BAUSPAREN UND BAUSPARKASSEN 2021

NACHHALTIGKEIT ALS MARKENKERN DER EUROPÄISCHEN BAUSPARKASSEN

Christian König, Foto: VdPB

"Sustainable Finance" ist das dominierende Schlagwort der aktuellen Diskussionen auf europäischer Ebene. Es gibt dazu unzählige Konsultationen der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Bankenaufsicht und anderer Aufsichtsorgane. Diese prägen auch die interne Debatte über die Aufstellung der Bausparkassen als nachhaltige Kreditinstitute, wie die Ausführungen dieses Beitrags verdeutlichen. Red.

Spätestens mit der Ausrufung des Green Deals durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde deutlich, dass dieses Megathema auch die Finanzinstitute stark herausfordert. Sie sollen bei dessen Finanzierung eine zentrale Rolle spielen. Das gilt insbesondere für die geplante EU-Renovierungswelle im Gebäudesektor. Die entsprechenden Merkblätter der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken sind dabei erst der Anfang. Hier wird der Begriff Nachhaltigkeit definiert. Außerdem werden Empfehlungen für Organisation, Strategie, Unternehmensführung und Controlling abgegeben. Die Überlegungen der EBA zu einer Green Asset Ratio (GAR) zeigen, dass die Finanzinstitute schon heute Vorkehrungen dafür treffen müssen. Die GAR misst den Anteil von Vermögenswerten, die ökologisch nachhaltig sind - bei Finanzierungen etwa den Anteil Taxonomie-konformer Bilanzpositionen.

Was ist ESG-konform?

In den nächsten Wochen ist mit einer Veröffentlichung des Reformvorschlags für die Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung zu rechnen. Diese dürfte vielleicht auch kleinere Finanzinstitute verpflichten, detaillierter offen zu legen, inwieweit man bei Geschäftsentscheidungen ESG-Kriterien berücksichtigt. Dabei besteht die Schwierigkeit für alle Markteilnehmer, erst einmal festzustellen, welche Geschäfte ESG-konform sind. Die Vergabe eines Kredits an einen Verbraucher zur Finanzierung einer Solaranlage auf seinem Einfamilienhaus dürfte unstreitig als "grüne" Investition gelten. Was ist aber mit der Finanzierung einer 40 Jahre alten Immobilie, die nicht den aktuellen EnEV-Standards entspricht? Wird ein solches Darlehen nach der neuen Logik ein "braunes Darlehen" - eventuell verknüpft mit einem Disincentive für den Kreditgeber, ein derartiges Geschäft abzuschließen? Soll dies gar zu höheren Zinsen vergeben werden? Wenn ja: Wie soll dann der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum für untere und mittlere Einkommen umgesetzt werden? Können sich damit künftig nur noch Besserverdienende ein energieeffizientes Haus leisten - und werden sie dann noch zusätzlich unterstützt? Diese Fragen machen eines deutlich: Bei der Debatte zu Sustainable Finance muss die soziale Komponente, also das "S" in ESG, mitberücksichtigt werden.

Mit der Taxonomie-Verordnung wurde ein einheitliches Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit eingeführt. Es basiert auf den Arbeiten einer technischen Expertengruppe der EU-Kommission und wurde durch verschiedene Rechtsakte erweitert. Für den Gebäudesektor gibt die Taxonomie vor, dass zum Beispiel eine 30-prozentige Verbesserung der Energieeffizienz als nachhaltig gilt. Somit wäre die Finanzierung einer entsprechenden Energieeinsparmaßnahme ebenfalls als nachhaltig zu betrachten. Damit dürfte es nun leichter werden, das Geschäft der Kreditinstitute vorerst in "grün" oder "nicht grün" einzuteilen. Allerdings müssten dann in der vorvertraglichen Phase dazu die richtigen Fragen gestellt werden und der Darlehensnehmer müsste die entsprechenden Antworten liefern können - etwa:

- Was wird denn mit dem Renovierungskredit genau finanziert: der Fassadenanstrich oder auch die Fassadendämmung?

- Führt die Dämmung nachweislich zu 30 Prozent weniger Energieverbrauch?- Woher bekommt der Verbraucher beziehungsweise der Kreditgeber diesen Nachweis?

- Ist bei der finanzierten Holzpellet-Heizung auf den CO2-Ausstoß zu achten oder ist bei ihr privilegierend zu berücksichtigen, dass nur nachwachsende Rohstoffe statt fossiler Energie verbrannt werden?

- Reicht der Gebäudeenergieausweis für die Klassifizierung eines Darlehens als grünes Darlehen?

Für das Neugeschäft könnte man diese Klassifizierungen mit hohem Aufwand umsetzen. Was aber ist mit dem Kreditbestand? Besteht überhaupt eine Chance, solche Daten im Nachhinein zu erheben? Vielfach sicher nicht - und wenn doch, dürfte der Aufwand immens sein.

Sorge vor "Green Washing"

Kritiker warnen bereits vor einem gigantischen Markt für "Green Washing". Eine EU-weite Untersuchung bei Produkten und nicht-finanziellen Dienstleistungen stellte bei über 40 Prozent der Fälle irreführende beziehungsweise nicht nachprüfbare Angaben zur Nachhaltigkeit fest. Im Finanzbereich waren erste Abmahnungen einer Verbraucherzentrale Gegenstand der Presseberichterstattung in Deutschland. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warnte in einer Studie vor einem "Green-Washing-Risiko" im Geldanlagebereich.

Zeitgleich haben auch in Brüssel Diskussionen über "Green Labelling" an Fahrt aufgenommen. Während die gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission aktuell noch prüft, inwieweit man die ECO-Label-Verordnung auch für Finanzprodukte - insbesondere für grüne Einlagenkonten - nutzen kann, und die EU-Kommission angekündigt hat, in der im Herbst anstehenden Reform der Wohnimmobilienkreditrichtlinie den Begriff "grüne Hypothek" rechtlich zu definieren, hat ein in diesem Bereich tätiger europäischer Verband bereits ein eigenes Energieeffizienz-Label gestaltet und bietet dessen Nutzung gegen eine Lizenzgebühr an.

Grün ist in. Man will "First Mover" sein. Um das eigene Engagement ins richtige Licht zu rücken und ethisch zu unterfüttern, greift man schon mal auf international von staatlicher Seite aus längst eingegangene Verpflichtungen zurück wie auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen oder das Pariser Klimaabkommen. Geht es zum Beispiel um "Green Bonds", muss man wissen, dass es schon seit 2018 "Green Bond Principles" gibt. Aber auch hier erwarten wir von der EU-Kommission noch in diesem Jahr die Festlegung europäischer Standards.

Die Musik spielt in Brüssel

Nationale Initiativen sind wichtig. Sie können wertvolle Impulse setzen - so wie das der Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung Ende Februar mit der Veröffentlichung seines Abschlussberichts getan hat. Die Musik spielt bei diesem Thema aber, ob einem das passt oder nicht, in Brüssel. Dort werden die Standards gesetzt, an die sich künftig alle Marktteilnehmer halten müssen. Inwieweit ein zwischenzeitliches nationales "Gold Plating" den Aufwand rechtfertigt, muss natürlich jeder selbst wissen.

Im Vordergrund der aktuellen Debatte steht die Klassifizierung der ESG-Kriterien. Zu dem "E", also dem ökologischen Aspekt, sind mit der Taxonomie-Verordnung und den damit verbundenen Rechtstexten bereits eine Vielzahl von inhaltlichen Vorgaben gemacht worden. Das "G", wie Governance, dürfte den Finanzinstituten aufgrund der ohnehin hohen Regelungsdichte keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Offen ist allerdings, was in der EU unter dem "S", also dem sozialen Aspekt, verstanden wird. Zwar hat Europa im Vergleich mit dem Rest der Welt zweifellos einen sehr hohen sozialen Standard. Aber worauf wollen wir uns konkret einigen? Darauf, dass der jeweils national geltende Mindestlohn gezahlt wird? Das dürfte noch vergleichsweise einfach sein. Wie aber sieht es beim Thema "Equal Pay" aus? Hier stehen wir in der Diskussion noch am Anfang. Die dazu in Brüssel etablierte Plattform zu Sustain able Finance beschäftigt sich aber auch mit adäquaten Lebensumständen - unter an derem mit dem Zugang zu bezahlbarem Wohnraum.

Aufgrund ihres besonderen Geschäftsmodells tun sich die Bausparkassen mit einigen der aktuell zu erarbeitenden ESG-Kriterien leichter als andere. Das soll hier in umgekehrter Reihenfolge verdeutlicht werden.

(G) Wertebasiertes Geschäftsmodell und Kollektivgedanke: Das Geschäftsmodell der Bausparkassen ist eng mit der Genossenschaftsidee verwandt. Es verbindet in einzigartiger Form die Aspekte eigene Anstrengung und Hilfe zur Selbsthilfe. Historisch sind Bausparkassen als Sparvereine gegründet worden, um Mitgliedern ihres Kollektivs die Aufnahme zinsgünstiger Darlehen zum Erwerb von Eigenheimen zu ermöglichen. Der kollektive Gedanke besteht weiterhin in den beiden Dimensionen des Sparens und der Darlehen. Damit sind Bausparkassen Vorreiter des modernen Crowdfundings, allerdings verbunden mit einem starken Schutz durch eine spezifische Regulierung.

Die Unesco erklärte die Genossenschaftsidee im Jahr 2014 zum immateriellen Weltkulturerbe. Sie begründete dies damit, dass das gemeinschaftliche Handeln auf Solidarität, Ehrlichkeit und Verantwortung beruht. Sie erklärte, dass die Genossen schafts idee vor allem weniger privilegierten Bürgern neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe ermöglicht. Diese Idee wird auch von Bausparkassen getragen. Sie unterstützen insbesondere Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen beim Erwerb und der Renovierung von Immobilien.

(S) Wohneigentum für Normalverdiener - soziale Dimension auf der Anlageseite: Bausparverträge und das Kollektiv der Sparer sind spezifisch reguliert. Bausparen heißt sicherer, zielgerichteter und langfristiger Vermögensaufbau durch Schaffung von Wohneigentum. Im Fokus stehen normalverdienende Haushalte, die die Schwelle zum Wohneigentum erst überwinden müssen. Im Alter profitieren sie dann vom mietfreien Wohnen. Bausparen kann also grundsätzlich als nachhaltig bezüglich des "S" der ESG-Kriterien angesehen werden. Diese Wirkung entfaltet sich in wesentlichen demografischen Dimensionen: Junge Familien sind aufgrund des fehlenden Eigenkapitals häufig vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen. Die eingezahlten Beträge in der Bauspar-Ansparphase und das damit erworbene Recht auf ein Bauspardarlehen helfen ihnen, die Schwelle zum Wohneigentum zu überwinden. Bausparverträge werden zudem häufig für altersgerechte Umbauten eingesetzt. Durch die Möglichkeit, sich daheim selbst zu versorgen oder versorgt zu werden, belasten Immobilienbesitzer weit unterdurchschnittlich die sozialen Renten- und Pflegekassen.

Die spezifische Regulierung sorgt überdies dafür, dass Bausparkassen das Geld ihrer Kunden sicherheitsorientiert anlegen. Das Anlagegeschäft zeichnet sich durch Beständigkeit aus und beruht auf dem Prinzip der Langfristigkeit, nicht auf spekulativen Tagesgeschäften. Bausparkassen agieren damit weitgehend unabhängig von den Schwankungen des Kapitalmarkts.

(E) Energieeffizienter Wohnungsbau und energetische Modernisierungen - Umweltdimension auf der Darlehensseite: Spar- und Darlehensseite sind grundsätzlich auf eine wohnwirtschaftliche Nutzung wie Neubau, Kauf oder Renovierung einer Immobilie beschränkt - mit einem großen Zeithorizont. Finanziert werden häufig neue Immobilien mit einem besonders hohen Energieeffizienzstandard. Pro Jahr fließen allein durch die deutschen Bausparkassen aber auch rund 20 Milliarden Euro in Modernisierungsvorhaben - und dabei vor allem in Energieeinsparmaßnahmen. Für viele ist der Bausparvertrag längst zum Energiesparvertrag geworden. Dafür wird rechtzeitig Geld auf die Seite gelegt.

Die mit dem Green Deal angestrebte Verdoppelung der Sanierungsquote wird nur erreicht werden können, wenn die hohe Bereitschaft der Bausparer, gleichzeitig etwas für die Werterhaltung ihrer Immobilie und den Klimaschutz zu tun, noch stärker als bisher mobilisiert wird. Durch die Verknüpfung von Green Deal und dem Ziel, die EU wirtschaftlich wiederaufzubauen, haben solche Investitionen einen Zusatznutzen, der wiederum auf das "S" in ESG einzahlt.

Klare Standards als Grundvoraussetzung

Die Vorgaben und Grundsätze der EU-Taxonomie als maßgebliche Leitplanken sind zu unterstützen. Bei der Umsetzung in die nationale Gesetzgebung bedarf es klarer einheitlicher Standards zur Klassifizierung von Darlehen, abgeleitet von verfügbaren Kriterien wie zum Beispiel nationale Baunormen oder Anwendbarkeit von Förderprogrammen. Diese Klarheit ermöglicht konkrete Programme und Incentives für nachhaltigen Wohnungsbau und die angestrebte Verdopplung der Renovierungsquote bis 2030.

Die Bausparbranche arbeitet hart am Thema Sustainable Finance und engagiert sich dazu auf europäischer Ebene und im Rahmen der Umsetzung in den Mitgliedsländern. Sie kann, muss und wird ihren Beitrag zum Gelingen der EU-Renovierungswelle beitragen. Es bleibt jedenfalls noch viel zu tun, um die Pariser Klimaziele und vor allem Klimaneutralität der Gebäude bis 2050 zu erreichen!

DER AUTOR CHRISTIAN KÖNIG Geschäftsführender Direktor, Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel, und Hauptgeschäftsführer, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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Christian König , Geschäftsführender Direktor , Europäische Bausparkassenvereinigung, Brüssel
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