VIRTUELLE IMMOBILIENMÄRKTE

VON INSELLÖSUNGEN ZUM "DIGITALEN BAUKASTEN" DER IMMOBILIENVERWALTUNG

Stephanie Kreuzpaintner, Foto: DOMUS Software AG

Die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft schreitet rasch voran. Und auch wenn dieser Branche Innovationsfreude häufig abgesprochen wird, so ist nach Überzeugung der Autorin auch das Verwaltergeschäft längst im digitalen Zeitalter angekommen. Im Anschluss an die erfolgreich etablierten technischen Lösungen für eine digitale Buchhaltung, individualisierbaren Portalen für Eigentümer, Mieter und Handwerker oder für die ortsunabhängige Betreuung der Immobilienbestände stehe nun der nächste Entwicklungsschritt an: Die Zusammenführung unterschiedlicher Lösungen zu einem Gesamtsystem, das über die Herstellergrenzen hinweg nutzbar ist. Wie das gelingen kann, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Red.

Die Folgen der Covid-19-Pandemie haben nicht nur zu einer Beschleunigung der Digitalisierung in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen geführt - sie haben auch vor Augen geführt, welche Vorteile digitalisierte Unternehmen gegenüber ihrer analogen Konkurrenz haben. Die Vorzüge digitaler Lösungen - sei es bezüglich der Prozessoptimierung, der Beschleunigung der Bearbeitungsprozesse oder der Flexibilität der Mitarbeiter - sind auch in der Immobilienwirtschaft schon heute zu einem echten Wettbewerbsfaktor avanciert.

Investitionen, die sich auszahlen

Zu Beginn einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie ist es für Unternehmen jedweder Branche unumgänglich, intensiv in ihre Zukunft zu investieren. Dies betrifft keineswegs nur das technische Equipment. Ebenso wichtig ist die Fortbildung der Belegschaft. Es nützt nichts, einen Technikexperten einzustellen und die übrigen Prozesse so weiterlaufen zu lassen wie bisher.

Ein erfolgversprechender Weg in das digitale Zeitalter ist auch stets mit einer Änderung des grundsätzlichen Arbeitsverständnisses in der bestehenden Belegschaft verbunden. Hierfür bieten sich fachlich fundierte Seminare oder auch Team-Building-Workshops an - ohne ein motiviertes Team, das bereit ist, die neuen Wege mitzugehen, kann die Digitalisierung eines Unternehmens auch mit der besten Technik nicht gelingen.

Dabei macht die zunehmende Etablierung technischer Lösungen qualifizierten Mitarbeitern keineswegs Konkurrenz - ganz im Gegenteil. Durch den Einsatz digitaler Anwendungen werden gerade die Arbeiten zunehmend automatisiert erledigt, die einem wiederkehrenden Schema folgen und keine besonderen Vorkenntnisse erfordern. Für die übrigen Tätigkeiten bleibt qualifiziertes Fachpersonal nach wie vor wichtig, es gewinnt durch den Einsatz digitaler Lösungen sogar zusätzlich an Gewicht.

Mehr Zeit für das Kerngeschäft

Nehmen wir beispielsweise die Zuteilung von E-Mails: Moderne Softwarelösungen sind schon heute in der Lage, bestimmte Schlagworte in einer Kundenanfrage selbstständig zu erkennen und diese vollautomatisch an den oder die zuständigen Mitarbeiter weiterzuleiten. Die Notwendigkeit, eingehende E-Mails händisch weiterzuleiten, kann durch eine geschickte Programmierung der Software vollständig entfallen.

Ein weiteres Beispiel aus der Immobilienbranche wäre die Terminvereinbarung mit Handwerkern oder sonstigen Dienstleistern bei regelmäßig anstehenden Wartungen oder wiederkehrenden Vor-Ort-Terminen. Durch Eingabe der jeweiligen Fristen und der entsprechenden Ansprechpartner bei den beauftragten Handwerkern und der Bewohner der Wohnanlagen lassen sich diese Termine bereits vollautomatisch organisieren.

Das System ist in der Lage, den Servicepartner zum gewünschten Zeitpunkt selbsttätig auf einen anstehenden Vor-Ort-Auftrag hinzuweisen. Durch Angabe der nötigen Kontaktdaten kann dieser sich selbstständig mit den Bewohnern einer Anlage in Verbindung setzen, um einen Termin zu vereinbaren. Der Hausverwalter stellt hierfür lediglich die technischen Möglichkeiten zur Verfügung und kann sich auf das Kerngeschäft seiner Tätigkeit konzentrieren.

Diese Beispiele zeigen, wie groß die Auswirkungen digitaler Lösungen auf die altbekannten Arbeitsabläufe in Unternehmen sein können. Klassische "Praktikanten-Tätigkeiten" werden zunehmend von digitalen Lösungen bestritten. Die übrigen Aufgaben müssen von qualifizierten, technisch aufgeschlossenen und fachkundigen Mitarbeitern bestritten werden.

Digitalisierung ändert Unternehmenskultur

Der Fachkräftemangel hat die deutsche Wirtschaft längst erreicht. Für die Chefetagen wird es darum immer wichtiger, aktiv um geeignete Arbeitskräfte zu werben und ihren Mitarbeitern ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten. Nur so kann es gelingen, junge, qualifizierte Mitarbeiter anzuwerben und langjährige Fachkräfte im Unternehmen zu halten.

Die Bereitstellung geeigneter technischer Lösungen für die Arbeit im Homeoffice und der - insbesondere bei jungen Arbeitnehmern - immer lautere Wunsch nach der viel zitierten "Work-Life-Balance" sind zwei Seiten der gleichen Medaille: Starre Kernzeit-Arbeitsmodelle mit Präsenzpflicht und einer Stechuhrmentalität aus Industrialisierungszeiten sind Auslaufmodelle, die einer agilen Unternehmensführung weichen.

Die moderne, digitalisierte Immobilienbranche lebt von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Dies geht zum einen mit einer steigenden Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter, aber auch mit einem effektiven Objekt-Controlling einher - auch hierfür sind zeitgemäße Softwareanwendungen unverzichtbar.

Flickenteppich erschwert die Integration neuer Anwendungen

Der technische Fortschritt der Digitalisierung beruht auf vielen Unternehmen, die in den vergangenen Jahrzehnten an unterschiedlichsten Lösungen für die verschiedensten Problemstellungen gearbeitet haben. Dies führt - gerade in der Immobilienverwaltung - zu einem regelrechten "Flickenteppich" an Angeboten von Softwareunternehmen, Entwicklern und Proptechs, die sich häufig nicht ohne Weiteres miteinander kombinieren lassen.

Der Verwalter entscheidet sich mit der Auswahl eines bestimmten Anbieters somit häufig für einen gewissen "Pool" von Anwendungen, der es ihm bisweilen unmöglich macht, Programme anderer Unternehmen in sein Arbeitsumfeld zu integrieren.

Und genau hier liegt der nächste nötige Entwicklungsschritt, der Softwareanbieter und Dienstleister der Branche vor große Herausforderungen stellt. Denn die technischen Hürden, um verschiedene Softwarelösungen miteinander zu verbinden, sind häufig hoch.

Dennoch weist der Weg der Zukunft weg von individuellen Lösungen hin zu einem gemeinsamen "Baukasten der Digitalisierungslösungen", der es Verwaltern ermöglicht, die gewünschten Programme und Tools so zusammenzustellen, wie es für ihren beruflichen Alltag am besten ist.

Brancheninitiative stellt Kompatibilität auf den Prüfstand

Um sich dieser Aufgabenstellung anzunehmen, hat der Münchner Softwarespezialist Domus in Kooperation mit dem Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) und anderen beteiligten Branchenvertretern im Jahr 2017 die AG Digitalisierung ins Leben gerufen.

Heute gehören der AG neben Herstellern von ERP-Systemen und Dienstleistungsunternehmen der Verwalterbranche auch Start-ups im Immobilienbereich an.

Unabhängig ihrer bestehenden Konkurrenzsituation war es deren gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Datenaustausch-Plattform für ERP-Systeme und Dienstleister zur Standardisierung des Datenabgleichs zu schaffen.

In diesem Rahmen konnte bereits vor zwei Jahren eine technische Machbarkeitsstudie finanziert werden, die Ende 2019 zu dem Ergebnis kam, dass sich das ursprünglich gefasste große Ziel, einen einheitlichen standardisierten Datenabgleich unterschiedlicher Systeme zu etablieren, aufgrund zu großer technischer Unterschiede der Systeme nicht erreichen ließ.

Gemeinsame Schnittstellen bis Ende des Jahres

Dennoch hat die AG Digitalisierung ihr Ziel nicht aus den Augen verloren. Nachdem sich die ursprüngliche Vision eines standardisierten Datenabgleichs nicht realisieren ließ, wurde der Fokus auf individuelle Schnittstellen der verschiedenen ERP-Anbieter gelegt. Diese sollen künftig eine systematische Stammdatenübertragung von ERP-Systemen zu Dienstleistern ermöglichen.

Das festgesetzte Ziel aller AG-Mitglieder, ihre Lösungen bis spätestens Ende des Jahres zu entwickeln, scheint realistisch: Während sich einige Schnittstellen noch im Testbetrieb befinden, sind erste Lösungen schon in den Live-Betrieb mit Testkunden übergegangen.

Derzeit befassen sich die AG-Mitglieder neben der technischen Weiterentwicklung ihrer Produkte auch mit der Ausgestaltung der rechtlichen Grundlagen. Hierfür werden dann individuelle Verträge gestaltet, um die Zusammenarbeit zwischen den ERP-Anbietern und den Schnittstellennutzern auf ein rechtlich solides Fundament zu stellen.

Die juristischen Weichen für einen flächendeckenden Einsatz der entwickelten Schnittstellen sollen ebenfalls bis Ende des Jahres gestellt sein.

Weichenstellung für die Zukunft

Mit ihren Bemühungen investieren die Teilnehmer der AG Digitalisierung bewusst in die Zukunft der Verwalterbranche. Dabei finanzieren sie die Analyse der Potenziale für eine mögliche Datenübertragung, die entsprechenden Weichenstellungen innerhalb ihrer Softwarelösungen sowie die Entwicklung technischer Schnittstellen ebenso aus eigener Kraft, wie den hierfür erforderlichen personellen Aufwand.

Damit stellt die Branche schon heute die Weichen für die nächste Generation der digitalen Immobilienverwaltung.

Stephanie Kreuzpaintner , Mitglied des Vorstands , DOMUS Software AG, Ottobrunn
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