REGULATORIK

IMMOBILIENFINANZIERUNG: WENN BANKEN AUF DIE BASEL-BREMSE TRETEN

Rahim Bavandi, Foto: Empira

Chronisch niedrige Margen, intensiver Wettbewerb und steigende regulatorische Anforderungen - die Rahmenbedingungen für gewerbliche Immobilienfinanzierer sind ohne Zweifel anspruchsvoll. Hinzu kommt, dass das in den vergangenen Jahren stark sprudelnde Neugeschäft zunehmend zur Herausforderung wird: Kaum ein Institut rechnet hier im laufenden Jahr noch mit Wachstum. Dass dadurch ein Mangel an dem für die Branche so wichtigen Treibstoff Fremdkapital entstehen könnte, ist gleichwohl eher unwahrscheinlich. Kapitalmarkt und alternative Fremdkapitalgeber stehen als "Lückenfüller" bereit, wie der Autor des vorliegenden Beitrags zu berichten weiß. Red.

Wenn die Margen schrumpfen, muss man halt das Volumen erhöhen, um die Erträge zu stabilisieren. Das war das Motto, nach dem viele Banken in den vergangenen Jahren im Kreditgeschäft verfahren sind - auch und insbesondere in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Die Auslöser liegen auf der Hand: Das Niedrigzinsumfeld und der harte Wettbewerb haben die Margen im Zinsgeschäft der Kreditinstitute stark gedrückt. Gleichzeitig bot der lang anhaltende Boom an den Immobilienmärkten die Möglichkeit, das Immobilienkreditgeschäft stark auszudehnen - ohne allzu große Risiken einzugehen und hohe Zuführungen zur Kreditrisikovorsorge leisten zu müssen.

Wachstum stößt an seine Grenzen

Es gibt kaum ein Kreditinstitut, von der international aufgestellten Großbank über die spezialisierte Hypothekenbank bis hin zur örtlichen Sparkasse, das sein Kreditgeschäft im Immobilienbereich nicht ausgebaut hätte. Allein zwischen Ende 2017 und September 2019 stieg der Bestand an gewerblichen Wohnungsbaukrediten nach Angaben der Bundesbank um 43 Milliarden auf 411,6 Milliarden Euro an - nur im Wohnungsbau, wohlgemerkt. Mit der Expansion konnten die Zinsüberschüsse halbwegs stabilisiert werden, der Skalierbarkeit dieses Geschäfts sei Dank. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass das Wachstum der Banken in der Immobilienfinanzierung an seine Grenzen stößt - schon lange vor der Corona-Krise. Dafür gibt es mehrere, sich gegenseitig verstärkende regulatorische Faktoren.

Der erste limitierende Faktor ist die wachsende Kluft zwischen offiziellen Beleihungswerten und tatsächlichen Marktwerten beziehungsweise Kaufpreisen. Die offiziellen Beleihungswerte werden gemäß der Beleihungswertermittlungsverordnung erhoben, zumeist wird dabei das Ertragswertverfahren genutzt. Es sieht für Wohnungen einen Kapitalisierungszins von fünf bis acht Prozent und für Büroimmobilien von sechs bis 7,5 Prozent vor.

Ohne Berücksichtigung einer eingeschränkten Restnutzungsdauer ergeben sich daraus Kaufpreismultiplikatoren von 12,5 bis 20. Tatsächlich aber werden in deutschen Metropolen für Core-Büro- und -Wohnimmobilien in Spitzenlagen Kaufpreisfaktoren jenseits von 30 aufgerufen, die tatsächlichen Ankaufsrenditen liegen mithin bei drei Prozent.

Beleihungswerte laufen den Marktwerten davon

Die Folge: Banken und Sparkassen müssen bei der Berechnung der Beleihungsausläufe von theoretischen Beleihungswerten ausgehen, die im Extremfall lediglich die Hälfte des tatsächlichen Kaufpreises betragen. Beschließt die Bank also, eine Immobilientransaktion mit 60 Prozent des Beleihungswerts zu finanzieren, entspricht das womöglich nur 30 Prozent des eigentlichen Transaktionswertes. Will sie umgekehrt 60 Prozent der Transaktion finanzieren, entspricht das dann 120 Prozent des offiziellen Beleihungswertes.

Für die Bank hat das regulatorische Folgen: Derartige Kredite muss sie mit wesentlich mehr Eigenkapital in ihren eigenen Büchern unterlegen. Das ist teuer und irgendwann nicht mehr attraktiv. Der regulatorisch begünstigte Realkredit reicht nur bis 60 Prozent des offiziellen Beleihungswertes. Mag sein, dass die Verordnung im Zuge der geplanten Reform des Pfandbriefgesetzes künftig angepasst wird, doch so lange Marktwerte und Beleihungswerte derart weit auseinander klaffen, wird sich an diesem Problem im Kern nichts ändern.

Damoklesschwert "Basel IV"

Entlastung auf regulatorischer Seite ist für die Banken derzeit nicht zu erwarten - im Gegenteil. In Deutschland steht die letzte Stufe der Umsetzung der Baseler Eigenkapitalregeln bevor. De jure handelt es sich dabei um den letzten Schritt des Regulierungswerks Basel III, Vertreter der Bankenlandschaft sprechen angesichts der weitreichenden Folgen jedoch ehrfurchtsvoll von Basel IV.

Der Bundesverband deutscher Banken warnt seit Monaten eindringlich vor den Folgen, sollte das Regelwerk in der derzeit geplanten Form in deutsches Recht gegossen werden. Der Verband sieht die Kreditversorgung sowohl mittelständischer Unternehmen als auch explizit die Immobilienfinanzierung in Deutschland in Gefahr.

Im Zuge der Corona-Krise ist dieser Schritt jetzt zunächst um ein Jahr verschoben: Statt Januar 2022 ist das Inkrafttreten nun zunächst für Januar 2023 vorgesehen, Änderungen sind nicht mehr ausgeschlossen. Sofern es jedoch bei den gegenwärtigen Planungen bleibt, wird die Risikogewichtung von gewerblichen Immobilienfinanzierungen - insbesondere von Projektentwicklungen - dann für die meisten Banken deutlich steigen. Infolgedessen wird wesentlich mehr Eigenkapital für diese Aktiva hinterlegt werden müssen, um den Baseler Vorgaben an die Mindestkapitalausstattung zu erfüllen.

Immobilienfinanzierungen werden somit weniger attraktiv. In der Kombination mit der Beleihungswertproblematik schlummert hier ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Versorgung der Immobilienwirtschaft mit Bankdarlehen - zumindest zu solch attraktiven Konditionen wie derzeit.

Kreditversorgung in Gefahr?

Diese Konditionen sind nicht zuletzt der harten Wettbewerbssituation geschuldet. Gleichzeitig machte die bis zum Ausbruch von Corona sehr geringe Kreditrisikovorsorge entsprechend kleine Margen überhaupt erst möglich. Doch mit den sich eintrübenden Konjunkturaussichten könnte der Vorsorgebedarf wieder steigen, von der Corona-Krise ganz zu schweigen. Die Zinsmargen werden weiter unter Druck geraten, zumal auf Refinanzierungsseite kaum mehr Spielraum für weitere Zinssenkungen besteht.

Auch aus diesem Grund werden viele Institute vorsichtiger beim Neugeschäft und die Expansion in der Immobilienfinanzierung bremsen. Die Erinnerungen an 2008 sind bei vielen Banken und Sparkassen noch präsent. Es überrascht deshalb nicht, dass sich die ersten Institute schon öffentlich dazu bekannt haben, beim Neugeschäft von nun an kräftig auf die Bremse zu treten und nur noch selektiv abzuschließen. Droht der Immobilienwirtschaft deshalb nun ein Austrocknen der Fremdkapitalquellen? Mitnichten. Denn sowohl der Kapitalmarkt als auch alternative Fremdkapitalgeber stehen als Lückenfüller bereit. Die harte Wettbewerbssituation ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass in den vergangenen Jahren mehr und mehr Akteure den deutschen Immobilienfinanzierungsmarkt betreten beziehungsweise sich dort weiter ausgebreitet haben und gleichzeitig Immobilieninvestoren ihren Instrumentenkoffer zur Fremdkapitalbeschaffung deutlich vielfältiger bestückt haben. So haben in den vergangenen beiden Jahren etliche größere Immobiliengesellschaften Anleihen oder Schuldscheine zu Konditionen emittieren können, die als wettbewerbsfähig gegenüber klassischen Bankkrediten gelten dürfen.

Alternative Anbieter schließen die Lücke und gewinnen Marktanteile

Klar ist, dass Banken und Sparkassen auch in Zukunft die ersten Adressen für den Abschluss einer Seniortranche (bis 60 Prozent) bleiben werden. Allein von der Kapazität her sind die Kreditinstitute nicht zu ersetzen. Der Gang an den Kapitalmarkt ist nicht für jeden Branchenakteur vor teilhaft. Und selektiver vorzugehen heißt für die einzelnen Banken auch nicht, das Neugeschäft komplett einzustellen. Die Frage lautet: Wer füllt die größer werdende Lücke zwischen Beleihungs- und Marktwerten und wer übernimmt die Juniortranchen mit Beleihungsausläufen oberhalb von 60 Prozent?

Hierbei haben bereits in den vergangenen Jahren alternative Fremd- beziehungsweise Mezzanine-Kapitalgeber zunehmend Marktanteile gewonnen - ein Trend, der angesichts der geschilderten Situation für die Banken zukünftig noch an Fahrt aufnehmen wird. Dazu zählen institutionelle Investoren, hauptsächlich Versicherungen, die ins Direktkreditgeschäft (Direct Lending) eingestiegen sind, sowie Fondsgesellschaften mit zum Teil spezialisierten Kreditfonds. Solche Fonds gibt es nicht nur für Mezzanine-Kapital, sondern zum Teil auch im Wholeloan-Bereich, also für Senior- plus Juniortranche. Hier stehen die Fonds dann im direkten Wettbewerb zu den klassischen Kreditinstituten.

Günstigere Konditionen als Banken - zumal im Seniorbereich - können die Fonds in der Regel nicht bieten. Wo also liegen die Vorteile für Immobilieninvestoren? Erstens bieten sie Kapital mit Beleihungsausläufen an, aus denen sich Banken zunehmend zurückziehen. Denn anders als die Kreditinstitute sind sie nicht den Baseler Eigenkapitalvorschriften oder der Beleihungswertermittlungsverordnung unterworfen. Zweitens achten mehr und mehr Investoren auf eine di versifizierte Finanzierungsstruktur aus mehreren Instrumenten, um die Abhängigkeit von einzelnen Kapitalgebern zu verringern.

Ein ergänzendes, nicht ersetzendes Angebot

Und drittens schließlich agieren Kreditfonds in der Regel sehr viel schneller und unbürokratischer bei der Darlehenszusage und Auszahlung. Das macht sie besonders dann attraktiv, wenn beispielsweise bei einer Projektentwicklung eine kurzfristige Brückenfinanzierung mit einer Laufzeit von einigen Monaten bis zu zwei Jahren, einem Beleihungsauslauf von bis zu 90 Prozent sowie einem zumeist eher überschaubaren Volumen benötigt wird.

Am Ende kommt es auf die konkrete Konstellation an, welches Finanzierungsinstrument am sinnvollsten ist. Kreditfonds und andere alternative Fremdkapitalgeber sowie Kapitalmarktinstrumente verbreitern die Auswahlmöglichkeiten zur Fremdkapitalaufnahme. Das wird umso wichtiger, je stärker Banken und Sparkassen auf die Bremse treten (müssen). Es geht allerdings nicht darum, die klassischen Kreditinstitute zu ersetzen. Es geht darum, deren Finanzierungsangebot zu ergänzen.

DER AUTOR RAHIM BAVANDI Executive Director Real Estate Debt, Empira Asset Management GmbH, Leipzig
Rahim Bavandi , Executive Director Real Estate Debt, Empira Asset Management GmbH, Leipzig
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