Property und Facility Management

Immobilienmanagement in der digitalen Welt

Stufen der Digitalisierung bei der Dokumentenverarbeitung Quelle: JLL

Die Begriffe "Digitalisierung" und "neue Technologien" prägen schon heute die Welt von morgen. "Nachhaltige Technologie" wird als Wachstumsmarkt der Zukunft propagiert. Kann die Immobilienwirtschaft, die eher mit Eigenschaften wie traditionell, klassisch und konservativ assoziiert wird, die virtuelle Wirklichkeit neuer Technologien nachhaltig nutzen? Die Autorin widmet sich den digitalen Herausforderungen und Chancen für Akteure im Property und Facility Management und konstatiert, dass der Digitalisierungsgrad aktuell noch unterdurchschnittlich sei. Red.

In der Immobilienwirtschaft geht es um "echte Steine", "echte Mieter", "echte Nutzer", "echte Entwickler" und "echte Investoren". Zur digitalen Welt besteht dennoch kein Widerspruch, im Gegenteil - es geht um die sinnvolle Verbindung und Nutzung der neuen Technologien in der Immobilienwirtschaft. Zweifellos gibt es andere Bereiche, die in der Nutzung von "Big Data" schon viel weiter sind als die Immobilienwirtschaft, die Literaturwissenschaften mit der Methode "distant reading" etwa: Computerprogramme werten digitalisierte Bücher nach unterschiedlichen Kriterien aus.

So gibt es zum Beispiel Analysen, wie oft das Wort "Liebe" in 15 000 Romanen zwischen den Jahren 1700 und 1900 vorkommt, die an verschiedenen Orten in London spielen. Die Ergebnisse werden mit einer Karte verknüpft und es entsteht ein "Gefühlsstadtplan". Es ist nicht überraschend, dass der Tower von London lange Zeit mit dem Gefühl der "Angst" verbunden war. Was heißt das für die Immobilienwirtschaft? Gibt es Analogien jenseits der Tatsache, dass es sich beim Tower of London um eine Immobilie handelt? Die Antwort ist sehr klar: ja. Auch das Immobiliengeschehen dieser Welt basiert auf Informationen, die identifiziert, gesammelt, analysiert, bewertet und in Datenbanken archiviert werden müssen.

Am Anfang eines Wandels

Bislang weitestgehend Prozesse, die in der Immobilienbranche "handmade" mit hoher Fehlerquote und zeit-und arbeitsintensiv ablaufen. Genau diese Prozesse verändern sich mit Hilfe digitaler Technologien. Denn Digitalisierung und Big Data haben auch in der Immobilienbranche Einzug gehalten, wir stehen am Anfang einer gewaltigen Entwicklung, die die Immobilienbranche und -märkte grundlegend verändern wird.

Informationen und Daten bestimmen den Wert der Immobilie. Der ermittelte Wert wiederum hat Auswirkungen auf andere Industrie- und Wirtschaftszweige, allen voran Banken, die Immobilien zur Beleihung von Krediten heranziehen. Oder aber Immobilienprojekte finanzieren. Nicht von ungefähr hatte die große Finanzkrise vor einer knappen Dekade ihren Auslöser in faulen Immobiliendarlehen am US-amerikanischen Häuslebauermarkt. Mitinvolviert in das Desaster: deutsche Banken, die noch heute an den Spätfolgen eigener Unzulänglichkeiten am Abgrund balancieren.

Veränderte Anforderungen

Ein wesentlicher Leistungsbaustein in den Leistungsverzeichnissen der Immobilienmanager ist die Dokumentation und Datenhaltung - über alle Geschäftsprozesse wie Mietervertragsmanagement, technischer Betrieb, Buchhaltung und Reporting hinweg. In Verbindung damit steht die Anforderung der Eigentümer und Auftraggeber sowie anderer Dritter wie Banken, dass Daten schneller und umfassender zur Verfügung gestellt werden. Die Leistungsanforderung an die Managementdisziplinen im Immobilienbereich haben sich in den vergangenen Jahren sehr stark verändert: weg von der Papier- und Aktenverwaltung in Verbindung mit einigen wenigen digitalen Datenanforderungen hin zu teilweise volldigitalisierten Prozessen mit Texterkennung und künstlicher Intelligenz.

Die Sammlung und Aufbereitung von Daten beziehungsweise die Umwandlung von heutigen Papierdokumenten in digitale und weiter verwertbare Daten ist mit Aufwand verbunden - insbesondere mit Investitionen in die IT-Systeme und die IT-Landschaft. Zudem besteht die Notwendigkeit, vorhandene Daten und Dokumente zu teilen. Das bedeutet, dass insbesondere im Rahmen von Transaktionsverfahren Daten und Dokumente ausgetauscht und nicht immer wieder "neu erfunden" werden müssen.

Besserer Datenaustausch wünschenswert

Es sollte und muss ein gemeinsames Interesse aller Beteiligten sein, vorhandene Daten zum Beispiel im Rahmen von Verkaufsprozessen umfassender zur Verfügung zu stellen. Aufgrund verschiedener Interessenlagen und Restriktionen findet der Austausch heute nicht immer vollständig statt.

Der Druck auf alle Marktteilnehmer steigt hier aber merklich - auch im Hinblick, dass die erneute und wiederholte Datenaufbereitung Aufwand und Kosten verursachen, die nachhaltiger investiert werden könnten, in die Immobilie selbst etwa. Ein Ansatzpunkt kann sein, dass Eigentümer auf gemeinsame Datenräume zugreifen, mit Daten die standardmäßig zur Dokumentation einer Immobilie gehören beziehungsweise auf Grund gesetzlicher Anforderungen notwendig sind:

- Mietvertragliche Unterlagen wie Mietverträge und Nachträge, Mietanpassungen, Nebenkostenabrechnungen;

- Technische Dokumentation zur Sicherstellung des Betriebs und der Verkehrssicherheit wie Wartungs-, SV-/SK-Protokolle oder Baubeschreibungen.

Bruchstellen in der Zusammenarbeit

Die Immobilienwirtschaft muss hier im Sinne des Wortes "nachhaltiger" werden und Ressourcen - im speziellen Fall Daten - gemeinsam nutzen. Aktuell gibt es zu viele Bruchstellen in der Zusammenarbeit der Manager. Für den besseren Austausch von digitalen Daten zwischen den verschiedenen ERP-Systemen müssen die Marktteilnehmer unter Einbindung der Softwareanbieter Lösungen finden.

Die erneute Anlage von Daten nach Verkäufen oder nach dem Wechseln des Managements verursachen teilweise sehr hohe Kosten. Die Datenmigration und die Einrichtung von Schnittstellen kann hier ein Ansatz zur Lösung sein. Neue Technologien sollten als Instrumente und zur Unterstützung der Geschäftsprozesse genutzt werden. Die Texterkennung und Auslese von Daten werden im Immobilienmanagement bereits aktiv von einigen Marktteilnehmern zur Unterstützung der Geschäftsprozesse genutzt.

Hürden bei der Neuausrichtung

Die Umsetzung einer "nachhaltigen" Strategie ist aktuell an verschiedene Restriktionen gebunden:

- Datenschutz und damit verbundene Regularien verhindern einen Austausch und öffentlichen Zugang zu Basisdaten wie etwa über Cloud-Technolo gien.

- Die Softwareanbieter müssen sich für jeweils andere Systeme "öffnen" und Schnittstellen und Austausche zulassen.

- Es sollten gemeinsam Innovationen vorangetrieben werden und andere Technologien und Applikationen genutzt und nicht als Konkurrenz gesehen werden.

Eine weitere Herausforderung für die Immobilienbranche wird es sein, dass eine digitale Qualifizierung im Hinblick auf die Mitarbeiter stattfinden muss:

- Mitarbeiter, die die Immobilien managen, müssen mit neuen Technologien wie Apps umgehen können.

- Es werden Mitarbeiter benötigt, die die Weiterentwicklung und Administration der Systeme und Systemlandschaften sicherstellen.

Start-ups als Partner?

Der Digitalisierungsgrad ist aktuell noch unterdurchschnittlich. Hier muss in den kommenden Jahren eine deutliche Verbesserung - unter Berücksichtigung der beschriebenen Nachhaltigkeitsstrategie - geschaffen werden. Die Unternehmen müssen die Prozesse verbessern und effizienter werden. Der Druck der Konkurrenz, unter anderem auch durch neue Marktteilnehmer wie Start-ups, wird weiter steigen. Andere Marktteilnehmer wie Nutzer und Mieter sollten gegebenenfalls in die eigenen Prozesse und Datenweitergabe eingebunden werden, zum Beispiel über Internetportale oder dem Angebot an Applikationen.

Im Hinblick auf die notwendige Systemunterstützung wird es durch die verschiedensten Anforderungen der unterschiedlichen Marktteilnehmer keine hundertprozentige Lösung geben. Startups könnten zum Beispiel nicht als Konkurrenz gesehen, sondern als Partner eingebunden werden. Es wird eine Vernetzung und einen Einsatz von verschiedenen Modulen und Produkten geben:

- Applikationen verknüpft mit Datenbanken, mit denen Auswertungen und Analysen erfolgen können.

- Schnittstellen und Interfaces zwischen den verschiedenen Systemanbietern.

- Einbindung von spezifischen Technologien zur Abbildung spezifischer Prozesse (zum Beispiel Begehungen mit Robotern, Bildaufnahme mit Drohnen).

In einer langfristigen Betrachtung geht es darum, Zugang zu großen Datenmengen und ihren Einsatz als "Rohstoff" für die Analysen und Ableitung von Erkenntnissen zu erhalten. Die Immobilienwirtschaft wird sich in den kommenden Jahren erheblich verändern: begonnen bei der Verwaltung von Immobilien unter Zuhilfenahme von Papierdaten hin zur Digitalisierung von Prozessen sowie der Auslese großer Datenmengen - mit denen unter Einbeziehung individueller Aspekte und Annahmen letztendlich Trends zum Beispiel im Handel abgeleitet werden können. Diese Trends wiederum haben auch Einfluss auf die Immobilie und deren Entwicklung.

Der Einzelhandel als Vorbild

Wenn die Basis für die Bewirtschaftung von Immobilien vorhanden ist und nicht immer wieder neu aufgesetzt und darin investiert werden muss, können sich die Eigentümer und die Manager von Immobilien auf die Strategien und die nachhaltige Entwicklung der Immobilien und Portfolien konzentrieren. Mit der Vergemeinschaftung von Daten in Kombination mit neuen Technologien können sich die Marktteilnehmer letztendlich von ihren Konkurrenten abgrenzen und abheben. Das "richtige" Interpretieren von Daten und das Ableiten der Strategie steht hier im Fokus: vom ganzheitlichen Datenvolumen hin zu individuellen Strategien und Geschäftskonzepten.

Der Retailbereich ist ein gutes Beispiel: Mit dem Trend zum Online-Shopping müssen sich stationäre Filialisten neu auf ihre Zielgruppen einstellen. Unter anderem dank der Analysen von Daten und Zielgruppen, Frequenzen und Kaufverhalten werden Geschäftsmodelle neu ausgerichtet. Letztlich sichern vollständige und qualitative Daten, die schnell abrufbar sind, den Bestand und Wert der Immobilie - nicht nur im Retailbereich.

Die Autorin

Ulrike Janssen Head of Property Management Germany, Jones Lang LaSalle GmbH, Frankfurt am Main

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X