RISIKOMANAGEMENT

FUTURE OFFICE - DIE ANFORDERUNGEN AN BÜROFLÄCHEN VON MORGEN

Sebastian Zehrer, Foto: Wealthcap

Quo vadis, Büroimmobilie? Diese Frage wird auch im Jahr 2021 (und vermutlich darüber hinaus) zu den drängendsten in der Immobilienbranche gehören. Im Fokus steht dabei freilich der noch immer mit großer Unsicherheit behaftete Homeoffice-Effekt auf die künftige Flächennutzung. Entsprechend zurückhaltend sind derzeit auch viele institutionelle Investoren mit Blick auf die Assetklasse. Der vorliegende Beitrag widmet sich der Frage, welche Anforderungen Büroimmobilien und ihre Lage aus Investorensicht erfüllen müssen, um zukunftsfähig zu sein und damit auch langfristig eine gewinnbringende Anlage darzustellen. Die Basis liefert ein im Rahmen einer Studie entwickeltes Future-Office-Scoring, für das insgesamt 94 Bürolagen in den sieben deutschen A-Märkten anhand ausgewählter Makro- und Mikrokriterien untersucht wurden. Dem Faktor "Risiko" wird dabei ganz besonders Rechnung getragen. Red.

Immobilien zählen zu den langlebigsten Assets und sind daher insbesondere für langfristige Investments geeignet. Doch damit sie auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben, müssen bei der Anlage sowohl aktuelle Entwicklungen als auch anhaltende Trends in der Nutzung bedacht werden. Aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 kommt es hierbei zu einer Verschiebung der Rahmenbedingungen, die den Immobilienmarkt auch nachhaltig verändern könnten.

Kein neues Phänomen

Bei Büroimmobilien äußert sich dies beispielsweise durch das Ausweichen auf das Home- und Flexibleoffice. Dieser Trend ist kein neues Phänomen, sondern war bereits unabhängig von der Corona-Pandemie zu beobachten. Die Digitalisierung sowie die damit einhergehende Vernetzung ermöglichen es, in vielen Bereichen flexibel von überall und zu jeder Zeit zu arbeiten. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu der Frage, ob in Zukunft der Bedarf an Büroimmobilien abnehmen wird oder ob Büroimmobilien als erfolgreiche Assetklasse weiterhin Bestand haben.

Obwohl zahlreiche Arbeitgeber ihren Mitarbeitern seit Beginn der Pandemie die Möglichkeit einräumen, im Homeoffice zu arbeiten, hat sich gerade in dieser Zeit gezeigt, wie essenziell Büroflächen wirklich sind. Zum einen gibt es Branchen, in denen ein solch flexibles Arbeiten nicht möglich ist. Zum anderen bleibt das klassische Büro in allen Bereichen wichtig. Ob konzentriertes und ungestörtes Arbeiten, soziale Begegnungen oder kreativer Austausch - Büroflächen bringen für Mitarbeiter zahlreiche Vorteile, die im Homeoffice nur schwer abgebildet werden können.

Doch nicht nur die Immobilien selbst müssen neue Anforderungen erfüllen, auch der Standort muss vielfältige Potenziale mit sich bringen. Es stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen Bürolagen künftig aufweisen müssen, um zukunftsfähig zu sein und damit auch langfristig eine gewinnbringende Anlage darzustellen.

Aufschlüsselung in Cashflow, Wertänderung und Risiko

Um diese Frage zu beantworten, hat Wealthcap im Rahmen einer Studie ein Future-Office-Scoring entwickelt. Insgesamt 94 Bürolagen in den sieben deutschen A-Märkten wurden anhand ausgewählter Makro- und Mikrokriterien untersucht. Mit Blick auf die Volatilität und relative Entwicklung der Indikatoren bietet die Studie die Möglichkeit, Büroinvestments vielschichtig über einen Zeitraum von zehn Jahren zu betrachten.

Um verschiedenen Investoren-Orientierungen gerecht zu werden, erfolgt eine exemplarische Aufschlüsselung der ermittelten Scoring-Werte in die Erfolgskomponenten Cashflow, Wertänderung und Risiko. Denn je nach Investmentstrategie müssen Standorte unterschiedliche Anforderungen erfüllen, um eine geeignete Investition darzustellen. Dabei spielt neben der absoluten Veränderung der Indikatoren deren Volatilität in Bezug auf das Risiko eine entscheidende Rolle.

Aus diesem Grunde gilt es zunächst festzulegen, welche Gewichtung den drei definierten Erfolgskomponenten Wertentwicklung, Cashflow-Rendite und Risiko beigemessen wird. Gerade dem Faktor Risiko - dargestellt durch die Volatilität - kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Denn die Wahrscheinlichkeit unvorhergesehener Schwankungen signifikanter Kennziffern kann einen großen Einfluss auf Sicherheit und Stabilität eines Investments haben.

Zukunftsfähigkeit muss gesichert werden

Dies gilt nicht nur für das Objekt selbst, sondern auch für den Standort beziehungsweise die Mikrolage. Es geht darum, Investoren Erkenntnisse zu liefern, mit denen ein Musterportfolio gemäß den individuellen Anforderungen - auch bezüglich des Risikos - entwickelt werden kann. Gleichzeitig müssen langfristige Trends einbezogen werden, um die Zukunftsfähigkeit des Investments zu gewährleisten.

Denn mit der Pandemie wird nicht nur der Trend zu Home- und Flexibleoffice beschleunigt, der zuvor bereits durch den Trend zu digitaler Vernetzung angeschoben wurde. Auch der Fokus auf eine angenehme, kreativitäts- und gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung wird weiter geschärft. Bei Büroinvestments kommt es also mehr und mehr darauf an, solche Trends zu erkennen und bei der Objektqualität zu berücksichtigen, um langfristige Renditen sicherzustellen.

All dies sind Faktoren, die sich auf die Zukunftsfähigkeit einer Bürofläche auswirken. Dazu gehört selbstverständlich auch die Frage, welche Kriterien des Standorts und der Mikrolage sich positiv auf ein Büroinvestment auswirken können und somit in den Blickpunkt von langfristig orientierten Investoren rücken sollten.

Makro- und Mikroindikatoren geben Aufschluss

In diesem Zusammenhang wurden gemeinsam mit Prof. Dr. Carsten Lausberg von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen relevante Indikatoren auf Ebene der Makro- sowie der Mikrolage identifiziert. Sie bilden die Grundlage des Wealthcap-Scorings. Die Auswahl der Indikatoren wurde zudem durch externe Immobilienexperten validiert.

In das Scoring der Makrolage fließen die Indikatoren Spitzenmiete, Flächenumsatz, belegte Bürofläche, Entwicklungspipeline, Nettoanfangsrenditen und Bevölkerungswachstum ein, da so Aussagen über die Qualität eines Standorts möglich sind. Die ersten vier Faktoren wurden ebenso auf der Mikroebene untersucht, dort ergänzen die Indikatoren ÖPNV-Verkehrsanbindung und Nahversorgung die spezifischen Mikrolagekriterien.

Scorecard am Beispiel Berlin-Adlershof Quelle: Wealthcap-Studie "Future Office - Bürolagen mit Perspektive"

Lokale Expertise ergänzt das Scoring

Mittels dieser Indikatoren werden zunächst die Teilscorings für die Makro- und Mikroebene erstellt. Durch die Kombination der Ergebnisse entstehen detaillierte Scorecards, die sich individuell an Risikostrategien anpassen lassen. Das Scoring dient nicht dazu, ein allgemeines Ranking abzubilden, sondern soll Aufschluss über die bisherige Entwicklung, die geplante Nutzung sowie die Perspektive der Lagen geben.

Je nach Anlagestrategie werden die Indikatoren unterschiedlich gewichtet, um dem jeweiligen Fokus auf die Investment-Erfolgskomponenten Cashflow, Wertänderung und Risiko gerecht zu werden. Standorte, die sich für manche Investoren hervorragend eignen, könnten für einen anderen unpassend sein. Diese Methode auf Basis der Zahlen vom Analysehaus Bulwiengesa ermöglicht es, eben solche Präferenzen auf unterschiedlichen Ebenen Rechnung zu tragen.

Der quantitative Teil der Studie wird durch Kurzporträts der jeweiligen Standorte sowie der einzelnen Mikrolagen ergänzt, um einen Zusammenhang zwischen dem Charakter der Lage sowie den bisherigen Entwicklungen herzustellen. Zusätzlich wurden standardisierte Experteninterviews zu der jeweiligen Stadt und konkreten Lage geführt, um Wissen zu den Stärken, Schwächen und Besonderheiten der Städte und Bürostandort zu erfragen und die quantitative Datenbasis zu validieren.

Die lokale Expertise in Kombination mit dem Scoring sorgt für umfassende Aus sagen und ein gutes Gesamtbild zur Wettbewerbsfähigkeit von Bürolagen in den deutschen Großstädten. Die Ergebnisse fallen dabei sehr unterschiedlich aus. Auf Makroebene zeigen sich Frankfurt und München am stärksten. Bei der Mikrolage kann jedoch die Hamburger Innenstadt punkten.

Risikoprofil der Investoren ist entscheidend

Bezieht man die unterschiedlichen Investmentstrategien ein, ergeben sich zudem andere Möglichkeiten: So stellt etwa Frankfurt-Niederrad für einen Investor, der an potenziell steigenden Spitzenmieten und Wertzuwächsen interessiert ist und eine gewisse Risikoaffinität mit sich bringt, eine ansprechendere Lage dar als die Hamburger Innenstadt. Diese kann hingegen mit relativ niedrigen Ankaufsrenditen, aber einer größeren Stabilität überzeugen.

Bei Anlegern, die auf Mieter mit bestimmten Geschäftsmodellen und einen stabilen Cashflow ohne großes Potenzial nach oben setzen, punktet eine Lage wie der Airport-Business-Park-Köln. Zwar ist die Europacity am Berliner Hauptbahnhof besser bewertet, eignet sich aber eher für andere Risikoprofile. Die Ergebnisse zeigen, dass sich auf Grundlage des Scorings exemplarische Musterportfolios entwerfen lassen, die den unterschiedlichen Rendite-Risiko-Vorstellungen der Investoren entsprechen. Die Ergebnisse der Studie bilden somit eine fundierte Basis zukunftsfähiger Investmententscheidungen.

DER AUTOR SEBASTIAN ZEHRER Head of Research, Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, München
Sebastian Zehrer , Head of Research, Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, München

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