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INSTITUTIONELLE ANLAGESTRATEGIEN: CORONA-KRISE FÜHRT ZU DEUTLICHEN VERÄNDERUNGEN

Olaf Janssen, Foto: Union Investment Real Estate GmbH

Wie schnell sich die Dinge doch ändern können: Standen bei vielen institutionellen Immobilieninvestoren bis vor kurzem noch B-, C- und D-Standorte sowie das Ausarbeiten von Value-Add-Strategien im Fokus, so genießt seit Ausbruch der Corona-Pandemie eindeutig wieder der Faktor "Sicherheit" oberste Priorität. Die gesunkene Risikobereitschaft schlägt sich auch eindrucksvoll in der aktuellen Investitionsklima-Studie von Union Investment Real Estate nieder. So gibt mehr als jeder zweite befragte Profianleger aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien an, derzeit auf die Strategie "weniger Risiko, geringere Rendite" zu setzen. In dieser Phase vollständig auf Immobilieninvestments zu verzichten, ist gleichwohl nur für fünf Prozent der befragten europäischen Investoren eine ernstzunehmende Option. Welche weiteren Investmentstrategien aktuell im Trend liegen, berichtet der Autor im folgenden Beitrag. Red.

Die Welt ist nach wie vor fest im Griff der Corona-Pandemie. Das macht sich auch auf den Immobilienmärkten, bei Unternehmen und Investoren bemerkbar. Sicherheit steht derzeit an erster Stelle. So hat die Corona-Krise unter anderem zu einem deutlichen Wechsel in der Anlagestrategie institutioneller Immobilieninvestoren geführt, wie die Investmentklima-Studie von Union Investment zeigt, für die das Marktforschungsinstitut Ipsos von Mai bis Juli dieses Jahres insgesamt 150 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilieninvestoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien befragt hat.

Weniger Risiko, geringere Rendite - das Motto der Stunde

"Weniger Risiko, geringere Rendite" ist das Motto der Stunde: 58 Prozent der befragten Profianleger setzen derzeit auf diese Strategie. Vor Ausbruch der Pandemie waren es nur 35 Prozent. Besonders ausgeprägt ist dieser Wechsel in Großbritannien: Für 79 Prozent der Befragten ist Sicherheit das Hauptanlagemotiv. Vor der Pandemie waren es 50 Prozent.

Ein höheres Risiko in Kauf nehmen, um eine gleichbleibende Rendite zu erzielen, wollen nur 22 Prozent der befragten europäischen Profianleger. Und "höheres Risiko, höhere Rendite" ist nur für 15 Prozent der Umfrageteilnehmer die passende Strategie im aktuellen Marktumfeld.

Klimaverträgliche Investitionen immer gefragter

Die gute Nachricht: Von einer grundsätzlichen Zurückhaltung kann insgesamt keine Rede sein. In dieser Phase vollständig auf Immobilieninvestments zu verzichten, ist nur für magere fünf Prozent der befragten europäischen Investoren eine Option. Knapp ein Viertel der Befragten (24 Prozent) rechnet in den kommenden zwölf Monaten zudem mit einer verbesserten oder deutlich verbesserten Investitionsbereitschaft auf den Immobilienmärkten. 43 Prozent gaben auf einer Skala von 1 (deutlich verbessert) bis 6 (deutlich verschlechtert) eine 3 an und 25 Prozent der Umfrageteilnehmer eine 4.

Die Zukunftsangst vieler Menschen und die Existenzprobleme der Unternehmen lassen das Thema Klimaschutz derzeit in den Hintergrund treten. So liegt die Zahl der Google-Suchanfragen zum Begriff "Klimawandel" inzwischen wieder ungefähr auf dem Niveau von vor dem Start der "Fridays for Future"-Kampagne von Greta Thunberg.

Oberstes Ziel ist aktuell, dass der Wirtschaftsmotor so schnell wie möglich wieder anspringt und Normalität einkehrt. Klimaschutz spielt dabei kaum eine Rolle, wie es scheint. Einerseits. Andererseits drängt die Politik immer stärker in Richtung Nachhaltigkeit. In den kommenden Jahren dürften Gesetze, Verordnungen und Bauvorschriften weiter deutlich verschärft und mit Sanktionen verbunden werden. Irgendwann werden sich Flächen nicht mehr vermieten lassen, wenn Vermieter nicht aufzeigen können, wie die Gebäude unter Nachhaltigkeitsaspekten dastehen.

Dies scheint bereits bei den Anlegern angekommen zu sein: Denn laut Studie hat sich der Anlagefokus institutioneller Investoren durch die Corona-Pandemie deutlich in Richtung klimaverträglicher Investitionen verschoben. 54 Prozent der Befragten wollen in diesem Bereich verstärkt investieren. In Frankreich ist dieser Wechsel besonders stark ausgeprägt: 71 Prozent der französischen Investoren planen klimaverträgliche Investitionen, in Deutschland sind es 56 Prozent, in Großbritannien hingegen nur 31 Prozent.

Toplagen und krisenresistente Assetklassen im Fokus

Institutionelle Investoren suchen nach Stabilität in der Krise. Das zeigen auch die folgenden Ergebnisse: 49 Prozent der Befragten planen aufgrund der Viruswelle zunehmend Core-Immobilien zu kaufen. 42 Prozent kündigen an, vermehrt im eigenen Land zu investieren und 41 Prozent der Umfrageteilnehmer wollen verstärkt in andere Nutzungsarten investieren.

Ganz oben auf der Einkaufsliste europäischer Investoren stehen in der aktuellen Marktphase die Assetklassen Health Care und Logistik. Je 65 Prozent der Befragten erwarten, dass verstärkt Kapital in diese Nutzungsarten gelenkt wird. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn beide Nutzungsarten sind im aktuellen Marktumfeld wenig krisenanfällig und tragen dazu bei, den Cashflow in einem Portfolio zu stabilisieren. Aber auch die Anlageklasse Wohnen bleibt attraktiv: 55 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen hier mit steigenden Mittelzuflüssen.

Deutschlands Immobilienmarkt erholt sich am schnellsten

Die Konjunkturaussichten an einem Standort sind laut Studie für 78 Prozent der europäischen Profianleger ein wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium für ihre Investitionsentscheidung. 86 Prozent gaben Nachfrage und Angebot von Flächen als ein wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium an und für 76 Prozent sind die Finanzierungskonditionen wichtig beziehungsweise sehr wichtig. 60 Prozent der Umfrageteilnehmer halten unterdessen die regulatorischen Rahmenbedingungen für wichtig oder sehr wichtig, wenn es darum geht, eine Investitionsentscheidung zu treffen.

Wenn es um die Frage geht, welcher Immobilienmarkt sich am schnellsten von der Corona-Pandemie erholt, steht Deutschland klar an der Spitze: Satte 57 Prozent der europäischen Immobilieninvestoren rechnen damit. Vor allem der Berliner und Frankfurter Markt punkten bei den Befragten: 42 Prozent trauen Deutschlands Hauptstadt eine schnelle Erholung zu, 38 Prozent gaben Frankfurt an.

Deutschland profitiert an dieser Stelle von seiner wirtschaftlichen Stärke und dem bislang guten Krisenmanagement der Regierung. Berlin und Frankfurt haben, wie auch die anderen deutschen Standorte, eine überschaubare Büroflächenpipeline und damit gute Chancen, die Krise schnell hinter sich zu lassen. Aber auch den Immobilienmärkten von Paris (30 Prozent der Befragten), London (29 Prozent) und Stockholm (23 Prozent) werden gute Erholungschancen zugeschrieben. Deutlich länger dürften laut Studie hingegen die Märkte in Mailand (55 Prozent der Befragten) und Madrid (47 Prozent) mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben.

Verschlechterte Standortbedingungen in Frankreich und Großbritannien

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass Deutschland im aktuellen Immobilien-Investitionsklima-Index der Stabilitätsanker ist. Im Vergleich zur letzten Erhebung vor sechs Monaten ist der Indikator der Bundesrepublik nur leicht von 63,2 auf 62,6 Punkte gefallen.

Ganz anders in Frankreich (minus 9,5 Punkte) und Großbritannien (minus 6,1 Punkte). Grund dafür sind in beiden Ländern die Veränderung der Standortbedingungen und Erwartungen: In Frankreich ist der Teil index "Standortbedingungen" um 13,1 auf 57,5 Punkte gerutscht, der Teilindex "Erwartungen" um 20 auf 37,6 Punkte gefallen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Großbritannien.

DER AUTOR
OLAF JANSSEN
Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
 
Der europäische Immobilien-Investitionsklima-Index von Union Investment wird seit 2005 ermittelt, seit Frühjahr 2008 halbjährlich. Der Index berechnet sich aus den vier Teilindikatoren "Marktstruktur", "Rahmenbedingungen", "Standortbedingungen" und "Erwartungen", die mit jeweils 25 Prozent gewichtet werden. Für die aktuelle Auswertung hat das Marktforschungsinstitut Ipsos von Mai bis Juli 2020 insgesamt 150 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilieninvestoren in Deutschland (n = 57), Frankreich (n = 51) und Großbritannien (n = 42) befragt.
Olaf Janssen , Leiter Immobilienresearch , Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg
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