Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft

Lassen sich mit Google-Immobilienzyklen prognostizieren?

Abbildung 1: Frühindikatoren für Immobilienwerte (Indexwerte mit unterschiedlichen Basisjahren) Quelle: Hypoport AG, Bulwiengesa AG, JLL GmbH, ifo-institut e.V.

Vergangene Krisen haben uns gelehrt, dass Indikatoren zur Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklungen mangelhaft sein können. Existieren Tools aus der digitalen Welt, die bei der Einschätzung zukünftiger Trends mehr Verlässlichkeit gewährleisten können? Längst treibt diese Frage auch Wissenschaftler der Immobilienwirtschaft um. Für Immobilienmärkte oftmals charakteristische Probleme wie Intransparenz und Informationsasymmetrien machen dieses Unterfangen umso dringlicher. Bislang gängige Indikatoren basieren oftmals auf nur verzögert vorliegenden und nicht belastbaren Daten und erschweren dadurch die präzise Vorhersage möglicher Abschwünge oder Preisentwicklungen. Die Autoren stellen Untersuchungen vor, die das Potenzial des auf der Auswertung von Suchanfragen basierenden Tools "Google Trend 2.0" ermittelt haben. Der Tenor ist eindeutig: mithilfe dieses Instruments kann eine Qualitätssteigerung von Prognosen auf Immobilienmärkten erreicht werden. Insbesondere die zeitnahe Verfügbarkeit relevanter Daten können Nutzern einen wertvollen Informationsvorsprung verschaffen. Red.

Immobilienmärkte gelten als wenig transparente Märkte. Dies ist für Marktakteure mitunter ein Segen, denn Intransparenz eröffnet jenen Akteuren Handlungsspielräume und Extrarenditen, die Informationsvorteile nutzen können. Doch gerade diese Asymmetrie der Informationen führt gleichzeitig zu Ineffizienzen des Marktes, da nicht die bestmögliche Nutzung über das höchste Zahlungsgebot entscheidet, sondern die teils zufällig verteilten Informationen. Transparente Märkte indes locken zusätzliche Marktakteure an, der Wettbewerb nimmt zu, und dies führt zu mehr Aktivität, folglich auch einer besseren Allokation der knappen Immobilien.

Verlässliche Informationen sind also nicht nur für die beteiligten Marktakteure wertvoll, sie sind auch jenseits des besseren Marktergebnisses volkswirtschaftlich wichtig. Gerade in Zeiten von Turbulenzen, in denen es nicht nur um ein paar Basispunkte mehr oder weniger Rendite geht, können sie möglicherweise über den Verbleib am Markt entscheiden. Ein guter Frühindikator ist daher besonders wichtig, weil er helfen kann, Wendepunkte am Markt zu erkennen und das Handeln frühzeitig auszurichten. Doch es ist gar nicht so einfach, einen belastbaren Frühindikator für Immobilienmärkte zu bestimmen.

Mängel gängiger Frühindikatoren

Gängige Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex haben keinen guten Vorlauf zu wichtigen Immobilienindizes, selbst immobilienspezifische Frühindikatoren sind für viele wichtige Immobiliendaten nur geringfügig belastbarer. Abbildung 1 veranschaulicht den Verlauf des ifo-Geschäftsklimaindex, der Wohnungspreisentwicklung in Deutschland und die Entwicklung der mittleren Büromieten am Beispiel Frankfurt.

Dass die gängigen umfragebasierten Frühindikatoren nicht immer zufriedenstellend vorauseilen liegt an zwei zentralen Mängeln: Zum einen liegen sie häufig nur auf Monatsbasis und dann noch verzögert vor, zum anderen spiegeln sie Einschätzungen der Akteure, nicht jedoch deren handlungsrelevante Pläne wider. Verbale Einschätzungen kosten nichts, sie lassen sich rasch revidieren, folglich könnte es sein, dass sie nicht genau die geplanten Handlungen abbilden.

Es wäre also wünschenswert, schnellere Informationen zu handlungsrelevanten Plänen der Marktakteure zu erhalten. Genau hier setzt seit einigen Jahren ein neuer Forschungszweig an: die Analyse von Internetdaten, hier insbesondere von Google-Suchanfragen. Der Grund für die Beliebtheit dieser Suchanfragedaten liegt in der Geschwindigkeit und Aktualität des Internet; die Informationen liegen zeitnah vor, und vor allem zeugt die Suche nach Informationen im Netz von echtem Interesse. Der Vorlauf zu einer Handlung ist dann wahrscheinlicher.

Verbesserte Prognosen dank Google-Suchanfragen

Sehr viele Menschen nutzen heute Suchmaschinen um Informationen zu erhalten. Google, als Marktführer der Internet-Suchmaschinen, bietet mit dem Tool "Google Trends 2.0" eine einfache Auswertung von konkreten Suchanfragen. Die Suchanfragen und deren Suchvolumen werden in diesem Tool gesammelt und der Öffentlichkeit kostenlos in Form eines Suchvolumenindex (SVI) zur Verfügung gestellt.

Diese SVIs können zusätzlich für bestimmte Kategorien oder Schlüsselwörter gefiltert werden, um den Index zu spezifizieren (zum Beispiel Unterkategorie "Immobilien"). Im Gegensatz zu anderen Frühindikatoren, kann die Zeitverzögerung praktisch vernachlässigt werden, da Daten von Google nur zwei Tage nach dem Tag der Sammlung zur Verfügung stehen. Außerdem nimmt die Datenerfassung erheblich weniger Zeit in Anspruch als beispielsweise umfragebasierte Indikatoren.

Die Frage ist nun, lässt sich aus diesen Suchanfragedaten ein Mehrwert für die Immobilienmarktakteure schaffen? Eine Reihe von Forschungsprojekten unter anderem an der Universität Regensburg konnte zeigen, dass Google-Daten in der Tat zusätzliche Informationen für Immobilienmarktakteure bieten und dass diese Informationen in vielen Situationen Vorlaufcharakter haben.

In einem ersten Forschungsprojekt konnte Dietzel zeigen, dass der Case-Shiller-Hauspreisindex für die USA einen sehr engen Gleichlauf mit dem konzipierten Suchabfrageindikator aufwies (Abbildung 2). Wichtiger aber ist, dass die Wendepunkte des Google-Indikators den Wendepunkte des Hauspreisindex vorausliefen. Wendepunkte sind bei der Marktentwicklung kritisch: wer die Wendepunkte eines Marktzyklus früher erkennt als Wettbewerber, kann sich früher vor einem Abschwung in Sicherheit flüchten oder vor einem Aufschwung noch günstig einkaufen.

Zeitvorteil aufgrund aktueller Daten

In einer früheren Arbeit gingen Hohenstatt et al noch weiter: Sie entwickelten eigene SVIs zum US-Wohnimmobilienmarkt, um Rückschlüsse auf zukünftige Preise und Transaktionsvo lumina zu erhalten. Sie konnten zeigen, dass Suchabfragen aus der Kategorie Immobilienberatung (Real Estate Agency) als sehr robuster, vorauslaufender Indikator für die Entwicklung von Transaktionsvolumen dienen. SVIs der Kategorie Wohnungsfinanzierung (Home Financing) geben wiederum Aufschluss über die zu erwartende Entwicklung von Finanzierungsentscheidungen.

Auf dieser Arbeit baut unter anderem der Beitrag von Dietzel auf. Er zeigt, dass gerade die Aktualität der Google-Daten einen enormen Zeitvorteil gegenüber herkömmlichen Marktinformationen bietet. Abbildung 3 veranschaulicht diesen Zeitvorteil: In der Analyse konnte nicht nur ein Vorlauf zur zukünftigen Entwicklung des Hauspreisindex gezeigt werden. Da die Hauspreisdaten regelmäßig erst mit zwei Monaten Verspätung publiziert werden, ließen sich mit Hilfe von Google-Suchanfragen Aussagen über die noch nicht publizierten Daten zur aktuellen Entwicklung treffen (Nowcast). Die Internetdaten sorgen also für zusätzliche, zeitnahe Informationen zur Marktentwicklung. Dies erhöht die Informationseffizienz des Marktes, Unvollkommenheiten werden vermindert.

Diese Vorteile beschränken sich keineswegs nur auf den Wohnungsmarkt. Dietzel, Braun und Schäfers konnten beispielsweise zeigen, dass sich Prognosen auf die Entwicklung von Gewerbeimmobilienmieten undtransaktionsvolumen durch die Berücksichtigung von Google-Daten verbessern ließen. Hierfür wurden verschiedene, auf den Gewerbeimmobilienmarkt zugeschnittene, SVIs mit Hilfe von Prognosemodellen für Preise und Transaktionsvolumina überprüft.

In allen Prognoserechnungen konnte der Prognosefehler durch die Modelle, in denen zusätzlich Google-Daten einflossen (Abbildung 4) um bis zu 54 Prozent reduziert werden. Ein reduzierter Prognosefehler ist für Marktakteure eine bedeutsame Verminderung des Anlagerisikos. Wer sich seltener mit seiner Einschätzung der künftigen Marktentwicklung irrt, wird häufiger einen angemessen Preis bieten. Dies verschafft einen Wettbewerbsvorteil.

Signifikante Reduktion von Prognosefehlern

Google-Suchabfragen bieten zusätzliche Informationen, die bisher Vorlaufeigenschaften zu wichtigen Marktgrößen aufweisen. Mit Hilfe von Google-Suchabfragen ist es möglich, Interessen und Präferenzen von Marktakteuren einzufangen. Sie sind daher näher an handlungsrelevanten Plänen als Umfrageergebnisse. Doch auch Google-Abfragen sind nicht ohne Probleme. Wir beschränken uns auf drei Problemfelder:

Erstens werden die Abfragedaten indexiert. Es gibt keine absoluten Abfragewerte. Dadurch kann es zu Verzerrungen kommen.

Zweitens werden auch Google-Daten zeitverzögert publiziert. Bis zur Veröffentlichung kann es Zeitvorteile für wenige Akteure geben. Dies ist insbesondere für Kapitalmarktbewegungen relevant.

Drittens stellt sich die Frage, wie lange der Vorlauf noch gilt. Wir befinden uns noch am Anfang eines noch jungen, aber rasch wachsenden Analysefelds und Marktsegments. Es ist zu erwarten, dass die Analyse von Internetdaten zum gängigen Instrumentenkasten des Immobilienmarktanalysten wird. Solche Daten lassen sich künftig automatisiert analysieren.

Wenn nun aber alle Marktteilnehmer gleichzeitig und automatisch dieselben Daten für Prognosen nutzen, geht der Zeitvorteil verloren. Die Preisbewegungen werden dann nämlich früher realisiert, der Prognosevorteil ginge verloren.

Das wäre dann wie bei Asterix bei den Olympischen Spielen, wo am Ende alle gedopten Läufer mit blauer Zunge super schnell waren und doch nicht gewinnen konnten. Doch an diesem Punkt sind wir noch nicht angekommen.

Fußnote

1) Unter Mitarbeit von Dr. Nicole Braun.

Literatur

Dietzel, Marian Alexander. "Sentiment-based predictions of housing market turning points with Google trends." International Journal of Housing Markets and Analysis 9.1 (2016): 108-136.

Dietzel, Marian Alexander, Nicole Braun, und Wolfgang Schäfers. "Sentiment-based commercial real estate forecasting with Google search volume data."Journal of Property Investment & Finance 32.6 (2014): 540-569.

Hohenstatt, Ralf, Manuel Käsbauer, und Wolfgang Schäfers. ""Geco" and its potential for real estate research: Evidence from the US housing market." Journal of Real Estate Research (2012).

Der Autor

Prof. Dr. Tobias Just Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, IREBS Immobilienakademie und Professor für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg 1)

Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg

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