ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR

INVESTITIONSOFFENSIVE FÜR DIE ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR

Iris Bethge-Krauss, Foto: VÖB

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt investiert kaum ein Industrieland so wenig in seine Infrastruktur wie Deutschland. Das ist unter den fiskalischen Rahmenbedingungen eine paradoxe Situation, denn auch wenn die Schuldenbremsen des Bundes und der Länder den Spielraum für fremdfinanzierte Infrastrukturfinanzierungen begrenzen, sind die Voraussetzungen für die dringend notwendige Modernisierung der deutschen Infrastruktur angesichts noch hoher Steuereinnahmen sowie eines niedrigen - für den Staat teils negativen - Zinsniveaus so gut, wie schon lange nicht mehr. Allerdings scheitern viele Vorstöße an bürokratischen Hürden, zu hohem Planungsaufwand oder den zu unflexiblen Einsatzmöglichkeiten der diversen Fördermittel auf EU-, Bundes- und Länderebene. Mit einem hier vorgeschlagenen ganzen Bündel an möglichen Maßnahmen ließe sich laut der Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) die Wettbewerbssituation der Bundesrepublik spürbar verbessern. Red.

Investitionen in Bildungseinrichtungen, das neue Mobilitätszeitalter oder den Breitbandausbau sind entscheidend für unsere Zukunft. Auf Dauer kann sich die deutsche Volkswirtschaft weder den aktuellen Werteverzehr der Infrastruktur noch unterlassene Investitionen in Glasfaser oder 5G-Netze leisten.

Planungen beschleunigen

Die Finanzierung von Infrastrukturprojekten gehört traditionell zum Geschäftsmodell der öffentlichen Banken in Deutschland. Die Mitglieder des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) sind sowohl in der klassischen Projektfinanzierung als auch in der Beratung öffentlicher Auftraggeber, besonders der Kommunen, tätig. Aus dieser Erfahrung und vielen Rückmeldungen der Geschäftspartner wird klar, dass ein reines "mehr Geldausgeben" allein keine kurzfristigen Auswirkungen auf den Ausbau oder die Modernisierung der deutschen Infrastruktur haben. Die Bundesrepublik braucht vielmehr eine breite Investitionsoffensive durch Bund, Länder und Gemeinden, um die finanziellen und die administrativen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Infrastrukturprojekte werden oft durch fehlende Kapazitäten bei den Planungsbehörden sowie administrativen Hürden verzögert. Dabei sind Personalknappheit bei Planern und Ingenieuren aufseiten der öffentlichen Auftraggeber sicher ein großes Problem. Eine politische Debatte über die Bezahlung von Spezialisten außerhalb des Tarifsystems des öffentlichen Dienstes ist eine Möglichkeit, für Entlastung zu sorgen. Kooperationen der öffentlichen Verwaltung mit privaten Kompetenzträgern wie Kanzleien und Ingenieurbüros eine weitere. Auch ein standardisiertes Rahmenwerk für Planungsverfahren kann - wie in anderen EU-Staaten üblich - in Deutschland hilfreich sein und Infrastrukturfinanzierungen erleichtern. Dies gilt konkret für kleinere und mittlere öffentlich-private Kooperationsmodelle im Hochbau, die in Deutschland hinreichend erprobt sind.

Neben der Verbesserung der administrativen Rahmenbedingungen ist auch die Fachkräftesituation in der Baubranche und im Handwerk entscheidend. Eine gute Ausbildung von jungen Menschen im Handwerk und Bau bleibt das A und O. Denn ohne gut ausgebildete Fachkräfte in der Bauwirtschaft kann letztlich nicht gebaut werden.

Zudem werden verfügbare Fördermittel, besonders Zuschüsse und Mittel aus EU-Strukturfonds, erfahrungsgemäß nicht immer vollständig abgerufen. Ein flexibler Einsatz von Fördermitteln kann hierbei helfen. Die Finanzierungsmittel langfristig und revolvierend bereitzustellen, würde deren Inanspruchnahme zeitlich entzerren. Die Einrichtung eines Sondervermögens aus zunächst nicht beanspruchten Fördermitteln könnte künftige Infrastrukturinvestitionen stärken.

Belastbare Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen sind angesichts der langen Laufzeiten für Infrastrukturfinanzierungen besonders wichtig. Dies gilt ausdrücklich dann, wenn sich die Einnahmesituation der Öffentlichen Hand verschlechtern und die Zinsen wieder steigen sollten. Auch weitere maßgeschneiderte Förderinstrumente für nachhaltige Infrastrukturprojekte wie im Bereich der Energieversorgung oder des Personennahverkehrs könnten zusätzliche Anreize liefern.

Mit Partnerschaften nachhaltig bauen

Zudem unterstützt der VÖB den Investitionshochlauf, also spürbar gesteigerte Sachinvestitionen, beispielsweise beim Bundesfernstraßenbau und rät dazu, die Stärkung der Autobahngesellschaft des Bundes durch eine Kreditermächtigung zu prüfen. Die Autobahngesellschaft könnte dann in einem gewissen Umfang - entkoppelt vom kameralistischen Bundeshaushalt - sehr zielgerichtet die eigenen Projekte finanzieren.

Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung werden auf diese Weise gebündelt, um mehr Effizienz bei der öffentlichen Beschaffung zu ermöglichen. Die Gesellschaft könnte dann Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb ganzheitlich "aus einer Hand" ohne die bisherige Auftragsverwaltung umfassend und wirksam voranbringen. So kann sie bei der Umsetzung von Nutzerfinanzierungs- und Lebenszykluskonzepten eine zentrale Rolle spielen.

Gebührenbezogene und zweckgebundene Finanzierungsmodelle im Verkehrsbereich werden in Deutschland bisher skeptisch betrachtet. Dennoch kann es sich lohnen, weitere Projekte anzustoßen, um zu zeigen, dass dadurch geschlossene Finanzierungskreisläufe entstehen können und somit die Infrastrukturmodernisierung langfristig gestärkt werden kann.

Hoher Investitionsbedarf in öffentliche Immobilien

Ein hoher Investitionsbedarf besteht besonders auch bei öffentlichen Immobilien. Um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, sind öffentliche Investitionen in energetische Sanierungen und Energieeffizienz von Gebäuden erforderlich. Bund, Länder und Kommunen verfügen mit ihrer Nachfrage über ein erhebliches Marktpotenzial. Über die öffentliche Nachfrage können wichtige Impulse für die weitere Marktdurchdringung von energieeffizienten Produkten und Dienstleistungen sowie für weitere marktgetriebene technologische Innovationen geleistet werden.

Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz sind rentabel. Wenn der Energieverbrauch sinkt, verringern sich die Energiekosten und somit leistet Energieeffizienz auch einen Beitrag zur Entlastung der öffentlichen Haushalte. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung übt die öffentliche Hand eine politisch-gesellschaftliche Vorbildfunktion aus. Ihre Energieeffizienzmaßnahmen können auch bei den privaten Marktakteuren zu Investitionsanreizen führen.

Die öffentliche Hand sollte in ihre Gebäude und Liegenschaften investieren, um durch effiziente Sanierungsmaßnahmen Energie einzusparen. Beispiele hierfür sind Verwaltungsgebäude, Schulen, Schwimm- und Sporthallen. Um dies zu erreichen, könnten Bund, Länder und Kommunen nach den Empfehlungen der Deutschen Energie-Agentur (dena) ein strategisches Energie- und Klimaschutzmanagement einführen. Diese Maßnahme zielt darauf ab, Energieverbrauch und die Kosten dafür sowie CO2-Emissionen von der Heizungs- bis zur IT-Anlage systematisch zu erfassen und zu senken.

Mit den von der dena empfohlenen Sanierungsfahrplänen lassen sich ganze Gebäudebestände analysieren. Die Sanierungsfahrpläne zeigen als ein Instrument der Investitionsprogrammplanung detailliert auf, welche Immobilien vorrangig modernisiert werden sollten. Auf diese Weise erhalten Eigentümer und Verwalter einen Überblick, wie und in welchem Zeitraum sie ihren Bestand sinnvoll sanieren können, welche Kosten auf sie zukommen und welche Einsparungen zu erwarten sind.

Bankaufsichtliche Rahmenbedingungen verbessern

Der VÖB begrüßt, dass im Zuge der überarbeiteten Bankenverordnung "CRR" die Projektfinanzierung von "qualifizierten Infrastrukturinvestitionen" (auch durch Konsortialfinanzierungen) bei der Anrechnung auf das Eigenkapital um 25 Prozent geringer gewichtet wird. Projektfinanzierungen sind gegenüber staatlichen Finanzierungen oder staatlich garantierten Finanzierungen benachteiligt. Die privilegierte Behandlung der "qualifizierten Infrastrukturinvestitionen" korrigiert dieses Missverhältnis.

Die Bankenregulierung sollte entbürokratisiert werden. So können die Finanzierungen von Infrastrukturprojekten erleichtert und die Prozesse aufseiten der Auftraggeber und Banken verbessert werden. Projektfinanzierungen, die der Modernisierung der Infrastruktur zugutekommen, sind bei der Kapitalanrechnung der Banken weiterhin privilegiert. Diese Regeln sollten im Zuge der neuen Eigenkapitalforderungen für Banken "Basel IV" erhalten bleiben und nicht durch zusätzliche Voraussetzungen erschwert werden. Außerdem könnten mit Infrastrukturfonds institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds bei marktgängigen Infrastrukturprojekten und niedrigen Zinsen stärker eingebunden werden.

Infrastrukturoffensive für Zukunftsinvestitionen starten

Der finanzielle Spielraum für eine Investitionsoffensive in Deutschland ist da. Über eine Infrastrukturoffensive sollten die verfügbaren öffentlichen Förder- und privaten Finanzierungsmittel zielgerichtet für neue Infrastrukturprojekte eingesetzt werden. Aus Sicht der öffentlichen Banken ist es notwendig, das vorhandene Kapital noch stärker für die Modernisierung der Infrastruktur einzusetzen. Trotz des Ziels eines ausgeglichenen Haushalts und der Schuldenbremse können wir uns höhere Investitionen in die Infrastruktur nicht nur finanziell leisten, sondern wir müssen sie uns leisten. Sie sind dringend notwendig. Haushaltsdisziplin und eine hohe Steuerkraft bieten dafür gute Voraussetzungen.

Die fiskalischen Rahmenbedingungen sind damit gut, um erforderliche Investitionen in die Infrastruktur und damit in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes anzuschieben. Eine moderne Infrastruktur sichert schließlich die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland. Das sollte das gemeinsame Ziel von Politik, Wirtschaft und Finanzdienstleistern sein.

DIE AUTORIN IRIS BETHGE-KRAUSS Hauptgeschäftsführerin, Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e. V. (VÖB), Berlin
Iris Bethge-Krauss , Hauptgeschäftsführerin , Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e. V. (VÖB), Berlin

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