Immobilienbewertung

Grundpfandrechte - internationaler Vergleich auf einen Blick

Abbildung 1: Bank/Verwertung Quelle: Runder Tisch Grundpfandrechte beim vdp

Für kreditgebende Banken stellt das Grundpfandrecht die bedeutendste Kreditsicherheit bei der Berechnung der Eigenkapitalbelastung dar. Eine besondere Rolle hat es für die deutschen Pfandbriefbanken, da es die Basis für die Begebung von Hypothekenpfandbriefen darstellt. Bei der internationalen Immobilienfinanzierung ist es folglich von größter Bedeutung, die Eignung von Grundpfandrechten in anderen Staaten zu kennen. Hierzu bietet der "Runde Tisch Grundpfandrechte" seit rund zehn Jahren wertvolle Informationen. Die Ergebnisse von rund 250 Schaubildern werden in einem Ländervergleich zusammengefasst. Der Autor weist darauf hin, dass sie ein nützliches Instrument für die erste Einschätzung darstellen, dem dann aber eine dezidierte Analyse zu folgen hat. Red.

Die wichtigste eigenkapitalentlastende Kreditsicherheit für Banken ist das Grundpfandrecht. Noch bedeutender sind Grundpfandrechte für Pfandbriefbanken, denn sie bilden die Grundlage der Hypothekenpfandbriefe. Seitdem für die damaligen Hypothekenbanken das Auslandsgeschäft zulässig wurde, hat der vdp die Eignung von Grundpfandrechten in anderen Ländern und die Besonderheiten, die dabei zu beachten sind, untersucht.

Als die Zahl der Länder, mit denen sich die Mitglieder des vdp befassen, stieg, entstand aber auch ein Bedarf dafür, die Informationen zu den Grundpfandrechten in verschiedenen Rechtsordnungen vergleichbar zu machen und direkt gegenüber stellen zu können. Dies ist mit der erforderlichen Qualität nur möglich, wenn Experten aus den jeweiligen Rechtsordnungen mitwirken und jeweils mit Kompetenz die Antworten für ihr Land geben.

Häufig wird versucht, vergleichbare Informationen in Umfragen zu ermitteln; dies scheitert regelmäßig, weil die Auskunftspersonen die Fragen vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rechtsordnungen und Traditionen ganz verschieden verstehen und trotz gleichen Wortlautes nicht auf das Gleiche antworten. Der vdp hat daher erstmals 2005 Experten aus zunächst zwölf Ländern eingeladen, im Austausch die Materien und Einzelfragen so zu definieren, dass für alle eine sinnvolle Antwort möglich ist und die Fragen identisch verstanden werden.

140 Schaubilder für 37 Rechtsordnungen

Seit den Anfängen des Runden Tisches vor rund zehn Jahren haben Experten aus 37 Rechtsordnungen in jährlich zwei Workshops knapp 140 Schaubilder mit jeweils einer Frage und für alle Rechtsordnungen einheitlichen standardisierten Antworten erarbeitet, mit denen sich die wichtigsten Merkmale der Immobiliensicherheiten vergleichend erfassen lassen.

Hinzu kommen fast 70 Schaubilder zu besonderen Fragen der grundstücksgleichen Rechte, bei denen jeweils noch das Verhältnis von Eigentümer und Inhaber des Rechtes (bei Baurechten) und zwischen den Miteigentümern (bei Wohnungseigentum) zu beachten ist.

Weitere Schaubilder zu den Besonderheiten der Verwendung von Zweckgesellschaften (SPVs) und dem Vollstreckungsschutz bei selbstgenutzten Eigenheimen sind in der Entwicklung, sodass der Runde Tisch bis heute insgesamt etwa 250 Übersichten erstellt hat und regelmäßig aktualisiert.

Die Zusammenführung aller Informationen aus den beteiligten Rechtsordnungen gibt einen Überblick zu jeweils einer bestimmten Frage. Die Informationen werden zu diesem Zweck weiter veredelt: In einem Bewertungssystem erhält jede Frage eine Punktzahl für ihre Bedeutung und jede Antwort für ihre Qualität. Die Addition zu einem Zahlenwert macht die Ausgestaltung verschiedener nationaler Grundpfandrechte vergleichbar. Das System ist leicht nachvollziehbar und überprüfbar.

Gewichtung aus vier Perspektiven

Je nach der Perspektive, die man zu einer bestimmten Fragestellung einnimmt, wird die Qualität einer Regelung verschieden beurteilt. So mag es aus Sicht einer Bank das Beste sein, die Vollstreckung so effizient und schnell wie möglich betreiben zu können; ein Verbraucher oder auch ein Eigentümer gewerblicher Immobilien wird es für wichtiger halten, vor einer allzu schnellen oder sogar ungerechtfertigten Vollstreckung geschützt zu sein und Rechtsmittel gegen den Verlust seines Eigentums zu haben.

Daher werden alle Fragen und Antworten nicht nur einmal, sondern aus vier Perspektiven gewichtet:

1. Vollstreckung des Grundpfandrechtes,

2. flexible Verwendung des Grundpfandrechtes,

3. Schutz des Eigentümers und

4. Sicht des Gesetzgebers.

In den Workshops des Runden Tisches Grundpfandrechte ist für jede Frage, jede Antwort und alle vier Perspektiven jeweils eine Punktzahl festgelegt worden. Ändert der Runde Tisch Grundpfandrechte eine Frage oder Antwort, werden anschließend auch diese Punktzahlen überprüft.

Dabei wird darauf geachtet, dass die Festlegung der Inhalte und ihre Bewertung getrennt vorgenommen werden. Ebenso wird darauf geachtet, dass die Festlegung der Gewichtung der Fragestellung und der Qualität der Antwort getrennt werden. Die Bedeutung einer Fragestellung wird in einer Punktzahl von 0 bis 5 ausgedrückt.

Wenn eine Frage 0 Punkte erhält, so ist sie vielleicht in der einen Perspektive ohne Auswirkung, kann jedoch aus einer anderen Perspektive höchst wichtig sein. Auch kann sie von hohem systematischem Interesse für das Gesamtverständnis sein, wirkt sich aber alleine nur gering aus.

Werden die Punktzahl der Bedeutung jeder Frage (von 0 bis 5) jeweils mit der Bewertung der Antwort (von 0 bis 10) multipliziert und die Werte eines Landes für alle Fragen addiert, so ergeben sich vier Werte, die eine Einschätzung der Qualität der rechtlichen Regelung für den beurteilten Typ des Grundpfandrechtes erlauben.

Dabei wird auch berücksichtigt, dass die Gewichtung der verschiedenen vom Runden Tisch behandelten Fragenkomplexe stabil ist. So werden die Schaubilder zu den eher grundsätzlichen Fragen des Rechtscharakters (5 Schaubilder) nur mit einem Prozent gewichtet, dagegen die Kapitel

- Publizitätserfordernisse (Grundbuch) mit 26 Schaubildern zu 25 Prozent,

- Vollstreckung mit 46 Charts zu 25 Prozent,

- Insolvenz (Stellung des Grundpfandrechtes in Insolvenzverfahren) mit 23 Charts zu 25 Prozent

- und die beiden Kapitel Akzessorietätswirkungen mit 21 Charts und Praktische Anwendungsmöglichkeiten mit 15 Charts, die beide die Frage der Flexibilität aus zwei Blickwinkeln (rechtliche Wirkung und praktische Anwendungsfälle) betrachten, jeweils mit 12 Prozent, insgesamt also 24 Prozent.

Perspektive Bank/Verwertung

Diese Aufteilung wurde erst jüngst bei der Weiterentwicklung des Systems im November 2015 eingeführt und festgelegt. Was sind nun die Ergebnisse für die einzelnen Länder?

Diese Perspektive zeigt, was eine Bankaufsicht, die die Solidität der Bank beurteilt oder auch das Risikomanagement am wichtigsten finden mag.

Wie trägt die jeweilige rechtliche Lösung dazu bei, dass der Inhaber eines Grundpfandrechtes sein Recht durch Verwertung der Grundstücksicherheit schnell realisieren kann und den Erlös entsprechend seinem Rang erhält (Abbildung 1)?

Vorangestellt ist - wie auch bei allen folgenden Übersichten - ein Maximalwert, die Summe aller zu vergebenden Punkte. Faktisch ist er nicht erreichbar, denn dazu müssten zum Teil widersprüchliche Antworten gegeben werden. Zudem berücksichtigt jedes Rechtssystem ja auch andere Interessen, wie sie in den folgenden Schaubildern erfasst werden. Die Rechtsordnungen sind in alphabetischer Reihenfolge, getrennt nach EU-Mitgliedern und anderen Staaten, aufgeführt. Der Durchschnitt der erzielten Punktzahlen ist mit einer roten Linie markiert und ermöglicht so eine Einschätzung. Eine grüne Linie zeigt den Durchschnitt der EU-Mitgliedsstaaten, die natürlich für Überlegungen zu Regelungen auf EU-Ebene von besonderem Interesse sind. Denn die einzigen EU-Mitgliedsstaaten, die beim Runden Tisch Grundpfandrechte bisher noch nicht vertreten sind, sind Bulgarien, Malta und Zypern.

Der Vergleich macht deutlich, dass die deutschen Regelungen eine effektive Vollstreckung ermöglichen. Nur das norwegische Rechtssystem erreicht höhere Punktzahlen, die aber mit einer starken Konzentration der Rechtsbehelfe erkauft sind. Andere skandinavische Länder wie Dänemark und Schweden befinden sich ebenfalls in der vorderen Gruppe, ebenso Schottland, England und die Schweiz.

Deutsche Regelungen erlauben effektive Vollstreckung

Bosnien-Herzegowina hat in der letzten Zeit viele rechtliche Lösungen gewählt, die den deutschen recht ähnlich sind und erreicht nun ebenfalls eine sehr hohe Punktzahl; das ist für die Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit (IRZ-Stiftung), die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz die Rechtsentwicklung dort kontinuierlich unterstützt, natürlich von hohem Interesse, zeigt es doch auch den Erfolg dieser internationalen rechtlichen Zusammenarbeit.

Am anderen Ende des Spektrums liegen der US-Bundesstaat Illinois, Polen, Frankreich und Belgien. In all diesen Ländern beachten vor allem insolvenzrechtliche Regelungen die Interessen des Grundpfandrechtsgläubigers nicht wie anderswo und erlauben zeitliche Verzögerungen bei dessen Befriedigung. Irland hat in der Folge der Finanzkrise neue umfassende Regelungen eingeführt, um Zwangsvollstreckungen zu vermeiden und ist auch in dieser Gruppe zu finden.

Die Perspektive Bank/Vollstreckung ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil diese Ergebnisse für das LGD-Grading (Ermittlung des loss given default für ausländische Grundpfandrechte für den fortgeschrittenen Ansatz) der vdp Expertise GmbH herangezogen werden. Gemeinsam mit einigen anderen Faktoren bestimmen sie also, in welchem Umfang Banken, die am LGDF-Grading teilnehmen, Eigenkapital für Finanzierungen, die mit Grundpfandrechten in diesen Ländern gesichert sind, einsetzen müssen.

Perspektive "Eigentümer"

Eine fast entgegengesetzte Sichtweise zeigt die Perspektive "Eigentümer". Der Eigentümer ist nicht daran interessiert, dass schnell verwertet wird. Er muss wollen, dass seine Rechte stets gewahrt bleiben und das Vollstreckungs- und das Insolvenzverfahren ihm die Möglichkeit bieten, sie wahrzunehmen. Muss diese Perspektive nicht entgegengesetzte Ergebnisse zeigen?

Die aggregierte Perspektive zeigt etwas anderes. Das deutsche Rechtssystem liegt auch bei der Berücksichtigung der Interessen des Eigentümers des mit einer Grundschuld belasteten Grundstückes neben Estland am obersten Ende des Spektrums. Wie kann es zu diesem Ergebnis kommen? Zum einen berücksichtigt der Runde Tisch Grundpfandrechte stets nur die Wahrnehmung berechtigter Interessen, auch bei der Sicht des Eigentümers also die Durchsetzbarkeit seiner Rechtsposition, nicht aber Möglichkeiten der Obstruktion. Außerdem fließen, wie oben dargestellt, auch die Interessen des Eigentümers an der Sicherheit des Grundbuches, sowie den Möglichkeiten, die ihm die flexible Verwendung des Grundpfandrechtes gibt und so weiter ein (Abbildung 2).

Vor allem aber zeigt sich, dass das Zwangsversteigerungsgesetz und die Insolvenzordnung in Deutschland einen gelungenen Interessenausgleich formulieren und meist angemessene Lösungen, die allen Seiten eine gewisse Vorhersehbarkeit bieten, liefern. In einigen anderen Rechtsordnungen bleiben Fragen, bei denen eben nur schwer vorhersehbar ist, ob die Interessen beider Seiten gewahrt werden. Das kann aus keiner Perspektive zu guten Punktzahlen führen. Dies gilt zum Beispiel für die in Irland neu gefundenen Lösungen; weitere Erfahrungen damit mögen später zu Verbesserungen führen. Aber auch in Belgien zeigt die Beurteilung, dass die weitgehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Gerichte dem Eigentümer nicht zwingend zugutekommen müssen.

Interessant ist auch, dass sich bei der Eigentümersicht der Durchschnitt der EU-Länder von dem aller beteiligten Rechtsordnungen stärker abhebt als bei den anderen Perspektiven. Vielleicht zeigt sich hier doch eine insgesamt etwas höhere Regelungsqualität.

Perspektive Bank/ Verwendbarkeit

Hier geht es darum, wieweit die jeweiligen Lösungen es ermöglichen, ein Grundpfandrecht flexibel für verschiedene Forderungen einzusetzen. Das kann für die Bank wie für den Eigentümer erhebliche Kosten und auch Zeit sparen und ermöglicht die Entwicklung neuer Finanzierungskonzepte. Dies ist auch für den Eigentümer, von dessen Zustimmung die flexible Verwendung meist abhängig ist, von großer Bedeutung. Diese Perspektive erfasst indessen exklusiv die Bedeutung der Flexibilität aus Sicht des Kreditgebers (Abbildung 3).

Das Schaubild macht deutlich, dass die "nicht akzessorischen" Grundpfandrechte, die die Trennung von Darlehensforderung und Grundpfandrecht vorsehen und diese beiden Rechtsbeziehungen über eine veränderbare Sicherungsvereinbarung von Bank und Eigentümer verknüpfen, entscheidende Vorteile bieten. Noch vor Deutschland liegen Estland und Bosnien-Herzegowina, die beide das deutsche Konzept der Grundschuld übernommen haben. Ebenso befinden sich der Schweizer Schuldbrief vorne wie auch das bei gewerblichen Finanzierungen eingesetzte Grundpfandrecht Norwegens und der dänische ejerpantebrev, die alle eine vertraglich veränderbare Akzessorietät kennen.

Perspektive "Gesetzgeber"

Der Gesetzgeber darf die Interessen keiner der beteiligten Parteien bevorzugen. Zusätzlich muss er berücksichtigen, dass auch nachrangig gesicherte und ungesicherte Gläubiger ein Interesse an der Befriedigung aus dem Grundstück haben können, das angemessen geschützt werden muss. Die Interessen der Bank und des Eigentümers fließen daher zusammen mit den Interessen dieser dritten Parteien in die Perspektive "Gesetzgeber" ein, die bewertet, ob die rechtliche Lösung einen angemessenen Interessenausgleich bietet (Abbildung 4).

Hier zeigt sich, dass der deutsche Gesetzgeber seit langem auf diesen Interessenausgleich besonderen Wert legt und auch die Dritten nicht vergisst. Zudem bietet die Dichte der gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung eine hohe Sicherheit. England, Schottland, Schweden, Norwegen und die Schweiz haben ähnliche Punktzahlen.

Wem vier Zahlen für eine Rechtsordnung immer noch zu viel sind, der mag das Säulendiagramm mit der Gesamtaddition aller Punkte der anderen vier Charts bevorzugen. Hier ist für jede Rechtsordnung ein Gesamtwert abgetragen. Die Grundschuld des deutschen Rechtskreises liegt hier an der Spitze. Sie bietet eben in vielen Aspekten Vorteile (Abbildung 5).

Gesamtaddition

Die Schaubilder fassen die umfangreichen Ergebnisse des Runden Tisches Grundpfandrechte in klaren Übersichten zusammen und bieten schnelle verständliche Ergebnisse. Für die Quantifizierung juristischer Sachverhalte gibt es nur wenige andere Systeme, die ein ähnliches Niveau der inhaltlichen Durchdringung ebenso wie der einfachen zusammenfassenden Darstellung erreichen.

Daher finden die Säulendiagramme des Runden Tisches bei Diskussionen auch stets besondere Beachtung. Sie stehen den Experten des Runden Tisches Grundpfandrechte zur Verfügung, die sie in der Wissenschaft und in ihren Heimatländern verwenden. Auch für das internationale Geschäft von Kreditinstituten sind sie ein nützliches Instrument für eine erste Einschätzung, der dann aber natürlich eine dezidierte Analyse folgen muss.

Der Autor

Andreas Luckow Senior Manager Immobilienfinanzierung Ausland, Verband deutscher Pfandbriefbanken e.V., Berlin

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