Pfandbriefe und Pfandbriefbanken

Negativrenditen sind der neue Normalzustand

Abbildung 1: Anteil an positiv rentierenden Papieren am Euro-Benchmarksegment (Angaben in Prozent) Quelle: Commerzbank Research

Die derzeitigen Zustände, das Anlagen keine Erträge mehr bringen, entwickeln sich laut Autor langsam aber sicher zu einem Dauerzustand. Außer bei Papieren aus Portugal und Spanien liege die durchschnittliche Verzinsung von Covered Bonds bis zu einer Laufzeit von fünf Jahren in den europäischen Staaten nun im negativen Bereich. Das laufende Jahr werde am Kapitalmarkt als Jahr des großen Renditeeinbruchs in Erinnerung bleiben. Darüber hinaus habe sich die Investorenstruktur bei Pfandbrief-Emissionen stark verändert: Während früher Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungskammern zu den größeren Anlegern gehörten, seien es nun Banken, Landesbanken und Zentralbanken. Auch für die Zukunft rechnet der Verfasser nicht nur mit weiter niedrigen, sondern sogar mit weiteren Renditerückgängen. Grund: Eine Erweiterung des EZB-Ankaufsprogramms sei nicht auszuschließen. Red.

Deutschland, ein Land der Sparer. Wir haben von Kindesbeinen an gelernt, dass Kapitalanlagen Erträge bringen - unabhängig davon, ob wir in Tagesgeld, Sparbuch, Bundesanleihe oder Pfandbrief investieren. Wir stellen der Bank oder dem Staat Geld zur Verfügung und bekommen dieses nach einer bestimmten Laufzeit - mitsamt Zinsen - zurückgezahlt. Diese Lehrbuchweisheiten sind schon länger nicht mehr gültig. Zinsen sind - wenn es sie überhaupt noch gibt - so gering, dass sie nur noch per Nachkommastelle existieren. Und Bundesanleihen rentieren bis zu einer Laufzeit von einschließlich zehn Jahren sogar schon negativ. Ein Trend, der nun auch den Pfandbriefmarkt erfasst hat, wie eine jüngst begebene Pfandbrief-Aufstockung der Deutschen Hypo gezeigt hat. Negativrenditen sind am Kapitalmarkt bei Weitem kein seltenes Phänomen mehr - sie sind schon normal.

Mitte Juni dieses Jahres hat eine neue Ära an Deutschlands Kapitalmarkt begonnen: Erstmals ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen negativ gewesen. Negativrenditen bei deutschen Staatsanleihen mit kürzerer Laufzeit sind zwar schon lange kein Phänomen mehr. Doch dass sie nun auch bei zehnjährigen Bonds Einzug halten, stellt einen einschneidenden Wendepunkt dar. Schließlich zählen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren, besonders aus so stabilen Staaten wie Deutschland, weltweit zu den nachgefragtesten Investments institutioneller Anleger.

Pfandbrief-Rendite schmilzt auf 0,2 Prozent zusammen

Die negative Renditeentwicklung zeigt sich nicht nur bei Staatsanleihen, sondern inzwischen auch bei den Pfandbriefen, für die international die Bezeichnung Covered Bonds gebräuchlich ist. Ein Blick in die Historie zeigt das ganze Ausmaß dieser Entwicklung: Im April 2009 betrug die durchschnittliche zehnjährige Rendite von Euro-Covered-Bond-Benchmarkanleihen 5,5 Prozent. Aktuell ist diese Durchschnittsrendite auf gerade einmal 0,2 Prozent zusammengeschmolzen. Unterhalb des zehnjährigen Laufzeitbandes sieht die Entwicklung noch dramatischer aus: Inzwischen notieren schon mehr als 75 Prozent aller auf Euro lautenden Benchmark-Covered-Bonds, nach Volumen gewichtet, mit einer negativen Rendite.

Anfang dieses Jahres betrug diese Quote noch nicht einmal 30 Prozent (Abbil -dung 1). Mit Ausnahme von Portugal und Spanien liegt die durchschnittliche Verzinsung von Covered Bonds bis zu einer Laufzeit von fünf Jahren in den europäischen Staaten im negativen Bereich. In diesem Jahr wird der Kapitalmarkt, so viel ist sicher, als Jahr des großen Renditeeinbruchs in Erinnerung bleiben.

Diese Rendite-Erosion der vergangenen Jahre ist insbesondere auf die Reaktion von nach Sicherheit suchenden Investoren auf die zunehmenden geopolitischen Krisen sowie auf die Nachwirkungen der Finanzkrise zurückzuführen. Daneben hat die aggressive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), mit der stetigen Ausweitung des Wertpapier-Ankaufsprogramms als Höhepunkt, zu einer immer stärkeren Verzerrung der europäischen Kapitalmärkte geführt.

Dennoch Flucht in die Sicherheit

Gerade in unsicheren Zeiten wie heute suchen institutionelle und private Anleger nach sicheren Investments. Ihre zunehmende Risikoaversion lässt sie in "sichere Häfen" investieren, also in Anleihen von wirtschaftlich, politisch und rechtlich stabilen Staaten sowie in dort emittierte gedeckte Emissionen. Je krisenreicher das weltweite Umfeld, desto größer ist die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen oder deutschen Pfandbriefen, die dank ihrer klaren gesetzlichen Verankerung und ihrer historischen Verlässlichkeit als noch sicherer eingeschätzt werden als Covered Bonds aus anderen Staaten. Dass die Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten immer größer wird, diese aber gleichzeitig am Markt immer rarer werden, lässt die Renditen schmelzen - bis hinein in den negativen Bereich.

Es ist schon paradox: Da leihen sich Staaten oder Banken Geld von Investoren und erhalten dafür auch noch Zinsen. Anleger finden sich also damit ab, dass sie am Ende der Wertpapierlaufzeit weniger Geld zurückerhalten als sie zu Beginn bereitgestellt haben. Es findet demnach tatsächlich ein Kapitalverzehr statt - eine Folge der gestiegenen Risikoaversion aufseiten der Investoren. In unsicheren Zeiten wie heute sind ihnen Sicherheit, sprich die Bonität des Emittenten, und damit der Kapitalerhalt offenbar wichtiger als eine Verzinsung der Wertpapier-Anlage.

Auch bei Deutscher Hypo Negativrenditen

Die Deutsche Hypo hat mit ihrer jüngsten Emission auch erstmals das Feld der Negativrenditen betreten. Im Juli stockte der gewerbliche Immobilienfinanzierer des Nord-LB-Konzerns einen bestehenden Hypotheken-Pfandbrief mit einer Restlaufzeit von sechseinhalb Jahren um 250 auf 750 Millionen Euro erfolgreich auf. Der Kupon zeigte zwar mit 0,25 Prozent noch einen positiven Zins, doch aufgrund des Ausgabekurses von 102,161 Prozent ergab sich bei der Aufstockung eine Rendite von minus 0,0771 Prozent. Diese Emission war damit nicht nur die erste der Deutschen Hypo mit negativer Rendite, sondern auch der Benchmark-Pfandbrief mit der bei Neuemission bisher längsten Laufzeit mit Negativrendite im Markt. Es ist gut vorstellbar, dass die Deutsche Hypo mit dieser Transaktion das Fenster für weitere Neuemissionen von Pfandbriefen mit negativer Rendite im mittleren Laufzeitsegment geöffnet hat.

Dass das Orderbuch bei dieser Aufstockung schon nach 45 Minuten mit 1,2 Milliarden Euro fünffach überzeichnet war, zeigt, dass Investoren vor Negativrenditen nicht mehr zurückschrecken. Im Gegenteil: Sie finden sich mittlerweile mit Negativrenditen als Aufbewahrungspreis für Liquidität ab. Zumal ihr Renditeabschlag bei Pfandbriefen immer noch geringer ausfällt als bei Investments in Staatsanleihen (Abbildung 2) oder bei Termineinlagen.

Starke Bewegung in der Investorenstruktur

Festzustellen ist darüber hinaus, dass sich die Investorenstruktur bei Pfandbrief-Emissionen stark verändert hat: Gehörten früher Versicherungen, Pensionskassen und Versorgungskammern zu den größeren Anlegern, tauchen sie heute nur noch selten als Pfandbrief-Investoren auf. Die aktuelle Aufstockung der Deutschen Hypo ist beispielsweise fast ausnahmslos von Banken, Landesbanken und Zentralbanken nachgefragt worden. Hintergrund: Erstens bieten Pfandbriefe den Versicherungen und Versorgungskammern keinerlei Möglichkeit mehr, die Rendite zu erwirtschaften, die nötig ist, um ihre Zusagen an Kunden und Mitglieder zu erfüllen. Daher investieren sie seit einiger Zeit nicht nur in Immobilien, sondern finanzieren verstärkt auch direkt Immobilien und treten damit oftmals als Wettbewerber oder auch als Partner etablierter Immobilienfinanzierer auf.

Ein zweiter Grund für die veränderte Investorenstruktur ist in der zunehmenden Regulatorik zu sehen, die die Nachfrage von Banken nach Pfandbriefen steigen lässt. Die Liquidity Coverage Ratio, eine Mindestliquiditätsquote, fordert, dass Banken einen Liquiditätspuffer aus vorgegebenen liquiden Aktiva halten, um eine akute, 30 Tage andauernde Stresssituation zu überstehen. Banken haben demnach ein Portfolio an Wertpapieren vorzuhalten, die sie im Notfall kurzfristig liquidieren können. Anders als ungedeckte Schuldverschreibungen gehören Pfandbriefe aufgrund ihrer Fungibilität zu den zulässigen Wertpapieren - allerdings nur, wenn das Gesamtvolumen der jeweiligen Pfandbriefemission mindestens 250 Millionen Euro beträgt. Denn erst ab diesem Volumen wird die Marktliquidität und damit die kurzfristige Veräußerbarkeit eines Wertpapiers unterstellt. Aus diesem Grund sind sogenannte Private Placements, das heißt kleinvolumige Pfandbriefe für einzelne Investoren, in der Anlegergunst gefallen.

Drittens fragt die EZB im Rahmen ihres Covered-Bond-Ankaufprogramms heutzutage jede neue Benchmark-Pfandbrief-Emission nach. In der Regel gibt sie dabei eine Order in Höhe der Hälfte des jeweilig vorgesehenen Neuemissionsvolumens ab. In Verbindung mit dem ohnehin großen Interesse auf Investorenseite führt dies zu einem Nachfrageüberhang und damit zwangsläufig auch zu einem weiteren Renditerückgang. Nimmt man das bisherige Vorgehen der EZB bei Staatsanleihen als Maßstab, konzentriert sie sich bei ihren Ankäufen auf Pfandbriefe, die eine Rendite oberhalb des aktuellen Einlagenzinssatzes von minus 0,40 Prozent bieten. Diese Marke haben die meisten Pfandbriefe noch nicht erreicht. Somit sind weitere Renditerückgänge bei Pfandbriefen durchaus möglich, zumal eine Erweiterung des EZB-Ankaufsprogramms nicht auszuschließen ist.

Investor-Relations-Arbeit als Erfolgsfaktor

Für Pfandbrief-Emittenten ist der derzeit große Nachfrageüberhang trügerisch, denn sie beruht auf temporären Marktverzerrungen. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell kann auf die derzeitigen Marktbedingungen nicht abgestellt werden. Schließlich kann die EZB ihre aggressive Geldpolitik nicht unendlich fortsetzen.

Auch wenn sich das Ende dieses breit angelegten Wertpapier-Ankaufprogramms im Moment noch nicht abzeichnet, sind Pfandbrief-Emittenten gut beraten, sich frühzeitig hierauf vorzubereiten, um keine Abhängigkeit von der EZB entstehen zu lassen. Es ist wichtig, schon jetzt verstärkt neue Anleger zu akquirieren und bestehende Investorenkontakte intensiv zu pflegen. Regelmäßige Roadshows - national wie international - bilden dabei das Kernelement erfolgreicher Investor-Relations-Arbeit.

Investoren sind im persönlichen Gespräch immer wieder neu vom Geschäftsmodell, der Strategie, der Verlässlichkeit und der Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu überzeugen. Je besser man Investoren von seinem Geschäftsmodell und dessen Nachhaltigkeit überzeugt - je enger also die Kundenbindung ist, desto leichter wird der Emittentin die Refinanzierung fallen und desto kompetitiver werden die Fundingkosten sein. Das wiederum stärkt die nachhaltige Wettbewerbsposition auf der Finanzierungsseite.

Ausgestaltung des EZB-Ankaufprogramms relevant

Was uns heute noch immer äußerst seltsam vorkommt, entwickelt sich unaufhaltsam zum neuen Normalzustand. Nachdem Firmenkunden mittlerweile schon länger mit Negativzinsen für ihre Einlagen konfrontiert werden, belegt nun mit der Raiffeisenbank Gmund die erste Bank in Deutschland auch Einlagen von Privatkunden mit einem Strafzins. Bei diesem aktuellen Marktumfeld ist davon auszugehen, dass Staatsanleihen und Pfandbriefe, die von stabilen Staaten oder Banken emittiert werden und eine kurze bis mittlere Laufzeit aufweisen, auf jeden Fall noch länger Negativrenditen aufweisen werden. Vieles hängt dabei von der Dauer und der weiteren Ausgestaltung des EZB-Ankaufsprogramms ab. Sicherheitsorientierte Investoren, die unter diesen aktuellen Marktbedingungen noch einen Ertrag erzielen wollen, werden es zukünftig noch schwerer haben, fündig zu werden. Positive Renditen scheinen - zumindest bis auf Weiteres - ein Relikt der Vergangenheit zu sein.

Der Autor

Andreas Pohl Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover

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