MARKT- UND OBJEKTBEWERTUNG

MARKTTRANSPARENZ - PLÄDOYER FÜR EINE STÄRKERE VERNETZUNG VON GUTACHTERAUSSCHÜSSEN UND IMMOBILIENWIRTSCHAFT

Carla Seidel, Foto: privat

Transparente Immobilienmärkte entstehen dann, wenn qualitativ hochwertige Daten möglichst zeitnah und mit wenigen Beschränkungen zugänglich sind. In Deutschland wird dieser Prämisse anno 2020 leider noch immer nicht ausreichend Rechnung getragen. Als wesentlicher Hebel, um in diesem Zusammenhang voranzukommen, gelten die hierzulande rund 1 200 öffentlichen Gutachterausschüsse. Zurzeit werden noch unterschiedliche Kaufpreissammlungen geführt und uneinheitliche Standards bei der Datenerhebung und -auswertung umgesetzt. Die Bundesländer arbeiten zwar daran, zentrale Kaufpreissammlungen aufzubauen, aus denen Statistiken und Grundstücksmarktberichte sowie der Immobilienmarktbericht Deutschland abgeleitet werden sollen. Allerdings dauern die Umsetzungsarbeiten bereits seit Längerem an, sodass die Immobilienmarktdaten momentan nur mit beträchtlicher Zeitverzögerung zur Verfügung stehen. Die RICS hat deshalb eine Reihe von Lösungsvorschlägen erarbeitet, die Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind. Red.

Der Immobiliensektor zählt zu den größten und dynamischsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. In den vergangenen Jahren wurden jährlich etwa eine Million Verkäufe registriert. Seit 2012 hat sich die Lage auf den Wohnungsmärkten permanent verschärft. Die Folgen sind strukturelle Wohnungsmarktengpässe sowie drastisch gestiegene Mieten.

Corona-Pandemie erhöht den Informationsbedarf

Der Immobilienmarkt entwickelt sich zunehmend heterogener und zeigt sich - trotz Corona - in vielen Bereichen unbeeindruckt. Die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf zum Beispiel Gewerbe oder Wohnungsbau sind allerdings noch nicht absehbar.

Angesichts dieser Ausgangssituation haben Bürger, Immobilienwirtschaft, Kreditinstitute und Politik sowie Verwaltung und Aufsicht der Finanzierungsinstitute ein hohes Interesse an möglichst aktuellen Immobilienmarktinformationen. Aktuelle und interessenunabhängige Informationen über den Grundstücksmarkt, sowohl bundesweit als auch regional und lokal, sind daher unverzichtbar.

Vernetzung - das Zauberwort des digitalen Zeitalters

Aufgrund der zunehmenden Dynamik des Immobilienmarktes sind regelmäßige Veröffentlichungen darüber hinaus auch von öffentlicher Seite wünschenswert. Coronabedingte Markteinflüsse könnten zudem besser analysiert und als Basis für politisches Handeln unterstützend herangezogen werden.

Daten und deren intelligente Vernetzung sind die Grundlage unserer heutigen Wissensgesellschaft. Getrieben durch den rasanten technologischen Fortschritt haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung mittlerweile eine Vielzahl innovativer Konzepte erarbeitet.

Die mit Immobilien beschäftigten Institutionen und öffentlichen Stellen verfügen bereits seit Jahren über digitale Datenbestände in unterschiedlicher Erfassungstiefe und Aussagekraft. In Zeiten nationaler und europäischer Datenplattformen (GAIA-X) sowie Datenstrategien ist hier eine Vernetzung erforderlich.

Wer hat welche Daten? In Deutschland verfügen die öffentlichen Gutachterausschüsse wie auch die Kreditinstitute über Transaktionsdaten.

Den rund 1 200 Gutachterausschüssen für Grundstückswerte kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung für die Markttransparenz zu, da nur diese den deutschen Immobilienmarkt in seiner gesamten Breite und auf Basis vieler tatsächlicher Kaufpreise abbilden.

Mehr Transparenz: Gutachterausschüsse und ...

Sie führen per staatlichem Auftrag die Kaufpreissammlungen, in denen die Immobilientransaktionen in der Breite erfasst und ausgewertet werden. Diese Auswertungen werden zum Beispiel in den regionalen Grundstücksmarktberichten veröffentlicht - häufig in einem Turnus von ein bis zwei Jahren. Zudem werden laufend Informationen zu wesentlichen Parametern veröffentlicht.

Ein gutes Beispiel bundeseinheitlicher Markttransparenz ist die turnusmäßige Veröffentlichung des Immobilienmarktberichts Deutschland, welcher vom Arbeitskreis der Gutachterausschüsse und Oberen Gutachterausschüsse in Deutschland (AK OGA) veröffentlicht werden. Die RICS begrüßt diese Immobilienmarktberichte Deutschland ausdrücklich.

... Kreditinstitute stehen besonders im Fokus

Auch Kreditinstitute verfügen über eine große Menge an Transaktionsdaten, die ebenfalls als Basis für Markttransparenz genutzt werden könnten. Viele Immobilien werden mittels Kreditaufnahme erworben, sodass ein Großteil der Immobilienmarkttransaktionen auch bei Kreditinstituten bekannt ist. Es gibt bereits Bestrebungen in der Branche, diese Daten systematisch zu erfassen, aufzubereiten und zu nutzen. Auch hier gehen die Entwicklungen in die richtige Richtung, was die RICS ebenfalls begrüßt.

Im Zuge der Vernetzung sind neben den Aspekten Datensouveränität und Datensicherheit immer auch der Datenschutz sowie verfügbare Ressourcen und entsprechendes Know-how zu berücksichtigen, aber auch Themen wie einheitliche Datenformate und digitale Dienste spielen eine wichtige Rolle.

Vorab zu klären ist zudem die Frage, wer eigentlich was mit welchem Ziel erfasst. Die voranschreitende Digitalisierung kann hier unterstützend wirken.

Kooperation privater und öffentlicher Stellen

Kooperation privater und öffentlicher Stellen ist hier das Zauberwort. Was wäre, wenn sich etwa Vertreter aus Immobilienwirtschaft, Gutachterausschüssen und Kreditinstituten abstimmen, beispielsweise zu Themen wie bundesweit einheitlicher Datenformate (Mindesterfassungsparameter, aber auch "nice to have"), welche Daten in welcher Erfassungstiefe überhaupt nachgefragt werden und in welchem Turnus Veröffentlichungen erfolgen sollten? Reichen vielleicht zunächst auch Indexreihen aus, wenn die Alternative "keine Daten" heißt?

Im Sinne einer vernetzten gemeinsamen Vorgehensweise sollten die Prognoseverfahren der gewerblichen Wirtschaft mit den Daten der Gutachterausschüsse stärker vernetzt und ausgewertet werden. Der Vorteil liegt in der stärkeren Marktberücksichtigung (Kauffalldaten), die wiederum mit den ökonometrischen Daten (unter anderem Angebot, Nachfrage, Wohnungsbedarfsprognosen, Erschwinglichkeit sowie geldpolitische Aspekte wie Leitzins, Anleiheverkäufe und Geldmenge) verknüpft und ausgewertet werden.

Aufgrund der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen der Kaufpreisdaten kommt in diesem Zusammenhang zunächst nur die Auswertung von Indexreihen infrage.

Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen

Aktuell geht es vor allem darum, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Dazu gehören insbesondere die folgenden Aspekte:

Quick Wins definieren - Eruierung von Daten, die einen greifbaren Mehrwert liefern: Nicht alle Daten sind gleichermaßen relevant - es lassen sich wesentliche Parameter festlegen, die "Quick Wins" für alle Beteiligten und Nachfragen erzeugen.

Einheitliche Datenstandards abstimmen: Damit können zukünftig Schnittstellenprobleme zwischen diversen Datenanbietern vermieden werden.

Austausch zwischen Gutachterausschüssen und Kreditinstituten: Mit vertretbarem Aufwand gilt es einen maximalen Nutzen für alle Beteiligten zu erzielen, was zum Beispiel durch eine konzertierte Aufgabenverteilung auf mehrere Schultern möglich wäre.

Vernetzung verschiedener Datenbanken von unterschiedlichen Stellen: Auf diese Weise könnten wesentliche anonymisierte Daten unter Wahrung von Datenschutz und -sicherheit ausgetauscht werden.

Die RICS als Plattform nutzen: Die RICS bietet eine kommunikative Plattform verschiedenster Bereiche aus der Immobilienwirtschaft und kann bei diesem Austausch unterstützen, die Professional Group Geomatics der RICS beschäftigt sich bereits mit diesen Themen.

Starten statt warten - die Zeit ist reif

Was könnten zukünftige Mehrwerte sein? Beispielsweise wären halbjährlich oder quartalsweise erscheinende gemeinsame Veröffentlichungen - analog zu denen der Maklerhäuser - zu nennen, die einen Überblick auf Basis von Transaktionsdatenbanken liefern, wie zum Beispiel der amtlichen Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse.

Dabei könnte es bereits Mehrwerte liefern, wenn Sekundärdaten, wie zum Beispiel Indexreihen zu Transaktionszahlen, Transaktionsumsätzen oder Kaufpreiseentwicklungen zu den jeweiligen Marktsegmenten, wiedergegeben würden.

Wichtig bei all den Überlegungen bleibt aber, dass man sich gemeinsam überlegt, was benötigt wird, was realisierbar wäre und last, but not least: dass man beginnt. Die RICS bietet hierfür gerne eine Plattform und hat erste Gespräche dazu geführt - es bleibt also spannend!

DIE AUTORIN CARLA SEIDEL Leiterin der Professional Group Geomatics, RICS Deutschland, Berlin
DER AUTOR DR. STEFAN OSTRAU Stellvertretender Leiter der Professional Group Geomatics, RICS Deutschland, Detmold
Carla Seidel , Leiterin der Professional Group Geomatics, RICS Deutschland, Berlin
Dr. Stefan Ostrall , Stellvertretender Leiter der Professional Group Geomatics, RICS Deutschland, Detmold

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