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LOGISTIKIMMOBILIEN: STANDORT SCHLÄGT MIETER?

Bodo Hollung, Foto: LIP Invest GmbH

Für die Standortbewertung von Logistikimmobilien ist die Frage, wie Waren ihren Weg nach Deutschland finden, das A und O. Denn die Lage bestimmt wesentlich den Grad der Drittverwendungsfähigkeit und somit den nachhaltigen Wert einer Immobilie. Oder ist am Ende vielleicht doch eher der langfristige, bonitätsstarke Mieter ausschlaggebend? Dieser essenziellen Frage widmet sich der Autor des vorliegenden Beitrags. Grundsätzlich veranschaulichen seine Ausführungen dabei gut, wie dynamisch sich dieser bei institutionellen Investoren inzwischen so heiß begehrte Markt derzeit entwickelt. Red.

Dass am Markt eine hohe Nachfrage nach Logistikimmobilien besteht, ist kein Geheimnis. Daher schadet es nicht, die Trends der Logistikbranche im Blick zu haben und sich zu fragen, wer in Zukunft für eine relevante Flächennachfrage sorgen wird beziehungsweise welche Anforderungen sich daraus ergeben.

So sind kleinflächige Umschlagszentren in stadtnahen Lagen in zwischen attraktive Anlageprodukte, die im Rahmen des rasanten E-Commerce-Wachstums und der zunehmenden Paketvolumina auf der letzten Meile eine signifikante Nachfrage erfahren - obwohl sie bis vor ein paar Jahren als Nischenprodukt galten.

Mietverträge lassen sich flexibel gestalten

Allgemein erschienen Logistikimmobilien auf dem Radar der Anleger lange nicht als Investitionsmöglichkeit der ersten Wahl. Ein Aspekt, der Investoren zuvor abschreckte, ist die Laufzeit der Mietverträge: Die durchschnittliche Mietvertragslaufzeit für Logistikimmobilien fällt mit drei bis fünf Jahren bei Bestandsobjekten und drei bis zehn Jahren bei Neubauten im Vergleich zu anderen Assetklassen relativ kurz aus.

Doch handelt es sich hierbei um ein kalkulierbares Risiko, solange die Nachvermietungschancen hoch sind. Diese Wahrscheinlichkeit steigt mit Standortqualität und Drittverwendungsfähigkeit.

Neben einer anfänglichen Festlaufzeit des Mietvertrages wünschen Mieter einseitige Optionen, um eine Halle bei fortgesetzten Kontrakten weiter nutzen zu können. Beidseitige Optionen ermöglichen auch dem Vermieter eine Verlängerung der Mietlaufzeit.

Die meisten Verträge beruhen auf dem sogenannten Double-Net-Prinzip. Das heißt, laufende Kosten wie Grundsteuer, Instandhaltung von Heizung, Sprinkler et cetera trägt der Mieter. Dach und Fach, das heißt Kosten, die die Baukonstruktion sowie technische Anlagen und Installationen betreffen, sind wiederum Sache des Vermieters.

Bei Triple-Net-Verträgen trägt der Mieter alle Kosten für die Liegenschaft. Das ist in der Praxis allerdings seltener und findet meistens im Rahmen von Sale-and-Lease-back-Deals Anwendung. Für Logistikunternehmen, die sich mit einem Verkauf und der anschließenden Rückvermietung mehr Freiheiten verschaffen wollen, ist die aktuelle Marktlage günstig.

Auf dem Markt herrscht derzeit viel Wettbewerb und so lassen sich mitunter hohe Preise für Immobilien erzielen. Als Investor ist man bei solchen Deals vornehmlich an bonitätsstarken Mietern interessiert, um nicht kurz nach Ankauf mit drohendem Leerstand konfrontiert zu sein. Nebst dem potenziellen Mieter werden die Ankaufskriterien Drittverwendungsfähigkeit, Qualität der Immobilie sowie der Standort bewertet.

Bei der Standortbewertung sind die großräumigen Rahmenbedingungen auf der Makroebene (zusammen mit Gebäudemerkmalen und der Mikroebene) als maßgebliche Kriterien relevant. Die Nähe als Standortfaktor wird dabei immer wichtiger - zu Produktionsstätten in der Zulieferlogistik ebenso wie zu bevölkerungsreichen Regionen für die Handelsdistribution. Für Import- und Exportlogistik ist die schnelle Erreichbarkeit von Hafen, Flughafen oder Güterverkehrszentrum (GVZ) entscheidend (siehe Abbildung 2). Standorte mit herausragender Infrastruktur dank ihrer Lage an wichtigen Autobahnkreuzen oder internationalen Transportrouten werden bevorzugt für eine deutschlandweite oder internationale Distribution genutzt.

Alle Transportrouten führen nach Deutschland

Zu den bekanntesten internationalen Transportrouten zählt beispielsweise der Schiffstransportweg von Asien nach Europa durch die Straße von Malakka und den Suez-Kanal. In aller Munde ist natürlich auch Chinas "neue Seidenstraße", die bereits sukzessive für eine Verlagerung der Warenströme im Schienengüterverkehr sorgt.

Die Bahnverkehre auf dem eisernen Wirtschaftskorridor verzeichnen ein stetiges Wachstum: Allein im ersten Quartal 2021 verkehrten insgesamt 3 345 Güterzüge mit 317 000 TEU-Containern (Zwanzig-Fuß-Standardcontainer) zwischen China und Europa. Bis zum Jahr 2030, so geht es aus einer Studie des internationalen Eisenbahnverbands UIC hervor, werde sich der Schienengüterverkehr auf der neuen Seidenstraße verdreifachen. Umso wichtiger wird zukünftig die Nähe von Logistikansiedlungen zu Umschlagspunkten zwischen Straße und Schiene sein.

Auch Europa ist von zentralen Transportadern durchzogen, den Korridoren des transeuropäischen Kernverkehrsnetzes (TEN) - sechs von neun dieser Korridore verlaufen durch Deutschland. Auf der Nord-Süd-Achse ist es beispielsweise der Skandinavien-Mittelmeer-Korridor, unter anderem von Oslo über Hannover und München nach Palermo.

Das größte Bauvorhaben zur Bewältigung der Warenverkehre auf dieser Strecke ist aktuell der Brenner Basistunnel (BBT) für den Personen- und Güterverkehr. Mit dem Tunnel würde der Alpentransit auf der Schiene erheblich beschleunigt. Statt 80 Minuten wird die Durchfahrt nur noch 25 Minuten in Anspruch nehmen. Als Alternative zur überfüllten Brennerautobahn - allein 2018 überquerten 2,4 Millionen Lkw den Brennerpass - soll dem Schienengüterverkehr auf diese Weise zu mehr Wettbewerbsfähigkeit verholfen werden.

Abbildung 1: Entwicklung des E-Commerce-Umsatzes in Deutschland Quelle: HDE

Auf deutscher Seite führt der Skandinavien-Mittelmeer-Korridor durch das bayrische Inntal. Ein Nadelöhr, das unter der Verkehrsbelastung auf Dorfstraßen und der Inntalautobahn ächzt, ebenso wie Tirol auf österreichischer Seite. Die alternative Bahnstrecke ist allerdings nur zweigleisig und mehr als 150 Jahre alt. Die deutsche Politik hat sich daher zum Ausbau der Route bekannt und bereits 2012 in einer Regierungserklärung den Bau des Brenner Nordzulaufs zugesagt.

Statt zu bauen, diskutiert man hierzulande fast zehn Jahre später noch immer über Streckenverlauf, Kosten-Nutzen-Rechnungen und die grundsätzliche Notwendigkeit dieses Streckenausbaus. Den ersten Spatenstich für den Brenner Nordzulauf vermuten pessimistische Stimmen nicht vor 2035 - wenn durch den Brenner Basistunnel bereits die ersten Züge rollen.

Rückschritte auf deutscher Seite

Im April dieses Jahres wurde zumindest die Routenführung festgelegt, was unmittelbar Proteste von Anwohnern auslöste. Zwar sprechen sich viele Menschen für die Verkehrsverlagerung von Lkw auf Schiene aus - aber die soll doch bitte nicht vor der eigenen Haustür stattfinden! Eine Einstellung, die auch Investoren und Projektentwicklern entgegenschlägt, wenn es um den Bau von Logistikimmobilien geht. Kunden erwarten volle Supermarktregale und schnelle Lieferungen.

Sobald die Flächenvergabe für neue Projektentwicklungen ansteht, stellen sich Kommunen jedoch des Öfteren quer. Im Falle der Inntal-Strecke wird deswegen auf möglichst viele Tunnel gesetzt, um die Lärmbelastung möglichst gering zu halten. Bis die Bauarbeiten letztendlich abgeschlossen sind, werden weitere ein bis zwei Jahrzehnte vergehen.

Doch das ist nicht die einzige Baustelle: Deutschland hat bisher das Kernschienennetz zu rund 61 Prozent elektrifiziert und liegt damit nur im Mittelfeld, hinter Nachbarländern wie Italien, Polen und der Schweiz als Vorreiter. Insbesondere in Ostdeutschland sind längst nicht alle Grenzübergänge mit elektrischen Oberleitungen ausgestattet. Gerade diese Region gilt als Einfallstor für den Containerverkehr zwischen Asien und dem Ende der Neuen Seidenstraße in Duisburg.

Einer der vielen Gründe für die Rückschritte auf deutscher Seite ist, dass die Bundesregierung stets mehr Geld für das Bundesfernstraßennetz in die Hand nimmt als für die Bundesschienenwege. Dabei kann Deutschland von mehr Zuwendung für den Schienengüterverkehr gleich mehrfach profitieren - sowohl aus ökologischer Sicht durch die Verkehrsverlagerung, als auch ökonomisch als Logistikstandort im Herzen Europas.

Über die letzten Jahre hinweg ist der Logistikmarkt stetig gewachsen. Deutschland ist dabei mit rund einem Viertel der mit Abstand größte Logistikmarkt in Europa. Als Exportnation und aufgrund der zentralen Lage mit gut ausgebauter Verkehrsstraßeninfrastruktur ist das Land ein internationales Logistikdrehkreuz.

Immer mehr internationale Unternehmen entscheiden sich bei der weltweiten Verteilung ihrer Waren für Deutschland als Logistikstandort. Durch neue globale Handelskorridore, einen boomenden E-Commerce, weltwirtschaftlich verbesserte Rahmenbedingungen und eine starke Binnenwirtschaft ist die Dynamik der Logistikbranche dabei ungebrochen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 2: Logistikregionen und Standorte in Deutschland Quelle: LIP Invest

Je kürzer die Laufzeit, desto größer die Bedeutung des Standorts

Der Bedarf an Logistikflächen war entsprechend schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie markant - und wurde im letzen Jahr zusätzlich befeuert. Vor allem Handel und Pharmaindustrie waren händeringend auf der Suche nach kurzfristig verfügbaren Logistikflächen. In diesem Zusammenhang sind die kürzeren und flexiblen Mietvertragslaufzeiten bei Logistikimmobilien von Vorteil.

Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Mietvertragslaufzeit, desto größer ist die Bedeutung des Standorts für den Investor. Sowohl Mietpotenzial als auch die regionale Nachfragestruktur sollten eine rasche Nachvermietbarkeit ermöglichen. Die Laufzeit von Mietverträgen steht also immer in Abhängigkeit von der Drittverwendungsfähigkeit und insbesondere dem Standort einer Logistikimmobilie.

In Bayern beispielsweise, sozusagen am Ende des Brenner Transits, gehören vorrangig München und Nürnberg zu den begehrten Topstandorten für Logistikimmobilien. Die Exportquote bayerischer Unternehmen befindet sich seit mehreren Jahren auf Wachstumskurs.

Hier gehören der Automotivebereich und dessen Zulieferer sowie mittelständische Unternehmen zu den größten Treibern der Flächennachfrage. Zu deren wichtigsten Absatzmärkten zählen wiederum (abgesehen von den USA) China und Österreich. Außerdem unterhalten viele bayerische Firmen Beziehungen zu Handelspartnern in Italien.

Ansiedlungen entlang des Skandinavien-Mittelmeer-Korridors

Für den Warenfluss zwischen diesen Akteuren ist die Brenner-Achse also von essenzieller Bedeutung. Eine Bedeutung, die in absehbarer Zeit zunehmen wird, da auch Italien dem Projekt neue Seidenstraße beigetreten ist. Mit Chinas Plänen unter anderem für die Häfen Genua und Triest wird der Warenstrom auf dem Skandinavien-Mittelmeer-Korridor noch einmal erheblich zunehmen. Denn nach dem Umschlag im Güterverkehrszentrum Verona, welches derzeit den zweiten Platz im europäischen GVZ-Ranking belegt, gelangen die Waren über den Brenner nach Deutschland.

Mit der Fertigstellung des Brenner Basistunnels können so sukzessive weitere Regionen sowohl in Bayern als auch entlang des gesamten Skandinavien-Mittelmeer-Korridors für Logistikansiedlungen in den Fokus rücken. Ein Best-Practice-Beispiel für die Entwicklung neuer Logistikansiedlungen entlang dessen Verlaufs gibt es schon: Die Umgebung Würzburg/Schweinfurt stand bislang nicht im Fokus der Projektentwickler.

Das hat sich im Laufe der letzten zwei, drei Jahre aber geändert. Durch die gute Lage, mit der sowohl die Nord-Süd- als auch die Ost-West-Achse bedient werden kann, erfährt die Region lebhaften Auftrieb. Die hier angesiedelten Logistikimmobilien eignen sich für eine deutschlandweite Distribution und werden beispielsweise von der Automobilzulieferindustrie und dem Handel genutzt.

Ob nun Bestandsimmobilien mit Automobilzulieferern als Nutzer, Paketverteilzentren für den E-Commerce oder Sale-and-Lease-back-Deals mit mittelständischen Unternehmen - ein Aspekt trifft auf alle gleichermaßen zu: Standort schlägt Mieter.

Bodo Hollung , Gesellschafter, Geschäftsführer , LIP Invest GmbH

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