PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

KEIN ZURÜCK: WIE SICH DIE BEDÜRFNISSE IN DER BAUFINANZIERUNG UNUMKEHRBAR VERÄNDERT HABEN

Jörg Utecht, Foto: Interhyp AG (Bernhard Huber)

Wie Menschen wohnen und arbeiten möchten, verändert sich laufend. In den vergangenen Monaten haben jedoch Trends, die schon länger zu beobachten sind, an ganz neuer Dynamik gewonnen. Der Autor geht davon aus, dass die Corona-Pandemie nachhaltige Auswirkungen auf das Geschäft der Baufinanzierung haben wird. Das gilt für den Kontakt zu Kunden und Bankpartnern, aber auch für die finanzierten Objekte: Die Erfahrungen mit einer digitaleren Arbeitswelt lassen Menschen ganz anders über ein Leben außerhalb der Ballungszentren nachdenken. Dafür müsse aber schnell in den technischen und gesellschaftlichen Ausbau der Infrastruktur ländlicher Regionen investiert werden. Red.

Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen Unternehmen wie Privathaushalte gleichermaßen. Abgesehen von Sorgen um Infektionsrisiken und die Gesundheit von Familie und Freunden, kommen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen immer stärker zum Tragen. Noch immer befinden sich viele Beschäftigte in Kurzarbeit und im Unklaren über die Zukunft ihres Arbeitsplatzes. Die Entwicklungen der vergangenen Monate bedeuten für die meisten Menschen vor allem eines: Unsicherheit.

Gleichzeitig bleibt die Nachfrage nach Baufinanzierungen groß. Mit dem einmillionsten Kundenabschluss im Juni und dem einreichungsstärksten Monat in der Historie konnte Interhyp in den ersten beiden Quartalen des Jahres Unternehmensgeschichte schreiben.

Mit Corona rückt das Zuhause in den Mittelpunkt

Diese Entwicklungen sind kein Widerspruch, denn Immobilien verkörpern genau das, wonach sich Menschen in Krisenzeiten wie jetzt sehnen: Sicherheit und Beständigkeit. Anders als andere Anlageformen haben sie bei Eigennutzung gleichzeitig direkten Einfluss auf die Lebensqualität. Wie gut man die Zeit des Lockdowns gemeistert hat, hing eng mit den persönlichen Wohnverhältnissen zusammen. Zuhause bleiben ist mit Balkon oder Garten schlicht angenehmer als ohne.

Der Traum vom Eigenheim ist keiner, der bei widrigen Umständen direkt vergessen ist. Im Angesicht der Krise wird ein geplanter Kauf zwar vielleicht kurzfristig hinterfragt oder verschoben - verworfen jedoch nur selten. Die Sehnsucht nach Geborgenheit und Unabhängigkeit von Mietzahlungen macht den Wunsch aktuell häufig sogar eben noch stärker.

Die erwartete Entwicklung des Zinsniveaus ist dabei förderlich: Alle Experten sehen kurzfristig, also in den nächsten Wochen, kaum zinssteigernde Effekte - und damit gleichbleibende Zinsen. Auf Halbjahres- und Jahressicht halten viele Analysten beständige Konditionen für wahrscheinlich, einige erwarten dann aber auch wieder leicht steigende Konditionen. Grundsätzlich wird das Zinsniveau aber günstig bleiben.

Ein Freibrief für ein "Weiter-so" ist das jedoch keineswegs. Ganz im Gegenteil: Corona hat die Welt tragisch verändert und dabei gleichzeitig Entwicklungen befeuert, die schon länger zu beobachten sind. Die Digitalisierung ist schneller vorangeschritten, als absehbar war. In Windeseile musste sich die Arbeitswelt verändern, arbeiten Menschen - auch jene, für die das bislang nicht möglich war - plötzlich von zu Hause aus. Versuche, Schulunterricht flächendeckend digital abzubilden, wären vor einigen Monaten absolut undenkbar gewesen.

Dass nicht alles ohne Reibung funktioniert, ist dabei der Situation geschuldet. Was gerade passiert, ist weder klassisches Homeoffice noch die sinnvoll durchdachte digitale Ergänzung zum Präsenzunterricht. Es ist die Reaktion auf eine Notsituation. Und dennoch funktioniert vieles besser, als einige erwartet hätten.

Wie die meisten Unternehmen haben auch die Interhyp-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in den vergangenen Monaten flächendeckend von zu Hause aus gearbeitet. Um den Kunden auch weiterhin ein Topberatung bieten zu können, wurde schnell auf reine Online-Beratung via Screensharing umgestellt - was sehr gut angenommen wird. Unabhängig von der Pandemie wird das Angebot mit flächendeckender Videoberatung daher weiter ausgebaut.

Digitale Angebote und Kundennähe gehen Hand in Hand

Digital zu denken, liegt in der Interhyp-DNA. Daher war es ein logischer Schritt, die Kunden neben der persönlichen Beratung vor Ort auch digital zu unterstützen. Das bedeutet aber keineswegs einen Rückzug aus der Fläche, im Gegenteil, die Standorte werden weiterausgebaut. Digitale Beratung ist eine Ergänzung dazu, die es erlaubt, noch besser auf die individuellen Wünsche der Kunden einzugehen. Das alles sind Wege, die Interhyp schon lange für die Zukunft der Beratung gesehen und vorbereitet hat. Mit Corona haben sich die Bedürfnisse aber rapide verändert und diese Transformation beschleunigt.

Dieses Mehr an digitalen Prozessen ist nicht nur in der Beziehung zu den Kunden zu spüren, sondern auch in der Zusammenarbeit mit den Bankpartnern. Für die dort vielerorts dominanten manuellen Bearbeitungsschritte und -prozesse mussten neue Wege gefunden werden. Seien es alternative Identifikationsverfahren oder eine Erhöhung des Digitalisierungsanteils der Kreditantragsstrecken in der Systemlandschaft der Banken - in der Not zeigt sich auch hier: Es ist mehr möglich.

Dabei sollte es zukünftig nicht bleiben. Die Akzeptanz für digitale und auch mobile Bankgeschäfte war nie größer - viele Bankkunden haben in der Krise das erste Mal die App ihres Geldhauses heruntergeladen und genutzt. Banken erleben, dass ihr Privatkundengeschäft trotz Corona und bei geschlossenen Filialen erfolgreich möglich ist. Die Vorteile von kontaktloser Bezahlung haben einen ganz neuen Stellenwert erlangt, während der Kostenfaktor der Bargeldversorgung an Bedeutung verlor. Eine Rückkehr zu "business as usual" ist aus Banken- und Kundensicht weder wahrscheinlich noch wünschenswert.

Es braucht noch mehr Mut bei Entscheidern, diese Entwicklungen zukünftig noch weiter voranzutreiben. Auch hier sollten und können die digitalen Angebote den persönlichen Kontakt jedoch nicht ersetzen. Es geht vielmehr darum, die richtige Balance zu finden. Neue Möglichkeiten und Technologien müssen genutzt und weiter ausgebaut werden, aber eben genau da, wo es sinnvoll ist.

Die Welt erlebt einen regelrechten Digitalisierungsschub. Auf den neu entdeckten Wegen umzukehren, wäre fatal. Damit es in der Umsetzung aber nicht beim Notfallmodus bleibt, ist jetzt die Zeit, mutig zu sein, zu investieren und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Gerade was die digitale Infrastruktur angeht, gibt es in Deutschland großen Nachholbedarf. Hier müssen Leitungskapazitäten schnell ausgebaut werden: Remote Work, digitale Beratungen, Bildungsangebote und Co. haben nur dann Zukunft, wenn Menschen überall Zugang dazu haben. Der Netzausbau ist dafür die Grundvoraussetzung.

Ausbau der ländlichen Infrastruktur

Für die Baufinanzierung entstehen dann neue Märkte und Perspektiven: Wenn mobiles Arbeiten es erlaubt, dass der Arbeitsweg nur zweimal in der Woche anfällt, bedeutet das zeitliche und finanzielle Ersparnis. Dem lang gehegten Wunsch nach einem Haus im Grünen stehen dann weder Pendelwege noch -kosten im Weg. Das Eigenheim in ländlichen Gebieten wird zur leistbaren und praktikablen Realität für diejenigen, die sich in den Städten kein eigenes Zuhause ermöglichen konnten. Der Trend zur Immobilie außerhalb der Ballungszentren lässt sich nicht erst seit gestern beobachten - es wäre grundlegend falsch, von einem Corona-Phänomen zu sprechen. Doch die Entwicklung gewinnt mit der Pandemie neue Dynamik, diese Tendenz zeichnet sich bereits heute in der Analyse unserer Daten ab.

Doch auch wenn es mehr Menschen ins Grüne zieht - aktuell zwingt die Landflucht noch viele kleine Kommunen in die Knie. Fehlende technische Infrastruktur ist nämlich keineswegs der einzige Stolperstein bei der Realisierung des Zuhauses auf dem Land: Die ärztliche Versorgung ist sicher noch ausbaubar, die Verfügbarkeit von Schulen und Kinderbetreuung ist begrenzt. Und für die Tage, an denen man zur Arbeit in die Stadt fährt, muss die Infrastruktur stimmen, damit man nicht stundenlang unterwegs ist. Auch die Freizeitgestaltung ist eine andere. Was bleibt so von der gewonnenen Freiheit durch mobiles Arbeiten? Hier muss vor allem die Politik Verantwortung wahr- und übernehmen und Wohnen außerhalb der Metropolen mit kräftigen Investitionen endlich solide zukunftsfähig zu machen.

In der Reaktion auf die Corona-Krise hat sich gezeigt, dass die Bundesregierung, Unternehmen und wir alle als Gesellschaft flexibler sind, als wir uns zugetraut haben. Sie ist noch nicht ausgestanden und sie wird auch nicht die letzte Krise sein, mit der wir konfrontiert werden. Nichts kann dieser Tatsache den Schrecken nehmen. Spielen wir unsere Karten richtig und beweisen Mut, kann sie aber auch ein Katalysator für wichtige Veränderungen und ein neues Verständnis von Leben und Arbeiten werden.

DER AUTOR JÖRG UTECHT CEO, Interhyp AG, München
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