ASSETKLASSEN

HANDEL MIT BEWEGLICHEM ZIEL

John Amram, Foto: HPBA

Unzählige Marktreports und Fachartikel beginnen mit Pauschalaussagen wie: "Selten war der Nachfrageüberhang auf dem deutschen Immobilien-Investmentmarkt größer, was Verkäufe zurzeit stark begünstigt." Die Aussage ist - auf reine Zahlen bezogen - soweit richtig. Auf den meisten Wohn- und Büroimmobilienmärkten herrscht ein eklatanter Angebotsmangel. Problematisch wird es jedoch, wenn ein solches Argument aus dem größeren Kontext herausgelöst und standortübergreifend als alleiniger Gradmesser (beziehungsweise als Universal-Argument für hohe Verkaufspreise) herangezogen wird. Denn die Märkte sind komplexer als je zuvor, ein derart pauschalisiertes Ursache-Wirkungs-Schema greift schlichtweg nicht. Stattdessen ziehen kurzfristige politische oder ökonomische Vorzeichenwechsel eine Vielzahl an möglichen Reaktionen nach sich. Das bedeutet gleichzeitig, dass klassische Käufer- und Verkäuferprofile heutzutage nicht mehr in Reinform existieren - wir erleben, dass sich der Immobilienmarkt so stark wie selten zuvor individualisiert und dynamisiert. Für einen Immobilienverkauf wird der ideale Handelspartner daher immer stärker zum "constantly moving target", also zum beweglichen Ziel.

Berlin: Paradebeispiel für externe Einflüsse

Besonders die Politik hat als externer Einflussfaktor auf den Immobilien-Investmentmarkt in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Nirgends zeigt sich dies so stark wie bei Wohnimmobilien in der Bundeshauptstadt. Vor allem, nachdem der Gesetzesentwurf für einen Mietendeckel vorliegt, wächst die Verunsicherung zahlreicher Akteure. Ein wichtiger ortsunabhängiger Faktor ist zudem, dass es kurzfristig nur noch eingeschränkt möglich sein könnte, eine Transaktion als Share Deal durchzuführen. Und immerhin liegt der Anteil an Share Deals gemäß einer von HPBA in Kooperation mit Bulwiengesa durchgeführten Studie bei etwa einem Drittel aller Transaktionen. Diese politischen Realitäten sorgen dafür, dass sich einige Bestandshalter dafür entscheiden, zeitnah den Exit zu vollziehen. Zahlreiche andere Investoren haben eine Kaufpause eingelegt und würden vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen erst bei Preisabschlägen von mehr als 20 Prozent wieder aktiv werden. Dennoch wird das Produkt Wohnimmobilie auch weiterhin Abnehmer finden: Konservativ agierende Investoren, die defensive Anlageprodukte mit langfristiger Haltedauer und einem regelmäßigen Cashflow suchen, werden die gegenwärtigen Unwägbarkeiten einfach "aus sitzen". Das weiterhin niedrige Zinsniveau bei gleichzeitig hohem Anlagedruck ist ein Faktor, der Investments auch in der Hauptstadt nach wie vor begünstigt. Zudem werden unverändert Aufteilungsobjekte gekauft.

Diejenigen Akteure, die sich für einen (vollständigen oder partiellen) Exit und ein Re-Investment entscheiden, können wiederum unterschiedlich reagieren, beispielsweise mit einer Ausweichbewegung in andere Städte und Regionen. Oder aber sie bleiben dem Standort Berlin treu und fokussieren sich statt auf Wohnungen auf weniger regulierte Gewerbeimmobilien. Dieses Phänomen einer steigenden politischen und wirtschaftlichen Vielschichtigkeit findet sich bei Weitem nicht nur in Berlin beziehungsweise bei einer einzelnen Assetklasse. Generell sorgen zunehmende weltwirtschaftliche Unsicherheitsfaktoren, geopolitische Risiken und ein in Deutschland drohender Wirtschaftsabschwung dafür, dass sich immer mehr Marktakteure immer schneller in die verschiedensten Richtungen umorientieren. Aber auch die brancheninternen Prozesse beschleunigen sich seit Jahren immer stärker und Unternehmen passen ihr Geschäftsmodell an die aktuell angespannte Marktsituation an. Strategische Neuausrichtungen stehen daher genauso an der Tagesordnung wie beispielsweise mögliche Führungswechsel innerhalb der Unternehmen. Für Außenstehende sind diese Veränderungen der Investmentstrategie der einzelnen Marktteilnehmer nicht immer sofort ersichtlich.

Neuausrichtungen mit Folgen

Bei Verkäufen hat dies tiefgreifende Folgen. Zwar gibt es nach wie vor zahlreiche Faktoren, die zugunsten des Verkäufers ausfallen und einen Exit zu guten Konditionen ermöglichen. Innerhalb einer üblichen Transaktionsdauer von zwei bis drei Monaten gehört es jedoch inzwischen zur Regel, dass der vielversprechendste Abschlusspartner ein- oder sogar mehrmals wechselt. Gleichzeitig wäre es gefährlich, sich ungeprüft auf die "üblichen Verdächtigen" zu verlassen, nur weil ein Objekt oder ein Portfolio auf deren früheres Ankaufsprofil passt. Das heißt natürlich auch: Nur weil ein Marktteilnehmer heute interessiert ist, heißt das nicht, dass dies auch nächste Woche noch der Fall ist.

Vor diesem Hintergrund muss auch der Verkäufer bereit sein, undogmatisch vorzugehen und sich bei Bedarf schnell neu zu orientieren. Mit anderen Worten: Er muss handeln, als hätte er es mit einem beweglichen Ziel zu tun, flexibel aber dennoch fokussiert verhandeln und die Transaktion bei einer Übereinkunft schnell in trockene Tücher bringen. Damit ändern sich die Parameter dafür, wer überhaupt als idealer Handelspartner infrage kommt. Bei einer so komplexen Ausgangslage spielt keineswegs nur der reine Kaufpreis eine Rolle. Genauso wichtig ist es für den Verkäufer, einen hochqualifizierten Investor zu wählen beziehungsweise vermitteln zu lassen, mit dem die Transaktion schnell und vor allem mit einer hohen Abwicklungssicherheit durchgeführt werden kann. Wer hingegen zu wenig Flexibilität an den Tag legt, könnte womöglich einen strategisch günstigen Exit-Zeitpunkt verpassen. Hinzu kommt die Gefahr, dass bei einem öffentlich gewordenen und - aus welchem Grund auch immer - gescheiterten Transaktionsvorhaben das Objekt auf dem Markt "verbrennen" kann, weil es in der Wahrnehmung Dritter nicht den gewünschten Preis erzielen konnte.

DER AUTOR JOHN AMRAM, Gründer und Geschäftsführer, HPBA GmbH, Berlin
John Amram , Gründer und Geschäftsführer, HPBA GmbH, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X