IMMOBILIENKONJUNKTUR

NACHFRAGERISIKEN HÖHER GEWICHTEN

Prof. Dr. Tobias Just, Foto: IREBS Hans-Jürgen Heyer

Seit rund zehn Jahren kennt die Immobilienbranche in Deutschland nur eine Richtung: aufwärts. Preise und Transaktionsvolumina eilen von Rekord zu Rekord, Leerstände und Ankaufsrenditen befinden sich zumeist auf historischen Tiefstständen. Wie lange geht der Superzyklus noch? Und droht dann möglicherweise ein böses Erwachen? Die Autoren analysieren diese und weitere wichtige Fragen im folgenden Beitrag. Grundsätzlich sehen sie mit Blick auf das laufende Jahr noch keine akute gesamtwirtschaftliche Abkühlung, die die hiesigen Gewerbe- und Wohnimmobilienmärkte in die Bredouille bringen könnten. Dennoch täten die Marktakteure gut daran, potenzielle Nachfragerisiken höher zu gewichten. Red.

Die Immobilienmärkte in Deutschland befinden sich seit 2010 in einer der längsten Aufschwungphasen seit 50 Jahren: Gemäß den Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sind die Wohnungspreise seit 2010 zuletzt deutlich oberhalb der langjährigen Mittelwerte gestiegen (siehe Abbildung 1). Und weil die Preise zuletzt schneller gestiegen sind als die Mieten, wird diese Beobachtung von Marktakteuren immer häufiger mit der Vermutung verbunden, dass wir uns in einer Spätphase des Immobilienzyklus befinden dürften.

Hoffnung auf eine "sanfte Landung"

Meistens wird dies gleichzeitig um die Hoffnung ergänzt, der Aufschwungphase möge eine "Plateaubildung" folgen, also eine Phase ohne Preisänderungen und nicht etwa ein harter Crash wie es ihn auf den spanischen oder US-amerikanischen Wohnungsmärkten vor zehn Jahren gegeben hat. Bereits ein flüchtiger Blick auf Abbildung 1 macht deutlich, dass die reine Zyklendauer kein verlässlicher Indikator für Rückschlagrisiken ist: In den Niederlanden dauerte der längste Aufwärtszyklus über 50 Quartale, in Japan sogar fast 80 Quartale; in Deutschland endete der längste Zyklus nach (mindestens) 44 Quartalen in den frühen achtziger Jahren - wahrscheinlich war die Aufwärtsphase sogar länger, doch die Daten der BIZ reichen nur bis 1970 zurück.

Sicher ist jedoch auch, dass der aktuelle deutsche Aufschwung mit bislang 35 Quartalen und einem gesamten Preisauftrieb von über 40 Prozent für deutsche Verhältnisse außergewöhnlich kräftig ausfällt - im internationalen Vergleich aber eher ein mittelstarker Anstieg ist.

Konjunktursorgen als möglicher Auslöser für Korrekturen

Und selbst für andere OECD-Länder veranschaulicht die Abbildung, dass ein jäher Preissturz nicht häufiger vorzukommen scheint, als längere Phasen der Stagnation nach einem Boom. Dies wirft mehrere Fragen auf: Erstens, warum reagieren die Immobilienmärkte so uneinheitlich? Zweitens, wann ist die Gefahr eines heftigen Absturzes besonders groß? Drittens, wie könnte es in den nächsten Jahren weitergehen?

Diese Fragen gewinnen aktuell an Bedeutung, weil führende deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute sowie die OECD und der IWF ihre Wachstumsprognosen für viele Länder - auch für Deutschland - gesenkt haben. Dadurch wird eine Abschwächung der Flächennachfrage wieder als möglicher Auslöser für eine Korrektur auf den Immobilienmärkten diskutiert und seltener die in den vergangenen Jahren regelmäßig bemühte Zinswende.

Wie endet ein Aufschwung?

Die Aussage, jeder Aufschwung wird irgendwann enden, ist trivial. Das genaue Timing richtig zu treffen, ist schon schwieriger. Und noch anspruchsvoller ist es, mit der richtigen Begründung den genauen Zeitpunkt zu treffen. Gemäß dem Bonmot, dass vier Ökonomen fünf Meinungen vertreten können, gibt es von einhundert Immobilienmarktprognostikern auch 101 Immobilienmarktprognosen - eine wird sich schon als richtig erweisen. Und sei es mit der falschen Begründung.

Wir glauben nicht, dass wir die bessere Glaskugel besitzen als andere Analysten. Wir möchten mit diesem Artikel auch nicht die 102. Prognose in den Ring werfen, sondern bescheiden auf ein paar wichtige Aspekte hinweisen, die bei den Überlegungen, wie es weitergehen könnte, mitunter durcheinandergehen. Unser Anliegen ist es, sozusagen beim gedanklichen Aufräumen zu helfen, damit Marktakteure ihre eigenen Prognosen strukturieren können.

Zwei Anpassungsvarianten

Dies könnte helfen, Immobilienunternehmen auf Fehlentwicklungen rechtzeitig vorzubereiten. Denn natürlich erfordert es ganz andere Weichenstellungen heute, wenn mit einer Plateaubildung auf den Immobilienmärkten oder mit einer harten Landung gerechnet wird - egal, ob diese 2019, 2020 oder noch später einsetzt.

Wir unterscheiden also im Weiteren vereinfachend zwei grundsätzliche Anpassungsvarianten:

a) "Plateaubildung" steht hier für eine im Zeitverlauf starke Verlangsamung des Preisanstiegs mit allenfalls geringfügigen Preisrückgängen, bevor der zyklische Wiederanstieg einsetzt. Die Phase der frühen neunziger Jahre bis zum Jahr 2006 könnte hier als idealtypische Plateaubildung nach einem Boom gelten.

b) "Harte Landung" steht für eine sehr heftige, sägezahnscharfe Preiskorrektur nach einer allenfalls kurzen Phase der Stagnation. Die Preiskorrekturen auf den US-amerikanischen oder spanischen Immobilienmärkten nach 2006 stehen hierfür Pate.

Die strategische Vorbereitung auf die beiden Szenarien sähe sehr unterschiedlich aus. Während bei einer "Plateaubildung" die geschäftlichen Planungen sukzessive an die sich kontinuierlich wandelnden Bedingungen angepasst würden, verändert sich das Umfeld bei einer "harten Landung" so rasant, dass massive Insolvenzrisiken entstehen können.

Sehr große regionale Unterschiede

Der Verlauf vergangener Korrekturen auf den Immobilienmärkten bietet offenbar beide Alternativen. Je nach Abgrenzung des Adjektivs "hart" kommt man zu anderen Fallzahlen der harten Landungen. Dabei fallen sehr große regionale Unterschiede auf: In den USA und Spanien beläuft sich der Preisrückgang in einem durchschnittlichen Abschwung (auf den Wohnungsmärkten) auf nominal fast 10 Prozent, in den Niederlanden sogar auf 14 Prozent; heftige Korrekturen in diesen drei Ländern führten zu einem Wertverlust von rund einem Drittel.

Auf den deutschen Immobilienmärkten wurde selbst im bisher heftigsten Abschwung der letzten 45 Jahre nur ein (nominaler) Rückgang von 5 Prozent beobachtet. Daher rührt auch bei vielen Marktakteuren die Überzeugung, dass die heimischen Märkte besonders krisensicher bleiben. Im Großen und Ganzen war das Rückschlagrisiko auf OECD-Wohnungsmärkten in den achtziger und vor allem in den 2000er Jahren deutlich höher als in den neunziger oder den siebziger Jahren. Allerdings sind Verallgemeinerungen gefährlich, gelten diese zeitlichen Unterscheidungen eben nicht für alle Länder gleichermaßen.

Insgesamt ist die Anzahl der Zyklen mit Sicherheit viel zu klein, um eine empirisch sattelfeste Gesetzmäßigkeit für potenzielle Schocks in der Zukunft abzuleiten. Richtig ist aber, dass mehrere Eigenschaften von Immobilienmärkten diese anfällig für heftige Korrekturen machen. Im Folgenden werden diese Eigenschaften skizziert.

Drei verbundene Märkte

Es gibt erhebliche regionale Unterschiede in den Marktdynamiken - selbst innerhalb eines Landes (Metropolregionen, Universitätsstädte, ländlicher Raum et cetera), weil jeweils verschiedene konjunkturelle und strukturelle Treiberfaktoren (Einkommen, Demografie, E-Commerce, Urbanisierung et cetera) unterschiedlich stark wirken.

Für unsere Argumentation wichtiger ist an dieser Stelle jedoch, dass auf jedem dieser Immobilienmärkte immer drei Teilmärkte ineinandergreifen: Es gibt erstens den Markt für Immobiliennutzungen (Vermietungsmarkt), zweitens den Immobilieninvestmentmarkt und drittens den Immobilienfinanzierungsmarkt. Im Zentrum steht immer die Immobiliennutzung, denn ohne Nutzung gäbe es weder eine Veranlassung zur Investition noch ein Finanzierungserfordernis. Bemerkenswert ist, dass alle diese Teilmärkte asymmetrisch sind: das Angebot folgt in den meisten Fällen (unterschiedlich schnell) der Nachfrage.

Beginnen wir mit dem Vermietungsmarkt, denn letztlich muss die Flächennutzung alle anderen Aktivitäten ernähren: Die Nachfrage wird durch konkretisierte Bedürfnisse und die Zahlungsfähigkeit der Nutzer bestimmt, das Angebot durch Neubautätigkeit und die technische und wirtschaftliche Alterung der Flächen.

Immobiliennutzung von zentraler Bedeutung

Wächst die Nachfrage, legen die Mieten zu und Projektentwickler bemühen sich, neue Flächen fertigzustellen. Hier kann es zu mehrjährigen Verzögerungen kommen, da die Plan-und Genehmigungsverfahren sowie die Entwicklungsphasen Zeit in Anspruch nehmen. Mittelfristig findet der Markt durch diese Angebotsausweitung wieder zu einem neuen Gleichgewicht mit stabilen Mieten. Im Abschwung kann das Angebot nicht hinreichend elastisch reagieren, da der Flächenabriss den Markt für jeden Anbieter außer für den Abreißenden stabilisieren würde, dementsprechend wird der Abriss eher unterlassen. Durch Neubau kann der Aktive, der Bauende, gewinnen, durch Abriss nicht. Eine Verminderung des Flächenangebots bei rückläufiger Nach frage und sinkenden Neuvertragsmieten dauert daher ungleich länger (siehe Abbildung 2).

Erschwerend kann hinzukommen, dass sich die Nachfrage stetig verändert: ein einziger zusätzlicher Haushalt, ein einziger zusätz licher Büroarbeitsplatz erhöhen die Wohn- und Büronachfrage. Das Angebot - ins besondere von Gewerbeimmobilien - verändert sich jedoch eher in Sprüngen. Wenn es in der Innenstadt eine bebaubare Fläche gibt, dann wird nicht erst einmal das Erdgeschoss gebaut und vermietet, sondern es werden alle 20 Stockwerke gebaut - und hoffentlich auch vermietet.

Phänomen der Forward-Vermietungen

Mitunter wird Nachfrage auf den Vermietungsmärkten noch vor einem tatsächlichen Anstieg der Beschäftigung realisiert, wenn nämlich Mieter in einem Aufschwung weiteren Bedarf in Folgejahren erahnen und den erwarteten Mietsteigerungen und Flächenknappheiten zuvorkommen möchten. Mietverträge werden mitunter "forward" über noch zu erstellende Flächen abgeschlossen. Insofern können steigende Mieten sogar kurzfristig zu einem weiteren Anstieg der (Forward-)Vermietungen führen. Der Erwartungseffekt überlagert vorübergehend den direkten Markteffekt. Dieses Phänomen betrifft eher den Gewerbeimmobilienmarkt als den Wohnungsmarkt.

Die Investmentmärkte sind ein Spiegel der Vermietungsmärkte, denn nur (zumindest perspektivisch) vermietete Immobilien lohnen als Investment. Auf den Investmentmärkten versucht das Angebot ebenfalls die Nachfragebewegungen (beziehungsweise die erwarteten Nachfragebewegungen) zu spiegeln. Insofern gibt es auch hier eine zeitliche Asymmetrie, und das Angebot folgt eher der Nachfrage als umgekehrt.

Zeitliche Asymmetrie auch auf dem Investmentmarkt

Weil das Investmentangebot aber nicht nur aus neuen Immobilien, sondern auch aus Bestandsimmobilien zusammengesetzt ist, kann das Investmentangebot grundsätzlich schneller auf Nachfrageänderungen reagieren als auf den Vermietungsmärkten. Und weil auch die Nachfrageänderungen auf den gesamten Immobilienmarkt zielen könnten, sind auf Investmentmärkten in der Regel größere prozentuale Umschwünge möglich als auf Vermietungsmärkten. Die Preise reagieren dann schneller und heftiger als Mieten, das gilt in beide Richtungen.

Daher spielen Erwartungen auf Investmentmärkten eine viel größere Rolle als auf Vermietungsmärkten; und weil sich Erwartungen schwerer messen lassen als echte Bedarfsänderungen, kommt es auf Investmentmärkten zu Übertreibungen - nach oben sowie nach unten; vor allem dann, wenn sich Erwartungen adaptiv bilden, wenn also die Entwicklungen der letzten Perioden direkt in die Erwartungsbildung einfließen. Gute Jahre führen zu guten Erwartungen, und diese zu hohen Preisgeboten, und umgekehrt. Der dritte Immobilienmarkt, der Immobilienfinanzierungsmarkt, folgt dem Investmentmarkt. Investoren benötigen schließlich nur dann eine Finanzierung, wenn sie ein attraktives Investmentziel gefunden haben. Im Aufschwung steigen Mieten und Preise, die Kreditausfälle nehmen ab, die Risikoeinschätzung entspannt sich. Infolgedessen wächst im Aufschwung das Finanzierungsvolumen und die Bereitschaft steigt, bei Konditionen und Nebenabreden den Kreditnehmern entgegen zu kommen. Die Kreditvergabe unterstützt den Preisauftrieb bei oberflächlich betrachtet konstanten Risiken; die Relation aus Kreditvolumen und Verkehrswerten (Loanto- Value, LTV) bei Neufinanzierungen bleibt konstant - bis zu dem Punkt, an dem sich die Erwartungen der finanzierenden Institute trüben.

Finanzierer: zögernd in Erholungsphasen, vorauseilend bei Krisensignalen

Finanzierer reagieren in ihrer Erwartungsbildung häufig mit einer Wirkungsverzögerung bei beginnenden Erholungsphasen, dafür vorauseilend bei Krisensignalen gegenüber Immobilieninvestoren und -entwicklern. Dies ist durchaus rational angesichts der asymmetrischen Informationsverteilung: Banken werden letztlich durch die eigentlich im Mittelpunkt stehenden Immobilienmarktakteure informiert und beurteilen die Märkte grundsätzlich mit etwas größerer Distanz.

Hinzu kommt, dass auch der institutionelle Rahmen für Banken (Gremien, Regulierung, et cetera) die asymmetrische Marktreaktion verstärkt: Während zu Beginn eines Aufschwungs die Finanzierungsmärkte eher bremsen, befördern sie einen laufenden Aufschwung, um bei sich ankündigenden Korrekturen diese Abwärtskorrekturen durch konservativere Kreditvergabe und Verschärfung der Finanzierungsbedingungen zu verstärken.

Plateau oder harte Landung?

Ein jähes Ende eines Immobilienzyklus ist also umso unwahrscheinlicher, je stabiler die Vermietungsnachfrage ist, je weniger neue Bauten auf die Märkte kommen, je kleinteiliger diese Bauten sind, je weniger Zinsänderungen erfolgen oder erwartet werden, je geringer der Anteil flexibler Darlehen ist, je schlechter es um die Anlagealternativen bestellt ist und je weniger technische Veränderungen das Nutzerverhalten in Zukunft bestimmen könnten.

Außerdem ist die Volatilität dann gering, wenn Finanzierer im Aufschwung vergleichsweise konservativ agierten und wenn Finanzierer und Investoren ihre Erwartungen nicht hektisch anpassen. Wo stehen wir mit dieser Analyse im aktuellen immobilienwirtschaftlichen Marktumfeld? In den letzten Quartalen überwog in der Branche die Sorge vor einem nachhaltigen Zinsanstieg gegenüber den Risiken einer deutlichen konjunkturellen Abschwächung. Dabei wurden beiden Szenarien nur geringe Wahrscheinlichkeiten zugewiesen. Die meisten Marktakteure hatten allenfalls mit einer geringfügigen Zinsänderung gerechnet. Nach der obigen Argumentation hätte dies auch keine hektische Erwartungsänderung bei Banken und Investoren ausgelöst.

Gesunkenes Risiko substanzieller Zinserhöhungen

Mit der Veränderung der weltwirtschaftlichen Aussichten, wie sie eingangs präsentiert wurde, ist das Risiko substanzieller Zinserhöhungen in Europa und den USA zuletzt gesunken. Gleichzeitig sind aber die konjunkturseitigen Bedrohungen für Europa und die USA größer geworden. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für eine harte Landung gestiegen, denn die Vermietungsmärkte sind nun einmal der wichtigste Hebel für die beiden anderen Märkte: kommt es zu einer Verschlechterung der Vermietungssituation, könnten die Marktakteure ihre Erwartungen sehr schnell anpassen. Hingegen würde eine Zinsänderung nur mittelbar und zeitverzögert auf die Vermietungsmärkte wirken.1)

Außerdem gilt, dass Zinserhöhungen von den Zentralbanken lange im Voraus angekündigt werden, damit die Akteure ihre Erwartungen frühzeitig anpassen können. Schrittweise Zinsänderungen würden dann langsam in die Renditeerwartungen und somit die Immobilienpreise übertragen werden. Die Zentralbanken würden ihre Zinsschritte behutsam gehen, um gerade in Europa nicht neue Verwerfungen zu induzieren.

Aktuelle Kaufpreise implizieren steigende Mieten

Kurzum, in einer Konjunkturwelt mit anhaltend hoher Flächennachfrage und moderaten Zinssteigerungen wäre die sanfte Landung wahrscheinlicher als in einem Szenario mit Nachfragerückgang und stagnierenden oder sogar moderat fallenden Zinsen. Da in den aktuellen Kaufpreisen in vielen Fällen erwartete zukünftige Mietsteigerungen enthalten sind, kann ein Nachfragedämpfer schnell zu angepassten Erwartungen und folglich sinkenden Preisen führen.

Die Mieten würden insbesondere dort stärker nachgeben, wo das Angebot schnell und in Sprüngen gewachsen ist. Dort dürften aktuell die größten immobilienwirtschaftlichen Risiken liegen. Die heftigsten Immobilienkrisen gab es immer dort, wo nicht nur eine Nachfrageschwäche eintrat, sondern entweder das Angebot zu schnell wuchs oder die Finanzierer vorsichtiger wurden und den Zugang zu Fremdkapital erschwerten - oder wie in den USA, Spanien oder Irland beides zusammen.

Verglichen mit der Situation vor der letzten heftigen Marktkorrektur 2007/2008 sind die Beleihungsausläufe der konventionellen, von Banken vergebenen Finanzierungen deutlich konservativer und sind sogar zuletzt gesunken. Die Finanzierungsvolumina haben somit die Immobilienpreisentwicklung zumindest nicht vollständig nachvollzogen (siehe IREBS German Debt Project, 2018).2) Inwieweit dieses eher beruhigende Bild aufgrund der in jüngerer Zeit zunehmenden nachrangigen Finanzierungsvolumina aus alternativen Quellen (Kreditfonds, Direct-lending-Plattformen, et cetera) getrübt wird, lässt sich aufgrund fehlender Daten bisher nicht ermitteln.

Kein großflächiges Krisenszenario

Für die deutschen Wohnungsmärkte ist das Risiko einer harten Landung daher aktuell zwar höher als vor zwei oder drei Jahren, und sicherlich gibt es Marktsegmente, in denen es Übertreibungen gibt, doch ein großflächiges Krisenszenario ist unwahrscheinlich.

Die Risiken sind auf den Gewerbemärkten größer als auf den Wohnungsmärkten, denn auf Gewerbeimmobilienmärkten wären die konjunkturellen Auswirkungen schneller spürbar und die zyklischen Umschwünge mithin heftiger als auf den Wohnungsmärkten.

Auf Gewerbeimmobilienmärkten wächst auch das Angebot stärker in "Sprüngen", es gibt mehr Nischensegmente, in denen Finanzierer und Investoren überraschend wieder vorsichtig werden könnten und zwischen denen es weniger kurzfristige Substitutionsmöglichkeiten gibt als im Wohnungsmarkt, und dort gibt es mehr professionelle Investoren, die schneller Kapital in alternative Verwendungen lenken könnten als auf den Wohnungsmärkten.

Wie eingangs gesagt, besitzen wir keine bessere Glaskugel als andere Marktanalysten, wir sehen auch für 2019 (noch) keine akuten gesamtwirtschaftlichen Abkühlungen und folglich auch keine akuten Probleme auf den Gewerbeimmobilienmärkten und noch weniger für die Wohnungsmärkte.

Unsere Botschaft ist sozusagen in zweifacher Hinsicht relativer Natur: Zum einen hat die veränderte gesamtwirtschaftliche Großwetterlage das Risiko einer harten Landung verstärkt und zum anderen wäre von dieser Neubewertung eher die Gewerbe- und weniger die Wohnungsmärkte betroffen. Beide Aspekte sollten bei der relativen Preisbildung von Immobilien beachtet werden.

Fußnoten

1) Bei Immobilienaktien oder REITs führen Zinsänderungen allerdings sehr schnell zu Kursabschlägen.

2) Vgl. IREBS German Debt Project (2018): www.irebs-german-debt-project.de.

DER AUTOR PROF. DR. TOBIAS JUST, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, IREBS Immobilienakademie, Eltville
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DER AUTOR DR. BERNHARD SCHOLZ, Partner, RECON Advisory GmbH & Co. KG, Straßlach
 
Prof. Dr. Tobias Just , Geschäftsführer, IREBS Immobilienakademie, Eltville und Inhaber des Lehrstuhls Immobilienökonomie, Universität Regensburg

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