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MIT LOCATION DATA DEN PASSENDEN STANDORT FÜR JUNGE TALENTE IDENTIFIZIEREN

Lisa Malek, Foto: privat

Um im vielzitierten "War for Talents" bestehen zu können, müssen Unternehmen inzwischen an vielen Stellen ihre Kreativität unter Beweis stellen. Eine davon betrifft mit Sicherheit die Frage nach dem perfekten Standort für die künftige Büroimmobilie: Kommen beispielsweise auch Märkte in B- oder C-Städten für junge Talente infrage? Und wenn ja, welche? Standortanalysen basierend auf umfangreichen Mobilfunkdaten könnten an dieser Stelle Licht ins Dunkel bringen, so die Überzeugung der Autoren. Im Folgenden erörtern sie, worauf es beim Aufsetzen dieses Konzepts zur Lagebeurteilung im Detail ankommt. Red.

Demografischer Wandel, zunehmend globalisierter Wettbewerb, zu wenig Absolventen in den gefragten MINT-Studiengängen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) - es existieren viele Ursachen dafür, dass es Unternehmen zunehmend schwerfällt, hochqualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren. Es gibt schlichtweg zu wenig sogenannte High Potentials für die wichtigen Schlüsselberufsfelder in den Bereichen Globalisierung beziehungsweise Urbanisierung und Digitalisierung.

Unternehmen müssen daher zu immer umfangreicheren Werbungsmaßnahmen greifen, um qualifizierte Fachkräfte zu finden - und auch zu halten: Neben einem attraktiven Gehalt stehen sachliche Benefits, flexible Arbeitszeitmodelle oder Entwicklungs- und Fortbildungsmöglichkeiten hoch im Kurs. Darüber hinaus gilt es jedoch, Büroimmobilien genau dort zu entwickeln, wo sich die gesuchten Digital Natives aufhalten. Als entscheidend könnte sich hierbei die großformatige Analyse von Standortdaten erweisen. Gerade in diesem Bereich vollzieht die Branche allmählich den Schritt von der Theorie zur Praxis.

Am Anfang stehen massenhaft Daten

Big Data ist den allermeisten Menschen mittlerweile bereits ein Begriff. Location Data zielt in diesem Zusammenhang auf die Auswertung von großen standortbezogenen Datenmengen ab, die über die massenhafte Nutzung mobiler Endgeräte und die zunehmende Vernetzung verschiedenster Geräte und Systeme entstehen. Über GPS erfasste Mobilfunkdaten werden - ganz nach den Vorgaben der DSGVO - zum Zwecke von Standortanalysen im Rahmen innovativer Projektvorhaben und Standortentwicklungen ausgewertet. Ziel der Analyse ist die Identifizierung von anonymisierten Bewegungs- und Konsummustern nach Personengruppen innerhalb eines festgelegten Untersuchungszeitraums, um daraus Standortkonzepte und -strategien für einzelne Immobilien-Assetklassen zu entwerfen.

Diese "mass mobile data" lassen sich mit weiteren Daten kombinieren. So können beispielsweise unternehmensinterne sowie makro- und mikroökonomische Kennzahlen neben der Soziodemografie zu einer gesamtheitlichen Analyse vermengt werden. Durch das Bündeln verschiedener Informationsquellen ist die Entwicklung mehrdimensionaler Immobilien- und Portfoliostrategien möglich, die sowohl die Nutzungsqualität als auch die Performance der Objekte erhöhen. Grundsätzlich ergeben sich dabei für alle Assetklassen Anwendungsszenarien.

Werden derartig erhobene Bewegungsmuster mit soziodemografischen Daten wie der Zugehörigkeit zu Milieus oder etwa Kaufkraftinformationen kombiniert, ergibt sich ein mehrdimensionales Bild vom Bewegungsverhalten verschiedener Zielgruppen.

Fünf ausschlaggebende Fragestellungen

Auf diesem Fundament lassen sich mithilfe von Location Data insbesondere, aber nicht ausschließlich, die nachfolgenden fünf Fragestellungen beantworten, die für die Konzeption bestehender oder künftiger Bürostandorte ausschlaggebend sind:

1. Wie ausgeprägt ist die Zielgruppe am Standort vertreten?

2. Wo sind die meistbesuchten Spots des Quartiers?

3. Zu welcher Tageszeit halten sich die meisten Personen im Gebiet auf, gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Wochentagen oder Tageszeiten?

4. Wie groß ist die Strahlkraft des Quartiers beziehungsweise die Bereitschaft der Mitarbeiter, zum Arbeitsort zu pendeln?

5. Wo verkehren die Personen vor und nach ihrem Aufenthalt im Untersuchungsgebiet?

Bei all diesen Aspekten muss beachtet werden, dass die Anonymität stets gewahrt bleibt. Die Systeme können jedoch beispielsweise anhand der Standortdaten bei Nacht erkennen, ob es sich bei einem Profil um einen Anwohner oder einen Touristen handelt. Auf diese Weise ist auch eine Clusterung nach Altersgruppen sowie Bildungshintergründen basierend auf der Zugehörigkeit zu sozialen Milieus möglich.

Die Bedürfnisse jenseits von "Nine-to-Five" kennenlernen

Die über die Standortanalyse ermittelten Antworten auf diese Fragen geben Aufschluss über Wohn- und Arbeitsort der betrachteten Personen. Darauf aufbauend lässt sich wiederum eine Differenzierung nach Wohnlagen und Einkommensklassen vornehmen, sodass sich der für den Standort relevante Anteil einer jeweiligen Zielgruppe vor Ort berechnen lässt.

Insbesondere der Anteil junger, gut ausgebildeter, zumeist alleinstehender Menschen, die die Vielfalt und Anregungen des Lebens in Großstädten schätzen, dürfte für bestehende oder künftige Bürostandorte von Interesse sein, da es sich dabei potenziell um die begehrten High Potentials handelt. Nicht nur, dass diese Zielgruppe mithilfe der Standortanalyse lokalisiert werden kann, man erfährt auch so manches über ihr Verhalten, ihre Präferenzen und ihre Mobilitätsgewohnheiten. Es geht also nicht nur um den Arbeitsplatz selbst, sondern um die Frage, welche Gastronomie-, Kultur- und Freizeitangebote es in unmittelbarer Nähe zum Bürostandort geben sollte, um auch die Bedürfnisse jenseits von "Nine-to-Five" abzudecken sowie andererseits mögliche Tendenzen zu flexiblem Arbeiten herauszuarbeiten.

Demgegenüber können anhand der Postleitzahl des üblichen Tages- und Abendaufenthaltsorts der Quartiersbesucher auch Einzugsgebiete für Arbeits- und Wohnorte abgesteckt werden. Aus diesen Informationen lassen sich Rückschlüsse auf Pendlerverflechtungen und -verhalten ableiten sowie Wohnpräferenzen anhand soziodemografischer Daten kategorisieren: Welche sozialen Milieus wohnen in der Nähe des Arbeitsorts? Wer nimmt morgens und abends eine etwas längere Hin- und Rückfahrt in Kauf? Wie stark setzen hiesige Pendler auf den öffentlichen Nahverkehr?

Praxisbeispiel München: beliebte Büroquartiere im Vergleich

Die Frage, inwiefern Bars, Cafés und Kneipen am Standort oder in dessen unmittelbarer Nähe nach Feierabend oder am Wochenende frequentiert werden, ist im Kontext von Quartiersentwicklungen, Urbanitätsgedanken und Work-Life-Balance-Bestrebungen von Interesse: Ist ein Quartier attraktiv genug, um Mitarbeiter auch außerhalb der Arbeitszeiten zu halten? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, wo könnte das Konzept unter Umständen noch ausgebaut werden - etwa im Sinne gastronomischer oder anderer Freizeitangebote?

Eine entsprechende Analyse für Münchener Bürolagen hat vor kurzem gezeigt, dass beispielsweise das Werksviertel - eine noch nicht vollständige Büroquartiersentwicklung - nicht nur unter der Woche, sondern auch am Wochenende starken Zulauf erfährt. Genauso ergab sich, dass die Arbeitnehmer dort auch vor oder nach ihrer Arbeitszeit die lokalen Kultur- und Freizeitangebote in Anspruch nehmen. Die Bewegungsprofile inklusive Mobilitätsverhalten legen zudem die Interpretation nahe, dass sich im Werksviertel zahlreiche junge, gebildete Menschen und unter ihnen ein gewisser Anteil an Young Potentials bewegen, weshalb die Lage für Arbeitgeber eine veritable Alternative darstellen kann.

Zudem können mittels der Bewegungsdaten Rückschlüsse auf das Verkehrsmedium geschlossen werden. Dabei zeigen sich öffentliche Verkehrsmittel wie die S-Bahn-Stammstrecke der Stadt München nicht nur im Werksviertel als besonders frequentiertes Verkehrsmittel, wodurch die Bedeutung von öffentlichen beziehungsweise multimodalen Verkehrslösungen als entscheidender Standortfaktor zur Anziehung junger Talente abgleitet werden kann. Für Standorte, die überwiegend mit dem ÖPNV erschlossen werden, können bei künftigen Büroentwicklungen weniger Parkplätze und stattdessen Mobilitätsstationen eingeplant werden.

Die aktuellen Analysen verdeutlichen das Potenzial, das sich hinter der massenhaften Auswertung von Standortdaten und ihrer geschickten Verknüpfung mit verfügbaren Informationen wie dem Kaufverhalten oder der Zugehörigkeit zu soziodemografischen Gruppen verbirgt. So funktioniert unsere Branche immer stärker datengetrieben und gerade internationale Marktakteure verlassen sich eben nicht mehr uneingeschränkt auf den Instinkt des Vor-Ort-Experten bezüglich dieser weichen Standortfaktoren. Dabei stellen die bisherigen Analysen nur die Spitze des Eisbergs dar und können als richtungsweisend für künftige Auswertungen betrachtet werden.

Dem Wissensdrang sind keine Grenzen gesetzt

Weitere Analysen könnten beispielsweise die Parameter der aktuellen Hotspots mit den Gegebenheiten anderer, gerade entstehender oder geplanter Bürolagen für Young Potentials vergleichen. Auf diese Weise könnten Lagen identifiziert werden, für die es in der Branche überhaupt noch kein umfassendes Marktwissen gibt, weil aktuell noch keine entsprechenden Projekte verwirklicht wurden oder die lokalräumlichen Verflechtungen weniger erforscht sind. Dazu zählen unter anderem Büromärkte in B- oder C-Städten. Auch wenn es sich bei einem Standort nicht um eine klassische Businesslage handelt, ergeben sich recht früh Ansätze für eine Lagebeurteilung: Lockt das Areal mit seinem Kultur-, Freizeit- oder Infrastrukturangebot genügend Zielgruppenangehörige an oder bietet sich die Ausgestaltung von Büroräumen - oder von anderen Assetklassen - an?

Denn letzten Endes geht es bei Location Data nicht nur um Young Potentials. Das Themenfeld Location Analytics ist vielfältig anwendbar und generiert Wissen für alle Immobilientypen. Davon profitieren nicht nur die Eigentümer der jeweiligen Immobilien, sondern letztlich die gesamte Kommune: Indem besonders die gerade entstehenden Bürogebiete noch attraktiver gestaltet werden, bilden sich Alleinstellungsmerkmale gegenüber konkurrierenden Lagen sowie weitere Pull-Faktoren für diejenigen Unternehmen heraus, deren Ansiedlung besonders gewünscht ist.

DIE AUTORIN
LISA MALEK Valuation Advisory Services, CBRE Germany, Düsseldorf
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DER AUTOR
JONAS KUBON Account & Transaction Management, CBRE Germany, Düsseldorf
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Lisa Malek , Valuation Advisory Services , CBRE Germany, Düsseldorf
Jonas Kubon , Account & Transaction Management , CBRE Germany, Düsseldorf

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