KOMMUNALFINANZIERUNG

GRÜNE KOMMUNALKREDITE: EIN FEHLENDES PUZZLETEIL FÜR MEHR KLIMASCHUTZ IN KOMMUNEN?

Dr. Stephan Brand, Foto: S. Brand

Der Weg zur Klimaneutralität in Deutschland wird nicht nur steinig, sondern auch extrem teuer: Die Unternehmensberatung McKinsey kommt in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass dafür bis 2045 Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 6 Billionen Euro notwendig sein werden. Ein nicht unerheblicher Teil davon wird in den hiesigen Kommunen anfallen, beispielsweise im Rahmen der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude. Inwieweit ein grüner Kommunalkredit diesen Transformationsprozess in den Städten und Gemeinden voranbringen würde, untersucht der vorliegende Beitrag. Um das Konzept tatsächlich zur Marktreife bringen zu können, bedarf es nach Einschätzung der Autoren noch einiger zusätzlicher Anreize und geeigneter Rahmenbedingungen. Red.

Der Klimaschutz ist eine immense, gesamtstaatliche Aufgabe. Um "Klimaneutralität" bis 2045 zu erreichen, müssen in allen Wirtschaftssektoren erhebliche Treibhausgaseinsparungen erreicht werden. Für dieses Ziel müssen auch die Kommunen substanzielle Investitionen realisieren, beispielsweise für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude oder den klimagerechten Umbau vieler Netzinfrastrukturen.

Hohe Investitionsbedarfe treffen auf klamme Kassen

Ein schnelleres Vorankommen der Kommunen beim Klimaschutz wird bislang durch mehrere Faktoren erschwert: Einerseits gibt es bislang zu wenig eindeutige, politisch verbindliche Vorgaben für die kommunale Ebene, während andererseits nach wie vor eine große Unsicherheit darüber besteht, welche Investitionen nach Art und Höhe tatsächlich nötig sind und wie diese Volumina in den Kommunalhaushalten abgebildet werden können.

Gleichzeitig konkurriert der Klimaschutz bei den Investitionen mit den Bedarfen für die bestehende Infrastruktur. So liegt der wahrgenommene Investitionsrückstand der kommunalen Ebene laut KfW-Kommunalpanel 2021 bei 149 Milliarden Euro. Viele dieser Investitionsbedarfe - wie zum Beispiel die Sanierung von Schulen - haben nach wie vor eine (gefühlt) höhere politische Dringlichkeit. Dieses Dilemma wird durch die Corona-Krise noch verstärkt, da mögliche Haushaltsdefizite den Verteilungskampf innerhalb der kommunalen Investitionen verstärken dürften.

Die Fragen der politischen Prioritäten und der Lastenverteilung der notwendigen Investitionen müssen in erster Linie politisch gelöst werden. Allerdings sind auch fehlende Finanzmittel ein wesentliches Hemmnis für den kommunalen Klimaschutz. Damit stellt sich die Frage, ob der Finanzmarkt über die Bereitstellung zusätzlichen (privaten) Kapitals, insbesondere "grünen" Kapitals, den kommunalen Klimaschutz entscheidend voranbringen könnte.

Konservativer Finanzierungsmix

Zur Beantwortung dieser Frage muss zunächst der Finanzierungsmix der Kommunen genauer betrachtet werden. Im Jahr 2020 betrugen die kommunalen Sachinvestitionen rund 38,6 Milliarden Euro. Diese wurden vor allem aus Eigenmitteln, Zuweisungen und Fördermitteln finanziert, Kommunalkredite hatten nur einen Anteil von 8 bis 20 Prozent (siehe Abbildung 1). Schuldscheindarlehen und Anleihen liegen sogar bei deutlich unter 5 Prozent und werden fast ausschließlich von größeren Kommunen in Anspruch genommen. Zwar steigt der Anteil der Fremdfinanzierung mit der Größe der Kommunen und dem wachsenden Aufgabenumfang an, allerdings werden auch in großen Kommunen im Durchschnitt rund zwei Drittel der Investitionen aus Eigenmitteln, Zuweisungen und Fördermitteln finanziert.

Die Gründe für die Zurückhaltung der Kommunen bei der Nutzung von Kapitalmarktinstrumenten dürften in erster Linie im erhöhten Aufwand bei der Platzierung von Anleihen und Schuldscheindarlehen liegen. So müssen für die Emission umfangreiche Informationen bereitgestellt werden und mehrere Akteure wie unterschiedliche Investoren und Finanzintermediäre eingebunden werden.

Die damit einhergehenden Kosten haben zur Folge, dass Anleihen selten unter Volumen von 100 Millionen Euro emittiert werden. Bei Schuldscheindarlehen liegt dieser Schwellenwert mit 25 Millionen Euro zwar niedriger, aber selbst diese Größenordnungen wird von den meisten Kommunen weder in ihrer Gesamtverschuldung geschweige denn in ihrer Investitionstätigkeit erreicht.

Grüne Kapitalmarktaktivitäten halten sich in Grenzen

Die hohen Investitionsbedarfe für Klimaschutzmaßnahmen werden sich allerdings kaum aus den laufenden Haushalten und mit dem bestehenden Finanzierungsmix decken lassen. Offen ist daher, welche Alternativen für die Finanzierung des Klimaschutzes infrage kommen und inwiefern grüne Finanzierungsinstrumente zusätzliche Anreize und Handlungsspielräume für mehr Klimaschutz schaffen können.

Am Kapitalmarkt hat die Debatte rund um den Klimaschutz und die Rolle der Finanzwirtschaft bereits zu einem starken Bezug zur Nachhaltigkeit geführt, wobei innerhalb der verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit der "grüne" Umweltaspekt besonders hervortritt. Weltweit nutzen auch immer mehr Kommunen grüne Finanzierungsinstrumente.

Allerdings trifft die dynamische Entwicklung grüner Finanzierung im internationalen Raum noch nicht für deutsche Kommunen zu. Explizit grüne Finanzierungen gibt es hierzulande nur selten. Bislang haben allenfalls größere kommunale Unternehmen im Energie- und Verkehrssektor grüne Finanzierungsinstrumente genutzt, vor allem das Schuldscheindarlehen.

Abbildung 1: Finanzierungsmix kommunaler Investitionen 2020 (in Prozent) Quelle: KfW-Kommunalpanel 2021

Unter den kommunalen Kernverwaltungen sind die bekannten Beispiele München mit einem beabsichtigten Green und Social Bond in Höhe von 120 Millionen Euro sowie Hannover mit einem bereits begebenen grünen und sozialen Schuldschein in Höhe von 100 Millionen Euro. Eine zentrale Ursache für die geringe Verbreitung grüner Finanzierung im kommunalen Raum dürfte in den oben beschriebenen Größenproblemen bei Kapitalmarktinstrumenten liegen. Weil grüne Finanzierung bislang vor allem den Kapitalmarkt erfasst hat, sind deutsche Kommunen bei diesem Trend vielfach noch außen vor.

Potenziale und Hürden

Da der Kapitalbedarf bei den Kommunen für Klimaschutzinvestitionen jedoch vorhanden ist, ist die Überlegung naheliegend, dass das Problem der Größenordnung bei grünen Anleihen über einen grünen Kommunalkredit umgangen werden kann, denn für den Kredit als bevorzugtes Finanzierungsinstrument sprechen einige Gründe. Der Kommunalkredit ist in allen Größenklassen das bevorzugte Fremdfinanzierungsinstrument der Kommunen und wird regelmäßig auch für kleinere Finanzierungsbedarfe genutzt.

Ein signifikanter Anteil der kommunalen Investitionen wäre grün finanzierbar, ohne dass eine ernstzunehmende Gefahr des Greenwashings besteht, denn die klimaschützende Wirkung dürfte zumeist gegeben und nachweisbar sein. Gleichzeitig bietet ein grüner Kommunalkredit die Möglichkeit, die Kapitalmärkte zur Finanzierung des Klimaschutzes einzubeziehen.

Abbildung 2: Funktionsschema eines grünen Kommunalkredites Quelle: Brand/Steinbrecher (2021)b

Durch einen grünen Kredit könnten somit an grünen Investments interessierte Kapitalgeber über die Banken grüne Investitionen der Kommunen finanzieren. Im Gegenzug müsste wie bei grünen Anleihen bestätigt werden, dass diese Investitionen tatsächlich grüne Anforderungen erfüllen, also beispielsweise "taxonomiekonform" sind. Dies könnte zum Beispiel durch unabhängige Zertifizierer erfolgen (siehe Abbildung 2).

Höherer Aufwand ist bislang nicht wirtschaftlich

Ein grüner Kredit bietet Kommunen zudem einige Vorteile gegenüber Anleihen oder Schuldscheindarlehen. Weil keine Emissionskosten für das Instrument an sich anfallen, lassen sich Kredite auch in kleinen Volumina nutzen. Dadurch würde es beispielsweise möglich, projektbezogen zu finanzieren, was die Komplexität des Nachweises reduzieren dürfte. Darüber hinaus werden in einem Kredit Tilgungen abgebildet, sodass zum Laufzeitende das Investitionsobjekt "abbezahlt" sein kann, ohne dass dafür aufseiten der Kommunen Rücklagen gebildet werden müssen - die immer ein Risiko der Zweckentfremdung mit sich bringen - oder dass eine Anschlussfinanzierung der Schulden nötig wird.

Der Einsatz eines grünen Kommunalkredites wird gegenwärtig allerdings vor allem durch zwei Aspekte erschwert: das Haushaltsrecht und das notwendige Berichtswesen. So ist ein grüner Kommunalkredit nicht ohne Weiteres mit dem Gesamtdeckungsprinzip vereinbar, weil dem grünen Kredit in der Regel ein konkreter grüner Verwendungszweck gegenübergestellt wer den muss. Auch interkommunale Kooperationen in Form des Kreditpooling werden tendenziell erschwert, weil die starke Bindung grüner Kredite an Klimaschutzprojekte bei einer gebündelten Kreditnachfrage der Kommunen gewährleistet bleiben muss. Dies bringt einen erhöhten Abrechnungs- und Bilanzierungsaufwand mit sich.

Daneben erfordert der Einsatz grüner Finanzierungsinstrumente in jedem Fall ein belastbares Berichtswesen zum Nachweis beziehungsweise zur Bestätigung grüner Verwendungszwecke. Dafür bedarf es Berichtsstrukturen, die eine Bewertung zulassen, ob beziehungsweise in welchem Umfang die angestrebten ökologischen Ziele tatsächlich erfüllt werden. Für Kommunen bedeutet ein derartiges Nachhaltigkeits- beziehungsweise Wirkungsmonitoring zunächst einen er heb -lichen organisatorischen Aufwand, damit sich die benötigten Informationen von den ausführenden Fachabteilungen über die Kämmerei an die Kapitalgeber weitergeben lassen. Diesem zusätzlichen Aufwand stehen bislang jedoch nicht zwangsläufig niedrigere Kapitalkosten gegenüber. So betrug der Zinsvorteil der "grünen Variante" der ersten Zwillingsanleihe des Bundes im Jahr 2020 bei Ausgabe einen Basispunkt gegenüber der klassischen Anleihe.

Fraglich ist, ob solch eher geringe Vorteile ebenso für kommunale Kapitalnehmer zu realisieren wären und ob damit die administrativen Mehrkosten eines grünen Finanzierungsinstruments abgegolten werden können. Da Kommunen in der Auswahl ihrer Finanzierungsinstrumente auf die Wirtschaftlichkeit achten müssen, ergeben sich gegenwärtig kaum fiskalische Argumente für die Nutzung eines grünen Finanzierungsinstruments.

Faktor "Bankenregulatorik"

Für die Zukunft des grünen Kommunalkredits sind nicht nur die Kommunen auf der Nachfragerseite, sondern auch die Banken auf der Angebotsseite entscheidend, die eine wichtige Vermittlerrolle zum Kapitalmarkt spielen. Doch noch ist der grüne Kommunalkredit nicht im Angebot der bekannten Kommunalfinanzierer. Ein Grund ist in der Finanzmarktregulierung zu finden, denn in den eigenen Büchern rechnet sich der generell margenschwache Kommunalkredit kaum. Dies dürfte für den - auch für die Bank - aufwendigeren grünen Kredit erst recht gelten. Ein Anreiz für die Banken, grüne Kredite zu günstigeren Konditionen zu vergeben, könnte perspektivisch allerdings in einer "grünen" Regulierung solcher Produkte liegen.

Werden beispielsweise grüne Kredite entsprechend ihrer geringeren ESG-Risiken in den Risikoaktiva geringer gewichtet als vergleichbare nicht-grüne Kredite, sinken die Kapitalkosten der Banken, die diese (zumindest teilweise) an die Kreditnehmer weiterreichen oder stattdessen auch längere Laufzeiten und Zinsbindungen anbieten könnten.

Abbildung 3: Anteile der Kommunalkreditfinanzierung 2020 (in Prozent) Quelle: Brand/Steinbrecher (2021)b

Auf der Suche nach Vorreitern

Neben einer "klimafreundlichen" Regulierung wird es für die Etablierung des grünen Kredits weitere Vorreiter im Finanzsektor brauchen. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Einbindung des Kapitalmarktes für die Refinanzierung grüner Kredite als auch für die Logistik und Qualität des Wirkungsnachweises. Als Vorreiter scheinen dafür insbesondere die bereits heute stark in der Kommunalfinanzierung engagierten Banken geeignet.

Diese haben bereits Erfahrungen mit Green Finance und sind darüber hinaus von der Politik aufgerufen, ihr nachhaltiges Engagement auszuweiten. Gegenwärtig sind vor allem die öffentlich-rechtlichen Bankengruppen aus Sparkassen, Landes- und Förderbanken aktiv, die rund Dreiviertel der Kredite an die Kommunen ausreichen (siehe Abbildung 3).

Gerade die Erfahrungen der Landes- und Förderbanken bei der Abwicklung und dem Monitoring von Förderkrediten kann für die Etablierung grüner Kommunalkredite hilfreich sein, wenn das notwendige Berichtswesen auf den bisherigen Instrumenten aufgebaut und entsprechend weiterentwickelt werden kann. Die so etablierten Strukturen würden es dann anderen Kommunalfinanzierern erleichtern, sich in ein etabliertes System zu integrieren und ebenfalls eine aktivere Rolle in der grünen Finanzierung zu übernehmen. Dies kann letztendlich die Voraussetzung schaffen, die Kapitalmärkte zukünftig stärker an der Finanzierung des kommunalen Klimaschutzes in Deutschland zu beteiligen.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Green Finance soll privates Kapital für Klimaschutzinvestitionen bereitstellen. Bislang funktionieren diese Instrumente in der Kommunalfinanzierung noch nicht hinreichend gut. Ein grüner Kommunalkredit bietet für Kommunen zwar einige Vorteile gegenüber den etablierten grünen Anleihen, bis zur Erlangung der Marktreife bedarf es aber zusätzlicher Anreize und geeigneter Rahmenbedingungen.

Die Finanzierung folgt der Investition

Haupthindernis aus Sicht der Kommunen sind die Markteintrittshürden in Form von (noch) unattraktiven Konditionen zusammen mit dem organisatorischen Mehraufwand. Für die Banken liegen die Hemmnisse bis dato vor allem in unattraktiven Refinanzierungsmöglichkeiten und Eigenkapitalunterlegung. Dreh- und Angelpunkt für die Etablierung von Green Finance ist somit die Schaffung eines kostengünstigen und zugleich aussagekräftigen Wirkungsmonitorings in Kommunen und einer geeigneten Anreizstruktur in der Bankenregulierung.

Grüne Finanzierungsinstrumente allein werden den kommunalen Klimaschutz jedoch nicht entscheidend antreiben, denn die Finanzierung folgt den Investitionen und nicht umgekehrt. Um mehr Klimaschutz in den Kommunen zu realisieren, muss noch an anderen Stellschrauben gedreht werden, beispielsweise an den politisch verbindlichen Vorgaben für die kommunale Ebene. Ein grüner Kommunalkredit würde aber nachhaltiges Kapital auch in kleineren Volumen für Kommunen zugänglich machen, was die Aktivitätsschwellen für die notwendigen, umfangreichen Klimaschutzinvestitionen zumindest von der Finanzierungsseite her spürbar senken dürfte.

Die Autoren sind als Volkswirte bei der KfW Research zuständig für die Themenfelder Kommunen und Infrastruktur. Sie geben hier ihre eigene Meinung wieder und nicht notwendigerweise die der KfW.

Fußnoten

1) Für eine ausführliche Diskussion der Potenziale des grünen Kommunalkredites für den kommunalen Klimaschutz siehe Brand/Steinbrecher 2021b: Sustainable Finance in Kommunen: Kann der grüne Kommunalkredit das Eis brechen? KfW Research Fokus Volkswirtschaft Nr. 339 und die dort angegebenen Quellen.

2) Vgl. Raffer/Scheller (2021): KfW-Kommunalpanel 2021.

3) Vgl. zum Beispiel Difu (2020): Spielräume für Investitionen finanzschwacher Kommunen in Klimaschutzmaßnahmen - Vergleichende Analyse der haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern.

4) Vgl. Brand/Steinbrecher (2021)a: Kommunalfinanzierung in der Corona-Krise - Einschnitte, aber keine Zeitenwende, Wirtschaftsdienst 1/2021.

5) Erste Schritte in diese Richtung wurden beispielsweise durch die EU-Kommission bereits unternommen, die gegenwärtig Vorschläge für eine grünere Regulierung der Bank- und Versicherungswirtschaft ausarbeitet.

Dr. Stephan Brand , Senior Referent Volkswirtschaft (Kommunen und Infrastruktur) , KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main
Dr. Johannes Salzgeber , Senior Referent Volkswirtschaft - Kommunen und Infrastruktur, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X