FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

NACHHALTIGE GEBÄUDE: SMART IST, WENN ES FUNKTIONIERT

Dr. Stefan Plesser, Foto: synavision

Die Bauindustrie zieht nach: Man kann ein Smart Building mit einem modernen, sparsamen Auto vergleichen. Durch den effizienten Motor, die optimierte Elektronik und attraktive Nutzerschnittstellen können Autos mit immer weniger Sprit immer weiter fahren und dabei Komfort und zusätzliche Services anbieten. So sieht Fortschritt aus, wie wir ihn uns wünschen. Doch würde man mit dem gleichen Auto auch bei 120 km/h nur im dritten Gang fahren oder ein E-Auto mit 190 km/h, würde der Verbrauch miserabel ausfallen. Und wenn man es planen und bauen würde wie ein Gebäude, würde es sicherlich nicht einmal eine Zulassung bekommen. Der Bauindustrie fällt heute vor die Füße, dass sie das Thema Qualität der Performance über Jahrzehnte eher statisch betrachtet hat: Mehr Dämmung und effizientere Komponenten. Smart Buildings bieten hier Chancen durch neue Technologien. Leider wird in diesen Gebäuden trotz allerlei Sensoren und effizienter Heiz- und Kühltechnik eine Menge Energie verschwendet. Aber was genau läuft schief?

Smart Buildings sind der Versuch, Gebäude durch Technologie zu verbessern. Vorweg: Ohne Technologie wird das auch nicht gehen - wir brauchen Technik in unseren Gebäuden. Aber komplexe Technik ist anspruchsvoll und gerade unter den besonderen Bedingungen des Baus sensibel. Gebäude werden von einer Vielzahl Beteiligter über Jahre als Unikate erstellt. Um beim oben genannten Vergleich zu bleiben: Es gibt nicht das Dutzend großer Autohersteller und die führenden Zulieferer. Die Baubranche ist sehr kleinteilig und Projekte finden in immer neuen Kombinationen von Akteuren statt. Das komplexe Zusammenspiel der Technik muss also in einem viel weniger strukturierten Umfeld umgesetzt werden. Entsprechend ist die Rolle des Qualitätsmanagements noch viel wichtiger als in anderen Industrien. Auch bei Smart Buildings muss an den richtigen Stellschrauben gedreht werden, damit die vernetzten Anlagen richtig funktionieren. Wenn einzelne Komponenten falsch installiert, Anlagen unzureichend gewartet oder Algorithmen fehlerhaft sind, verpufft der potenzielle Gewinn schnell völlig. Sensoren liefern zwar viele technische Daten, aber daraus müssen dann auch die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Ist das nicht der Fall, bleibt viel Potenzial auf der Strecke.

Smart Buildings haben in der Regel zahlreiche Ventile und Pumpen, um Räume so effizient wie möglich zu heizen, zu kühlen und zu belüften. Diese Komponenten sind jedoch sensibel und störungsanfällig. Deshalb müssen sie sorgfältig geplant und eingestellt werden. Tatsächlich passiert das aber oft nicht und dann liefern die Anlagen auch nicht die gewünschte Effizienz. Das Facility Management nimmt dann in seiner Not die smarten Funktionen ganz aus dem Betrieb und dreht die Anlagen per Hand auf, damit der Mieter wenigstens keine kalten Füße bekommt. Ein aktuell besonders wichtiges Thema: Wärmepumpen werden falsch eingestellt. Häufig ist die Vorlauftemperatur zu hoch eingestellt, sodass die Effizienz des Heizsystems drastisch gemindert wird. In dieser falschen Einstellung bleiben die Pumpen dann gerne mal für 30 Jahre, weil es niemand mehr kontrolliert.

Doch warum kommt es überhaupt dazu, dass die Anlagen falsch eingestellt sind? Der Druck auf Fachplaner, Betreiber oder Baufirmen ist hoch: Alle müssen in kurzer Zeit möglichst viele Projekte abwickeln und die anstehenden enormen Investitionen in Nachhaltigkeit werden den Druck noch weiter erhöhen. Und das schlägt sich massiv in der Qualität nieder. Der Planer plant nicht das, was für den Bauherrn das Beste ist, sondern was er mit seinem Wissen am besten umsetzen kann. Gleichzeitig fehlt es der Immobilienbranche an Personal und grundlegendem IT-Wissen, sodass BIM als softwarebasierter Projektprozess oder BACnet, das heute wichtigste Kommunikationsprotokoll für die Gebäudeautomatisierung, "on the fly" im Projekt erlernt werden müssen.

An einem Gebäude arbeiten mit Fachplanern, Bauträgern, General- und Subunternehmern viele Akteure zusammen, die vorher noch nie zusammengearbeitet haben. Es fehlt eine Instanz, die das große Ganze im Blick hat und das Qualitätsmanagement des Gebäudes sicherstellt. Diese Aufgabe können am besten Unternehmen für technisches Monitoring der Gebäudetechnik übernehmen. Sie begleiten den Bau von der Planung bis zur Inbetriebnahme und stellen sicher, dass funktionale Anforderungen definiert, geprüft und erreicht werden. Ein wichtiger Schritt, um diese Arbeit zu fördern, ist die AMEV-Empfehlung 158 "Technisches Monitoring" (TMon). Die Richtlinie definiert ein konkretes und vielfach angewendetes Leistungsbild. Denn um moderne Anlagen abzunehmen, reicht eine schnelle Sichtprüfung auf der Baustelle nicht aus. Die Anbieter unabhängiger Zertifizierungssysteme wie DNGB, LEED und BREEAM sind mittlerweile etabliert. Mit der Copilot-Zertifizierung gibt es nun einen Prüfprozess, der die "echte" Performance eines Gebäudes im Betrieb zertifiziert. So wird sichergestellt, dass die Vorgaben in der Praxis auch dauerhaft eingehalten werden.

Technisches Monitoring als digitales Qualitätsmanagement lohnt sich dabei auch finanziell. Die Energiekosten können bei Neubauten, Sanierungen und auch im Bestand um bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Eigentümer und Mieter profitieren von dauerhaft niedrigen Nebenkosten und technischen Anlagen, die besser funktionieren. Nach Erfahrung von Synavision amortisieren sich die Investitionen meistens schon nach weniger als einem Jahr. Andere Industrien haben es vorgemacht: Qualität entscheidet. Nun liegt es vor allem an den Bauherrn, dass sie die Möglichkeiten eines digitalen Qualitätsmanagements auch nutzen. Das ist allein schon wegen des Drucks durch bald stark steigende CO2-Preise und die EU-Taxonomie sinnvoll. Viele potenziell smarte Gebäude sind zu lange unter ihren Möglichkeiten geblieben. Es wird Zeit, dass sie ihr smartes Potenzial endlich ausschöpfen.

Dr. Stefan Plesser , Geschäftsführender Gesellschafter, synavision GmbH, Bielefeld
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