NACHHALTIGKEIT

GREEN BUILDINGS: TUN WIR BALD ALLES FÜR DIE PLAKETTE?

Martin Krtschil, Foto: ETHEUS

Das Thema nachhaltige Gebäudezertifizierung ist seit einigen Jahren aus der Fachöffentlichkeit nicht mehr wegzudenken. Jedoch lässt sich nur schwer ermitteln, wie hoch der Anteil an "Green Buildings" hierzulande tatsächlich ist. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) verkündete gegen Jahresende 2019, dass inzwischen 5 900 Immobilien deutschlandweit nach dem hauseigenen System zertifiziert seien. 2017 waren es gerade einmal 653 Immobilien. Eine gemeinsame Statistik bezüglich der drei größten Zertifizierungssysteme DGNB, LEED und BREEAM existiert hingegen nicht. Doch kommt es wirklich nur auf die Plakette an?

Potenzieller Konfliktpunkt: Kostensensitivität

Obwohl es sich nach wie vor um einen relativ kleinen Marktausschnitt handelt, ist der Trend hin zum nachweislich "grünen" Wohn- und Arbeitsort nicht von der Hand zu weisen. Bedenkt man nun, wie viele Investoren und Projektentwickler sich die Schlagwörter Nachhaltigkeit und ESG (Environment Social Governance) in jüngster Zeit neu auf die Fahnen geschrieben haben, dürfte sich die Zahl der zertifizierten Gebäude in den kommenden Jahren nochmals signifikant erhöhen.

Aber führt heutzutage tatsächlich nichts mehr an einer solchen Gebäudezertifizierung vorbei? Tatsächlich gibt es inzwischen sowohl Mieter als auch Anleger, die gemäß eigener Compliance-Regeln ausschließlich zertifizierte Immobilien anmieten beziehungsweise erwerben dürfen. Diese Akteure spiegeln jedoch nicht den breiten Markt wider - und werden dies höchstwahrscheinlich auch in den kommenden Jahren nicht. Ganz im Gegenteil: Die gegenwärtige Corona-Krise sorgt bei vielen Akteuren für eine höhere Kostensensitivität. Einige Bürovermietungen wurden bereits jetzt aus Kostengründen gestoppt oder zumindest auf unbestimmte Zeit verschoben.

Dies kollidiert mit den stetig steigenden Grundstücks- und Baupreisen in der Immobilienwirtschaft. Je nach Zertifizierungssystem müssen zusätzliche Baumaßnahmen durchgeführt beziehungsweise technische Anlagen installiert werden, damit die Immobilie den Kriterien entspricht.

Darin besteht ein sehr starkes Konfliktpotenzial: Die höheren Gestehungskosten von zehn oder mehr Prozent - inklusive Zertifizierung - müssen vom Eigentümer auf die Mieter umgelegt werden, damit das Immobilieninvestment wirtschaftlich bleibt. Was aber, wenn diese allerdings nicht bereit sind, den aufgerufenen Preis zu zahlen?

Im Zweifel kann die Bewirtschaftung teurer werden

Allzu häufig liest man die Behauptung, die Mehrkosten beim Bau und bei der Zertifizierung eines Green Buildings könnten durch die geringeren Betriebskosten kompensiert werden. Zu diesem Thema existieren jedoch zahlreiche, teilweise widersprüchliche Studien. Während sich in vielen Fällen geringere Kosten beispielsweise für Strom und Wasser infolge des sparsameren Ressourcenverbrauchs ergeben, können beispielsweise technische Anlagen oder der reine Pflegeaufwand von Grünflächen oder bemoosten Dächern laufende Kosten verursachen, die sich infolge steigender Personalkosten über die Jahre sogar noch erhöhen.

Teure Gebäudetechnik hingegen muss in der Regel bereits nach 10 bis 15 Jahren runderneuert oder gar ausgetauscht werden. Das heißt nicht, dass die komplexen Anforderungen der Zertifizierungssysteme unbedingt für langfristige Mehrkosten sorgen müssen. Eine Zertifizierung ist jedoch genauso wenig der Garant für eine wirtschaftlich sparsamere Betriebsweise.

KfW-Effizienzhaus als Alternative

Es gibt jedoch Alternativen zu den gängigen Zertifizierungssystemen - weshalb Investoren tatsächlich nicht ihr gesamtes Immobilienkonzept auf die Zertifizierung ausrichten müssen. Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) verfügt Deutschland bereits über hohe, fest vorgeschriebene Baustandards. Daher kann es für Wohnungen oder Bürogebäude eine sinnvolle Alternative sein, gezielt nach KfW-40, KfW-55 oder KfW-70-Standard zu bauen - wobei sich hinter den Zahlen die Prozentwerte der Emissionen im Vergleich zum EnEV-Standard verbergen.

Ein KfW-40-Haus verbraucht also 40 Prozent der Energie eines nach EnEV-Standards errichteten Gebäudes. Im Gegensatz zu einer Green-Zertifizierung, die in jedem Fall Mehrkosten verursacht, wird dadurch sogar der Zugang zu günstigen KfW-Fördermitteln ermöglicht, was die Eigenkapitalrendite des Immobilieninvestments signifikant erhöhen kann.

Als Fazit lässt sich festhalten: Es mag sein, dass einige mögliche Mietinteressenten oder Handelspartner wegfallen, wenn ein Entwickler bewusst auf die Green-Zertifizierung verzichtet. Dies hat jedoch keine Auswirkung auf die Performance des Investments, sofern der tatsächliche ökologische Fußabdruck der Immobilie klein ist und die Flächen hochwertig und damit marktgängig sind.

Denn genauso, wie es keine einheitlichen ESG-Standards innerhalb der Branche gibt, existiert auch keine universelle Definition, wann eine Immobilie tatsächlich nachhaltig ist. Im Umkehrschluss gibt es hierzulande eine Vielzahl an Wohn- und Büroobjekten mit tadelloser Energiebilanz - aber ohne hübsch anzusehender Green-Plakette an der Eingangstür.

DER AUTOR MARTIN KRTSCHIL Geschäftsführer, ETHEUS Development & Construction GmbH, Frankfurt am Main
Martin Krtschil , Geschäftsführer, ETHEUS Development & Construction GmbH, Frankfurt am Main
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