PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

KLIMAWANDEL UND PFANDBRIEF: AUS RISIKEN CHANCEN MACHEN

Prof. Dr. Leo Cremer, Foto: privat

"In Deutschland kommt der Klimawandel als Hitzewelle, als Dürre, als Waldbrand, als Starkregen oder eben als Überflutung an." Dieses Zitat der Bundesumweltministerin Svenja Schulze vom Oktober 2020 macht deutlich, dass es ein großer Fehler wäre, die Augen vor den inzwischen auch hierzulande längst spür- und sichtbaren Folgen des Klimawandels zu verschließen. Ganz besonders gilt dies natürlich nicht zuletzt für Immobilieneigentümer sowie deren Finanzierungspartner, schließlich birgt das Thema erhebliche Risiken unter anderem für Immobilienwerte und (Re-)Finanzierungskosten. Welche Rolle der Pfandbrief bei alldem spielt beziehungsweise künftig noch spielen könnte, eruieren die Autoren des vorliegenden Beitrags. Red.

Der Klimawandel wirkt auch auf den Hypothekenpfandbrief. Seine bewährten Mechanismen begrenzen zwar auch das Risiko aus Klimaeffekten. Diese Vorkehrungen stellen ihn allerdings zugleich vor die Frage, wie er aktiv zum Klimaschutz beitragen kann.

Kein neues Phänomen

Klimarisiken, also Risiken, die aus dem Klimawandel resultieren, stellen keine grundsätzlich neue Risikoart dar. Der Klimawandel wirkt vielmehr über bekannte Risikoarten wie das Kreditrisiko auf den Pfandbrief. Besonders macht Klimarisiken, dass diese schwer über klassische Risikomodelle zu greifen sind: Die vorhandenen Ausfalldaten sind teil weise nicht direkt auf die jeweilige Klimaherausforderung übertragbar.

Um Klimarisiken für Immobiliendarlehen und damit Hypothekenpfandbriefe abzuschätzen, bieten sich deshalb vor allem Szenarien und Wirkungsmodelle an. Dabei hat sich insbesondere seitens der Bankenaufsicht die Einteilung in physikalische und transitorische Risiken etabliert.

Abbildung 1: Systematik und Beispiele für Klimarisiken Quelle: L. Cremer und C. Weber

Physikalische Klimarisiken sind direkte Effekte aus dem Klimawandel wie vermehrter Starkregen und Hagel, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um bekannte Gefahren; neu sind die gesteigerte Häufigkeit der Extremwetterereignisse sowie das zunehmend höhere Schadensausmaß.

Das Pfandbriefgesetz (PfandBG) sieht in § 15 eine Versicherungspflicht für Gebäude vor. Der Klimawandel kann solche Versicherungen verteuern. In Relation zu den sonstigen Zahlungen rund um eine Immobilie ist es jedoch schwer vorstellbar, dass eine Prämienerhöhung für sich genommen zum Ausfall eines Darlehensnehmers führt.

Indirekt könnten sich physikalische Schäden grundsätzlich negativ auf den Immobilienwert auswirken. Das Spektrum möglicher Wirkungsmechanismen reicht von geringerem Reinertrag wegen teurerer Versicherungen über Kosten für bauliche Gegenmaßnahmen bis hin zu strukturellen Nachfrageänderungen.

Bauliche Gegenmaßnahmen müssen dabei aber nicht zwangsläufig mit hohem Kapitaleinsatz verbunden sein: Druckdichte Türen und Fenster schirmen den Keller bei Starkregen ab und eine gleichmäßige Kiesschicht schützt Flachdächer vor Sturmschäden. Solche Veränderungen gehen teilweise sogar mit einem Komfortzuwachs für die Nutzer einher, sodass ebenso gut ein Nettowertanstieg erfolgen kann. Die Nachfrage nach flussnahen Wohnbauprojekten lässt daran zweifeln, dass höheren physikalischen Risiken ausgesetzte Objekte pauschal weniger wert sind - bei Immobilien hat Lagequalität eben viele Dimensionen. Also bleiben in die individuelle Analyse, und hierfür ist der nach § 16 PfandBG auf langfristige und nachhaltige Objektmerkmale abstellende Beleihungswert prädestiniert, auch diese Aspekte einzubeziehen.

Überschaubare Effekte durch physikalische Risiken

Insgesamt dürfte der Effekt physikalischer Klimarisiken auf Pfandbriefe damit überschaubar sein, zumal die regionale Aktivität wegen § 13 PfandBG begrenzt ist. Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass mittlerweile ein Bewusstsein für Klimarisiken vorhanden zu sein scheint und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können: individuell für jede Immobilie wie kollektiv im Rahmen einer weitreichenden Klimapolitik.

Transitorische Klimarisiken stellen hingegen eine indirekte Folge des Klimawandels dar: Sie entstehen gerade aus den Anstrengungen heraus, den Klimawandel einzugrenzen. Zentral sind dabei Maßnahmen, die den Ausstoß an klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) reduzieren beziehungsweise vermeiden. In Deutschland entstammen derzeit knapp 30 Prozent dieser CO2-Emissionen dem Gebäudesektor, vor allem durch die Nutzung fossiler Energieträger zur Bereitung von Raumwärme und Warmwasser, bei der Herstellung von Strom und Fernwärme sowie der Herstellung von Baustoffen.

Gemäß des vom Bundeskabinett im Jahr 2016 beschlossenen Klimaschutzplans soll der Gebäudesektor bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Erreicht werden soll dies über eine höhere Gebäudeenergieeffizienz sowie die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien zur Deckung des verbleibenden Bedarfs. Bezogen auf Wohngebäude bedeutet dies vor allem eine Reduktion des Primärenergiebedarfs von zirka 200 Kilowattstunden (kWh), dem Durchschnittswert für Bestandsgebäude in Deutschland, auf rund 40 kWh pro Quadratmeter Gebäudenutzfläche und Jahr.

Dies verlangt eine tiefgreifende energetische Sanierung eines Großteils des Bestandes, ob nun explizit per gesetzlicher Vorgabe oder implizit zum Beispiel mittels CO2-Steuer veranlasst. Auf den ersten Blick scheint dies zu höheren Belastungen der Immobilieneigentümer und damit zu Wertverlusten zu führen.

Energetische Sanierungen: ein differenzierter Blick lohnt sich

Auf den zweiten Blick zeigt sich hier ein differenzierteres Bild, etwa für ein typisches Mehrfamilienhaus aus den sechziger Jahren. Auch ohne CO2-Steuer reduziert eine energetische Sanierung die Heizkosten dort mehr als sie kostet. Und insoweit die Immobilie dadurch an Wert gewinnt, steht einer angemessenen Finanzierung der Maßnahme wenig im Weg, sodass sich das Ausfallrisiko kaum verändert.

Abbildung 2: Werteffekt und Refinanzierbarkeit einer energetischen Sanierung (illustrativ, in Tausend Euro) Quelle: L. Cremer und C. Weber

Bei Mietobjekten besteht die Herausforderung, wie der Eigentümer von der Heizkosteneinsparung profitieren kann, die in der Regel überwiegend dem Mieter zugute kommt. Wertrisiken entstehen in diesem Zusammenhang dadurch, dass Kaltmieten nominalen Begrenzungen unterworfen sind oder die CO2-Steuer ohne Kompensationsmöglichkeit auf den Vermieter umgelegt werden könnte.

Bei Gewerbeobjekten dürfte in dieser Neuverteilung zwischen Kaltmiete und Nebenkosten hingegen weniger Konflikt- und damit Wertrisiko liegen. Dafür liegt ein Gefahrenpotenzial darin, dass bestimmte Mieterbranchen von klimapolitischen Maßnahmen getroffen werden. Für die zentralen Objektarten Büro, Einzelhandel, Logistik und Hotel mit gegebener Drittverwendungsfähigkeit sollte dies jedoch weniger ein Thema sein.

Alles in allem dürften sich diese transitorischen Risiken damit für den Pfandbrief in Grenzen halten. Übergreifend kommt hinzu, dass sich physikalische und transitorische Klimarisiken teilweise kompensieren: Je stärker die Klimawende forciert wird, also transitorische Effekte entstehen, desto geringer sollten die physikalischen Effekte ausfallen - darauf zielt die Klimapolitik ja genau ab. Insoweit kann der Pfandbrief sogar von einer Klimawende profitieren, indem die Sicherheiten starkwetterfester und energieeffizienter werden und so an Stabilität gewinnen. Auch empirisch sieht es danach aus, dass Finanzierungen von energieeffizienten Gebäuden ein geringeres Ausfallrisiko als Kredite für unsanierte Objekte aufweisen.

Seine Stabilitätsmechanismen könnten jedoch gleichzeitig dazu führen, dass der Pfandbrief über eine passive Rolle nicht hinauskommt. Die strengen Kriterien für den Beleihungswert stellen eine besondere Hürde dar, wie ein Blick auf die Beispielimmobilien nahelegt (siehe Abbildung 2).

Strategisches Risiko ...

Eine energetische Sanierung erhöht den Verkehrswert, falls die Heizkosteneinsparung der Mieter zu einer höheren Kaltmiete führt, das heißt die Warmmiete konstant bleibt. In diesem Fall übersteigt der Ertragswert der Immobilie die Sanierungskosten. Für den zugehörigen Beleihungswert erweist sich vor allem § 4 (3) BelWertV als beschränkend, demgemäß der Sachwert nicht mehr als 20 Prozent unter diesem liegen soll. Der Sachwert basiert auf Standardstufen und Normherstellungskosten. Eine Wärmedämmung spielt bei der Einstufung zwar eine Rolle, bleibt jedoch nur ein Teilaspekt. Schutzvorkehrungen gegen Wetterschäden finden sich in den Stufendefinitionen höchstens indirekt.

... oder strategische Chance?

Im konkreten Beispiel führt selbst eine Verbesserung um eine halbe beziehungsweise ganze Standardstufe dazu, dass der Beleihungswertzuwachs hinter den Sanierungskosten zurückbleibt. Für eine Sanierungsentscheidung spielt der Beleihungswert direkt keine Rolle. Indirekt begrenzt ein solcher Effekt aber die Möglichkeiten der finanzierenden Bank bei der Sanierungsmaßnahme zu unterstützen. Die BaFin regt in ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken die "Zusammenarbeit mit Förderbanken bei der Vergabe von Krediten für nachhaltiges Bauen; [...] Finanzierung von energieeffizienten Immobilien als lukratives neues Geschäftsfeld" an.

Ohne Weiteres dürfte es allerdings schwer werden, im Wettbewerb mit Förderkrediten mitzuhalten. Tatsächlich geht die Vergabe von grünen Immobiliendarlehen oft mit einer reduzierten Marge einher. Die Refinanzierung über Green Bonds weist hingegen nur einen deutlich geringeren Margenvorteil auf.

Wegen der bereits vorhandenen Refinanzierungsvorteile des Pfandbriefs ist es nachvollziehbar, dass auch das Margen potenzial eines grünen Pfandbriefs begrenzt ist, zumal nur eine einheitliche Deckungsmasse vorhanden ist. Die BaFin nennt die Emission von grünen Pfandbriefen, Schuldscheinen oder Produkten eine strategische Frage, die sich Kreditinstitute stellen können. Die höhere Überzeichnungsquote grüner Emissionen kann diese für Pfandbriefbanken tatsächlich attraktiv machen; mit Fördermitteln lässt sich dadurch aber schwerlich gleichziehen.

Eine generelle Handlungsmöglichkeit für den Pfandbrief stellt es dar, die nachweisbar positiven Eigenschaften energieeffizienter Immobilien stärker zu berücksichtigen. Dies könnte zum Beispiel bei den Beleihungswertregeln und der Beleihungsgrenze erfolgen. Dies wäre prinzipiell sogar im Sinne der EBA, die im aktuellen Konsultationspapier das Anpassen bestehender Produkte anspricht. Eine institutsindividuelle Handlungsmöglichkeit besteht darin, den Pfandbrief als Vorbild für eine grüne (Mezzanine-)Anleihe zu wählen. Konkret könnten genau jene nachrangigen Anteile grüner Finanzierungen zur Besicherung genutzt werden, die die Pfandbrief-Grenze von 60 Prozent des Beleihungswertes übersteigen, jedoch unterhalb von 50 Prozent des Verkehrswertes liegen, also etwa bei der Eigenkapitalunterlegung typischerweise als besonders risikoarm gelten (siehe Abbildung 2).

Das laufende Management dieser Anleihen und der zugeordneten Kredite würde sich an dem des Pfandbriefs orientieren, die inhaltlichen Kriterien für zulässige Immobilienfinanzierungen an den bestehenden Mindestanforderungen für grüne Pfandbriefen des vdp. Zu einem Margenwunder wird dies nicht führen, jedoch kann bereits ein teilweises Honorieren der Besicherung einer niedrigeren Gesamtrefinanzierungsmarge in Höhe derzeit typischer Margenvorteile grüner Immobilienkredite führen.

Der Pfandbrief als Vorbild

Vieles spricht dafür, dass sich der Pfandbrief auch bezüglich Klimarisiken als stabil erweist. Energetische Sanierungen verbessern die Kreditqualität, davon profitiert der Pfandbrief. Geschäftspotenzial scheint weniger beim Pfandbrief selbst zu bestehen; seine Strukturen lassen sich aber als Vorlage für neue Produkte wie die skizzierte grüne Mezzanine-Anleihe nutzen.

Fußnoten

1) Zum Beispiel infolge von CRD V Artikel 98: European Banking Authority (EBA); On management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms (2020). European Systemic Risk Board (ESRB): Positively green: Measuring climate change risks to financial stability (2020). Europäische Zentralbank (EZB): Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken (2020). Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin); Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken (2019).

2) Die Bundesregierung: Klimaschutz- Bauen und Wohnen (2021).

3) BMU; Klimaschutzplan 2050: Klimapolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung (2016).

4) Basierend auf: Cremer/Weber; Werteffekt bei energetischer Sanierung: Fallstudie Mehrfamilienhaus; GuG Grundstücksmarkt und Grundstückswert (2021); S. 99-104

5) Vergleiche zum Beispiel Billio/Costola/Pelizzon/Riedel; Buildings' Energy Efficiency and the Probability of Mortgage Default: The Dutch Case; SAFE Working Paper No. 261 (2020). Guin/Korhonen; Does energy efficiency predict mortgage performance?; Bank of England Staff Working paper No. 852 (2020).

6) Zum Beispiel 10 Basispunkte; vergleiche Winkler: Grüner Pfandbrief - ein Produkt mit Zukunft; Immobilien & Finanzierung (2019); S. 280-281.

7) Zum Beispiel unter 2 Basispunkten bei Zwillingsvergleich von Bundesanleihen; Climate Bond Initiative: Green Bond Pricing in the Primary Market, July - December 2020.

8) Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp): Mindeststandards für die Nutzung der Wortmarken "Grüner Pfandbrief", "Green Pfandbrief" für Hypothekenpfandbriefe (2019).

 
Christine Weber , Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule RheinMain und Bergische Universität Wuppertal
Prof. Dr. Leo Cremer , Professur für Mathematische Methoden in der Bau- und Immobilienwirtschaft, Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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