen

Entsprechend werden Immobilien für Privatpersonen und Investoren bei niedrigen Renditen und damit niedrigen Kreditkosten attraktiver. Abbildung 1 zeigt, wie stark die Anleiherenditen für Deutschland seit 2010 zurückgegangen sind und wie stark gleichzeitig die Immobilienpreise gestiegen sind. Deshalb sind Immobilienkäufer und -investoren stets gut beraten, die Anleihemärkte ebenso wie die Immobilienmärkte im Blick zu haben.

In diesem Zusammenhang rückt die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus. Typischerweise beeinflussen Zentralbanken zwar nur die kurzfristigen Zinsen, doch dies hat sich mit den anhaltenden Interventionen der EZB seit 2010 geändert. Seitdem prägt ihre Politik auch die langfristigen Zinsen. Sie wird dadurch für die Entwicklung der Kreditzinsen und der Immobilienmärkte noch wichtiger, als sie es ohnehin schon war.

Spürbar gesunkene Anleiherenditen der Eurostaaten

Als 2010 mit dem Anstieg der Renditen griechischer Staatsanleihen die Eurokrise über die Währungsunion hereinbrach, stürzte sich neben den übrigen Mitgliedsstaaten mit ihrem aufgespannten Rettungsschirm auch die EZB in die Bresche. Mit dem Aufkauf von Staatsanleihen der Krisenstaaten bemühte sie sich, die Stimmung zu beruhigen. Im Laufe der Krise wurde das Agieren der EZB immer wichtiger. Auf dem Höhepunkt im Sommer 2012 erklärte ihr damaliger Präsident Mario Draghi die EZB faktisch zum Lender of Last Resort.

2015 startete sie ihr großangelegtes Wertpapierkaufprogramm mit dem offiziellen Ziel, die Inflationsrate auf den Zielwert von zwei Prozent zu erhöhen. Bis Ende Mai 2021 wurden über dieses Programm Staatsanleihen im Wert von über 2,5 Billionen Euro erworben. Anfang 2020 wurde das Staatsanleihekaufprogramm PSPP durch das Pandemie-Notfall-Kaufprogramm PEPP ergänzt. Über dieses wurden bislang zusätzlich Staatsanleihen im Wert von 951 Milliarden Euro erworben. Die Anleiherenditen der Eurostaaten sind infolge dieser Käufe spürbar gesunken, wie Abbildung 2 zeigt.

Zwar sind rückläufige Renditen von Staatsanleihen ein langfristiger internationaler Trend, getrieben durch demografische, finanzwirtschaftliche und makroökonomische Faktoren. Und auch die Staatsanleihekaufprogramme anderer Notenbanken muss man in diesem Zusammenhang erwähnen. Doch die Entwicklung zu sinkenden Renditen wurde durch die EZB besonders beeinflusst.

Keine Verbraucherpreisinflation, dafür steigende Vermögenspreise

Die Politik der EZB ist über die Anleihemärkte und Staatshaushalte hinaus von hoher Bedeutung. Zum einen stellt sich die Frage, inwiefern die EZB damit ihr offizielles Ziel, eine Inflationsrate nahe der Marke von zwei Prozent erreicht. Die Zielerreichung fällt jedoch trotz des immensen Mitteleinsatzes bescheiden aus.

Die Inflationsrate bleibt seit Jahren deutlich unter der Marke von zwei Prozent. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Banken das neu geschaffene Zentralbankgeld vor allem zu nutzen scheinen, um ihre Liquiditätsreserven bei der EZB zu erhöhen und frisch begebene Anleihen zu erwerben. Sie nutzen es aber kaum zur Ausweitung der Kreditvergabe, weshalb sich die Liquiditätsschwemme der EZB bislang nicht in Verbraucherpreisinflation niederschlägt.

Die moderate Verbraucherpreisinflation darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Eurozone seit 2015 eine erhebliche Vermögenspreisinflation erlebt. Als wichtigste Anlageklasse trägt vor allem der Boom bei Immobilien zum Vermögenspreisanstieg bei. Diese Vermögenspreisinflation steht in direktem Zusammenhang mit den Anleihekäufen, denn Staatsanleihen bilden als risikolose klassifizierte Vermögenswerte einen Fixpunkt an den Finanzmärkten. Die veränderten Anleiherenditen wirken sich auf andere Vermögenswerte aus.

Abbildung 1: Anleiherendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen und jährliche Veränderung des deutschen Immobilienpreisindizes Quelle: Eurostat, OECD, eigene Berechnungen und Darstellung der aik
Abbildung 2: Anteil der vom Eurosystem gehaltenen Staatsschuld der Eurostaaten und gewichtete Rendite der zehnjährigen Anleihen der Eurostaaten Quelle: Eurostat, eigene Berechnungen und Darstellung der aik
Abbildung 3: Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und Effektivzinssätze für zehnjährige Wohnungsbaukredite (in Prozent) Quelle: Bundesbank, eigene Darstellung der aik

Mindestens drei Wirkungskanäle

Mindestens drei Wirkungskanäle lassen sich hier anführen. Erstens führen sinkende Anleiherenditen auf Staatsanleihen zu steigenden Gegenwartswerten künftiger Auszahlungen von Vermögensobjekten wie Aktien oder Immobilien, weil sie mit einem niedrigeren Zins abdiskontiert werden. Zweitens führen sinkende Anleiherenditen zu sinkenden Kreditkosten für Investoren und Privatpersonen, weil diese, wie in Abbildung 3 ersichtlich, üblicherweise in Abhängigkeit von der Rendite von Staatsanleihen berechnet werden.

Drittens führen sinkende Zinsen auf Anleihen zu Umschichtungen in Portfolios. Wegen der niedrigen Erträge aus Anleihen schichten Investoren ihre Gelder in andere Anlageklassen um. Immobilien sind dabei eine naheliegende Alternative zu Anleihen, weil sie bei überschaubarem Risiko ebenfalls einen regelmäßigen Cashflow bieten. Die EZB sorgt daher einerseits mit ihrer Geldflut für steigende Kurse bei Anleihen. Andererseits erhöht sie durch die sinkenden Renditen die Attraktivität anderer Vermögensklassen. Die Folge von Geldflut und Niedrigzinsen ist ein breiter Anstieg der Vermögenswerte.

Für Deutschland gilt der vermögenssteigernde Effekt in besonderem Maße. Hier sind die Anleiherenditen bereits seit Anfang 2011 am Sinken. Selbst an der Nulllinie haben sie nicht Halt gemacht, sodass seit 2019 sogar Anleihen mit einer Restlaufzeit von 30 Jahren regelmäßig im negativen Bereich notieren.

Wenig überraschend hat der Vermögenspreisindex des Flossbach von Storch Research Institute für Deutschland seit 2010 um 66,3 Prozent zugelegt. Der vdp-Index, der die Preisänderungen bei Immobilien nachvollzieht, hat in dieser Zeit sogar um 74,7 Prozent zugelegt. Demgegenüber sind die Verbraucherpreise, wie in Abbildung 4 zu sehen ist, lediglich um 13,8 Prozent gestiegen.

Auf steigende Inflation wird die EZB kaum reagieren

Es wird unter diesen Umständen interessant sein, wie die EZB auf merklich steigende Inflationsraten reagiert. In diesem Fall würde sie ihr bisheriger Kurs in Konflikt mit ihrem Mandat bringen. Zu Beginn des Jahres ist die Inflation infolge der sich aufhellenden Konjunktur tatsächlich gestiegen. Die Reaktion der EZB-Präsidentin Christine Lagarde war indes eindeutig: Sie hat klargestellt, dass sie die anziehenden Inflationswerte noch nicht für nachhaltig hält und will mit den Anleihekäufen weiterhin günstige Refinanzierungsbedingungen für Staaten und Unternehmen gewährleisten.

Doch selbst für den Fall, dass sich die Inflationsraten dauerhaft über den Zielwert von zwei Prozent hinausbewegen, hat sich die EZB mit der geänderten Operationalisierung des Inflationsziels hin zu symmetrischen 2 Prozent Spielraum verschafft. Da die Inflationsrate mittlerweile seit mehreren Jahren unter dem Zielwert liegt, will sie die Inflation gewissermaßen "nachholen" und Inflationswerte über dem Zielwert zumindest für eine gewisse Zeit hinnehmen.

Erst wenn die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum um den Zielwert oder darüber gelegen hat, würde sie wohl ihre Anleihekäufe reduzieren. Anschließend könnte sie ihre Refinanzierungszinssätze anpassen und erst dann - und hierbei handelt es sich ohne Zweifel um ein Szenario in weit entfernter Zukunft - könnte sie darüber nachdenken, ihre Bilanz zu reduzieren, indem sie die Staatsanleihebestände abbaut. Doch auch hierfür hat der ehemalige EZB-Vizepräsident Vitor Constâncio schon 2018 argumentativ vorgesorgt, indem er öffentlich darüber spekuliert hat, ob die EZB nicht dauerhaft mit der erhöhten Bilanzsumme operieren könnte.

Es spricht demnach auf absehbare Zeit vieles für günstige Refinanzierungsbedingungen der Eurostaaten. Investoren müssen sich daher weiter auf niedrige Staatsanleiherenditen und die Folgen daraus einstellen.

Abbildung 4: Entwicklung der Vermögenspreise in Deutschland und der deutschen Verbraucherpreise (Index: Q1/2010 =100) Quelle: Flossbach von Storch Research Institute, vdp, Eurostat, eigene Berechnungen und Darstellung der aik

Wie reagieren Investoren auf das neue Zinsumfeld?

Für Rentenversicherungen, -fonds und Versorgungswerke werden Staatsanleihen langfristig zu wenig abwerfen, um daraus die bestehenden Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Das Zinsumfeld spricht außerdem für eine Fortdauer des Booms am Immobilienmarkt. Anleger, die bislang in Anleihen investiert waren, dürften weiterhin auf die Anlageklasse Immobilien ausweichen. Die aik hat vor diesem Hintergrund einen weiteren Fonds für Wohnimmobilien aufgelegt, der bei den Anlegern sehr guten Anklang gefunden hat.

Als weitere Konsequenz dieses Zukunftsszenarios dürften Kredite günstig bleiben, was nicht nur Kreditkosten senkt, sondern auch die Hebelwirkung der Fremdkapitalfinanzierung von Vermögensobjekten, vor allem Immobilien, interessant hält.

Zudem bleibt es unter diesen Umständen für Anleger bei der Versuchung, sich mit tendenziell kurzlaufenden und günstigen Darlehen zu refinanzieren, weil sich eine langfristige Festschreibung des Zinsniveaus wegen der anhaltenden Niedrigzinspolitik nicht lohnt. Und zu guter Letzt bleiben die Gegenwartswerte von Immobilien dank des sinkenden Kalkulationszinssatzes weiterhin hoch.

Immobilieninvestoren gehören zu den Gewinnern

Ebenso wie Anleiheinvestoren, die ihre Anleihen an das Eurosystem verkaufen können, könnten Immobilieninvestoren weiter von der EZB-Politik profitieren. Sie trägt zu niedrigen Kreditkosten, zu hohen Gegenwartswerten und zu Portfolioumschichtungen hin zu Immobilien und damit einer regen Nachfrage bei. Immobilieninvestoren können daher zu den Gewinnern der EZB-Politik gezählt werden.

Dass es sich bei den oben dargelegten Argumenten nicht nur um akademische Überlegungen handelt, können wir aufgrund unserer eigenen Investmenttätigkeit bestätigen. Die aik, die zu knapp 97 Prozent ihres Anlagevermögens in der Eurozone investiert ist, schüttet gemeinhin die durch Mieteinnahmen generierten Renditen an die Anleger aus. Kursreserven, die sich durch Aufwertungen von Objekten ergeben, werden nicht an die Anleger ausgeschüttet, sondern konsequent zurückgestellt.

Wie wir in dieser Fachzeitschrift bereits früher erläutern durften, sind diese Kursreserven aus Wertentwicklung allein seit 2015 um 24,5 Prozentpunkte bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital angewachsen. Auf diese Weise haben auch die Anleger der aik zumindest mit Blick auf ihre Immobilieninvestments unmittelbar von den Nebenwirkungen der EZB-Politik profitiert.

Vorsicht bleibt angebracht

Investoren müssen stets beachten, dass jede Prognose - auch die hier präsentierte - mit Risiken hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit behaftet ist. Auch wenn manche Zusammenhänge und Folgerungen zwingend erscheinen, sollten Investoren auch außerhalb der berüchtigten Box denken. Gerade die Gefahren der Politik der Europäischen Zentralbank müssen beachtet werden, weil sie zu neuen Umständen führen können, die zuvor als unvorstellbar gegolten haben.

Wir sehen erstens vor allem die Gefahr verschleppter Reformen wegen des nachlassenden Drucks der Finanzmärkte und in der Folge nachlassender Wachstumsdynamik als reell an. Zweitens dürfte die fiskalische Ausrichtung der Geldpolitik zunehmen.

Wenn sich die Politik der EZB verstärkt an den Bedürfnissen der Finanzminister und weniger dem Mandat der Preisstabilität orientiert, würde daraus die Gefahr einer Weichwährung mit hohen Inflationsraten erwachsen. Sowohl nachlassendes Wirtschaftswachstum als auch eine steigende Inflation wirken sich unmittelbar auf die Immobilienmärkte aus.

Diese Gefahren und andere müssen Investoren und die aik als Kapitalverwaltungsgesellschaft im Blick behalten, weil sie Auswirkungen auf den Investitionserfolg haben. Die aik bleibt daher bei ihrer konservativen und durchaus demütigen Politik, die vor allem auf den langfristigen Anlageerfolg und nicht die kurzfristige Spekulation angelegt ist.

Dr. Stephan Hinsche , Sprecher der Geschäftsführung , aik Immobilien-Investmentgesellschaft mbH, Düsseldorf

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