IMMOBILIENRECHT

DAS GEMEINDLICHE VORKAUFSRECHT IM ZUSAMMENHANG MIT SHARE DEALS

Stephanie Löhrius, Foto: GSK Stockmann

Share Deals unterfallen grundsätzlich nicht dem gemeindlichen Vorkaufsrecht im Sinne der §§ 24, 25 BauGB. In Ausnahmefällen kann jedoch auch ein Share Deal einen Vorkaufsfall für die Gemeinde auslösen. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin Ende 2019 klargestellt. Voraussetzung hierfür ist demnach das Vorliegen einer "kaufähnlichen" Vertragsgestaltung und damit eines sogenannten Umgehungsgeschäfts. Die Autoren des vorliegenden Beitrags erörtern die Implikationen dieser Entscheidung. Red.

Der Ankauf von Anteilen an einer ein Grundstück haltenden Gesellschaft (sogenannter Share Deal) gehört als Investitionsstrategie zu den fest etablierten Instrumentarien der Immobilienpraxis und erfreut sich aufgrund seiner rechtlichen und steuerlichen Vorteile nach wie vor großer Popularität. Mit zunehmender Sensibilisierung für den angespannten Wohnungsmarkt in den Großstädten und der damit verbundenen Relevanz sozialpolitisch geprägter Rechtsfragen, sind Share Deals verstärkt Gegenstand rechtspolitischer Diskussionen. Teil dieser Diskussion ist auch der Anwendungsbereich gemeindlicher Vorkaufsrechte, deren Bedeutung in den letzten Jahren erfahrungsgemäß immer stärker geworden ist.

Bei einem Share Deal werden im Gegensatz zu einem Grundstückskaufvertrag, bei dem der Grund und Boden verkauft wird (Asset Deal), Anteile an einer Gesellschaft erworben, die wiederum Grundstückseigentümerin ist. Aus Investorensicht besteht der wirtschaftliche Anreiz vor allem darin, dass die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nicht anfällt, wenn nach derzeitiger Gesetzeslage weniger als 94,9 Prozent der Anteile an der Gesellschaft erworben werden beziehungsweise sich beim Erwerb der Anteile in einer Hand vereinigen und die restlichen Anteile an der Gesellschaft für mindestens fünf Jahre beim Verkäufer verbleiben.

Anders als im Falle eines Asset Deals liegt bei einem Share Deal kein Grundstückskauf im Sinne des § 433 BGB vor, sodass grundsätzlich kein Vorkaufsfall für die Gemeinde im Sinne der §§ 24, 25 BauGB besteht. Dieser Umstand wirft jedoch eine Reihe von Rechtsfragen auf, die beim Anteilskauf besonderer Prüfung und Berücksichtigung bedürfen. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin) in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2019 (Aktenzeichen 19 L 566.19) klargestellt, dass auch bei Share Deals gemeindliche Vorkaufsrechte bestehen können, soweit Share Deals gerade zur Umgehung eines solchen Vorkaufsrechts gewählt werden.

Ein städtebauliches Instrument

Rechtsgrundlage des gemeindlichen Vorkaufsrechts sind die §§ 24, 25 BauGB, wonach bei Grundstückskäufen in bestimmten Fällen der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zusteht. Rechtspolitischer Hintergrund dieses städtebaulichen Instruments ist die Sicherung und Verwirklichung der gemeindlichen Bauleitplanung und des besonderen Städtebaurechts. Die Gemeinden sollen nach der Intention des Gesetzgebers von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen können, wenn geplante Grundstücksverkäufe nicht im Einklang mit der Bauleitplanung oder dem besonderen Städtebaurecht stehen.

In Zeiten knappen Wohnraums und steigender Mietpreise ist aus kommunaler Sicht vor allem in Großstädten und Ballungszentren ein Spannungsfeld zum besonderen Städtebaurecht zu beobachten. Bundesweit haben viele Gemeinden beschlossen, in "angesagten" Stadtteilen soziale Erhaltungsgebiete festzulegen, um damit einer Gentrifizierung dieser Stadtteile vorzubeugen. Mit der Festlegung eines solchen Gebiets geht einher, dass bestimmte bauliche Maßnahmen und regelmäßig auch die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum genehmigungspflichtig sind. Außerdem besitzt die Gemeinde im Falle des Asset Deals ein gemeindliches Vorkaufsrecht.

Gesetzliche Voraussetzungen

Das gemeindliche Vorkaufsrecht setzt zunächst die rechtswirksame Festsetzung eines der in § 24 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 BauGB aufgeführten Gebiete - zu denen das soziale Erhaltungsgebiet zählt - beziehungsweise den Erlass einer Vorkaufssatzung gemäß § 25 BauGB voraus. Dies hat eine entsprechende Belastung der jeweils im Einzugsgebiet befindlichen Grundstücke zur Folge. Das gemeindliche Vorkaufsrecht darf zudem nur ausgeübt werden, wenn dies durch Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Die Voraussetzung ist erfüllt, wenn mit der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts im Hinblick auf eine bestimmte Aufgabe überwiegende Vorteile für die Öffentlichkeit angestrebt werden beziehungsweise eine Förderung des dem § 24 BauGB innewohnenden städtebaulichen Zwecks angestrebt wird.

Schließlich bedarf es eines wirksamen Grundstückskaufvertrages, mithin eines Rechtsgeschäfts, welches auf die Besitz- und Eigentumsübertragung an einem Grundstück gerichtet ist (der sogenannte Vorkaufsfall). Als Vorkaufsgegenstand kommt grundsätzlich nur das Grundstück selbst in Betracht. Insbesondere Gesellschaftsbeteiligungen scheiden insoweit aus, da im Rahmen der Transaktion lediglich die Anteile an der Grundstücksgesellschaft den Eigentümer wechseln. Das gemeindliche Vorkaufsrecht wird daher im Fall des Share Deals grundsätzlich nicht ausgelöst. Dies gilt auch dann, wenn einziger Vermögenswert der Gesellschaft ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht ist. Zum Schutz der Gemeinde hat die Rechtsprechung Ausnahmen anerkannt, in denen ein Vorkaufsrecht dennoch bestehen soll, obwohl kein Grundstückskaufvertrag im eigentlichen Sinne vorliegt. Dies betrifft zunächst Konstellationen, in denen lediglich ein Miteigentumsanteil (Bruchteilseigentum) am Grundstück verkauft wird und der Erwerber ein nicht zur Eigentümergemeinschaft gehörender Dritter ist. Die Notwendigkeit dieser Ausnahme folgt bereits aus § 200 Absatz 2 BauGB, der im Ergebnis das Bruchteilseigentum an Grundstücken dem Eigentum am Grundstück im Sinne des Baugesetzbuchs gleichstellt.

Hingegen stellt der Share Deal als solcher keinen allgemein anerkannten Ausnahmefall dar. Von übergeordnetem Interesse ist vorliegend jedoch die Fallgruppe der sogenannten Umgehungsgeschäfte. Hierfür charakterisierend ist die Grundstücksübertragung in Form einer Rechtsgestaltung, die die Verhinderung des Eintritts eines Vorkaufsfalls durch eine Herbeiführung des eigentumsrechtlichen Übergangs auf einem anderen Wege als dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages beinhaltet. Oder kurz gesagt: Die vertragliche Gestaltung dient allein dem Zweck, das gemeindliche Vorkaufsrecht zu vereiteln.

Um das Institut des Vorkaufsrechts bei abweichender Vertragsgestaltung nicht leerlaufen zu lassen, legt der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Rechtsprechung zum privatrechtlichen Vorkaufsrecht ein extensives Verständnis des Kaufvertragsbegriffes zugrunde. Insofern sollen auch kaufähnliche Verträge hierunter fallen, sofern eine Vertragsgestaltung vorliegt, die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommt, dass sie ihm gleichgestellt werden kann und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehrinteresses "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2012, Aktenzeichen V ZR 272/10).

Wann in derartigen Konstellationen von einem Umgehungsgeschäft auszugehen ist, soll nach Auffassung des BGH nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Als Beurteilungskriterien können maßgeblich der Zweck der Gesellschaftsgründung, der Wille der Beteiligten und die Beurteilung, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung das Ergebnis der Transaktion dasselbe wäre, wie es bei einem Verkauf des Grundstücks der Fall wäre, herangezogen werden. Auch die Frage, ob der Share Deal im Zusammenhang mit einem gemeindlichen Vorkaufsrecht ein Umgehungsgeschäft darstellt, entzieht sich einer schematischen Betrachtung. Das VG Berlin hat nun allerdings eine für die Praxis wichtige Tendenz erkennen lassen.

Praxisrelevanter Beschluss des VG Berlin

Das VG Berlin hatte in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2019 (Aktenzeichen 19 L 566.19) im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens darüber zu beschließen, ob Behörden zur Erforschung städtebaulich relevanter Sachverhalte unter anderem die Vorlage von Urkunden (zum Beispiel notarielle Transaktionsunterlagen) anordnen dürfen. Im Fall des VG Berlin beabsichtigte das Bezirksamt Berlin-Neukölln auf Grundlage einer solchen Anordnung zu prüfen, ob der Erwerb von Anteilen an einer Grundstücksgesellschaft im Wege eines Share Deals geeignet ist, als kaufähnliches Umgehungsgeschäft das gemeindliche Vorkaufsrecht im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungsordnung auszulösen. Im Ergebnis bejahte das Gericht die Zulässigkeit der Anordnung und wies den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes der Käuferin der Anteile zurück.

Gemäß § 208 Satz 1 Nummer 2 BauGB können die Behörden zur Erforschung des Sachverhalts anordnen, dass Urkunden und sonstige Unterlagen vorgelegt werden, auf die sich ein Beteiligter bezogen hat. Nach Auffassung des VG Berlin waren die Tatbestandsvoraussetzungen insgesamt erfüllt und vom behördlichen Ermittlungs- beziehungsweise Untersuchungszweck mit Blick auf eine mögliche Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gedeckt. Das VG Berlin führte hierzu unter Bezugnahme auf die oben bereits dargestellte Rechtsprechung des BGH aus, dass der Übergang des Eigentums an einem Grundstück, der im Wege eines Share Deals statt eines klassischen Grundstückskaufs erfolge, zwar grundsätzlich ungeeignet sei einen Vorkaufsfall zu begründen, dieser jedoch im Falle eines "kaufähnlichen Umgehungsgeschäfts" in Betracht komme. Ein möglicher Umgehungstatbestand sei gerade der Verkauf von Anteilen an der Gesellschaft, die Grundstückseigentümerin ist, anstelle des Verkaufs des Grundstücks selbst.

Diese zu privatrechtlichen Umgehungsgeschäften entwickelten Grundsätze seien auf die §§ 24 ff. BauGB übertragbar. Im Falle eines Share Deals gelte dies in besonderem Maße, da die dem Allgemeinwohl dienenden städtebaulichen Zwecke des gemeindlichen Vorkaufsrechts in Gefahr seien, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts umgangen werden könnte. Dies treffe insbesondere zu, wenn ein Vorkaufsrecht im räumlichen Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungsverordnung in Rede stehe. Übertragen auf die Befugnisnorm des § 208 BauGB führt das VG Berlin ferner aus, dass der Behörde ein Rückgriff zur Sachverhaltserforschung hierauf regelmäßig nicht verwehrt werden könne, wenn sich nicht von vorneherein ausschließen lässt, dass sich die jeweilige Übertragung der Anteile als ein Umgehungsgeschäft darstellen könnte.

Das gemeindliche Vorkaufsrecht ist im Zusammenhang mit immobilienrechtlichen Unternehmenskäufen schon seit längerem in der Diskussion und hat nun auch Einzug in die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gehalten. Dies dürfte die Debatte weiter beflügeln. Es ist zu erwarten, dass Gemeinden nunmehr verstärkt die Herausgabe relevanter Unterlagen eines immobilienbezogenen Share Deals verlangen werden, um ihrerseits zu prüfen, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt und daher Geltendmachung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts möglich wäre. Wie die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zeigt, wird die bloße Strukturierung der Transaktion als Share Deal zur Vermeidung der Vorkaufsrechtsentstehung nicht ausreichen, um einen Vorkaufsfall auszuschließen.

Neuregelung bislang nicht vorgesehen

Die städtebauliche Relevanz des Share Deals ist auch in den Fokus rechtspolitscher Diskussionen und Reformerwägungen gerückt. Gemäß einer Handlungsempfehlung der Expertenkommission "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik - Baulandkomission" zur Novellierung des Baugesetzbuches ist namentlich eine Fortentwicklung des Instruments des § 24 BauGB und damit eine Ausweitung der gemeindlichen Zugriffsmöglichkeiten diskutiert worden. Trotz dieser Bemühungen ist bisher allerdings keine entsprechende Neuregelung der Vorschrift vorgesehen - die Rechtslage bleibt insoweit vorerst unverändert.

Die Entscheidung des VG Berlin bestätigt, dass gemeindliche Vorkaufsrechte auch im Falle von Umgehungsgeschäften bestehen. Dies kann auch für Share Deals gelten, soweit die Vertragsparteien dadurch vor allem ein gemeindliches Vorkaufsrecht ausschließen wollen. Die Immobilienpraxis sollte daher sensibilisiert sein. Um den Verdacht eines Umgehungsgeschäfts gar nicht erst aufkommen zu lassen, sollten die Beteiligten bei der Strukturierung, insbesondere bei der Vertragsgestaltung, und der Abwicklung von Share Deals ein besonderes Augenmerk auf dieses Problemfeld legen.

DIE AUTORIN STEPHANIE LÖHRIUS Rechtsanwältin, Senior Associate, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg
DER AUTOR DR. JAN BERND SEEGER Rechtsanwalt, Senior Associate, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg
Stephanie Löhrius , Rechtsanwältin, Senior Associate, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg
Jan Bernd Seeger , Rechtsanwalt, Senior Associate, GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, Hamburg

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