Immobilienmärkte

Mehr Ausland wagen

Lorenz Reibling

Heimatverbundenheit ist ja gut und schön. Man kennt sich aus. Doch dem Begriff "Home Bias" ist - rein psychologisch interpretiert - eine Tücke inhärent: Risiken innerhalb des hei mischen Umfeldes werden verklärt, Stärken überschätzt, Risiken der fremden Umgebung hingegen überdimensioniert. Man darf bei Immobilieninvestitionen also ruhig einen Blick über den Tellerrand riskieren - nicht immer ist das Risiko im Ausland höher als auf dem Heimatmarkt. Red.

Immobilieninvestoren bleiben mit ihrem Kapital am allerliebsten im eigenen Land. Das belegt eine Studie des Verbands Inrev, in dem Anbieter nichtbörsennotierter Immobilienvehikel organisiert sind.

Rund 78 Prozent der europäischen Investoren bevorzugen nach Angaben der Studie den heimischen Markt. Deutsche Investoren sind da keine Ausnahme. Eine Studie von Feri Eurorating zeigt, dass deutsche institutionelle Investoren rund 63 Prozent ihrer Immobilien in Deutschland halten, aber beispielsweise nur zirka ein Prozent in den Wachstumsregionen Asien und Pazifik.

Verleitung zur Home Bias

Investoren setzen vor allem bei direkten Investments eher auf regionale Märkte, die ihnen vertraut sind. Dies ist oft der Heimatmarkt. Bei indirekten Investments zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier spiegelt sich der Wunsch nach Diversifikation wider, der aber beispielsweise bei Family Offices noch deutlich weniger ausgeprägt ist als bei Versicherungen oder Pensionskassen.

Das beschriebene Phänomen nennt sich "Home Bias", ein treffender Begriff. "Bias" bedeutet Neigung, die "Home Bias" ist also der Hang oder die Vorliebe zum Investment in der Heimatregion.

"Bias" lässt sich jedoch auch mit Vorurteil im Sinne von Voreingenommenheit übersetzen. Und eben hierin offenbart sich das psychologische Moment der Heimatneigung, die auf einer gravierenden Fehleinschätzung beruht: Die Risiken außerhalb des eigenen Markts werden fast immer zu hoch eingeschätzt, umgekehrt werden die Risiken im Heimatland regelmäßig unterschätzt. Es ist schlichtes Wunschdenken über die Stärke der heimischen Wirtschaft einerseits und der Mangel an Wissen über andere Länder andererseits, die zur Home Bias verleiten. Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass die risiko-adjustierte Performance von global diversifizierten Portfolios ausnahmslos jener von Home-Biased-Portfolios überlegen ist. Das Phänomen trifft nicht nur auf professionelle Immobilieninvestoren zu, sondern auch auf private Anleger. Wer direkt in Immobilien investiert, wird das in aller Regel im eigenen Land tun. Und wer ein Haus in Spanien oder Florida erwirbt, tut das meist nicht unter Anlagegesichtspunkten, sondern ganz überwiegend steht hier die Eigennutzung im Vordergrund.

Verschiedene Investitionsphasen

Was die indirekte Immobilienanlage anbelangt, so konnte man in Deutschland zwei Phasen beobachten: Bis etwa Mitte der neunziger Jahre investierten die Anleger überwiegend in Deutschland. Dann entdeckten sowohl die offenen wie auch die geschlossenen Immobilienfonds verstärkt ausländische Märkte. Schließlich erreichte der Anteil der Auslandsinvestitionen von offenen Immobilienfonds fast zwei Drittel und es gab sogar Jahre, in denen mehr Eigenkapital für geschlossene Auslandsimmobilienfonds als für solche mit deutschen Immobilien eingesammelt wurde.

Dieser Trend hat sich jedoch seit der Finanzkrise umgekehrt. Deutsche Anleger setzen wieder verstärkt auf deutsche Immobilienfonds. Viele Anleger, die in global investierende offene Immobilienfonds angelegt hatten, hatten keine guten Erfahrungen damit gemacht. Versprochen wurde hohe Wertstabilität durch internationale Diversifizierung, tatsächlich kam es jedoch zu erheblichen Abwertungen bei den Immobilien, die diese Fonds beispielsweise in Asien oder Osteuropa erworben hatten. Der Grund dafür war die Anlagepolitik vieler offener Fonds, die ohne eigenes Asset Management vor Ort und ohne detaillierte Marktkenntnis Immobilien viel zu teuer einkauften.

Diversifikationspotenziale nutzen

Fest steht: Eine zu große Heimatverbundenheit verschenkt Diversifikationspotenziale. Diversifikation wiederum bedeutet, an den unterschiedlichen Entwicklungen verschiedener Länder zu partizipieren. Dies wirkt, sofern die einzelnen Märkte nicht oder nur wenig miteinander korrelieren, stabilisierend auf das Gesamtportfolio. Diversifikation bedeutet dann folglich Reduktion von Risiko (Volatilität) bei gleichbleibender Rendite. Und: Diversifikation bedeutet auch, dem faktischen Wetten auf einzelne Märkte zu entsagen. Denn hinter der Strategie, sich auf ein Land und möglicherweise einen Manager und eine Nutzungsart von Immobilien zu fokussieren, steckt letztendlich nichts anderes, als darauf zu wetten, dass man die richtigen Parameter aus dem Gesamtuniversum aller Möglichkeiten gewählt hat.

Investoren dürfen die Bedeutung des Heimatmarkts nicht überschätzen. Sie sollten vielmehr aus einer gemäßigten und differenzierten Position heraus agieren und sich des Risikos von räumlich konzentrierten Investments bewusst sein. Sicherlich erfordert es Mut, sich auf unterschiedliche Märkte zu fokussieren, insbesondere wenn die Kenntnis über einzelne Märkte nicht vorhanden ist. Aber um Renditechancen zu nutzen, müssen Anleger heute global denken und in Märkte mit Wachstumspotenzial dank einer positiven demografischen Entwicklung investieren - in Indien, der Türkei oder in den Vereinigten Staaten. Denn private und institutionelle Investoren, die dort ihr Geld anlegen, schütteln über die Renditen, mit denen sich deutsche Investoren zufriedengeben, nur den Kopf.

Der Autor Prof. Lorenz Reibling Chairman und Senior Partner, Taurus Investment Holdings, LLC, München
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