BEZAHLBARER WOHNRAUM IN DEUTSCHLAND

KOMMUNALE HANDLUNGSOPTIONEN STÄRKEN

Dr. Gerd Landsberg, Foto: DStGB

Wohnungsbau stärken, Bestände aktivieren, Anreize schaffen und Standards abbauen - das sind die vier Kernforderungen der deutschen Städte und Gemeinden an die Wohnungspolitik. Wie das in der Praxis konkret umgesetzt werden kann, erläutert der Autor des folgenden Beitrags. Unter anderem müssten dafür die Städte besser in die Lage versetzt werden, verfügbare und preiswerte Grundstücke zu aktivieren, ein erweitertes kommunales Vorkaufsrecht könnte an dieser Stelle helfen. Großes Potenzial bei der Schaffung preiswerten Wohnraums sieht er in der Stärkung von kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, da dieses Anliegen tief in deren jeweiligen DNA verankert sei. Kein Verständnis hat er hingegen für die abermalige Verschärfung der Mietpreisbremse, die letztlich keine neue Wohnung schaffe. Red.

Beim "Wohngipfel" am 21. September 2018 im Bundeskanzleramt wurde festgehalten, die Kommunen bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie bei der Aktivierung von Bauland zu unterstützen. Diese Zielstellung ist richtig, denn die Wohnungsfrage ist eine zentrale soziale Frage unserer Zeit. Gerade Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen stehen immer häufiger vor dem Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die kommunalen Spitzenverbände fordern daher seit langem eine Wohnungsbauoffensive und eine gemeinwohlorientiertere Bau- und Wohnungspolitik.

Starke Spaltung des Wohnungsmarktes

Ein "Weiter so wie bisher" darf es angesichts eines Bedarfs von etwa 1,5 Millionen neuer Wohnungen in Deutschland nicht geben. Im Gegenteil: für eine umfassende Wohnraumoffensive müssen zügig investive Impulse gesetzt, die Bezahlbarkeit des Wohnens gesichert, die Baukosten nachhaltig gesenkt und die Mobilisierung von Bauland verbessert werden. Hinzu kommt, dass der Wohnungsmarkt in Deutschland nach wie vor stark gespalten ist: Wachsenden Wohnungsmärkten stehen Schrumpfung und Leerstände, insbesondere in strukturschwachen Kommunen, gegenüber. Über zwei Millionen Wohnungen stehen in Deutschland leer. In diesen Regionen muss der Fokus auf der Aktivierung des Bestands und von Brachen liegen.

Schaut man sich diese Herausforderungen an, wird klar, dass Lösungen nur in engem Zusammenwirken aller Akteure, insbesondere von Bund, Ländern, Kommunen und der Immobilien- und Bauwirtschaft gemeinsam gefunden werden können. Mit der Einrichtung der Expertenkommission "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik" hat der Bund einen ersten Schritt getan. Es darf allerdings nicht bei Absichtserklärungen bleiben, sondern es müssen zügig konkrete Schritte und Maßnahmen umgesetzt werden.

Baulandmobilisierung verbessern

Eine wesentliche Rolle spielt in der kommunalen Praxis die Baulandmobilisierung. Teures Bauland und fehlende Flächen hemmen den Wohnungsbau. Die im Städtebaurecht 2017 neu geschaffenen Möglichkeiten (Beispiel: "Urbanes Gebiet") reichen zur Wohnraumversorgung und Baulandmobilisierung nicht aus. Zur besseren Baulandverfügbarkeit durch Kommunen sind daher weitere bodenpolitische Maßnahmen erforderlich. Ziel muss es sein, rechtlich bebaubare, aber unbebaute Grundstücke für die Baulandmobilisierung besser zu aktivieren.

Insbesondere ein erweitertes kommunales Vorkaufsrecht beim Grundstücksverkauf durch Private, die Etablierung einer Innenentwicklungsmaßnahme, mit der Kommunen innerorts besser Grundstücke zum Zwecke der Baulandmobilisierung entwickeln können, die Erweiterung und Stärkung des Baugebots (§ 176 BauGB) sowie die Einführung vereinfachter Verfahren zur Finanzierung der Kosten der Baulandentwicklung und Folgeinfrastruktur im Rahmen kooperativer Baulandmodelle sind Ansätze, die weiterhelfen können.

Diese Überlegungen sind praxisgerecht und im Ergebnis weit von "sozialistischen Tendenzen" entfernt. Sie gründen auf dem Postulat unseres Grundgesetzes: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen." Auch das Baugesetzbuch verfolgt in § 1 Absatz 5 das Ziel einer dem Wohl der Allgemeinheit dienenden sozialgerechten Bodennutzung. Dennoch kennen Wohnungspreise in der Regel nur eine Richtung: Nach oben! Eine Ursache ist, dass es in Deutschland im Jahre 2017 nur noch zirka 1,2 Millionen Wohnungen mit Mietpreisbindung gab und damit knapp eine Millionen weniger als noch vor zehn Jahren. Jedes Jahr fallen weitere über 70 000 Wohnungen aus der Mietpreisbindung heraus. Zügige Maßnahmen sind daher dringend erforderlich.

Serielles und nachhaltiges Bauen stärken

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Beschleunigung des Wohnungsbaus ist das serielle Bauen. Standardisierungen und serielles Bauen können enorme Kosten sparen. Sie können bei Wahrung der Baukultur zudem die Fertigstellung von Wohnbauprojekten beschleunigen. Dazu gibt es mittlerweile in Deutschland vielfältige Ansätze, die die ganze Bandbreite der seriellen Fertigung widerspiegeln. Sie reicht vom industriell gefertigten Wohnmodul über die große Wohnanlage, die mit Fertigelementen errichtet wird, bis zum Typenhaus, das vielfältig modulierbar und für verschiedene Wohnbedürfnisse einsetzbar ist.

Um die Vorteile des seriellen Bauens auch tatsächlich nutzen zu können, bedarf es einer Anpassung der Genehmigungsverfahren. Immer noch haben wir es in Deutschland mit 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen zu tun, die vielfach voneinander abweichen. Dies ist, insbesondere mit Blick auf das serielle Bauen, hinderlich. Die Wiedereinführung der Typengenehmigung in einer Musterbauordnung und deren einheitliche Anwendung in den Ländern kann dazu beitragen, dass Baugenehmigungsverfahren "vor Ort" erheblich beschleunigt und Wohnraumbedarfe zügiger befriedigt werden können.

Steueranreize schaffen - Standards abbauen

Auch durch gezielte steuerliche Anreize, die allen Regionen zugutekommen, muss der Neu- und Umbau preiswerten Wohnraums unterstützt werden. In diesem Zusammenhang sollten auch Städte und Gemeinden selbst, etwa durch eine Befreiung von der Grunderwerbssteuer, wenn diese innerörtliche Brachflächen zur Revitalisierung erwerben, unterstützt werden. Die Mietpreisbremse kann zudem - auch in ihrer neuen und verschärften Form - nicht zur "Schaffung" preiswerten Wohnraums beitragen. Hierdurch wird keine einzige Wohnung neu gebaut.

Zielführender ist es daher, die mehr als 20 000 Bauvorschriften, die mit dazu beigetragen haben, dass sich die Baukosten in den letzten Jahren jährlich um zirka vier Prozent erhöht haben, auf den Prüfstand zu stellen. Neben den einschlägigen Energiestandards (zum Beispiel EnEV) müssen auch die Normung und die bautechnischen Regeln überprüft werden. Die Erarbeitung von technischen Normen sowie ihre Übernahme in das bautechnische Regelwerk (DIN et cetera) bedürfen einer strengen Prüfung auf Erforderlichkeit und einer Kosten-Nutzen-Analyse. Ohne eine nachhaltige Reduzierung der Baukosten wird es nicht gelingen, Wohnungsbauprojekte zu bezahlbaren Preisen zu realisieren.

Innenentwicklung fördern - Dezentralisierung forcieren

Innenentwicklung und die Aktivierung des Bestands müssen zudem aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen gegenüber einer Außenentwicklung grundsätzlich Vorrang haben. Um die Innenentwicklung gerade in strukturschwachen Regionen zu fördern, sollten Bund und Länder daher den Ankauf und die Sanierung leerstehender Immobilien in Ortskernen gezielt fördern. Es muss wirtschaftlich interessant sein, auch in den Bestand und nicht nur in den Neubau zu investieren.

Hinzu kommt: Oft sind die Wohnungspreise vor allem in attraktiven Großstädten trotz Fördermaßnahmen für immer mehr Bevölkerungskreise unbezahlbar. Lange Fahrten vom Wohnort zur Arbeitsstelle sind die Folge. Daher muss auch für die Raumordnung, die Landesplanung und die Kommunen gelten: Nicht nur Großstädte, sondern die großräumige Region und eine stärkere interkommunale Kooperation gehören in den Fokus der Politik. Statt noch mehr teuren Wohnraum sowie Luftverschmutzung und Lärmbeeinträchtigungen in den Innenstädten der Großstädte zu forcieren, müssen gute ÖPNV-, aber auch Schnellbahnanbindungen, eine schnelle Digitalisierung und eine Dezentralisierung von Arbeitsplätzen ländliche Räume stärken und die Wohnungsmärkte entspannen helfen.

Kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen unterstützen

Kommunale Wohnungsunternehmen sind seit jeher wichtige Partner der Städte und Gemeinden sowie Garanten einer nachhaltigen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Die über 700 kommunalen Wohnungsunternehmen besitzen in Deutschland rund 2,5 Millionen Wohnungen. Diese kommunalen Unternehmen sind nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Sie sind vielmehr dem Ziel verpflichtet, preiswerten Wohnraum für breite Kreise der Bevölkerung zu schaffen. Zudem verfolgen sie regelmäßig eine integrierte sowie nachhaltige und kompakte Stadtentwicklung. Bei ihren Maßnahmen steht städtebaulich die Stärkung der Innenstädte und Ortskerne im Vordergrund.

Daher sind kommunale Wohnungsunternehmen Bestandshalter. Sie tragen mit einer zurückhaltenden Mietenpolitik maßgeblich zu einer sozialgerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden bei. Wegen ihrer besonderen Rolle sollten kommunale Wohnungsunternehmen auch in ihrer Gründungsphase sowie mit dem Ziel einer Stärkung kommunaler Kooperationen daher gezielt in staatliche Förderprogramme zur Stadtentwicklung und zum Wohnungsbau einbezogen werden.

Auch das genossenschaftliche Wohnen muss in Deutschland weiter ausgebaut werden. Wohnungsgenossenschaften leisten im Sinne des Solidarprinzips einen wichtigen Beitrag zur Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie zur Bildung stabiler Wohnquartiere. Neben der Förderung, insbesondere kleinerer Genossenschaften in der Gründungsphase, sollte eine stärkere Einbeziehung von Wohnungsgenossenschaften auch in Kooperationsvereinbarungen mit den Kommunen unterstützt werden.

Hemmnisse abbauen - Investitionen beschleunigen

Trotz vielfältiger Handlungsansätze bleibt es dabei: Es wird in Deutschland - noch - zu wenig und zu wenig preiswert gebaut. So wurden 2017 nur 284 000 Wohnungen gebaut, nötig sind aber 350 000 bis 400 000 Wohnungen pro Jahr. Das Gebot heißt daher: Bauen, Bauen, Bauen! Die Herausforderungen bleiben seit Jahren dieselben: Wir haben zu wenig verfügbare und erschwingliche Grundstücke. Wir brauchen eine bessere Baulandaktivierung und eine Baukostensenkung, auch durch qualitätsvollen seriellen Wohnungsbau.

Erforderlich sind zudem der Abbau von kostentreibenden Standards und eine Beschleunigung der Verfahren. Schließlich benötigen wir auch mehr Handwerker im Bau, damit sich die Zahl der Angebote bei kommunalen Ausschreibungen mittelfristig wieder erhöht und ein echter Wettbewerb entsteht. In diesem Zusammenhang sollten Bund und Länder auch eine weitere Vereinfachung und Vereinheitlichung des Vergaberechts prüfen.

DER AUTOR DR. GERD LANDSBERG Hauptgeschäftsführer, Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V., Berlin
Dr. Gerd Landsberg , Hauptgeschäftsführer , Deutscher Städte- und Gemeindebund
Noch keine Bewertungen vorhanden


X