Regulierung

Mehr Rechtssicherheit bei der Kreditwürdigkeitsprüfung - Kernpunkte der neuen Verordnung

Christian König, Rechtsanwalt und Syndikus, Verband der Privaten Bausparkassen e. V., Berlin

Groß war der Unmut in vielen Kreditabteilungen deutscher Banken und Sparkassen nach Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im März 2016. An entscheidenden Stellen galt die Richtlinie der EU-Kommission als unpräzise formuliert und führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit in der täglichen Praxis, die so manchen kreditwürdigen Rentnern und Jungfamilien den Zugang zu Immobilienkrediten gekostet haben dürfte. Zum Glück für alle Beteiligten fand die Forderung einer Nachbesserung des Gesetzes schnell Gehör in der deutschen Politik. Mithilfe des im August dieses Jahres vom Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium vorgelegten Entwurfs einer Verordnung zur Festlegung von Leitlinien zu Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen sollen die skizzierten Missstände nun behoben werden. Ob die Verordnung dafür tatsächlich geeignet ist, analysiert der Autor des folgenden Beitrags. Red.

Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht zum 21. März 2016 hat der Gesetzgeber eine neue vorvertragliche Pflicht für Darlehensgeber in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingeführt. Aufgrund der Vorgaben des Artikels 18 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde neben der bereits bestehenden aufsichtsrechtlichen Verpflichtung des Kreditinstituts, die Kreditwürdigkeit des potenziellen Darlehensnehmers zu überprüfen, eine zivilrechtliche Kreditwürdigkeitsprüfungspflicht in §§ 505 ad BGB eingeführt.

Unscharfe Formulierung sorgt für Rechtsunsicherheit

Hintergrund dieser neuen zivilrechtlichen Kreditwürdigkeitsprüfungspflicht vor der Vergabe von Verbraucherdarlehensverträgen ist, dass der Gesetzgeber der Auffassung war, dass eine ausschließlich aufsichtsrechtliche Pflicht nicht ausreicht, um den Schutzzweck, nämlich die Vermeidung der Überschuldung von Verbrauchern, ausreichend zu verankern.

Die Kreditgeber sind nun verpflichtet, in unterschiedlicher Prüfungstiefe, je nachdem, ob es sich um ein Allgemein-Verbraucherdarlehens- oder um ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensverhältnis handelt, die Leistungsfähigkeit des potenziellen Darlehensnehmers für die gesamte Laufzeit des Darlehensvertrages abzuschätzen. Dabei muss wahrscheinlich sein, dass der Darlehensnehmer die Verpflichtung, die er im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag eingeht, vertragsgemäß erfüllen wird.

Aufgrund dieser unscharfen und interpretationsbedürftigen Vorgaben zeigten sich bereits kurz nach dem Inkrafttreten größere Rechtsunsicherheiten, vor allem weil eine fehlerhafte Kreditwürdigkeitsprüfung Verbrauchern das Recht gibt, das Darlehen jederzeit vorzeitig ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen. Der Verbraucher kann aber auch bei Fehlern in der Kreditwürdigkeitsprüfung den vereinbarten Sollzins auf den marktüblichen Zinssatz reduzieren. Diese Reduktion gilt dann für die Vergangenheit und die Zukunft.

Da Zukunftsprognosen bezüglich der Bonität des Verbrauchers über die gesamte Laufzeit für den Kreditgeber große Risiken beinhalten, wurde gegenüber der Politik gefordert, die unbestimmten Rechtsbegriffe in einer Verordnung zu präzisieren. Diesem Wunsch ist der Verordnungsgeber nachgekommen, nachdem mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz in § 505 e BGB eine Verordnungsermächtigung verankert wurde.

Verordnungsvorschlag zur Präzisierung

Mit dem Referentenentwurf für die Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung (ImmoKWPLV), die noch nicht in Kraft getreten ist, wurde insbesondere versucht, die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit bezüglich der Erfüllung der Verbindlichkeiten des Darlehensnehmers zu präzisieren. So wird die Wahrscheinlichkeit dahingehend definiert, dass diese gegeben ist, wenn etwas nach der Lebenserfahrung voraussichtlich anzunehmen ist. Die Wahrscheinlichkeit ist nach der subjektiven Erfahrung des Darlehensgebers zu bemessen. Der Kreditgeber kann von einer planmäßigen Entwicklung der Schuldendienstfähigkeit des Darlehensnehmers ausgehen und eine Prognose der künftigen wahrscheinlichen Entwicklung nach allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung aufgrund eigener Erfahrungswerte vornehmen.

Unplanmäßige und unwahrscheinliche negative Entwicklungen der Arbeitsmarktperspektive, eine Scheidung, die Erwerbsunfähigkeit oder der Tod dürften nur dann eine Rolle spielen, wenn der Kreditgeber konkrete Anhaltspunkte, also eigene besondere Kenntnisse, hat. Der Prognosezeitraum erstreckt sich dabei auf die gesamte Vertragsdauer. Je länger der Zeitraum in die Zukunft reicht, desto stärker kann der Kreditgeber Erfahrungswerte oder Schätzungen berücksichtigen.

Klarstellung der statistischen Lebenserwartung

Eine Einzelfrage stellte sich nach Umsetzung der Richtlinie dahingehend, ob die statistische Lebenserwartung bei der Kreditwürdigkeitsprüfung und der Laufzeit des Darlehens berücksichtigt werden muss. Fraglich war, ob es unwahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seine Verpflichtung während der Laufzeit nicht mehr erfüllt, weil er das Ende der vertraglichen Laufzeit aufgrund der statistischen Lebenserwartung nicht mehr erleben würde. Der Deutsche Bundestag hat aber im Rahmen der Diskussion zum Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz klargestellt, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers war, mit diesen Vorgaben Altersdiskriminierung zu verankern.

Insbesondere vor dem Hintergrund der politisch gewünschten Kreditvergabe an Personen höheren Alters, auch für den altersgerechten Umbau von Immobilien, stellt die Verordnung nun klar, dass die statistische Lebenserwartung nicht per se Ausschlusskriterium sein darf. Zukünftig mögliche, aber nicht überwiegend wahrscheinliche negative Ereignisse wie der Tod sollen nur dann berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Eheleuten droht ungünstige Auslegung

Offen ist noch der Fall, in dem Eheleute einen Darlehensvertrag aufnehmen wollen und beide Vertragspartner sind, da beide auch Eigentümer der Immobilie werden sollen. Hier stellt sich für den Darlehensgeber die Frage, ob hinsichtlich der Kreditwürdigkeit jeder von beiden Darlehensnehmern individuell bonitär sein muss oder ob es ausreicht, auf das Haushaltseinkommen beider Eheleute abzustellen.

Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) stellt in ihren Leitlinien zu Kreditwürdigkeitsprüfungsstandards auf das Haushaltseinkommen ab. Das Bundesjustizministerium hat allerdings ersten Äußerungen zufolge ausgeführt, dass auf die individuelle Kreditwürdigkeitsprüfung abzustellen wäre. Diese isolierte Betrachtung würde letztendlich das Leitbild der Gütergemeinschaft und die Unterhaltspflicht des Familien- und Eherechts negieren. Eine solche Auslegung würde schließlich auch dazu führen, dass insbesondere jüngere Familien von der Kreditvergabe ausgeschlossen werden.

Auch im Rahmen von Anschlussfinanzierungen und Umschuldungen hat der deutsche Gesetzgeber die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben durch das PSD-II-Umsetzungsgesetz korrigiert. Mit dieser Gesetzesänderung, die zum 22. Juli 2017 in Kraft getreten ist, ist keine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung trotz neuem Kapitalnutzungsrecht erforderlich, wenn der Nettodarlehensbetrag des anschließenden Darlehensvertrages die Restforderung des bisherigen Darlehens nicht übersteigt.

Erleichterung bei Umschuldung und Anschlussfinanzierung

Zweite Voraussetzung für die nicht erneute Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung ist, dass die Vertragsparteien identisch geblieben sind und dass der Vertragszweck des vorangegangenen Darlehens fortgeführt wird. Ferner darf natürlich der Kreditgeber keine Kenntnis von der nicht dauerhaften Erfüllbarkeit durch den Darlehensnehmer haben. Begründet wurde diese Erleichterung für den Fall der Anschlussfinanzierung damit, dass der erste Darlehensgeber die Kreditwürdigkeit für die gesamte Laufzeit bereits geprüft habe und er selber das weitere Risiko trägt.

Bei fehlender Darlehensnehmeridentität kann aber das bisherige Zahlungsverhalten bezüglich des vorangegangenen Darlehens vom neuen Darlehensgeber aufgrund der Erleichterung gemäß § 6 ImmoKWPLV berücksichtigt werden, denn nach Auffassung auch der Europäischen Kommission dient die Kreditwürdigkeitsprüfung auch dem Schutz des Kreditgebers.

Bei Umschuldungen ist ebenfalls keine neue Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich, wenn das neue Darlehen das vorhergehende Darlehen ersetzt oder ergänzt oder zwischen den Parteien zur Vermeidung von Kündigungen wegen Zahlungsverzug oder zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geschlossen wird.

Ruhestand muss berücksichtigt werden

Fraglich war im Zusammenhang der Kreditwürdigkeitsprüfung auch, inwieweit das reduzierte Einkommen im Rentenalter bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist. Während die EBA-Leitlinien bereits vorgegeben hatten, dass ein reduziertes Einkommen im Rentenalter bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, wenn die Laufzeit des Darlehens in die Rentenphase hineinreicht, war bislang unklar, welche Abschläge vom Darlehensgeber zu berücksichtigen sind.

Weil Prüfungsmaßstab letztendlich die Einschätzung des Kreditgebers ist, ob der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen voraussichtlich nachkommen kann, müssen die Entscheidungsparameter des Kreditgebers im Vorfeld sorgfältig, plausibel und nachvollziehbar, also gerichtsfest, erarbeitet werden. Die Kreditwürdigkeitsprüfung kann daher nur eine Prognose sein, die zu dem Zeitpunkt, zu dem sie getätigt wird, schlüssig und nachvollziehbar sein muss. Die Verordnung regelt nun, dass der Kreditgeber den Ruhestand ausreichend berücksichtigen muss. Im Rahmen der Begründung wird anerkannt, dass eine sichere Risikoeinschätzung oft nicht möglich ist.

Verordnung ist grundsätzlich zu begrüßen

Mit der Verordnung und den zwei Korrekturgesetzen sind vom Gesetzgeber Erleichterungen insbesondere für die Vergabe von Anschlussfinanzierungen und Umschuldungen, bei älteren Darlehensnehmern sowie bei der Berücksichtigung der Wertsteigerung der selbstgenutzten Wohnimmobilie bei Bau oder Renovierung einer solchen vorgenommen worden.

Dieser Verordnungsvorschlag ist daher grundsätzlich zu begrüßen, da er für beide Parteien, Verbraucher und Kreditgeber, mehr Rechtssicherheit bietet und nicht ganze Bevölkerungskreise von der Kreditvergabe ausgeschlossen werden. Mit den neuen Regeln hat der deutsche Gesetzgeber weitgehend ein Gleichgewicht zwischen der Vermeidung des finanziellen Ausschlusses bestimmter Verbrauchergruppen und der Vermeidung einer Überschuldung der Verbraucher gefunden.

Es bleibt zu hoffen, dass der noch offene Punkt bezüglich der Kreditwürdigkeitsprüfung von Eheleuten vom Verordnungsgeber klargestellt wird. Es ist an dieser Stelle auf das Haushaltseinkommen abzustellen, damit gerade junge Familien mit Kindern nicht von der Kreditvergabe ausgeschlossen werden.

Der Autor Christian König, Rechtsanwalt und Syndikus, Verband der Privaten Bausparkassen e. V., Berlin
Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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