PERSPEKTIVEN 2021

HUMAN RESOURCES - DAS JAHR DER HERAUSFORDERUNGEN

Kathrin von Hardenberg, Foto: ndigo

Wettkampf um die besten Köpfe, Insolvenzwelle, gewandeltes Führungsverständnis - die Immobilienbranche wird im Jahr 2021 nach Einschätzung der Autorin viele offene Baustellen im Blick behalten müssen. Für clevere Unternehmen könnten sich aus dieser Gemengelage gleichwohl interessante Opportunitäten eröffnen. Mit Blick auf die Kandidaten sieht sie insbesondere diejenigen im Vorteil, die sich bereits in der letzten Krise 2008/2009 ihre Sporen verdient haben. Zunehmend gefragt seien darüber hinaus Spezialisten im Bereich ESG sowie last, but not least ein neuer Managementtypus: die "resiliente Führungspersönlichkeit". Red.

Trotz Pandemie verzeichnete der deutsche Immobilienmarkt gegen Jahresende 2020 noch einige Transaktionen. In der Poleposition standen dabei Logistikinvestments, befeuert durch die Pandemie. Ebenfalls viel Arbeit gab es im Dezember für die Asset Manager der Bestandshalter, die mit den Lockdown-Auswirkungen arbeiten mussten - insbesondere für diejenigen, die Hotels und Retail-Immobilien im Bestand haben.

Immobilienbranche erholt sich vergleichsweise schnell

Als Personalberater lassen sich die Entwicklungen der Immobilienbranche direkt an Faktoren wie Auftragsentwicklung und Suchprofilen ablesen und mitverfolgen. Welche Kompetenzen gerade gefragt sind, welche Senioritätslevel, wie viele Suchen gleichzeitig laufen - diese Faktoren geben Einblick in die Verfassung der Branche.

Alles in allem blicken wir Personalberater durchaus positiv auf das Jahr 2020 zurück. Natürlich hatten wir Einbrüche im Frühjahr zu verzeichnen, aber die Mandate wurden recht bald wieder fortgesetzt, und neue Suchen kamen zügig im April und Mai auf den Tisch. Die Immobilienbranche mit ihren vielen mittelständisch aufgestellten und eigentümergeführten Unternehmen war offensichtlich schneller wieder handlungsfähig als andere Branchen. Während sich die großen Player im Markt erst einmal sortieren mussten, suchten die kleinen und mittelgroßen Firmen schnell nach neuen Chancen auf dem Personalmarkt.

Über Jahre hatten gerade sie im "War for Talent" gekämpft und oft genug das Nachsehen gehabt. Jetzt wurden gezielt Schlüsselpositionen neu besetzt. Topprofile sind in der Folge im Markt sogar noch knapper geworden, was im Wesentlichen zwei Gründe hat: Einerseits suchen die Unternehmen weiterhin Verstärkung, während die Arbeitslosenquote in der Branche bislang nicht signifikant gestiegen ist.

Anderseits ist die Wechselbereitschaft von Fach- und Führungskräften in der Krise gesunken. Viele Kandidaten tauschen ihre mehrere Jahre währende Betriebszugehörigkeit nicht gegen eine Probezeit ein, die in Zeiten von Corona noch unsicherer scheint als unter normalen Umständen. So ist es aktuell schwierig, das Bedürfnis an "Sicherheitsaufschlägen" bei den Kandidaten mit den Budgets der Unternehmen in Einklang zu bringen.

Anspruchsvolle Aufgabe für Arbeitgeber

Für Unternehmen auf der Suche wird dieses Phänomen sicher auch in der ersten Jahreshälfte 2021 von Bedeutung bleiben. Es gilt, Pakete zu schnüren, die ein Plus an Sicherheit bieten, und den Kandidaten zu verdeutlichen, warum der potenzielle neue Arbeitgeber und die Rolle krisensicher sind.

Was kommt sonst auf die Unternehmen zu? - Prognosen für den Immobilienmarkt zu wagen ist leider ähnlich schwierig wie die Gesamtentwicklung im europäischen Wirtschaftsraum vorherzusagen. Zu den zahlreichen Unbekannten zählen etwa die Länge und Auswirkungen eines weiteren Lockdowns in Deutschland und/oder in anderen europäischen Ländern, die Auswirkungen des neuen Brexit-Abkommens und viele weitere Faktoren.

Eines aber ist klar: Sobald die reguläre Insolvenzantragspflicht wieder in Kraft tritt - bei Abfassung dieses Texts ist diese für Februar 2021 geplant - werden wir einen sprunghaften Anstieg bei den In solvenzen sehen und damit verstärkte Auswirkungen der Pandemie auch in der Immobilienbranche.

Insolvenzwelle: Auf Banken und Co kommt Arbeit zu

Wenn Betriebe in der Gastronomie, im Einzelhandel und in der Touristik dicht machen, macht sich das in den Immobilien unserer Innenstädte und auf den Märkten der Büroimmobilien bemerkbar. Hinzu kommen die aufgestauten Insolvenzen derer, die schon vor der Krise nah am Abgrund standen. So mahnen Insolvenzverwalter an, dass über die vergangenen Monate hinweg viele nicht mehr lebensfähige Firmen künstlich am Leben erhalten wurden.

Finanzierende Banken und andere Kapitalgeber werden sich also mit der Restrukturierung von ihren Immobilienkreditengagements beschäftigen müssen. Gesucht werden also Experten aus dem Financial Restructuring, die komplexe internationale Immobilienkredite neu aufstellen können und das komplexe Portfoliomanagement für die Kreditportfolios betreiben.

Aber auch Spezialisten, die eher operativ in der Sicherheitenverwertung und im Workout agieren, werden stark gefragt sein. Selbiges gilt für sehr gute, sehr erfahrene Asset Manager, die kreativ mit wenig Mitteln eine Immobilie aufwerten und neu vermieten können sowie Investmentprofessionals, die Assets auch dann verkaufen können, wenn der Markt sie ihnen nicht einfach so aus der Hand reißt. Kurzum: Wer in der Entwicklung von Sanierungsmaßnahmen erfahren ist und Wertsteigerungsmaßnahmen vor einem möglichen Verkauf durchführen kann, wird einen hohen Marktwert genießen.

Entscheidend wird dazu eine Riege von exzellenten Führungspersonen sein, die diese Teams aufbauen, strukturieren und motiviert in den Markt schicken. Manche (Hypotheken-)Banken sind diesbezüglich schon gut aufgestellt, aber noch sind die Teams zu klein. Andere haben diesbezüglich kaum noch nennenswerte Expertise an Bord und müssen sich ganz neu aufstellen. Gefragt ist dabei ein Dreiklang aus Immobilien- und Finanzierungserfahrung und den notwendigen juristischen Kenntnissen.

Um diese Profile wird ein starker Wettbewerb entstehen, denn nicht nur Banken haben hier Bedarf, sondern auch die Beratungshäuser, die Finanzierungspartner und Eigentümer bei der Neuordnung unterstützen werden. So haben sich einige Insolvenzverwalter schon Immobilienexpertise an Bord geholt.

Krisenerprobte Spezialisten sind im Vorteil

Auch die Beratungsarme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden in der Krise gut beschäftigt sein. Wer also schon 2008/09 in Schlüsselpositionen saß, als es galt, Portfolien zu sanieren, zu clustern und marktfähig zu machen, der wird heute einen hohen Marktwert haben - ebenso wie diejenigen, die sich in der letzten Krise ihre ersten Sporen verdient haben, damals noch in der zweiten Reihe standen und heute erfahren genug sind, um an der Spitze eines Teams zu stehen. Diese Fachleute sind ja nicht einfach verschwunden, sondern haben in der Mehrheit über Jahre im gesunden Geschäft weitergearbeitet und dazugelernt und können jetzt direkt durchstarten.

Vergleichsweise einfach ist der Blick auf die Nutzungsarten, bei denen wir im Jahr 2021 am meisten Personalgeschäft erwarten: Wohn-, Logistik- und Healthcare-Immobilien lautet die Antwort. Hier sind tatsächlich Führungskräfte in allen Funktionen gefragt, sei es in der Akquisition, der Entwicklung oder dem Management dieser Immobilien.

Generell ist in den vergangenen Monaten deutlich geworden, dass institutionelle Investoren weiterhin investieren müssen und werden. Aufgrund der Marktlage setzten viele erstmal auf mehr Sicherheit bei der Kapitalanlage und nahmen dafür geringere Renditen in Kauf. Geld ist jedenfalls vorhanden, und der Anlagedruck besteht weiterhin.

Das bewegt auch den einen oder anderen Projektentwickler dazu, sich institutionellen Investoren über die Auflage eigener Fonds zu nähern. Hier werden also Experten gesucht, die die Auflage und das Management der Fonds als Kernaufgabe betreuen. Außerdem sind Seniors gefragt, die die Kunst des Equity-Raisings beherrschen, ein exzellentes Netzwerk bei potenziellen Investoren mitbringen und das sowohl bei nationalen als auch bei internationalen Marktteilnehmern.

Bewegung bei den institutionellen Investoren

Deutschland als Anlageregion bleibt auch für das Ausland weiterhin attraktiv. Grund dafür ist ein relativ gutes Krisenmanagement bei vergleichsweise stabilen politischen Verhältnissen. So haben wir auch in den vergangenen Monaten immer wieder im Markt verfolgen können, wie ausländische Investoren größere Zusagen für Investments in Deutschland abgaben.

Für die Betreuung dieser Kapitalgeber werden auch 2021 Investmentspezialisten, Relationship Manager und Asset Manager gesucht, die international geländegängig, interkulturell erfahren und hoch flexibel sind. Immer wichtiger wird in dem Zusammenhang die ESG-Kompetenz der Häuser, die um die Gelder der institutionellen Investoren buhlen. Die Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt, und ab dem 10. März 2021 wird die EU-Offenlegungsverordnung die Fonds noch stärker in die Pflicht nehmen. Dann müssen sie aufdecken, welche ESG-Kriterien sie nutzen und wie sie sie quantifizieren und einhalten.

ESG auf dem Vormarsch

Zum Teil fehlt es hier an Daten, aber auch an echten Konzepten. Gefragt ist also ESG-Kompetenz, die aber noch nicht in ausreichendem Maße im Immobilienmarkt vorhanden ist. Auch dieses Thema wird uns mit großer Sicherheit in 2021 bei Rekrutierungen fordern.

Darüber hinaus sollte im Bereich Führung in den kommenden Monaten viel zu tun sein. Gefragt ist ein neuer Managementtypus, die resiliente Führungspersönlichkeit, die ein Team durch die Coronabedingten, weitgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt führt: kommunikationsaffin, empathisch und mit einer hohen Offenheit für neue Wege der Zusammenarbeit.

Führungskräfte, die es verstehen, zu motivieren und Arbeitserfolge auch auf Distanz zu messen und zu honorieren, die Mitarbeiter einarbeiten, in Teams integrieren und fördern, auch wenn sie sie nicht täglich sehen.

DIE AUTORIN KATHRIN VON HARDENBERG Gründerin und Geschäftsführerin, Indigo Headhunters GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main
Kathrin von Hardenberg , Gründerin und Geschäftsführerin , Indigo Headhunters GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main
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