MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

GRUNDSTEUERREFORM: EFFIZIENTE WERTERMITTLUNG VON GRUNDSTÜCKEN MITHILFE HEDONISCHER MODELLE

Dr. Stefan Fahrländer, Foto: FPRE

Der Bundesgesetzgeber verabschiedete im Herbst 2019 ein neues Grundsteuerrecht. Bundesweit müssen deshalb rund 35 Millionen Grundstücke aller Art neu bewertet werden. Derzeit werden unterschiedlichste Reformmodelle diskutiert, die sich in der Regel am Vergleichs-, Sach- oder Ertragswertverfahren orientieren oder Elemente dieser drei Verfahren kombinieren. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass eine wertbasierte Bemessungsgrundlage in hinreichendem Maße mit den Marktwerten in Einklang stehen muss. Aus Sicht des Autors ist dies mit hedonischen Bewertungsmodellen und aus analytisch-statistischer Sicht problemlos möglich. Red.

Im April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2019, um die Bewertung des Grundvermögens neu zu regeln. Daraufhin verabschiedete der Bundesgesetzgeber im Herbst 2019 ein neues Grundsteuerrecht. Danach fließen der Bodenwert, eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete, die Grundstücksfläche, die Immobilienart sowie das Baualter in die Berechnung ein. Die Bundesländer müssen eine administrative Umsetzung innerhalb von fünf Jahren sicherstellen. Alternativ können sie das Bundesrecht durch landeseigene Regelungen ersetzen.

Hohe Kosten für den Steuerzahler

Bundesweit müssen aufgrund der Reform rund 35 Millionen Grundstücke aller Art neu bewertet werden, wobei dies objektiv, konsistent, nachvollziehbar und gerecht im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes erfolgen muss. Gleichzeitig muss der Verwaltungsaufwand vertretbar bleiben. Derzeit werden Grundstückswerte von 1935 (Ostdeutschland) und 1964 (Westdeutschland) für die Berechnung herangezogen. Dabei wird zunächst der Wert eines Gebäudes oder Grundstücks ermittelt. Der Grundsteuerwert wird dann mit der Steuermesszahl und schließlich mit dem von den Kommunen festgelegten Hebesatz multipliziert.

Bundesweit lagen die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuererhebung zuletzt bei rund 14 Milliarden Euro pro Jahr. Vor diesem Hintergrund befürchten viele Bundesländer, dass das Bundesmodell einen hohen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen könnte, der den Steuerzahler belastet und die Bürokratie aufbläht. So rechnet offenbar allein Bayern mit 2 500 zusätzlichen Finanzbeamten, um das Volumen zu bewältigen.

Baden-Württemberg hat im Juli 2020 als erstes Bundesland ein eigenes Modell auf den Weg gebracht, das Anfang November im Stuttgarter Landtag mit den Stimmen der grün-schwarzen Regierungsmehrheit verabschiedet wurde. Dieses sogenannte modifizierte Bodenwertmodell basiert im Wesentlichen auf den drei Kriterien Grundstücksfläche, Bodenrichtwert und Art der Nutzung, wobei Wohnzwecke begünstigt werden. Allein im Südwesten müssten ab 2025 rund 5,6 Millionen Grundstücke neu bewertet werden.

Anzahl der "Abweichler" steigt

Im Juni 2020 legte das Bundesland Niedersachsen einen Gesetzentwurf vor, nach dem die Grundsteuer künftig fast nur noch von der Fläche der Immobilien abhängt. Zwar soll auch die Lage des Grundstücks eine Rolle spielen. Doch dieser Faktor hat in der Gesamtrechnung einen sehr geringen Anteil. In Niedersachsen gibt es rund 3,5 Millionen Grundstücke. Weiter hat Hamburg Eckpunkte für eine reformierte Grundsteuer vorgelegt, die ein Flächen-Lage-Modell vorsehen. Bei der Berechnung werden zunächst Grundstücksflächen mit 0,02 Euro pro Quadratmeter und Gebäudeflächen mit 0,40 Euro pro Quadratmeter multipliziert. Gebäudeflächen, die zu Wohnzwecken genutzt werden, erhalten eine Ermäßigung von 50 Prozent. Zudem wird zwischen normalen und guten Wohnlagen unterschieden: Erstere werden um weitere 25 Prozent begünstigt.

Es werden also unterschiedlichste Reformmodelle diskutiert, die das Bundesrecht ersetzen. In der politischen und öffentlichen Diskussion haben das Verkehrswertmodell, das Kostenwertmodell, die Bodenwertsteuer sowie das wertunabhängige, flächenbezogene Äquivalenzmodell bislang die größte Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere bei den wertbasierten Modellen gibt es ergänzende und alternative Vorschläge, um die Bestimmung der Bemessungsgrundlage durch Pauschalisierungen zu vereinfachen.

In der Regel orientieren sich diese Vorschläge am Vergleichs-, Sach- oder Ertragswertverfahren oder kombinieren Elemente dieser drei Verfahren. Ziel aller Verfahren ist eine Annäherung an den Verkehrswert. So kompliziert wie notwendig, so einfach wie möglich, lautet ein oft postulierter Grundsatz. So auch bei der Wertermittlung von Immobilien und Grundstücken oder bei den Feststellungsverfahren der Finanzämter zur Bestimmung des Einheitswerts.

Eine zusätzliche Dimension

Mit welcher Methode auch immer die Länder die Einheitswerte bestimmen, es geht um die Anzahl der berücksichtigten Dimensionen der betrachteten Grundstücke und Immobilien. Offenbar verlangt der Bundesgesetzgeber nun eine Dimension mehr. Die heute gebräuchlichen und auf Vergleichswerten basierenden Tabellen unterscheiden für Bodenwerte für einen Stichtag neben der zentralen Eigenschaft Lage die Nutzungsart, die Geschossflächenzahl, den Erschließungszustand sowie den Entwicklungszustand. Darüber hinaus bestehen weitere Korrekturfaktoren für zusätzliche Eigenschaften, wie etwa die Grundstücksform und damit für die Bebaubarkeit und die damit einhergehende Qualität der Nutzbarkeit. Vergleichswerttabellen, beispielsweise für Wohnungen, sind ähnlich aufgebaut und berücksichtigen zusätzlich Eigenschaften des Gebäudes, wie etwa die die Baujahrgruppe. Die skizzierte Fragestellung basiert an sich auf der hedonischen Theorie.1) Denn hier wie dort geht es um den Nutzen für den Benutzer der Immobilie, welcher sich wiederum im Ertrag beziehungsweise im Preis niederschlägt. Nun verfügt bereits ein unbebautes Grundstück über eine Vielzahl von Eigenschaften, die zu berücksichtigen sind. Ist das Grundstück bebaut, steigt die Zahl der zu berücksichtigenden Eigenschaften nochmals stark an.

Ein Modell ist immer eine Vereinfachung der Realität, wie eine Märklin-Lokomotive oder auch ein Architekturmodell schön zeigen. Es gilt also, diejenigen Eigenschaften herauszuschälen, die effektiv zentral sind und die Variabilität der Preise zu einem Großteil beschreiben. Bei unbebauten Grundstücken sind dies rund acht Eigenschaften. Preise von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen können mit rund zwölf berücksichtigten Eigenschaften bereits sehr gut erklärt werden. Für komplexere Gewerbeimmobilien sind einige weitere Informationen notwendig.

67 Indikatoren je Grundstück

Zu den wertbestimmenden Eigenschaften zählt zunächst die Makrolage. Diese wird etwa durch die regionale Zugehörigkeit, die jeweilige Attraktivität der Gemeinde oder die Erreichbarkeit in der Nähe liegender Wirtschaftszentren bestimmt. In der Umsetzung ist eine Adresse beziehungsweise geografische Verortung notwendig. Des Weiteren nimmt die Mikrolage Einfluss auf den Immobilienwert. Diese lässt sich etwa über die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, die Aussicht und Sichtachsen, die Besonnung oder die Immissionen bewerten.

Mithilfe der Adresse beziehungsweise der geografischen Koordinate können einem beliebigen Grundstück in Deutschland gegenwärtig 67 kleinräumige Indikatoren maschinell zugeordnet und zur Bewertung genutzt werden. Dazu könnten auch ausschließlich öffentliche Daten verwendet werden, wie beispielsweise Lärmkarten. Die Indikatoren werden zu den Teilratings Besonnung, Aussicht, Image des Quartiers, Dienstleistungen, Freizeit/Erholung, öffentlicher Verkehr, Straßenanbindung sowie Lärmbelastung verdichtet und diese wiederum zu einem Gesamtrating der Mikrolage mit der Skala 1,0 (ungeeignete Lage) bis 5,0 (beste Lage).

Dabei werden für unterschiedliche Hauptnutzungen wie beispielsweise Wohnen oder Büro unterschiedliche Gewichte der Teilratings verwendet. Diese sind zudem im Raum unterschiedlich, denn an peripheren Lagen ist beispielsweise die Nähe zur nächsten Haltestelle des öffentlichen Verkehrs weniger wichtig als in den Städten. Weiter zu berücksichtigen sind quantitative Informationen des zu bewertenden Objektes wie Grundrisse, das Raumvolumen, die Nutzfläche oder die Anzahl der Zimmer sowie qualitative Informationen wie das Baujahr, der allgemeine Zustand der Immobilie oder ihr Ausbaustandard.

Objektivierung der Qualität

Die genannten Messgrößen stellen, zumindest hinsichtlich ihrer Erfassung, keine größere Herausforderung dar. Schwieriger ist die korrekte Einschätzung der Qualitäten. Denn diese basieren zum Teil auf subjektiven Beurteilungen. Hier lässt sich über geeignete Noten- und schlüssige Herleitungssysteme eine objektivierte, vom Erfasser unabhängige Einschätzung ermitteln.

Für steuerliche Zwecke werden diese teilweise nicht berücksichtigt und entsprechend kann auch ein reduziertes Modell verwendet werden. Damit richtet sich das Modell einerseits nach der immobilienwirtschaftlichen Logik, andererseits aber auch nach der Verfügbarkeit von Daten sowie nach dem Bewertungszweck. Für die Berechnung des Wertmodells wird nun ein Datensatz mit Transaktionen benötigt, wobei neben dem Transaktionspreis und dem Transaktionsdatum die oben genannten Daten aufbereitet werden. Der Rest ist analytisch-statistisches Handwerk.

Heute oft gehörte Schlagworte zur Berechnung hedonischer Modelle sind Artificial Intelligence und Machine Learning, wobei es sich dabei um Modellklassen handelt, also eine Vielzahl von möglichen Verfahren. Letztlich sollten solche voll automatisierten Methoden aber nur zu explorativen Zwecken dienen und dazu, den maximal möglichen Erklärungsgehalt der verwendeten Eigenschaften zu benchmarken.

Die Methoden haben nämlich den Nachteil, dass sie nicht immer erklärbare und immobilienwirtschaftlich logische Muster erkennen und zudem im Zeitverlauf oftmals sprunghafte Ergebnisse zeitigen können. Es empfiehlt sich daher, die Machine Learner zum Erkenntnisgewinn einzusetzen und auf dieser Basis voll parametrisierte Modelle zu verwenden. Dabei werden typischerweise robuste multiple lineare Regressionsmodelle verwendet. Das Resultat ist eine komplexe mathematische Gleichung, die interpretierbar ist und aus welcher der Werteinfluss der einzelnen Eigenschaften der Immobilien und Grundstücke herausgelesen werden kann. Muss nun ein Grundstück oder eine Immobilie bewertet werden, werden die spezifischen Eigenschaften in die Gleichung eingesetzt und damit der Schätzwert berechnet.

Liegen Datenbanken mit den Eigenschaften der zu bewertenden Grundstücke und Immobilien vor, können diese maschinell und in Serie automatisch bewertet werden, indem Grundstück um Grundstück beziehungsweise Immobilie um Immobilie durch den Algorithmus gelassen und das Ergebnis in die Datenbank zurückgeschrieben wird. Dabei liegt die Berechnungsdauer für ein Grundstück beziehungsweise eine Immobilie im Bereich von hundert Millisekunden. Zwanzig parallel laufende Bewertungsserver könnten demnach die Bewertung der rund 35 Millionen Grundstücke an einem Wochenende bewältigen.

Auf Bewährtes stützen

Es ist deshalb erstaunlich, dass bei allen Diskussionen um den administrativen Aufwand bei der Grundsteuererhebung die Möglichkeiten moderner statistisch-wissenschaftlicher Modelle und deren digitale Integration bisher keine wesentliche Rolle spielen. Dabei sind bereits heute entsprechende Applikationen im Einsatz, die praktisch den gesamten Immobilienstand der Bundesrepublik bewerten könnten. Wer 35 Millionen Grundstücke und Immobilien neu einschätzen will, sollte sich auf bewährte Technologien und insbesondere digitale Instrumente stützen. Ansonsten ufern die Kosten aus.

Ob nun mit Länderlösungen gearbeitet wird oder mit dem Ansatz des Bundes: Bereits bestehende objektivierte Daten zur Beurteilung von Mikrolagen stehen in hoher Auflösung bereit. Weiter können die je nach Ansatz verwendeten Miet- und Bodenwerte et cetera mithilfe hedonischer Modelle zur Verfügung gestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass eine wertbasierte Bemessungsgrundlage in hinreichendem Maße mit den Marktwerten in Einklang stehen muss. Dies ist aus analytisch-statistischer Sicht sowie aus Erfahrung problemlos möglich. Ebenso wie eine maschinell gestützte periodische Fortschreibung der Werte.

Fußnote

1) "Hedonisch" - das korrekte Adjektiv wäre "hedonistisch" - bezieht sich auf den Begriff Hedonismus, also das Streben nach Sinnenlust und Genuss oder eben: Nutzen.

DER AUTOR DR. STEFAN FAHRLÄNDER CEO, Fahrländer Partner Raumentwicklung, Zürich
Dr. Stefan Fahrländer , CEO, Fahrländer Partner Raumentwicklung, Zürich
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